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Handelsgeschäft


Begriff und Wesen des Handelsgeschäfts

Das Handelsgeschäft ist ein zentraler Begriff im Handelsrecht und bezeichnet ein Rechtsgeschäft, das für einen Kaufmann zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört (§ 343 Absatz 1 Handelsgesetzbuch – HGB). Die rechtliche Einordnung und Behandlung von Handelsgeschäften unterscheidet sich in wesentlichen Aspekten vom bürgerlich-rechtlichen Geschäftsverkehr, insbesondere hinsichtlich der Pflichten, Rechte und besonderen Vorschriften, die im HGB niedergelegt sind.


Rechtliche Grundlagen

Handelsgesetzbuch (HGB)

Die maßgeblichen Vorschriften für Handelsgeschäfte finden sich im Zweiten Buch des HGB (§§ 343 ff.). Das Handelsrecht, als Sonderprivatrecht der Kaufleute, ergänzt und modifiziert das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) dort, wo es um Waren- und Geschäftsverkehre unter Kaufleuten geht.

Abgrenzung zu bürgerlichen Rechtsgeschäften

Nicht jedes Rechtsgeschäft eines Kaufmanns ist ein Handelsgeschäft. Es muss im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Handelsgewerbes stehen. Privatgeschäfte des Kaufmanns unterfallen nicht dem Handelsrecht.


Arten und Klassifizierung

Einseitiges und zweiseitiges Handelsgeschäft

Ein Handelsgeschäft kann sowohl einseitig als auch zweiseitig sein:

  • Einseitiges Handelsgeschäft: Nur eine Partei ist Kaufmann und handelt im Rahmen ihres Handelsgewerbes. § 345 HGB regelt, dass die handelsrechtlichen Vorschriften grundsätzlich nur für den Kaufmann gelten.
  • Zweiseitiges Handelsgeschäft: Beide Vertragspartner sind Kaufleute und handeln jeweils im Rahmen ihres Handelsgewerbes. Hier gelten die handelsrechtlichen Vorschriften für beide Parteien.

Typische Handelsgeschäfte

Zu den klassischen Beispielen von Handelsgeschäften zählen:

  • Kaufverträge (§ 373 HGB): Der Warenkauf zwischen Kaufleuten mit speziellen Regelungen z. B. zu Untersuchungs- und Rügepflicht.
  • Handelsvertretergeschäfte (§§ 84 ff. HGB): Rechtsbeziehungen im Rahmen der Vermittlung von Geschäften für andere Unternehmen.
  • Kommissionsgeschäfte (§§ 383 ff. HGB): Kaufmann schließt ein Geschäft im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung ab.

Merkmale und Voraussetzungen

Kaufmannseigenschaft

Voraussetzung für die Anwendung der handelsrechtlichen Vorschriften ist die Kaufmannseigenschaft (§ 1 HGB). Darunter fallen:

  • Istkaufmann: Wer ein Handelsgewerbe betreibt.
  • Kannkaufmann (§ 2 HGB): Kleingewerbetreibende, die sich freiwillig ins Handelsregister eintragen lassen.
  • Formkaufmann (§ 6 HGB): Handelsgesellschaften wie AG und GmbH, unabhängig vom eigentlichen Geschäftsgegenstand.

Betrieb eines Handelsgewerbes

Das Geschäft muss dem Betrieb des Handelsgewerbes zuzuordnen sein. Es darf sich nicht um private oder außerhalb des Gewerbes liegende Geschäfte handeln. Die Grenze ist häufig fließend und hängt von den jeweiligen Umständen ab.


Rechtsfolgen von Handelsgeschäften

Modifizierungen gegenüber dem BGB

Handelsgeschäfte unterliegen zahlreichen Sonderregelungen, darunter:

  • Untersuchungs- und Rügepflicht (§ 377 HGB): Der Käufer muss die Ware unverzüglich prüfen und etwaige Mängel anzeigen.
  • Kaufmännisches Bestätigungsschreiben: Ein mündlich geschlossener Vertrag kann durch ein einseitig bestätigendes Schreiben rechtsverbindlich werden, sofern der Empfänger nicht unverzüglich widerspricht.
  • Bürgschaft (§ 349 HGB): Eine Bürgschaftserklärung ist auch mündlich wirksam, wenn sie für ein Handelsgeschäft abgegeben wird und der Bürge Kaufmann ist.
  • Verzugszinsen (§ 352 HGB): Bei Verzug werden erhöhte Zinsen geschuldet.

Handelsrechtliche Gewohnheiten und Bräuche

Im Rahmen des Handelsgeschäfts können Handelsbräuche und Usancen (Handelsgewohnheiten) eine rechtliche Bindungswirkung entfalten (§ 346 HGB).


Sonderformen und Abgrenzungen

Handelsvertreter- und Kommissionsgeschäft

Bei bestimmten Typen von Handelsgeschäften, wie dem Kommissionsgeschäft oder dem Handelsvertretergeschäft, bestehen neben den allgemeinen Vorschriften eigene spezielle Regelungen im HGB.

Wertpapiere im Handelsgeschäft

Auch die Ausstellung, Indossierung und Übergabe von Wertpapieren (z.B. Wechsel und Scheck) sind häufig Gegenstand von Handelsgeschäften und unterliegen besonderen formalen Anforderungen und Vorschriften.


Internationales Handelsgeschäft

Handelsgeschäfte beschränken sich nicht auf das Inland. Im internationalen Kontext gelten zusätzlich Regelungen des internationalen Privatrechts und gegebenenfalls internationale Übereinkommen wie das UN-Kaufrecht (CISG).


Bedeutung für die Praxis

Handelsgeschäfte sind die Grundlage des modernen Wirtschaftslebens. Sie schaffen Rechtssicherheit, erhöhen die Schnelligkeit und Verlässlichkeit im Geschäftsverkehr und ermöglichen effizientere Abläufe. Die besonderen Regelungen des HGB tragen der erhöhten Professionalität und dem gesteigerten Bedürfnis nach Verlässlichkeit im kaufmännischen Verkehr Rechnung.


Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Handelsgesetzbuch (HGB), insbesondere §§ 343 – 475h
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • UN-Kaufrecht (CISG) für grenzüberschreitende Handelsgeschäfte
  • Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, Handelsgesetzbuch, Kommentar
  • Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, Kommentar

Zusammenfassung

Das Handelsgeschäft ist ein zentrales Institut des Handelsrechts, das eine Vielzahl von Rechtsvorschriften und Besonderheiten aufweist. Kennzeichnend ist der Bezug zum Handelsgewerbe und die Anwendung spezieller handelsrechtlicher Vorschriften, die von denen des bürgerlichen Rechts abweichen. Für die rechtliche Bewertung und Behandlung eines Geschäfts ist daher stets zu prüfen, ob es sich um ein Handelsgeschäft handelt und welche gesetzlichen Regelungen zur Anwendung kommen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für das Vorliegen eines Handelsgeschäfts erfüllt sein?

Ein Handelsgeschäft im rechtlichen Sinne setzt voraus, dass mindestens eine der beteiligten Parteien Kaufmann im Sinne des Handelsrechts ist. Hierbei ist maßgeblich, dass das jeweilige Geschäft zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehört (§ 343 Abs. 1 HGB). Bei natürlichen Personen ist das Vorliegen der Kaufmannseigenschaft entscheidend, welche sich insbesondere durch die Eintragung im Handelsregister oder durch die Ausübung eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs ergibt. Juristische Personen wie die GmbH oder AG gelten ohnehin stets als Kaufleute. Ein Handelsgeschäft kann sowohl einseitig als auch zweiseitig sein, abhängig davon, ob nur für einen oder beide Vertragspartner das Geschäft ein Handelsgeschäft darstellt. Die rechtliche Einordnung ist relevant, weil mit dem Handelsgeschäft eine Vielzahl spezieller handelsrechtlicher Vorschriften Anwendung finden, wie etwa besondere Beweisregeln, Fristen und Sorgfaltspflichten.

Welche besonderen Beweisregeln gelten für Handelsgeschäfte nach dem Handelsgesetzbuch?

Handelsgeschäfte unterliegen besonderen Beweisregeln, die vor allem der Beweiserleichterung und Beschleunigung des Geschäftsverkehrs dienen. Nach § 348 HGB gilt beispielsweise, dass die Vorlage von Handelsbüchern im Prozess als Beweismittel für die Richtigkeit der Eintragungen dient, soweit diese von der Partei stammen, gegen die Beweis geführt werden soll, und kein Gegenbeweis erhoben wird. Zudem entfaltet ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, das einen mündlich abgeschlossenen Vertrag schriftlich zusammenfasst und nicht unverzüglich widersprochen wird, erhebliche Beweiswirkung bezüglich des Inhalts des Handelsgeschäfts. Darüber hinaus gelten die Vorschriften über Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (§ 362 HGB analog). Diese Regelungen stellen eine erhebliche Abweichung vom allgemeinen bürgerlichen Recht dar.

Welche Fristen und Regelungen gelten bei Mängelrügen im Handelsgeschäft?

Im Handelsrecht gelten für Mängelrügen besonders strenge und kurze Fristen, maßgeblich geregelt in § 377 HGB. Danach ist der Käufer verpflichtet, die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, diesen ebenfalls unverzüglich anzuzeigen. Unterlässt der Käufer die Anzeige, gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, es handelt sich um einen Mangel, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war. Ein verdeckter Mangel muss unverzüglich nach Entdeckung gerügt werden. Die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Untersuchungs- und Rügeobliegenheit sind strikt gestaltet und dienen der Schnelligkeit und Sicherheit im Handelsverkehr. Versäumt der Käufer diese Pflichten, verliert er seine Gewährleistungsrechte vollständig.

Wann spricht man bei einem Handelsgeschäft von Einseitigkeit oder Zweiseitigkeit?

Ob ein Handelsgeschäft als einseitig oder zweiseitig anzusehen ist, hängt davon ab, wie viele der Beteiligten als Kaufleute im Sinne des Handelsrechts agieren. Ein zweiseitiges Handelsgeschäft liegt dann vor, wenn beide Vertragspartner Kaufleute sind und das Geschäft für beide Seiten zum Betrieb ihres Handelsgewerbes gehört. Nur dann finden alle handelsrechtlichen Sondervorschriften für beide Parteien Anwendung. Ein einseitiges Handelsgeschäft liegt hingegen vor, wenn nur einer der Vertragsparteien ein Kaufmann ist und das Geschäft für diesen als Handelsgeschäft zu qualifizieren ist. In einem solchen Fall werden spezielle handelsrechtliche Normen nur auf diese Partei angewendet, während für den nicht kaufmännisch handelnden Vertragspartner die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) maßgeblich bleiben.

Wie beeinflusst ein Handelsgeschäft die Formvorschriften bei Verträgen?

Für Handelsgeschäfte bestehen grundsätzlich keine besonderen Formvorschriften, es sei denn, das Gesetz sieht ausnahmsweise eine bestimmte Form vor (z.B. Schriftform bei bestimmten Bürgschaften, § 766 BGB i.V.m. § 350 HGB). Im Handelsrecht herrscht der Grundsatz der Formfreiheit, was bedeutet, dass mündliche, schriftliche oder sogar durch schlüssiges Verhalten (konkludent) geschlossene Verträge grundsätzlich wirksam sind. Dies entspricht dem Bedürfnis nach Schnelligkeit und Flexibilität im kaufmännischen Verkehr. Bestimmte Vertragstypen können jedoch durch Gesetz oder ausdrückliche Vereinbarung der Parteien an eine besondere Form gebunden sein. Im Zweifel empfiehlt sich jedoch, wesentliche Handelsgeschäfte zur Beweisvorsorge zumindest schriftlich zu dokumentieren, nicht zuletzt wegen der oben beschriebenen besonderen Beweisregeln.

Welche Verjährungsfristen gelten bei Ansprüchen aus Handelsgeschäften?

Die Verjährung von Ansprüchen aus Handelsgeschäften richtet sich im Wesentlichen nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, sofern nicht besondere handelsrechtliche Vorschriften eingreifen. Nach § 438 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist beispielsweise drei Jahre ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Im Handelsrecht gibt es jedoch abweichende, kürzere Verjährungsfristen speziell für Gewährleistungsansprüche aus Warenlieferungen (§ 377 Abs. 5 HGB), sodass Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sind, wenn die Untersuchungs- und Rügepflicht nicht eingehalten wurde. Ferner können Parteien im Handelsverkehr, sofern die dispositiven Vorschriften greifen, andere Verjährungsfristen vereinbaren, was dem Grundsatz der Vertragsfreiheit im Handelsrecht entspricht.

Welche Rolle spielt das Handelsregister bei Handelsgeschäften?

Das Handelsregister ist ein zentrales Element des Handelsrechts und dient der Publizität sowie dem Schutz des Rechtsverkehrs. Für viele Handelsgeschäfte ist die Eintragung bestimmter Tatsachen im Handelsregister konstitutiv, d.h., die rechtliche Wirkung tritt erst mit der Eintragung ein (beispielsweise die Gründung einer GmbH oder AG). Auch die Eintragung und Bekanntmachung von Prokura, Geschäftsaufgaben, Erteilung und Entziehung von Handlungsvollmachten sowie der Wechsel der Geschäftsführung müssen eingetragen werden (§§ 15 ff. HGB). Das Handelsregister schafft dadurch Rechtssicherheit und ermöglicht es Geschäftspartnern, sich über die wesentlichen rechtlichen Verhältnisse eines Unternehmens zu informieren. Handlungen und Erklärungen, die im Handelsregister eingetragen sind, gelten gemäß dem Grundsatz der negativen und positiven Publizität (§ 15 HGB) als bekannt, was insbesondere für die Gutglaubenswirkung im Geschäftsverkehr von immenser Bedeutung ist.