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Handlungsstörer


Begriff und rechtliche Einordnung des Handlungsstörers

Der Begriff Handlungsstörer ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts. Er bezeichnet nach allgemeiner Auffassung diejenige Person, deren aktives Tun ursächlich für eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist. Im Rahmen der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit bildet der Handlungsstörer zusammen mit dem Zustandsstörer die Hauptgruppen möglicher Adressaten von polizeilichen Maßnahmen.

Begriffliche Abgrenzung und Definition

Als Handlungsstörer gilt, wer durch sein positives Verhalten (Handeln oder Unterlassen, sofern eine Rechtspflicht zum Handeln besteht) unmittelbar eine Gefahr verursacht. Die Grundlage für die Heranziehung eines Handlungsstörers zu polizeilichen Maßnahmen findet sich in den Polizei- und Ordnungsbehördengesetzen der Länder (z. B. § 6 Abs. 1 PolG NRW, § 17 Abs. 1 OBG NRW oder §§ 4-6 SOG Hamburg).

Abgrenzung zum Zustandsstörer

Im Unterschied zum Handlungsstörer ist der Zustandsstörer nicht durch aktives Tun, sondern durch das Innehaben einer sachlichen oder rechtlichen Zustandsverantwortlichkeit für eine Gefahr verantwortlich (z. B. als Eigentümer einer Gefahrenquelle).

Nachbarstellung: Zweckveranlasser

Daneben existiert die Figur des Zweckveranlassers, der eine Gefahr hervorrufen kann, indem sein Verhalten Dritte zu störendem Handeln veranlasst (z. B. Veranstalter gefährdender Versammlungen). In der Praxis überschneiden sich die Kategorien gelegentlich, die normative Zuordnung bleibt jedoch für die Verantwortungszurechnung von Bedeutung.

Rechtliche Voraussetzungen der Handlungsstörereigenschaft

Kausalität

Voraussetzung für die Annahme einer Handlungsstörereigenschaft ist die Kausalität zwischen der Handlung der betreffenden Person und der eingetretenen Gefahr. Daher muss das Verhalten des Störers zumindest adäquat-kausal zur konkreten Gefahrenlage führen.

Unmittelbarkeit des Störerverhaltens

Die Verantwortung als Handlungsstörer setzt voraus, dass das Verhalten unmittelbar zu einer Störung führt, also nicht nur einen entfernten Anlass darstellt. Dies unterstreicht das Prinzip der effektiven Gefahrenabwehr und gibt praktische Leitlinien für die Anwendbarkeit polizeilicher Maßnahmen.

Relevante Handlungen

Handlungen, die eine Störereigenschaft begründen, sind insbesondere:

  • Aktives Tun, das eine Gefahr verursacht (z. B. Wegräumen einer Warnbake auf der Straße)
  • Unterlassen einer gefahrabwendenden Handlung, wenn eine rechtliche Verpflichtung dazu besteht (z. B. Unterlassen des Abschaltens gefährlicher Anlagen trotz Pflicht)
  • Veranlassung Dritter zur Gefahrerzeugung durch eigenes Verhalten

Adressatenstellung und Verantwortlichkeit

Polizeirechtliche Grundlage

Die Handlungsstörereigenschaft ist die zentrale Grundlage dafür, gegen wen die Polizei oder Ordnungsbehörden Maßnahmen zur Gefahrabwehr richten können. Dies ist in allen Polizei- und Sicherheitsgesetzen der Länder geregelt. Der Handlungsstörer ist regelmäßig der primäre Adressat solcher Eingriffe.

Mehrfachverantwortlichkeit

In Fällen, in denen mehrere Personen zur Gefahrenlage beigetragen haben, können alle Beteiligten (Mitverantwortlichen) als Handlungsstörer zur Verantwortung gezogen werden. Die Wahl, gegen wen vorrangig vorgegangen wird, obliegt dem Auswahlermessen der Behörde.

Besonderheiten bei Minderjährigen und Geschäftsunfähigen

Ist der Handlungsstörer minderjährig oder nicht geschäftsfähig, so sind Regelungen zu beachten, die auf den gesetzlichen Vertreter verweisen. Die Verantwortlichkeit kann in solchen Fällen grundsätzlich auf diesen übergehen.

Rechtsschutz und Haftung

Anfechtbarkeit polizeilicher Maßnahmen

Gegen die Heranziehung als Handlungsstörer stehen betroffenen Personen Rechtsmittel offen, insbesondere der Widerspruch und die Anfechtungsklage vor den Verwaltungsgerichten. Maßstab ist dabei die Kausalitätsprüfung und die unmittelbare Gefahrenverursachung.

Kostenersatz und Folgen

Wer als Handlungsstörer eingestuft und Adressat polizeilicher Maßnahmen wird, kann zum Ersatz der daraus entstehenden Kosten verpflichtet sein (§§ 77 ff. VwVG, Landesregelungen). Auch Schadensersatzansprüche können gegen Handlungsstörer geltend gemacht werden, etwa wenn Dritte geschädigt werden und eine zivilrechtliche Haftung eingreift (§§ 823 ff. BGB).

Sonderfälle: Handlungsstörer im privaten und öffentlichen Recht

Öffentliche Sicherheit und Ordnung

Im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfolgt die Störereigenschaft nach den oben genannten Kriterien. Das polizeirechtliche System sieht grundsätzlich keine Begrenzung auf öffentliche Gefahren vor, sondern umfasst auch den Schutz privat-rechtlicher Güter, sofern eine entsprechende Gefährdungslage besteht.

Zivilrechtliche Verantwortung

Im Zivilrecht kann das Konzept der Handlungsstörereigenschaft in ähnlicher Weise Anwendung finden, z. B. im Rahmen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs (§ 906 BGB analog) oder im Wege der Gefährdungshaftung.

Abgrenzung: Nichtstörer, Nichtverantwortlichkeit und Drittmaßnahme

Nicht jede Person, die mit einer Störung in Berührung kommt, ist zwangsläufig Handlungsstörer. Liegen keine ursächlichen Handlungen vor, besteht keine polizeirechtliche Störerhaftung. In der Rechtsanwendung bedeutsam sind daher die exakte Feststellung der tatsächlichen Verursachung und die Präzisierung, ob Alternativen wie der Rückgriff auf den Zustandsstörer oder die Ergreifung von Maßnahmen gegen Dritte (Nichtstörer) in Betracht kommen.

Bedeutung und Praxisrelevanz

Die Handlungsstörereigenschaft ist ein zentrales steuerndes Element im Polizei- und Ordnungsrecht, um individuelle Verantwortlichkeit für Gefahrenlagen festzustellen und praxisgerecht die Adressaten staatlicher Eingriffe auszuwählen. Sie stellt sicher, dass Maßnahmen effektiv, verhältnismäßig und rechtssicher gegen den eigentlichen Verursacher einer Gefahr eingesetzt werden.

Zusammenfassung

Der Handlungsstörer ist die Person, die durch ihr aktives Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung hervorruft und damit im Polizei- und Ordnungsrecht (sowie teilweise im Zivilrecht) als Hauptadressat von Eingriffsmaßnahmen fungiert. Voraussetzung ist eine adäquate Kausalität der Handlung für die konkrete Gefahr. Die rechtliche Beurteilung der Handlungsstörereigenschaft erfolgt nach feststehenden Grundsätzen der Kausalität, Unmittelbarkeit und Verantwortlichkeit.


Schlagworte: Handlungsstörer, Polizei- und Ordnungsrecht, Adressat, Gefahrenabwehr, Verantwortlichkeit, öffentliche Sicherheit, Störer, Zustandsstörer, Zweckveranlasser, Kostenersatz, polizeiliche Maßnahmen, Kausalität, Rechtslexikon.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist eine natürliche Person im rechtlichen Sinne als Handlungsstörer zu qualifizieren?

Eine natürliche Person wird im rechtlichen Sinne als Handlungsstörer qualifiziert, wenn sie durch ihr aktives, willensgesteuertes Verhalten unmittelbar oder mittelbar eine Störung verursacht oder die Gefahr einer Störung des geschützten Rechtsguts herbeiführt. Maßgeblich ist dabei das steuerbare Verhalten, sodass bloßes Unterlassen nur unter bestimmten Voraussetzungen relevant wird, etwa wenn den Handelnden eine Verkehrssicherungspflicht trifft. Die Handlung kann sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig erfolgen. Entscheidend ist, dass der kausale Beitrag der Person zur Störung nachgewiesen werden kann. Die Person muss ferner die rechtliche Möglichkeit gehabt haben, das störende Verhalten zu unterlassen, und der Handlungsbeitrag muss für die Beurteilung der Verantwortlichkeit ausreichend erheblich sein. Abzugrenzen ist dies beispielsweise von bloßen Zustandsstörern, bei denen es nicht auf ein willensgesteuertes Verhalten ankommt, sondern auf die Inhaberschaft der tatsächlichen Sachherrschaft.

Kann auch ein Unternehmen als Handlungsstörer in Anspruch genommen werden?

Ja, auch juristische Personen wie Unternehmen oder Vereine sowie rechtsfähige Personengesellschaften können im Rahmen des öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Störerbegriffs als Handlungsstörer gelten. Die Zurechnung des störenden Verhaltens erfolgt dann über das Handeln der Organe, gesetzlichen Vertreter oder erfüllungsgehilfen. Es genügt, wenn Mitarbeiter in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit im Namen des Unternehmens eine Störung verursachen. Für Unternehmen ist zudem relevant, ob sie organisatorische Maßnahmen getroffen haben, um rechtswidriges Verhalten zu verhindern (Organisationspflicht). Eine Haftung als Handlungsstörer kann sich sowohl aus eigenem Verhalten als auch durch Verletzung von Überwachungs- oder Auswahlpflichten bzgl. ihrer Mitarbeiter ergeben.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen einem Handlungsstörer?

Handlungsstörer können auf verschiedene Rechtsfolgen in Anspruch genommen werden. Im Zivilrecht ist dies insbesondere der Anspruch auf Unterlassen und Beseitigung nach § 1004 BGB, ergänzt um Schadensersatzansprüche bei Verschulden des Störers. Im öffentlichen Recht kann das Ordnungsrecht Maßnahmen gegen den Handlungsstörer richten, beispielsweise Gefahrenabwehrverfügungen, Kostenbescheide oder Zwangsmaßnahmen nach den einschlägigen Polizeigesetzen des Bundes und der Länder. Die Inanspruchnahme erfolgt vorrangig gegenüber dem Handlungsstörer (Prioritätsprinzip), bevor andere Störerarten herangezogen werden oder der Staat die Kosten selbst tragen muss. Bei besonders gravierenden Störungen können auch strafrechtliche Konsequenzen entstehen, wenn zugleich Strafnormen verletzt wurden.

Welche Abwehrmöglichkeiten hat ein Handlungsstörer gegen behördliche Maßnahmen?

Der Handlungsstörer hat das Recht, sich gegen behördliche Maßnahmen oder zivilrechtliche Ansprüche juristisch zur Wehr zu setzen. Im öffentlichen Recht stehen ihm Widerspruchs- und Klagemöglichkeiten zur Verfügung (z.B. Verpflichtungs- oder Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht). Ein Argument kann dabei sein, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme als Handlungsstörer nicht erfüllt sind, etwa weil der Kausalzusammenhang zur Störung fehlt oder das Verhalten nicht zurechenbar ist. Im Zivilrecht kann der Handlungsstörer den Einwand fehlender Störereigenschaft oder die Unverhältnismäßigkeit der geforderten Maßnahmen anführen. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich auf rechtfertigende Notstände oder Einwilligungen zu berufen, die die Verantwortlichkeit ausschließen könnten.

Wie unterscheidet sich der Handlungsstörer vom Zustandsstörer in der Praxis?

Die Unterscheidung zwischen Handlungsstörer und Zustandsstörer ist für die Verantwortlichkeitszuweisung von zentraler Bedeutung. Während der Handlungsstörer durch ein aktives, willensgesteuertes Verhalten zur Störung beiträgt, ist der Zustandsstörer typischerweise derjenige, der durch das Innehaben der tatsächlichen Sachherrschaft (Eigentümer, Besitzer) oder besondere rechtliche Beziehungen zu einer Sache (z.B. Grundstück, Anlage) als Verantwortlicher gilt, unabhängig davon, ob er die Störung verursacht hat. Im behördlichen und gerichtlichen Verfahren muss genau geprüft werden, auf wen die Störungsbeseitigungsverfügung vorrangig zu richten ist, wobei regelmäßig der Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch genommen wird. Für beide Gruppen gelten unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe und Möglichkeiten der Verpflichtung.

Ist eine Inanspruchnahme des Handlungsstörers auf Kostenersatz möglich?

Ja, im öffentlichen Recht besteht in der Regel die Möglichkeit des Kostenersatzes, wenn die Behörde Maßnahmen zur Störungsbeseitigung selbst durchführen muss und der Handlungsstörer hierfür ursächlich verantwortlich ist. Nach den Polizeigesetzen der Länder und weiteren spezialgesetzlichen Regelungen können dem Handlungsstörer die notwendigen Kosten der Gefahrenabwehr als Verwaltungsakt auferlegt werden. Maßgeblich ist, dass die Kosten durch eine rechtmäßige Maßnahme entstanden sind und der Verursachungszusammenhang besteht. Fehlt die Rechtsmäßigkeit der Maßnahme oder kann die Störereigenschaft nicht nachgewiesen werden, ist ein Kostenersatz nicht möglich. Im Zivilrecht richtet sich ein entsprechender Anspruch nach §§ 683, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) bzw. als Schadenersatz nach den allgemeinen Vorschriften.