Begriff und rechtliche Grundlagen der Heimunterbringung
Die Heimunterbringung bezeichnet die dauerhafte oder vorübergehende Aufnahme einer Person, meist mit besonderem Schutz- oder Unterstützungsbedarf, in eine stationäre Einrichtung. Betroffen sind insbesondere Minderjährige, ältere Menschen, Menschen mit Behinderung sowie psychisch kranke Personen. Im rechtlichen Sinne umfasst der Begriff sämtliche gesetzlich geregelten Maßnahmen, bei denen eine Fremdunterbringung außerhalb des Familiensystems oder bisherigen Lebensumfelds erfolgt.
Heimunterbringung stellt einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und die persönliche Freiheit dar und ist deshalb an strenge gesetzliche Voraussetzungen und besondere Verfahren gebunden. Der gesetzliche Rahmen ergibt sich vor allem aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII), dem Betreuungsrecht, dem Unterbringungsrecht der Bundesländer sowie dem internationalen Menschenrechtsschutz.
Heimunterbringung Minderjähriger
Rechtliche Grundlagen gemäß SGB VIII
Für Minderjährige ist die Heimunterbringung primär im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) geregelt. Die Maßnahme erfolgt im Kontext öffentlicher Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere nach §§ 27 ff., § 34 SGB VIII (Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform), § 35 SGB VIII (intensivpädagogische Betreuung) und § 42 SGB VIII (Inobhutnahme).
Voraussetzungen und Ziele
Eine Heimunterbringung darf nur erfolgen, wenn das Kindeswohl gefährdet ist (§ 1666 BGB) oder eine ambulante Betreuung nicht genügt, um die Entwicklung und Erziehung zu sichern. Vorrang hat die Unterbringung in einer Pflegefamilie, sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht. Die Heimunterbringung dient dem Ziel, dem Minderjährigen Schutz, Erziehung, Förderung und individuell angepasste Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten.
Verfahren und Beteiligte
Die Entscheidung über die Heimunterbringung wird in der Regel durch das Jugendamt initiiert und bedarf ggf. der Zustimmung des Familiengerichts (insbesondere bei einer Gefährdung des Kindeswohls nach §§ 1666, 1666a BGB). Das Kind und die Sorgeberechtigten müssen angehört werden. Im Falle der Wegnahme des Sorgerechts ist ein gerichtliches Verfahren zwingend erforderlich.
Heimunterbringung volljähriger Personen
Heimunterbringung auf Grundlage des Betreuungsrechts (§ 1906 BGB)
Für Erwachsene kommt eine zwangsweise Unterbringung insbesondere bei nicht voll handlungsfähigen oder psychisch kranken Personen nach § 1906 Abs. 1 und 4 BGB in Betracht. Voraussetzung ist, dass die Person sich selbst oder andere erheblich gefährdet oder eine erforderliche Behandlung oder Fürsorge anders nicht gewährleistet werden kann.
Voraussetzungen
- Notwendigkeit der geschlossenen Unterbringung zum Wohl der betroffenen Person
- Fehlende Fähigkeit zur freien Willensbildung (z.B. bei Demenzerkrankung, psychischer Krankheit)
- Keine Alternative zur Unterbringung im Betreuten Wohnen, bei Angehörigen oder ambulanten Maßnahmen
Verfahrensablauf
Die Unterbringung verlangt regelmäßig eine gerichtliche Genehmigung des Betreuungsgerichts. Ein Sachverständigengutachten wird eingeholt, die betroffene Person hat Anspruch auf Anhörung durch das Gericht. Die Entscheidung kann nur für eine begrenzte Dauer erfolgen, regelmäßige Überprüfung ist vorgeschrieben.
Öffentliche-rechtliche Unterbringungsgesetze (Psychisch-Kranken-Gesetze)
Die Länder verfügen über eigene Regelungen zur Unterbringung psychisch Kranker in Anstalten, besonders im Falle akuter Eigen- oder Fremdgefährdung (z.B. PsychKG in den jeweiligen Landesgesetzen).
Heimunterbringung älterer und pflegebedürftiger Menschen
Privatrechtliche Anforderungen
Die Heimunterbringung älterer Menschen erfolgt in der Regel auf freiwilliger Basis aufgrund von Pflegebedürftigkeit (§§ 14, 15 SGB XI) und einem privatrechtlichen Vertrag mit einem Pflegeheim (Heimvertrag gemäß Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz – WBVG).
Schutzvorschriften
Pflegeheime und sonstige stationäre Einrichtungen unterliegen gesetzlichen Qualitätsanforderungen (SGB XI, Heimgesetze der Länder, WBVG), die Schutz und Rechte der Bewohner sicherstellen sollen. Zwangsmaßnahmen (z.B. Bettgitter, Sedierung) sind nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig und erfordern gerichtliche Genehmigung (§§ 1906, 1906a BGB).
Verfassungsrechtliche und menschenrechtliche Rahmenbedingungen
Die Heimunterbringung greift in das in Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (Freiheit der Person) geschützte Recht auf persönliche Freiheit ein. Eingriffe dürfen nur auf gesetzlicher Grundlage, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und verfahrensrechtlicher Sicherungen erfolgen.
Auf europäischer Ebene regelt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), insbesondere Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit), die Voraussetzungen und Grenzen einer Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen.
Rechte der Betroffenen und Rechtsschutzmöglichkeiten
Verfahrensrechte
Betroffene haben im Rahmen eines Unterbringungsverfahrens das Recht auf personale Anhörung, Beiordnung eines Verfahrenspflegers oder Rechtsbeistands sowie auf gerichtliche Überprüfung der Maßnahme. Gegen Heimunterbringung kann Beschwerde eingelegt werden (z.B. Beschwerde gegen betreuungsgerichtliche Entscheidung nach FamFG).
Betreuung und Unterstützung
Im Rahmen der Heimunterbringung sind die Anwendung des Wunsch- und Wahlrechts (§ 9 SGB XI, § 8 SGB VIII), Schutz vor freiheitsentziehenden Maßnahmen, Informationsrechte sowie Mitbestimmungsrechte (z.B. Heimbeirat) vorgesehen.
Zusammenfassung und Abgrenzung
Die Heimunterbringung stellt einen zentralen, vielschichtigen Rechtsbegriff im deutschen Sozial- und Betreuungsrecht dar. Sie dient dem Schutz und der Fürsorge besonders schutzbedürftiger Personengruppen, deren Bedarf an stationärer Versorgung anders nicht gedeckt werden kann. Die Maßnahme ist stets an gerichtliche Kontrolle, gesetzliche Voraussetzungen und weitreichende Verfahrensgarantien gebunden, um die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu wahren. Die rechtlichen Regelungen unterscheiden sich je nach Alter, Gesundheitszustand und Betreuungsbedarf der untergebrachten Person sowie nach dem jeweiligen Rechtsgebiet.
Häufig gestellte Fragen
Wer entscheidet über eine Heimunterbringung und welches Verfahren ist dabei zu beachten?
Über eine Heimunterbringung kann grundsätzlich nicht eigenmächtig von Angehörigen oder Pflegenden entschieden werden, auch wenn deren Sorge- oder Betreuungsberechtigung besteht. Im rechtlichen Kontext ist bei einer Heimunterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist (z. B. durch Abschließen von Türen oder Bettgitter), zwingend die Genehmigung durch das zuständige Betreuungsgericht erforderlich (§ 1906 BGB). Dies gilt sowohl bei einer neuen Unterbringung als auch bei einer Verlängerung der Maßnahme. Das gerichtliche Verfahren beinhaltet die Anhörung der betroffenen Person, die Einholung eines aktuellen medizinischen Gutachtens sowie gegebenenfalls die Stellungnahme des Betreuers oder Bevollmächtigten. Ziel ist stets die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Maßnahme sowie der Wahrung der Grundrechte des Betroffenen. Bei Minderjährigen werden die Regelungen der §§ 1631b, 1800 ff. BGB relevant.
Welche Voraussetzungen müssen für eine genehmigungspflichtige Heimunterbringung vorliegen?
Voraussetzung für eine betreuungsgerichtlich genehmigungsbedürftige Heimunterbringung ist das Vorliegen einer erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung, insbesondere geistiger oder seelischer Art, die es der betroffenen Person unmöglich macht, den eigenen Aufenthalt frei zu bestimmen. Hinzu kommt die konkrete Gefahr signifikanter Selbstgefährdung (z. B. Suizidgefahr, Selbstverletzungen) oder erheblichen Fremdgefährdungspotentials. Die bloße Hilfsbedürftigkeit oder ein starker Pflegebedarf reichen nicht aus. Die Unterbringung darf zudem nur angeordnet werden, wenn alle anderen, weniger eingreifenden Maßnahmen (z. B. ambulanter Pflegedienst, betreutes Wohnen) nicht ausreichend sind, um die Gefahr abzuwenden. Die Maßnahme muss stets verhältnismäßig sein.
Welche Rechte hat die betroffene Person im Unterbringungsverfahren?
Die betroffene Person hat im Unterbringungsverfahren umfangreiche Rechte. Sie wird gemäß § 319 FamFG persönlich angehört, sofern dem nicht schwerwiegende medizinische Gründe entgegenstehen. Die Anhörung muss in der Regel in der üblichen Umgebung, also möglichst im Heim oder Krankenhaus, erfolgen. Die betroffene Person hat zudem Anspruch auf einen Verfahrensbeistand („Anwalt des Betroffenen“). Dieser achtet darauf, dass ihre Interessen besonders berücksichtigt werden. Daneben steht die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts zu (Rechtsmittel nach § 58 FamFG). Die Rechte auf persönliche Freiheit und Selbstbestimmung sind grundrechtlich geschützt und dürfen nur aufgrund einer gerichtlichen Anordnung und nur bei strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingeschränkt werden.
Welche Rolle spielt die Vorsorgevollmacht oder Betreuung im Rahmen der Heimunterbringung?
Eine bestehende Vorsorgevollmacht kann dazu berechtigen, eine Heimunterbringung zu veranlassen. Allerdings ersetzt die Vollmacht nicht die gerichtliche Genehmigung, wenn mit der Unterbringung eine Freiheitsbeschränkung verbunden ist. Auch in solchen Fällen muss der (Bevollmächtigte) eine gerichtliche Entscheidung beantragen. Ist keine Vorsorgevollmacht vorhanden, bestellt das Betreuungsgericht einen Betreuer für den Aufgabenbereich „Aufenthaltsbestimmung“ und/oder „Gesundheitssorge“. Auch der Betreuer benötigt für freiheitsentziehende Maßnahmen die Genehmigung des Gerichts. Die Mitwirkungspflichten und Kontrollrechte sollen sicherstellen, dass die Rechte der zu betreuenden Person nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden.
Was ist unter dem Begriff „freiheitsentziehende Maßnahmen“ im Zusammenhang mit Heimunterbringung zu verstehen?
Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) umfassen im rechtlichen Sinn alle Vorkehrungen, durch die die Bewegungsfreiheit der betroffenen Person gegen deren natürlichen Willen eingeschränkt wird. Hierzu zählen z. B. das Abschließen von Türen (auch im eigenen Zimmer), der Einsatz von Bettgittern, Fixierungen, sedierende Medikamente mit Bewegungshemmung oder ähnliche Handlungen. Solche Maßnahmen erfordern eine gesonderte ausdrückliche richterliche Genehmigung auch dann, wenn sie im Rahmen einer Heimunterbringung erfolgen, da sie einen massiven Grundrechtseingriff (Art. 2 Abs. 2 GG) darstellen. Auch kurzfristige oder wiederholte kleinteilige Anwendungsfälle können als genehmigungspflichtig angesehen werden. Die Notwendigkeit (medizinisch/therapeutisch) und die Verhältnismäßigkeit sind gegenüber weniger eingreifenden Möglichkeiten besonders zu begründen und fortlaufend zu überprüfen.
Wie lange gilt eine gerichtliche Genehmigung zur Heimunterbringung und wann muss sie erneuert werden?
Gerichtliche Genehmigungen zur Heimunterbringung sind grundsätzlich befristet. Nach § 329 FamFG darf die Genehmigung maximal für einen Zeitraum von zwei Jahren erteilt werden. In besonders begründeten Einzelfällen kann sie auch kürzer (etwa ein Jahr) befristet werden, insbesondere dann, wenn sich Veränderungen im Gesundheitszustand der betroffenen Person erwarten lassen. Spätestens nach Ablauf dieses Zeitraums ist die Maßnahme gegenüber dem Gericht erneut zu begründen, neu zu beantragen und nach den aktuellen Umständen zu beurteilen. Eine unbefristete Heimunterbringung ist rechtlich unzulässig. Das Gericht prüft fortwährend, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung weiterhin vorliegen oder ob eine Lockerung oder Aufhebung möglich ist.