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Handelsreisender


Begriff und rechtliche Einordnung des Handelsreisenden

Ein Handelsreisender ist eine im Handelsrecht definierte Person, die im Auftrag eines Unternehmers (meist eines Handelsunternehmens oder Herstellers) Geschäfte für diesen vermittelt oder abschließt, ohne dabei ein eigenes Gewerbungs- oder Handelsunternehmen zu führen. Die grundlegenden Regelungen finden sich im Handelsgesetzbuch (HGB), primär in den §§ 84 ff. HGB, mit speziellen Vorschriften für reisende Vertreter.

Abgrenzung: Handelsreisender, Handelsvertreter und Angestellter

Der Begriff des Handelsreisenden unterscheidet sich insbesondere vom Handelsvertreter gemäß § 84 HGB. Während der Handelsvertreter selbständig tätig ist, erfolgt die Tätigkeit des Handelsreisenden im Allgemeinen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, das durch ein Abhängigkeitsverhältnis zum Unternehmer geprägt ist. Der Handelsreisende ist regelmäßig weisungsgebunden und übt keine selbständige Tätigkeit aus. Im Gegensatz zum normalen Angestellten besteht die Hauptaufgabe des Handelsreisenden darin, außerhalb der Betriebsstätten des Unternehmers zu reisen und Geschäfte im Namen und für Rechnung des Unternehmers anzubahnen oder abzuschließen.

Gesetzliche Grundlagen

Die rechtlichen Regelungen zum Handelsreisenden sind primär im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt, insbesondere in den §§ 55 bis 59h HGB. Außerdem finden weitere arbeitsrechtliche und zivilrechtliche Bestimmungen Anwendung, sofern sie nicht durch das HGB speziell geregelt sind.

Wesentliche Merkmale gemäß §§ 55 ff. HGB

  • Abhängige Beschäftigung: Handelsreisende sind in der Regel Arbeitnehmer und damit persönlich abhängig.
  • Beauftragung: Die Tätigkeit erfolgt im Auftrage eines Unternehmers, der in der Regel ein Kaufmann ist.
  • Reisetätigkeit: Die Aufgaben bestehen im Bereisen eines bestimmten Bezirks oder Kundenkreises, um Geschäfte des Unternehmers anzubahnen oder abzuschließen.
  • Geschäftsanbahnung und -abschluss: Handelsreisende sind befugt, im Namen und für Rechnung des Unternehmers Verträge mit Dritten zu vermitteln oder abzuschließen.

Rechte und Pflichten des Handelsreisenden

Das Handelsrecht gewährt Handelsreisenden sowohl spezielle Rechte als auch besondere Pflichten, die den Schutz des Handelsreisenden gegenüber dem Unternehmer gewährleisten.

Pflichten des Handelsreisenden

  • Tätigkeit im Interesse des Unternehmers: Der Handelsreisende ist verpflichtet, die ihm übertragenen Aufgaben bestmöglich durchzuführen und die Weisungen des Unternehmers zu befolgen.
  • Wettbewerbsverbot: Während des Arbeitsverhältnisses trifft ihn das Verbot, ohne ausdrückliche Erlaubnis des Unternehmers, für dessen Konkurrenz tätig zu werden oder eigene Geschäfte des gleichen Wirtschaftszweigs abzuschließen (§ 60 HGB).
  • Rechenschaftspflicht: Über die durchgeführten Geschäfte und den Kontakt zu Kunden muss der Handelsreisende dem Unternehmer Rechenschaft ablegen (§ 55 Abs. 2 HGB).

Rechte des Handelsreisenden

  • Vergütungsanspruch: Der Handelsreisende hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung, die sich entweder aus dem vertraglich vereinbarten Grundgehalt oder – häufig – durch Provisionszahlungen aus abgeschlossenen Geschäften ergibt (§ 87 HGB).
  • Spesen und Aufwendungsersatz: Für Auslagen, die im Rahmen der Berufsausübung entstehen, steht dem Handelsreisenden grundsätzlich Ersatz zu (§ 670 BGB i. V. m. § 611 ff. BGB).
  • Urlaub und Sozialleistungen: Als Arbeitnehmer hat der Handelsreisende Anspruch auf Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie sonstige arbeitnehmerschützende Regelungen.

Provisionsanspruch

Einer der wesentlichen finanziellen Ansprüche des Handelsreisenden besteht im Recht auf Provision für Geschäfte, die er angebahnt oder abgeschlossen hat. Die Höhe und Fälligkeit der Provision richtet sich nach den Regelungen des HGB und gegebenenfalls nach ergänzenden vertraglichen Bestimmungen (§ 87 ff. HGB).

Beendigung des Handelsreisendenverhältnisses

Das Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Handelsreisendem endet nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Im HGB finden sich Zusatzregelungen zum Ausgleichsanspruch für den Handelsreisenden nach Beendigung des Vertragsverhältnisses.

Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB)

Handelsreisende haben nach Maßgabe des § 89b HGB einen Anspruch auf Ausgleichszahlung, wenn das Vertragsverhältnis beendet wurde und sie dem Unternehmer neue Kunden oder wesentlich erweiterte Geschäftsbeziehungen vermittelt haben, die dem Unternehmer auch nach der Vertragsbeendigung fortlaufend erheblichen Nutzen bringen. Die konkrete Anspruchshöhe orientiert sich an der durchschnittlichen Jahresvergütung sowie an der geschäftlichen Entwicklung der vermittelten Kundenbeziehungen.

Wettbewerbsverbot nach Vertragsende

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann nur unter engen Voraussetzungen vereinbart werden. Gemäß § 74 HGB sind solche Verbote schriftlich zu vereinbaren, dürfen eine maximale Dauer von zwei Jahren nicht übersteigen und es muss eine Karenzentschädigung gezahlt werden.

Soziale Absicherung des Handelsreisenden

Handelsreisende sind sozialversicherungspflichtig nach dem Recht der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, da sie regelmäßig als Arbeitnehmer gelten. In manchen Fällen kann eine arbeitnehmerähnliche Stellung vorliegen, die im Sozialrecht gesondert berücksichtigt wird.

Abgrenzung zu anderen Vertriebsträgern

Die rechtliche Besonderheit des Handelsreisenden liegt in der Abgrenzung zu anderen Vertriebsformen:

  • Selbständiger Handelsvertreter: Dieser arbeitet auf eigene Rechnung und trägt ein unternehmerisches Risiko.
  • Handlungsreisender: Veraltete Bezeichnung für den Handelsreisenden, wird überwiegend synonym verwendet.
  • Angestellter Vertriebsmitarbeiter: Wird im Regelfall nicht im Außendienst eingesetzt oder führt Tätigkeiten über reine Geschäftsanbahnung hinausgehend aus.

Bedeutung in der Praxis

Die Position des Handelsreisenden erfährt in der heutigen Wirtschaft vielfältige Ausgestaltungen, insbesondere in Branchen mit ausgeprägten Außendienst-Strukturen wie Pharma, Konsumgüter, Maschinenbau oder Versicherungen. Der Schutz durch die einschlägigen arbeits- und handelsrechtlichen Vorschriften gewährleistet eine faire Behandlung im Interesse einer ausgewogenen Vertragspartnerstellung zwischen Unternehmer und Handelsreisendem.


Siehe auch:

  • Handelsvertreter (§§ 84 ff. HGB)
  • Arbeitnehmerrechte
  • Außendienst

Literatur:

  • Handelsgesetzbuch (HGB) mit Kommentierung
  • Arbeitsrechtliche Kommentarliteratur

Weblinks:

  • Gesetzestexte im Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Außendienst

Diese umfangreiche Darstellung bietet einen detaillierten Überblick über den Begriff des Handelsreisenden und beleuchtet alle relevanten rechtlichen Aspekte für Eintragungen in Rechtslexika oder Fachpublikationen.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Vorschriften gelten für Handelsreisende im deutschen Recht?

Handelsreisende unterliegen in Deutschland vorrangig den Regelungen der §§ 84 ff. Handelsgesetzbuch (HGB). Diese Vorschriften bestimmen die rechtliche Stellung des Handelsreisenden, die vertraglichen Beziehungen zum Unternehmer (sogenannten Prinzipal) sowie Rechte und Pflichten im täglichen Geschäftsverkehr. Von besonderer Bedeutung sind der Anspruch auf Provision (§ 87 HGB), das Handelsvertreterausgleichsanspruch (§ 89b HGB) sowie der Anspruch auf Auslagenersatz (§ 670 BGB i.V.m. § 86a HGB). Ergänzend greifen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), etwa über Vertragsbeendigung und Wettbewerbsverbote (§ 90a HGB). Auch arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen können anwendbar sein, wenn der Handelsreisende als Arbeitnehmer anzusehen ist.

Wie unterscheidet sich die rechtliche Stellung eines Handelsreisenden von der eines Handelsvertreters?

Während beide Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch gelegentlich synonym benutzt werden, unterscheidet das Handelsgesetzbuch präzise: Der Handelsreisende ist eine Sonderform des angestellten Außendienstmitarbeiters und arbeitet in aller Regel in einem festen Anstellungsverhältnis zum Unternehmer (§ 84 Abs. 2 HGB). Der „klassische“ Handelsvertreter hingegen ist selbstständiger Unternehmer und organisatorisch nicht in den Betrieb des Prinzipals eingegliedert (§ 84 Abs. 1 HGB). Die rechtlichen Konsequenzen unterscheiden sich bei Kündigungsfristen, Sozialversicherungspflichten, Weisungsabhängigkeit und der Möglichkeit, für mehrere Unternehmer tätig zu sein. Handelsreisende gelten nach Arbeitsrecht in der Regel als Arbeitnehmer mit entsprechenden Schutzrechten (wie Kündigungsschutzgesetz, Entgeltfortzahlungsgesetz usw.).

Welche besonderen Kündigungsregelungen gelten für Handelsreisende?

Bei Handelsreisenden gelten die arbeitsrechtlichen Kündigungsregelungen, einschließlich der Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), falls die Schwellenwerte erreicht sind. Hinzu kommen spezielle Kündigungsfristen nach HGB (§ 89), wobei sowohl der Handelsreisende als auch der Unternehmer das Dienstverhältnis mit bestimmten Fristen ordentlich kündigen können. Eine außerordentliche Kündigung ist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ohne Einhaltung einer Frist zulässig (§ 626 BGB). Zu beachten sind außerdem Regelungen zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten (§ 74 ff. HGB), deren Zulässigkeit und Ausgleichspflicht für den Handelsreisenden.

Besteht ein Anspruch auf Provision und Auslagenersatz?

Handelsreisende haben nach HGB einen unabdingbaren Anspruch auf Provision für die von ihnen vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte gemäß § 87 HGB. Die Provisionshöhe und Fälligkeit sind in der Praxis meist im Handelsreisendenvertrag geregelt, andernfalls gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Darüber hinaus besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Ersatz notwendiger Auslagen und Kosten, die dem Handelsreisenden im Rahmen seiner Tätigkeit entstehen, sofern nichts Abweichendes vertraglich vereinbart ist (§ 670 BGB, analog für Handelsreisende anzuwenden).

Unter welchen Voraussetzungen besteht ein Ausgleichsanspruch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses?

Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB, der ursprünglich für selbständige Handelsvertreter geschaffen wurde, kann unter bestimmten Umständen auch Handelsreisenden zustehen. Voraussetzung ist, dass der Handelsreisende neue Kunden geworben oder bestehende Kundenbeziehungen wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus diesen Geschäftsverbindungen nach Vertragsbeendigung weiterhin erhebliche Vorteile zieht. Der Anspruch entfällt, wenn der Handelsreisende selbst kündigt, ohne dass ein vom Unternehmer verursachter wichtiger Grund vorliegt. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs ist begrenzt auf eine jährliche Durchschnittsprovision der letzten fünf Jahre (bzw. der tatsächlichen Vertragsdauer, wenn sie kürzer war).

Welche Pflichten und Verbote treffen Handelsreisende aus rechtlicher Sicht?

Handelsreisende sind zur Wahrung der Interessen des Unternehmens verpflichtet (§ 86 Abs. 1 HGB). Dazu zählen insbesondere die Pflicht zur Verschwiegenheit über Geschäftsgeheimnisse, das Verbot der Annahme von Schmiergeldern und die Pflicht, Aufträge im besten Interesse des Unternehmens zu vermitteln. Ein Wettbewerbsverbot während des laufenden Vertragsverhältnisses ist gesetzlich verankert (§ 86 Abs. 1 HGB). Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist nur wirksam, wenn es schriftlich vereinbart wurde, angemessen begrenzt ist und eine Karenzentschädigung vorsieht (§ 74 ff. HGB).

Welche sozialrechtlichen Aspekte sind für Handelsreisende zu beachten?

Handelsreisende gelten im Regelfall als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer. Sie sind demnach pflichtversichert in den Zweigen der Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung), es sei denn, sie erfüllen im Einzelfall die Kriterien für eine Selbstständigkeit. Zusätzlich unterliegen sie den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes und anderer arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften. Bei einer Tätigkeit im Ausland oder für ausländische Unternehmen sind neben deutschen auch internationale sozialrechtliche Bestimmungen zu beachten.