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Handlungswille


Handlungswille: Begriff, rechtliche Bedeutung und Abgrenzungen

Bedeutung und Definition des Handlungswillens

Der Handlungswille ist ein grundlegendes Element im deutschen Zivilrecht und bildet einen Teil des Willensakts bei der Abgabe von Willenserklärungen. Im rechtlichen Kontext bezeichnet der Handlungswille das Bewusstsein und den Willen einer Person, überhaupt eine auf einen rechtlichen Erfolg ausgerichtete Handlung vorzunehmen. Er ist somit von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften und wird in Wissenschaft und Rechtsprechung sowohl in seiner eigenständigen Funktion als auch in Abgrenzung zu anderen Willenselementen behandelt.

Wesensmerkmale des Handlungswillens

Der Handlungswille ist das bewusste Wollen eines äußeren Verhaltens. Im Rahmen der Willenserklärung setzt er sich von anderen Willenselementen wie dem Erklärungsbewusstsein und dem Geschäftswillen ab. Der Handlungswille bedeutet, dass der Handelnde sich darüber im Klaren ist, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen – beispielsweise das Abgeben einer mündlichen Erklärung oder das Unterschreiben eines Vertragsdokuments. Fehlt dieses Bewusstsein, handelt es sich um eine rein reflexhafte oder sonst nicht willentliche Bewegung, die keine rechtlichen Bindungen entfalten kann.

Abgrenzung zum Erklärungsbewusstsein und Geschäftswillen

Während sich der Handlungswille auf das tatsächliche Tun richtet, bezieht sich das Erklärungsbewusstsein auf das Bewusstsein, eine rechtlich erhebliche Erklärung abzugeben. Der Geschäftswille schließlich bezeichnet das Ziel, mit der Erklärung einen bestimmten rechtlichen Erfolg (beispielsweise einen Vertragsschluss) herbeizuführen. In der Systematik des deutschen Rechts müssen idealerweise alle drei Elemente vorhanden sein, allerdings ist der Handlungswille unabdingbar.

Handlungswille im Kontext der Willenserklärung

Voraussetzungen der Willenserklärung

Eine Willenserklärung setzt sich klassisch aus folgenden Elementen zusammen:

  • Handlungswille (das bewusste Handeln)
  • Erklärungsbewusstsein (das Bewusstsein, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben)
  • Geschäftswille (das Bewusstsein, ein konkretes Rechtsgeschäft herbeizuführen)

Der Handlungswille stellt dabei die Grundlage dar. Fehlt er, liegt keine wirksame Willenserklärung vor. Das deutsche Recht legt großen Wert auf eine freie und willensgesteuerte Erklärung, weshalb Automatismen, Reflexe und Handlungen unter Zwang oder Hypnose keinen Handlungswillen und damit keine Willenserklärung begründen.

Beispiele für fehlenden Handlungswillen

  • Reflexhandlungen: Wird eine Unterschrift infolge eines Muskelzuckens geleistet, fehlt der Handlungswille.
  • Bewusstlosigkeit, Schlaf: Eine während des Schlafs oder im bewusstlosen Zustand erfolgte Handlung ist nicht willensgesteuert.
  • Hypnose, körperlicher Zwang: Das Verhalten unter Hypnose oder bei durch Dritte herbeigeführtem körperlichen Zwang begründet keinen Handlungswillen.

Rechtsfolgen des fehlenden Handlungswillens

Unwirksamkeit der Willenserklärung

Liegt kein Handlungswille vor, wird die betreffende Erklärung rechtlich als nicht existent angesehen. Es fehlt ein essentielles Tatbestandsmerkmal der Willenserklärung, sodass keine Rechtsfolgen – etwa ein Vertragsabschluss – eintreten können. Dies stellt einen Unterschied zu Konstellationen dar, in denen lediglich Erklärungsbewusstsein oder Geschäftswille fehlen: Dort kann in engen Grenzen trotzdem eine Willenserklärung angenommen werden, sofern der Verkehrsschutz es gebietet.

Irrtum und Anfechtung

Kommt eine Handlung ohne Handlungswille zustande, etwa durch Überrumpelung oder Reflex, ist eine Anfechtung der Erklärung nicht erforderlich, da es bereits an einer Willenserklärung fehlt. Die gesetzlichen Vorschriften bezüglich Irrtum und Anfechtbarkeit (§§ 119 ff. BGB) greifen erst, wenn überhaupt eine willensgesteuerte Erklärung vorliegt.

Handlungswille im Strafrecht

Auch im Strafrecht spielt der Handlungswille eine essenzielle Rolle. Eine tatbestandsmäßige Handlung kann nur vorliegen, wenn sie vom Handlungswillen getragen ist. Rein willenslose Handlungen (z. B. im Zustand der Bewusstlosigkeit oder bei epileptischen Anfällen) erfüllen objektiv keine Tathandlung im strafrechtlichen Sinne.

Handlungswille im Verwaltungsrecht

Im Verwaltungsrecht ist bei der Abgabe von öffentlichen Erklärungen, beispielsweise Verwaltungsakten, ebenso zu prüfen, ob ein Handlungswille vorliegt. Fehlender Handlungswille, beispielsweise bei technischen Übermittlungsfehlern oder entschuldigtem Irrtum, kann die Rechtswirksamkeit des Verwaltungsakts beeinflussen.

Literatur und Entwicklungsgeschichte

Die systematische Unterscheidung zwischen Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswillen findet ihren Ursprung in der Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts und ist bis heute von Bedeutung. Fachliteratur und Rechtsprechung vertreten diesen Ansatz weitgehend einheitlich. Streitfragen entstehen oftmals an den Schnittstellen zu Fragen der Anfechtbarkeit oder im Rahmen technisierter Erklärungsabgaben (z. B. Online-Verträge).

Zusammenfassung

Der Handlungswille ist ein zentrales Begriffselement im Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht. Er bildet die unerlässliche Grundlage für jede Willenserklärung und unterscheidet sich von anderen Willenselementen wie dem Erklärungsbewusstsein und dem Geschäftswillen. Fehlt der Handlungswille, entfallen sämtliche Rechtsfolgen einer Erklärung, sodass der fehlende Handlungswille die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von vornherein ausschließt. Die präzise Prüfung und Abgrenzung sind daher sowohl für die Auslegung von Willenserklärungen als auch für die rechtliche Beurteilung anderer Erklärungen unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielt der Handlungswille im Strafrecht?

Der Handlungswille ist im Strafrecht von zentraler Bedeutung, da er das notwendige Element bildet, um eine menschliche Handlung überhaupt als strafrechtlich relevant anzusehen. Eine Straftat setzt nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen voraus, dass der Täter willensgetragen tätig wird, also nicht nur eine äußere Bewegung vornimmt, sondern für diese Bewegung auch ursächlich ist. Dabei reicht für die Annahme eines Handlungswillens die bewusste Steuerung der Bewegung durch die Willenskraft des Handelnden. Fehlt dieser Handlungswille, etwa weil die Bewegung im Zustand tiefer Bewusstlosigkeit, während eines epileptischen Anfalls, im Reflex oder als Folge vis absoluta (also aufgrund unüberwindbaren physischen Zwanges) erfolgt, liegt keine Handlung im strafrechtlichen Sinne vor. Damit entfällt dann regelmäßig bereits der subjektive Tatbestand, und es kann nicht zur Strafbarkeit kommen.

Wie wird der Handlungswille von Automatismen und Reflexen abgegrenzt?

Im rechtlichen Kontext ist die Unterscheidung zwischen Handlungswille und nicht willensgetragenen Bewegungsabläufen besonders bedeutsam. Automatismen und Reflexe sind Bewegungen, die ohne bewusste Steuerung des Willens ablaufen. Reflexe erfolgen regelmäßig auf einen äußeren Reiz und unterliegen nicht der bewussten Steuerung des Handelnden. Ein typisches Beispiel wäre das Augenzwinkern beim plötzlichen Lichteinfall. Automatismen dagegen sind zwar wiederholte und routinierte Bewegungsabläufe, entziehen sich in einzelnen Fällen aber manchmal ebenfalls der bewussten Willenskontrolle, etwa bei bestimmten affektiven oder gesundheitlich bedingten Zuständen. Aus rechtlicher Sicht fehlt in solchen Fällen der Handlungswille, sodass keine strafrechtlich relevante Handlung gegeben ist. Die Rechtsprechung prüft daher in jedem Einzelfall sorgfältig, ob noch eine bewusste Steuerung vorlag oder nicht.

Welche Bedeutung hat das Fehlen des Handlungswillens im Zivilrecht?

Auch im Zivilrecht ist das Vorliegen eines Handlungswillens erforderlich, beispielsweise für die Wirksamkeit einer Willenserklärung. Ist die Erklärung „im Schlaf“ oder unter Hypnose abgegeben worden, fehlt die bewusste Steuerung des Erklärenden, womit eine wirksame Willenserklärung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Ebenso finden sich Konstellationen, in denen vis absoluta die Bewegung des Körpers bestimmt, was dazu führt, dass keine rechtlich erhebliche Handlung vorliegt. Die Rechtsprechung und Literatur behandeln das Fehlen des Handlungswillens regelmäßig als Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund einer Erklärung (bspw. § 105 BGB für Geschäftsunfähigkeit bei Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit), falls die notwendige Steuerungsfähigkeit nicht gegeben ist.

Wie wird der Handlungswille im Verwaltungsrecht überprüft?

Im Verwaltungsrecht prüft man das Vorliegen eines Handlungswillens insbesondere bei der Abgabe von Anträgen, Erklärungen oder dem Mitwirken an Verwaltungsakten. Ein Verwaltungsakt, der von einer offensichtlich bewusstlosen oder psychisch nicht steuerungsfähigen Person beantragt oder abgelehnt wird, ist regelmäßig unwirksam, da bereits das Tatbestandsmerkmal der bewusst gewollten Handlungsbetätigung nicht erfüllt ist. Die Behörde muss, gegebenenfalls auch anhand ärztlicher oder psychologischer Gutachten, ermitteln, ob zum entscheidenden Zeitpunkt der Erklärung oder Antragstellung ein Handlungswille vorlag.

Gibt es juristische Sonderfälle, in denen der Handlungswille trotz fehlender bewusster Steuerung bejaht wird?

Es existieren vereinzelt Grenzfälle, in denen trotz fehlender voller bewusster Steuerung dennoch eine Zurechnung zur handelnden Person angenommen wird. Beispielsweise wird beim sogenannten „Handeln im Zustand verminderter Steuerungsfähigkeit“ (etwa im Affekt) teilweise angenommen, dass zumindest ein reduzierter Handlungswille, der eine gewisse Selbstkontrolle noch zulässt, ausreicht. Gleiches gilt für Fälle eingespielter Automatismen im beruflichen Alltag (Fließbandarbeit), sofern der Handelnde nicht vollkommen gedankenlos, sondern mit einem Mindestmaß an Bewusstsein agiert. Maßgeblich ist immer, ob noch ein Mindestmaß an willentlicher Steuerungsfähigkeit bestand.

Wie unterscheiden sich Handlungswille und sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale?

Der Handlungswille bildet die Grundlage jeder strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Handlung, ist aber von anderen subjektiven Tatbestandsmerkmalen wie Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu unterscheiden. Während diese anderen Merkmale auf die innere Einstellung zum tatbestandlichen Erfolg beziehungsweise auf die Kenntnis und das Wollen oder tolerierende Inkaufnahme des Erfolgs abzielen, bezieht sich der Handlungswille ausschließlich auf die Frage, ob überhaupt ein willensgetragener Akt gegeben ist. Der Handlungswille muss demnach immer vor der Prüfung des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit festgestellt werden, da ohne Handlungswille schon keine Handlung im juristischen Sinne vorliegt.

Wie kann das Vorliegen oder Fehlen des Handlungswillens im Prozess festgestellt werden?

Die Feststellung des Handlungswillens erfolgt durch eine Gesamtbewertung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls. Im Straf- und Zivilprozess greift das Gericht auf Zeugenaussagen, medizinische Gutachten, Videoaufzeichnungen oder andere Beweismittel zurück. Besonders relevant ist dies bei Unfällen, mutmaßlichen Straftaten unter Alkoholeinfluss, Bewusstseinsstörungen oder psychischen Ausnahmesituationen. Die Beweislast liegt regelmäßig bei der Partei, die sich auf das Fehlen des Handlungswillens beruft, wobei die Umstände klar und zweifelsfrei nachgewiesen werden müssen.

Welche Rechtsfolgen hat das Fehlen des Handlungswillens?

Fehlt der Handlungswille, entfällt bereits das erste Tatbestandsmerkmal einer Handlung. Im Strafrecht führt dieses Fehlen dazu, dass der Täter nicht bestraft werden kann, da keine strafrechtliche relevante Handlung vorliegt. Im Zivilrecht bedeutet das Fehlen des Handlungswillens, dass die abgegebene Willenserklärung grundsätzlich als nichtig angesehen wird. Besteht kein Handlungswille bei einer Verwaltungsaktserklärung, ist die Erklärung ebenfalls unwirksam. Das Fehlen des Handlungswillens stellt in allen Rechtsgebieten daher eine entscheidende Zäsur dar, die jegliche rechtliche Folgen der betreffenden Handlung ausschließt.