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Handelssache

Begriff und rechtliche Einordnung der Handelssache

Als Handelssache werden Zivilstreitigkeiten mit besonderem Wirtschaftsbezug bezeichnet, die aufgrund ihres Gegenstands oder der Beteiligten dem Spruchkörper für Handelssachen beim Landgericht zugeordnet werden können. Im Mittelpunkt stehen Konflikte, die typischerweise aus dem Betrieb eines Handelsgewerbes oder aus unternehmensbezogenen Rechtsverhältnissen entstehen. Die Einordnung als Handelssache betrifft die gerichtliche Organisation und Zuständigkeit; das materielle Recht bleibt unverändert.

Handelssachen sind Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Sie werden in einer besonderen Kammer verhandelt, die neben einer Berufsrichterin oder einem Berufsrichter mit ehrenamtlichen Handelsrichterinnen und Handelsrichtern besetzt ist. Diese Mitwirkung aus der Wirtschaft soll die Entscheidungspraxis um Markt- und Branchenkenntnisse ergänzen.

Typische Anwendungsbereiche

Streitigkeiten zwischen Kaufleuten und Unternehmen

Hierzu zählen Fälle, in denen beide Seiten gewerbliche Unternehmen betreiben und der Streit aus dem Betrieb entsteht. Beispiele sind Konflikte über Warenlieferungen, Handelsvertreterverträge, Kommissions-, Speditions- und Frachtgeschäfte, Rahmenlieferverträge, Kontokorrentbeziehungen oder Zahlungs- und Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Unternehmen.

Unternehmens- und gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungen

Dazu gehören innergesellschaftliche Konflikte mit Unternehmensbezug, etwa Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern einer Personen- oder Kapitalgesellschaft über Geschäftsführung, Gewinnverteilung, Wettbewerbsverbote oder Haftungsfragen, ebenso Ansprüche gegen Organmitglieder im Zusammenhang mit der Leitung des Unternehmens.

Wettbewerb und Kennzeichen im Geschäftsverkehr

Rechtsstreitigkeiten aus unlauterem Wettbewerb, Geschäftsgeheimnissen, Unternehmenskennzeichen oder markenähnlichen Kennzeichen mit Bezug zum geschäftlichen Verkehr weisen regelmäßig den Charakter einer Handelssache auf. Sie betreffen die Marktteilnahme von Unternehmen und den Schutz lauteren Wettbewerbs.

Wechsel-, Scheck- und wertpapierrechtliche Streitigkeiten

Konflikte über handelsübliche Zahlungs- und Kreditinstrumente wie Wechsel oder Scheck sowie bestimmte wertpapierrechtliche Ansprüche sind klassische Handelssachen, da sie typischerweise im Unternehmensverkehr eingesetzt werden.

Prozessuale Besonderheiten

Zuständigkeit und Gerichtsaufbau

Handelssachen werden bei den Landgerichten in einer Kammer für Handelssachen verhandelt. Dieser Spruchkörper besteht aus einer Berufsrichterin oder einem Berufsrichter als Vorsitz und zwei ehrenamtlichen Handelsrichterinnen oder Handelsrichtern mit praktischer Wirtschaftserfahrung. Die sachliche Zuständigkeit folgt den allgemeinen Regeln der ordentlichen Gerichtsbarkeit; die Einordnung als Handelssache betrifft die interne Zuweisung innerhalb des Landgerichts.

Zuweisung als Handelssache

Die Einordnung als Handelssache erfolgt entweder kraft gesetzlicher Zuordnung bestimmter Streitgegenstände oder auf Antrag einer Partei, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (insbesondere ein beiderseitiger Unternehmensbezug oder ein gesetzlich aufgeführter kommerzieller Streitgegenstand). Das Gericht prüft die Voraussetzungen. Fehlen sie, verbleibt die Sache bei der allgemeinen Zivilkammer.

Verfahrensablauf und Beweisaufnahme

Für Handelssachen gelten die allgemeinen zivilprozessualen Regeln zu Klage, Verteidigung, Beweisaufnahme und Entscheidung. Die Beteiligung von Handelsrichterinnen und Handelsrichtern soll wirtschaftliche Praxiskenntnisse in die Beurteilung einfließen lassen. An den Maßstäben der Beweislast, den Beweismitteln und den Entscheidungsanforderungen ändert sich durch die Einordnung als Handelssache nichts.

Rechtsmittel und Kosten

Rechtsmittel stehen in Handelssachen in gleicher Weise offen wie in anderen Zivilsachen. Die Gebühren- und Kostensystematik entspricht den allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozesses. Die Einordnung als Handelssache wirkt sich nicht eigenständig auf Gebühren, Kostentragung, Fristen oder Rechtsmittelvoraussetzungen aus.

Abgrenzungen und Sonderfragen

Verbraucherbezug

Streitigkeiten mit Verbraucherinnen oder Verbrauchern sind in der Regel keine Handelssachen, selbst wenn die Gegenseite ein Unternehmen ist. Typische Verbraucherfälle, etwa Gewährleistungs- oder Widerrufsfragen aus privaten Käufen, werden daher nicht der Kammer für Handelssachen zugewiesen. Ausnahmen bestehen nur, wenn der Gesetzgeber bestimmte Sachgebiete unabhängig von der Person der Parteien als Handelssachen definiert.

Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

Konflikte mit Behörden über hoheitliche Maßnahmen sind keine Handelssachen. Sie werden vor den dafür zuständigen Verwaltungs-, Finanz- oder Sozialgerichten ausgetragen. Handelssachen sind auf privatrechtliche Streitigkeiten beschränkt.

Internationaler Bezug

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten richtet sich die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Recht nach gesonderten Regeln. Die Einordnung als Handelssache ist eine innerstaatlich-prozessuale Frage. Ist ein deutsches Landgericht zuständig und liegen die materiellen Voraussetzungen vor, kann die Kammer für Handelssachen auch internationale Wirtschaftsstreitigkeiten verhandeln.

Freiwillige und verbindliche Zuweisung

Ein Teil von Streitgegenständen ist kraft gesetzlicher Anordnung stets Handelssache. In anderen Konstellationen kann die Zuweisung auf Antrag erfolgen, wenn insbesondere ein beiderseitiger unternehmerischer Bezug des Rechtsstreits besteht. Die Entscheidung über die Zuweisung trifft das Gericht.

Historischer und praktischer Hintergrund

Handelssachen haben eine lange Tradition. Die Mitwirkung erfahrener Personen aus dem Wirtschaftsleben als ehrenamtliche Handelsrichterinnen und Handelsrichter geht auf das Bedürfnis zurück, wirtschaftliche Gepflogenheiten und Branchenbesonderheiten in gerichtliche Entscheidungen einzubeziehen. Dadurch sollen realistische Maßstäbe über kaufmännische Sorgfalt, Handelsbräuche und Marktmechanismen in die Entscheidungsfindung einfließen.

Beispiele zur Veranschaulichung

Lieferkette zwischen zwei Unternehmen

Ein Hersteller und ein Großhändler streiten über die Qualität einer Warenlieferung und Vertragsstrafen aus einem Rahmenliefervertrag. Beide handeln im Rahmen ihres Unternehmens; der Streit ist typischerweise Handelssache.

Haftung eines Geschäftsführers

Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nehmen die Geschäftsleitung wegen behaupteter Pflichtverletzungen bei Einkaufsentscheidungen in Anspruch. Der Konflikt steht in engem Zusammenhang mit der Leitung des Unternehmens und weist den Charakter einer Handelssache auf.

Wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung

Zwei Wettbewerber streiten über irreführende Werbeaussagen im geschäftlichen Verkehr. Solche Auseinandersetzungen sind regelmäßig Handelssachen, da sie die Marktteilnahme von Unternehmen betreffen.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet der Begriff Handelssache?

Eine Handelssache ist eine Zivilstreitigkeit mit ausgeprägtem Wirtschaftsbezug, die innerhalb des Landgerichts einer besonderen Kammer mit Beteiligung ehrenamtlicher Handelsrichterinnen und Handelsrichter zugewiesen wird. Maßgeblich sind der Unternehmensbezug der Parteien oder der handelsrechtlich geprägte Streitgegenstand.

Wann ist eine Streitigkeit typischerweise eine Handelssache?

Regelmäßig dann, wenn beide Parteien unternehmerisch handeln und der Streit aus dem Betrieb des Unternehmens herrührt, oder wenn der Gegenstand zu gesetzlich definierten kommerziellen Materien gehört, etwa bestimmte Wettbewerbs- oder Wertpapierkonstellationen.

Muss immer die Kammer für Handelssachen entscheiden?

Nicht in jedem Fall. Manche Streitgegenstände sind zwingend Handelssachen. In anderen Fällen ist die Zuweisung auf Antrag möglich, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Andernfalls wird die Sache von der allgemeinen Zivilkammer verhandelt.

Hat die Einordnung als Handelssache Auswirkungen auf Beweislast oder materielles Recht?

Nein. Es gelten die allgemeinen Regeln des Zivilrechts und des Zivilprozesses. Die Einordnung betrifft die interne Gerichtsorganisation und die Besetzung des Spruchkörpers, nicht die materiellen Maßstäbe oder die Beweislastverteilung.

Wer gilt als kaufmännischer Beteiligter im Kontext der Handelssache?

Als kaufmännische Beteiligte kommen Personen oder Gesellschaften in Betracht, die ein Gewerbe in kaufmännischer Weise betreiben oder unternehmerisch am Markt teilnehmen. Entscheidend ist der objektive Unternehmensbezug des streitigen Geschäfts.

Sind Verbraucherklagen Handelssachen?

In der Regel nicht. Streitigkeiten mit Verbraucherinnen oder Verbrauchern werden typischerweise nicht der Kammer für Handelssachen zugewiesen, es sei denn, der Gesetzgeber ordnet dies für bestimmte Sachgebiete unabhängig von der Person der Beteiligten an.

Wie ist die Kammer für Handelssachen besetzt?

Sie besteht aus einer Berufsrichterin oder einem Berufsrichter als Vorsitz und zwei ehrenamtlichen Handelsrichterinnen und Handelsrichtern. Letztere bringen praktische Kenntnisse aus dem Wirtschaftsleben in die Beratung und Entscheidung ein.