Begriff und Definition der Herstellungsklage
Die Herstellungsklage ist ein Rechtsbehelf im deutschen Zivilprozessrecht, mit dem der Kläger die Herstellung eines bestimmten rechtlichen oder tatsächlichen Zustandes verlangt, der zuvor durch eine Handlung oder Unterlassung des Beklagten beeinträchtigt wurde. Sie zählt zu den möglichen Klagearten, mit denen Primärrechtsschutz erreicht werden soll, insbesondere im Zusammenhang mit Ansprüchen aus Besitz, Eigentum oder anderen Rechten, die die Wiederherstellung eines früher bestehenden Zustands zum Ziel haben.
Rechtliche Einordnung der Herstellungsklage
Systematik im deutschen Recht
Die Herstellungsklage kann verschiedenen prozessualen und materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen folgen, beispielsweise:
- § 1004 BGB (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch)
- § 862 BGB (Besitzschutz)
- § 985 BGB (Herausgabeanspruch des Eigentümers)
- § 812 BGB (Herausgabeanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung)
Die Klageform richtet sich auf eine positive Handlung des Beklagten, die zur Wiederherstellung des früheren Zustands führt, und unterscheidet sich dadurch etwa von der Unterlassungsklage, die auf das zukünftige Unterlassen einer Störung gerichtet ist.
Herstellungsklage als Leistungsklage
Im Zivilprozess wird die Herstellungsklage typischerweise als Leistungsklage eingeordnet, da sie auf ein Tun (Herstellung einer Sache, Beseitigung eines störenden Zustands, Rückgängigmachung einer Maßnahme) gerichtet ist. Dabei ist die genaue Beschreibung des zu erreichenden Zustands im Klageantrag erforderlich, da nur so die Titelbestimmtheit gewährleistet kann (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Abgrenzung zu anderen Klagearten
Die Herstellungsklage ist abzugrenzen von:
- Unterlassungsklage: Diese verlangt kein aktives Tun, sondern die Unterlassung eines rechtswidrigen Handelns.
- Feststellungsklage: Sie zielt lediglich auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nicht auf die Realherstellung eines Zustandes.
- Herausgabeklage: Zwar überschneiden sich Anwendungsbereiche, jedoch zielt die Herausgabeklage im engeren Sinne ausschließlich auf die Übergabe einer bestimmten Sache, während eine Herstellungsklage typischerweise auf die Beseitigung eines Zustands sowie ggf. eine Ersatzherstellung abzielt.
Voraussetzungen und Inhalte der Herstellungsklage
Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen
Eine erfolgreiche Herstellungsklage setzt das Bestehen eines rechtlichen oder tatsächlichen Anspruchs auf Wiederherstellung voraus. Dies kann sich insbesondere ergeben aus:
- Eigentumsrecht: Beseitigung von Beeinträchtigungen nach § 1004 BGB, sofern keine Duldungspflicht besteht.
- Besitzrecht: Wiederherstellung des ursprünglichen Besitzstandes gemäß § 862 BGB.
- Vertragsrecht: Rückabwicklung von Verträgen oder die Rückgängigmachung von Leistungen bei Rücktritt gemäß §§ 346 ff. BGB.
Inhaltliche Anforderungen an die Klageschrift
Der Klageantrag muss den herzustellenden Zustand hinreichend genau bezeichnen, damit der Beklagte weiß, was von ihm verlangt wird und um die spätere Vollstreckung zu ermöglichen (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Hierzu ist eine möglichst konkrete Beschreibung des Zustands und der notwendigen Handlungen erforderlich.
Beispiel:
„Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm errichtete Mauer auf dem Grundstück des Klägers … vollständig zu entfernen und den früheren Zustand der Grundstücksgrenze wiederherzustellen.“
Bestimmtheit und Vollstreckungsfähigkeit
Das Gericht prüft die Bestimmtheit des Klageantrags und die Umsetzbarkeit des geforderten Handelns. Ist der Antrag zu unbestimmt, droht die Klage bereits als unzulässig abgewiesen zu werden. Die Herstellungsklage muss vollstreckungsfähig sein, das heißt, der erwartete Zustand muss durch eine Zwangsvollstreckung herbeigeführt werden können.
Verfahren und Durchsetzung der Herstellungsklage
Ablauf des Verfahrens
Das gerichtliche Verfahren entspricht dem der allgemeinen Leistungsklage. Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Anspruch auf Wiederherstellung. Nach erfolgreicher Verurteilung kann der Kläger zur Vollstreckung greifen, wenn der Beklagte nicht freiwillig handelt.
Besondere Fallkonstellationen
Herstellungsklagen spielen in zahlreichen Bereichen eine Rolle, etwa:
- Nachbarschaftsstreitigkeiten (bspw. unzulässige bauliche Veränderungen)
- Störungen im Mietrecht (bspw. Entfernung rechtswidriger Einbauten)
- Verletzungen von Besitz- und Eigentumsrechten
- Maßnahmen im öffentlichen Recht (z. B. im Kommunalrecht zur Rückgängigmachung von baurechtswidrigen Zuständen)
Vollstreckung des Urteils
Das Gerichtsurteil wird regelmäßig in Form eines Leistungsurteils erlassen. Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach den Regelungen der §§ 887 ff. ZPO, insbesondere durch Ersatzvornahme, wenn der Beklagte der Verurteilung nicht nachkommt. Die Ersatzvornahme ermöglicht es dem Kläger, die Herstellungen durch Dritte auf Kosten des Beklagten ausführen zu lassen.
Besonderheiten und Grenzen der Herstellungsklage
Unmöglichkeit und Unverhältnismäßigkeit
Ein Anspruch auf Herstellung kann ausgeschlossen sein, wenn die Herstellung objektiv unmöglich ist oder der Aufwand außer Verhältnis zum gewachsenen Interesse des Anspruchsberechtigten steht (§ 275 Abs. 1 und 2 BGB). Ferner können besondere Schutzpflichten oder Rücksichtnahmepflichten die Wiederherstellung begrenzen.
Verhältnis zum Schadensersatz
Kann der Beklagte die Herstellung nicht leisten oder wird diese unmöglich, besteht oft ein Anspruch auf Schadensersatz in Form des sogenannten Herstellungsersatzes (§§ 249 ff. BGB). Hierdurch wird versucht, den Zustand wirtschaftlich durch Zahlung einer Geldsumme zu erreichen.
Hemmung und Verjährung
Herstellungsklagen unterliegen den allgemeinen verjährungsrechtlichen Vorschriften. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, kann aber abhängig vom jeweilig betroffenen Rechtsverhältnis (z. B. Eigentum, Besitz, Vertrag) abweichen.
Zusammenfassung
Die Herstellungsklage ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Zivilprozessrechts, mit dem der Kläger die Wiederherstellung eines durch eine Störung oder Rechtsverletzung beeinträchtigten Zustandes beanspruchen kann. Ihre Anwendung erfordert ein genaues Verständnis der zugrunde liegenden Anspruchsgrundlagen, der Anforderungen an den Klageantrag sowie der prozessualen Durchsetzungsmöglichkeiten. Als wirkungsvolles prozessuales Instrument ermöglicht sie die Rückgängigmachung rechtswidriger Eingriffe und bietet effektiven Primärrechtsschutz im Zivilrecht.
Häufig gestellte Fragen
Wann ist das Erheben einer Herstellungsklage im deutschen Zivilrecht zulässig?
Eine Herstellungsklage ist stets dann zulässig, wenn der Kläger von dem Beklagten die Vornahme einer bestimmten Handlung verlangt, die auf die Herstellung eines bestimmten Zustandes gerichtet ist. Insbesondere im Mietrecht (§ 535 BGB), Werkvertragsrecht (§ 631 BGB) sowie im Nachbarrecht kann eine Herstellungsklage einschlägig sein, wenn zwischen Parteien eine Verpflichtung zur Schaffung oder Wiederherstellung eines physischen oder rechtlichen Zustandes besteht. Vor Klageerhebung muss regelmäßig geprüft werden, ob ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch auf die begehrte Herstellung existiert und ob der Beklagte dieser Pflicht bislang nicht oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Auch ist zu beachten, dass die Klage nur dann Erfolg verspricht, wenn die begehrte Handlung eindeutig und bestimmt ist; unklare oder unmögliche Leistungen können nicht Gegenstand einer Herstellungsklage sein (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Welche Anforderungen stellt die Zivilprozessordnung an die Bestimmtheit des Klageantrags bei einer Herstellungsklage?
Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Klageantrag klar und eindeutig bestimmen, was vom Beklagten gefordert wird. Bei einer Herstellungsklage bedeutet das, dass der herzustellende Zustand so genau wie möglich bezeichnet werden muss. Dies betrifft sowohl die Art der herzustellenden Sache als auch ggf. deren Beschaffenheit, Lage oder Ausmaß. Unzureichend wäre beispielsweise die bloße Anspruchsformulierung „Herstellung des vertragsgemäßen Zustands“. Stattdessen sollte der Antrag konkrete Handlungen verlangen, z. B. „Der Beklagte wird verurteilt, das im Hof gelegene Gartentor auf eine Breite von 1,20 Meter so umzubauen, dass es uneingeschränkt zu öffnen ist und ordnungsgemäß schließt.“
Besteht vor Erhebung einer Herstellungsklage eine Pflicht zur vorherigen Fristsetzung durch den Kläger?
In vielen Fällen ist vor der Erhebung einer Herstellungsklage eine Fristsetzung erforderlich. Dies ergibt sich etwa aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht (§§ 281, 286 BGB) und ist regelmäßig bei vertraglichen Ansprüchen einschlägig. Ist der Anspruch auf Herstellung durch Vertrag oder Gesetz lediglich durch eine Mahnung oder Fristsetzung fällig, muss der Kläger dies substantiiert darlegen oder im Klageverfahren nachholen. Hiervon kann abgesehen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, etwa bei ernsthafter und endgültiger Leistungsverweigerung des Beklagten.
Welche weiteren Klagearten kommen in Betracht, wenn die Herstellung inzwischen unmöglich ist?
Wurde die Herstellung aus objektiven oder subjektiven Gründen unmöglich, so kann anstelle der Herstellungsklage grundsätzlich eine sogenannte Leistungsklage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung erhoben werden (§ 280 Abs. 1, 3, § 283 BGB). Teilweise kann auch eine Ersatzvornahme nach § 887 ZPO beantragt werden, sofern die Herstellung vertretbar ist, oder eine Zahlungsklage, wenn die Herstellung in Geld zu ersetzen ist. Auch kommt die Feststellungsklage nach § 256 ZPO in Betracht, wenn der Kläger feststellen lassen will, dass der Anspruch auf Herstellung nicht mehr besteht oder sich in einen anderen Anspruch umgewandelt hat.
Kann das Gericht im Wege der Zwangsvollstreckung zur Herstellung anleiten?
Ja, das Vollstreckungsverfahren unterscheidet je nach Art der verlangten Leistung. Kann die Herstellung auch durch Dritte vorgenommen werden („vertretbare Handlung“), so regelt § 887 ZPO, dass der Gläubiger auf Antrag ermächtigt werden kann, die Handlung auf Kosten des Schuldners selbst oder durch einen Dritten vornehmen zu lassen. Bei unvertretbaren Handlungen, die nur persönlich durch den Schuldner erbracht werden können, erfolgt die Vollstreckung über Zwangsgeld oder Zwangshaft nach § 888 ZPO.
Welche Kostenrisiken bestehen bei einer Herstellungsklage?
Die Höhe der Gerichtskosten und Anwaltsgebühren richtet sich nach dem Streitwert, der dem wirtschaftlichen Interesse an der begehrten Herstellung entspricht. Hinzu kommen Auslagen für Sachverständigengutachten, wenn die Herstellung streitig oder technisch anspruchsvoll ist. Im Unterliegensfall trägt der Kläger regelmäßig alle Kosten, es sei denn, das Gericht entscheidet eine abweichende Kostenquote (§ 91 ff. ZPO). Bei teilweisem Erfolg erfolgt eine entsprechende Kostenaufteilung.
Welche Rolle spielt ein Sachverständigengutachten im Verfahren der Herstellungsklage?
Da die Herstellung häufig technische, bauliche oder sonstige fachliche Elemente beinhaltet, wird das Gericht in Zweifelsfällen oder bei streitigem Vortrag regelmäßig einen Sachverständigen bestellen (§ 404 ZPO). Dieser soll insbesondere klären, welcher Zustand konkret herzustellen ist, ob dies möglich und zumutbar ist und welche Maßnahmen im Einzelnen notwendig sind. Das Gutachten ist für das Gericht ein wesentliches Beweismittel zur Beurteilung der Begründetheit der Herstellungsklage.