Begriff und Bedeutung der Herstellungskosten
Die Herstellungskosten sind ein zentraler Begriff im deutschen Handels- und Steuerrecht und spielen insbesondere in der Rechnungslegung, Bilanzierung sowie der Gewinnermittlung eine maßgebliche Rolle. Sie bezeichnen die Aufwendungen, die zur Herstellung eines Vermögensgegenstandes oder zur Erweiterung beziehungsweise wesentlichen Verbesserung eines bereits bestehenden Vermögensgegenstandes erforderlich sind. Die genaue Abgrenzung, Zusammensetzung und Bewertung der Herstellungskosten ist sowohl für Unternehmen als auch für steuerliche Zwecke von wesentlicher Bedeutung.
Gesetzliche Grundlagen der Herstellungskosten
Handelsrechtliche Definition nach HGB
Die handelsrechtliche Vorschrift zu Herstellungskosten findet sich in § 255 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB). Hier wird geregelt, welche Aufwendungen den Herstellungskosten zuzurechnen sind und welche hiervon ausgenommen werden. Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB umfassen die Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder dessen über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Dazu zählen insbesondere:
- Materialeinzelkosten
- Fertigungseinzelkosten
- Sonderkosten der Fertigung
- angemessene Teile der Materialgemeinkosten
- angemessene Teile der Fertigungsgemeinkosten
Fremdkapitalzinsen sowie Verwaltungskosten dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen einbezogen werden. Vertriebskosten bleiben unberücksichtigt.
Steuerliche Behandlung nach EStG
Für steuerliche Zwecke ist die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) relevant. Die steuerlichen Vorschriften orientieren sich weitgehend an den handelsrechtlichen Definitionen, unterscheiden sich jedoch teilweise, insbesondere bei der Behandlung aktivierungsfähiger Kostenbestandteile wie beispielsweise bestimmter Zinsaufwendungen oder Gemeinkosten.
Komponenten der Herstellungskosten
Einbeziehung von Einzel- und Gemeinkosten
Die Herstellungskosten setzen sich grundsätzlich aus Einzel- und Gemeinkosten zusammen. Zu den Einzelkosten zählen Aufwendungen, die einem Vermögensgegenstand unmittelbar zurechenbar sind, wie Material- und Fertigungslöhne. Gemeinkosten hingegen sind nur indirekt zurechenbar und werden über Umlageschlüssel auf die hergestellten Vermögensgegenstände verteilt. Im Einzelnen gehören dazu:
- Materialgemeinkosten: z. B. Lagerhaltung, Beschaffung
- Fertigungsgemeinkosten: z. B. Abschreibungen auf Werkzeuge und Maschinen
- Sonderkosten der Fertigung: direkt zurechenbare Kosten wie spezielle Werkzeuge oder Modelle
Nicht einzubeziehende Kosten
Vertriebskosten, allgemeine Verwaltungskosten und kalkulatorische Kosten dürfen nach den handelsrechtlichen und steuerlichen Vorgaben grundsätzlich nicht in die Herstellungskosten einbezogen werden. Eine Ausnahme bildet das Aktivierungswahlrecht bei bestimmten Verwaltungskosten und Fremdkapitalzinsen.
Wahlrecht bei Zinseinbeziehung
§ 255 Abs. 3 Satz 2 HGB ermöglicht ein Aktivierungswahlrecht hinsichtlich bestimmter Zinsen auf Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstandes verwendet wird. Das Aktivierungswahlrecht besteht nur, soweit die Herstellung mehr als ein Jahr andauert. Steuerrechtlich ist die Aktivierung von Zinsen jedoch regelmäßig ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Anwendungsbereiche der Herstellungskosten
Bilanzierung
Die Ermittlung der Herstellungskosten ist bei der Bewertung von Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens relevant. Mit ihnen werden selbst geschaffene Anlagen bewertet. Die richtige Ermittlung beeinflusst das ausgewiesene Eigenkapital und damit Bilanzkennzahlen sowie die steuerliche Bemessungsgrundlage.
Gewinnermittlung
Herstellungskosten spielen bei der Gewinnermittlung eine Rolle, da Aufwendungen für die Herstellung aktivierungspflichtig sind und nicht sofort als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) erscheinen. Daraus ergeben sich Unterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz.
Unterschied zu Anschaffungskosten
Im Gegensatz zu Anschaffungskosten, die beim Erwerb eines Vermögensgegenstandes anfallen, beziehen sich Herstellungskosten auf die Eigenanfertigung, Erweiterung oder wesentliche Verbesserung. Eine klare Unterscheidung ist für die korrekte Bilanzierung essenziell.
Herstellungskosten im Steuerrecht
Aktivierungspflicht
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG müssen Herstellungskosten aktiviert werden, was bedeutet, dass sie nicht als sofort abzugsfähiger Aufwand geltend gemacht werden können. Insbesondere bei der Herstellung von Gebäuden, Maschinen oder anderen Anlagegütern hat dies erhebliche Auswirkungen auf die Steuerbilanz.
Maßgeblichkeitsprinzip und Sondervorschriften
Das Maßgeblichkeitsprinzip (§ 5 Abs. 1 EStG) besagt, dass handelsrechtliche Grundsätze auch für das Steuerrecht von Bedeutung sind, soweit steuerliche Sondervorschriften nicht abweichende Regelungen treffen. Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz ergeben sich unter anderem bei der Behandlung von Zinsen und spezifischen Verwaltungskosten.
Besondere steuerliche Vorschriften
Bei der Bewertung nach steuerrechtlichen Vorgaben sind weitergehende Regelungen, wie beispielsweise zum Mindestansatz der Herstellungskosten (keine Unterbewertung) oder zu Sonderabschreibungen, zu beachten.
Herstellungskosten und International Financial Reporting Standards (IFRS)
Auch nach den internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) sind Herstellungskosten maßgebliche Bewertungsmaßstäbe für die Bilanzierung selbst geschaffener Vermögenswerte. Dabei sind die Anforderungen an die Ermittlung und Abgrenzung der Kostenbestandteile ähnlich wie im deutschen HGB, weisen jedoch im Detail Unterschiede auf, etwa bezüglich der Berücksichtigung von Entwicklungskosten.
Relevanz der Herstellungskosten in der Praxis
Die richtige Abgrenzung und Ermittlung der Herstellungskosten ist von zentraler Bedeutung für die Unternehmensbewertung, die Steuerbemessung und die Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Fehlerhafte Ermittlung kann zu steuerlichen und bilanziellen Konsequenzen führen, die sowohl für Unternehmen als auch für die jeweiligen Organe haftungsrechtlich relevant werden können.
Literaturhinweise und weiterführende Regelungen
- § 255 HGB (Handelsgesetzbuch)
- § 6 EStG (Einkommensteuergesetz)
- Deutsche Rechnungslegungsstandards (DRS 10)
- International Financial Reporting Standards (IFRS)
Hinweis: Die Herstellungskosten sind sowohl handels- als auch steuerrechtlich von größter Bedeutung und unterliegen einer Vielzahl von Regeln mit teils komplexer Detailausgestaltung. Die Berücksichtigung der aktuellen Gesetzeslage und einschlägiger Standards ist bei deren Ermittlung unerlässlich.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Ermittlung der Herstellungskosten in Deutschland?
Die Ermittlung der Herstellungskosten wird in Deutschland vor allem durch das Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt, wobei § 255 HGB eine zentrale Rolle spielt. Hierin werden die Grundsätze zur Bestimmung der Herstellungskosten für die Rechnungslegung festgelegt. Demnach umfassen die Herstellungskosten sämtliche Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Darüber hinaus sind die steuerlichen Vorschriften insbesondere im Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen, die insbesondere für die Bewertung bei der Steuerbilanz von Bedeutung sind. Das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) sowie die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) beeinflussen ebenfalls die Auslegung und Anwendung der Vorschriften.
Welche Bestandteile müssen den Herstellungskosten zwingend zugerechnet werden?
Nach § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB ist es verpflichtend, die Materialeinzelkosten, Fertigungseinzelkosten sowie die notwendigen Material- und Fertigungsgemeinkosten in die Herstellungskosten einzubeziehen. Auch Wertverzehr von Anlagen, die für die Herstellung genutzt werden (Abschreibungen), Sozialabgaben und freiwillige soziale Leistungen, soweit sie der Produktion zurechenbar sind, dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Fremdkapitalzinsen dürfen hingegen nur unter bestimmten Voraussetzungen aktiviert werden. Alle kostenrechnerisch verursachungsgerecht zuordenbaren Aufwendungen, die direkt mit der Herstellung, Erweiterung oder Verbesserung eines Vermögensgegenstandes in Zusammenhang stehen, sind Bestandteil der Herstellungskosten.
Welche Wahlrechte bestehen hinsichtlich der Einbeziehung von Gemeinkosten und Zinsen?
Das HGB sieht für bestimmte Aufwendungen ein Ansatzwahlrecht vor. So dürfen angemessene Teile der Materialgemeinkosten, Fertigungsgemeinkosten, die Kosten der allgemeinen Verwaltung, Aufwendungen für soziale Einrichtungen, freiwillige soziale Leistungen sowie für betriebliche Altersversorgung einbezogen werden, sofern sie dem Zeitraum der Herstellung zugeordnet werden können (§ 255 Abs. 2 Satz 3 HGB). Für Zinsen besteht ebenfalls ein Aktivierungswahlrecht: Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung verwendet wird, dürfen für den Zeitraum der Herstellung in die Herstellungskosten einfließen, müssen aber nicht (§ 255 Abs. 3 HGB). Es besteht für bilanzierende Unternehmen daher Spielraum im Rahmen handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Vorgaben.
Welche Kostenarten sind von der Einbeziehung in die Herstellungskosten ausgeschlossen?
Nicht einbezogen werden dürfen nach § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB Vertriebskosten oder Kosten, die nicht unmittelbar mit der Herstellung eines Vermögensgegenstandes zusammenhängen. Hierzu zählen beispielsweise Forschungs- und Vertriebskosten, außerordentliche Aufwendungen, kalkulatorische Kosten oder Aufwendungen für den allgemeinen Betrieb ohne konkreten Herstellungsbezug. Diese Abgrenzung dient der klaren Trennung produktionsbezogener und unternehmensweiter Aufwendungen, um eine sachgerechte und vergleichbare Bewertung von Vermögensgegenständen zu ermöglichen.
Welche Bedeutung haben Herstellungskosten bei der Bewertung von Vermögensgegenständen im Jahresabschluss?
Die Herstellungskosten sind von zentraler Bedeutung bei der Bewertung von selbst erstellten Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens im handelsrechtlichen Jahresabschluss. Selbsterstellte Vermögensgegenstände dürfen mit den Herstellungskosten, unter Umständen auch mit einem darin enthaltenen Gewinnaufschlag, angesetzt werden. Für das Anlagevermögen besteht diese Pflicht (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB), während beim Umlaufvermögen ebenfalls keine Bewertung unterhalb der Herstellungskosten zulässig ist. Zudem hat die genaue Bestimmung der Herstellungskosten unmittelbare Auswirkungen auf die Bilanz und den ausgewiesenen Gewinn des Unternehmens, da ein zu niedriger oder zu hoher Ansatz die Ergebnisdarstellung und damit auch die Besteuerung beeinflussen kann.
Wie wirken sich Fehler bei der Ermittlung der Herstellungskosten rechtlich aus?
Fehlerhafte Ansätze bei der Berechnung der Herstellungskosten können sowohl handels- wie auch steuerrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Unzulässige Unter- oder Überbewertungen von Vermögensgegenständen können zu einer fehlerhaften Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage führen, was gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) verstößt. Bei einer Betriebsprüfung kann dies zu entsprechenden Hinzurechnungen oder Korrekturen und damit verbundenen Nachzahlungen führen. Zudem besteht die Gefahr von Haftungsfällen für die Geschäftsleitung sowie strafrechtliche Konsequenzen bei vorsätzlicher Falschbilanzierung. Die korrekte Ermittlung und Dokumentation der Herstellungskosten ist daher ein wesentliches Element der Bilanzrechtskonformität.
Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Dokumentation der Herstellungskosten?
Gemäß § 238 HGB ist jedes handelsrechtlich bilanzierende Unternehmen verpflichtet, seine Buchführungsunterlagen und damit auch die Kalkulation und Ermittlung der Herstellungskosten nachvollziehbar und prüfbar zu dokumentieren. Dies umfasst insbesondere die genaue Aufgliederung der einbezogenen Kostenarten, deren Berechnungsgrundlagen sowie die Ermittlung der Einzel- und Gemeinkostenanteile. Für steuerliche Zwecke gelten daneben die Anforderungen der Abgabenordnung (AO), insbesondere die Aufbewahrungspflicht (§ 147 AO), die eine Vorlage der Kalkulation auch Jahre nach der Erstellung verlangt. Eine missverständliche oder fehlerhafte Dokumentation kann zu Beanstandungen im Rahmen einer Betriebsprüfung führen und die Gefahr von Schätzungen durch die Finanzverwaltung erhöhen.