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Haftung für fehlerhafte Produkte


Haftung für fehlerhafte Produkte

Die Haftung für fehlerhafte Produkte bezeichnet im Rechtssystem die Verantwortlichkeit von Herstellern, Händlern und weiteren Inverkehrbringern für Schäden, die durch fehlerhafte Produkte verursacht werden. Die rechtlichen Grundlagen und der Umfang dieser Haftung sind maßgeblich von nationalen sowie europäischen Vorschriften geprägt und betreffen unter anderem das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG), das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sowie internationale Regelungen. Die Haftung für fehlerhafte Produkte spielt insbesondere im Bereich des Verbraucherschutzes und des Produktsicherheitsrechts eine zentrale Rolle.


Grundlagen der Produkthaftung

Definition und Zweck der Produkthaftung

Die Produkthaftung dient dem Ziel, den Endabnehmer und Dritte vor Gefahren zu schützen, die von fehlerhaften Produkten ausgehen. Sie verfolgt sowohl präventive als auch kompensatorische Funktionen: Zum einen soll sie Hersteller zu einer sorgfältigen Produktkontrolle anhalten, zum anderen Geschädigten den Ersatz von Schäden ermöglichen, die durch unsichere oder defekte Produkte entstehen.

Historische Entwicklung

Die rechtlichen Regelungen zur Produkthaftung haben sich im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelt und wurden auf EU-Ebene maßgeblich durch die Richtlinie 85/374/EWG über die Haftung für fehlerhafte Produkte geprägt. In Deutschland besteht sie insbesondere durch das Produkthaftungsgesetz vom 15. Dezember 1989, das die europäische Richtlinie umsetzt.


Rechtsgrundlagen der Haftung für fehlerhafte Produkte

Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)

Nach dem Produkthaftungsgesetz haftet der Hersteller verschuldensunabhängig, wenn ein fehlerhaftes Produkt einen Personen- oder Sachschaden verursacht. Das Gesetz erfasst alle beweglichen Sachen, auch Strom, und unterscheidet nicht nach der Nutzungsart. Anspruchsberechtigt ist grundsätzlich jede geschädigte Person.

Wesentliche Merkmale:

  • Verschuldensunabhängige Haftung: Es kommt nicht darauf an, ob den Hersteller ein Verschulden trifft.
  • Haftende Personen: Neben dem Hersteller auch Quasihersteller, Importeure und teilweise Händler.
  • Haftungshöchstgrenzen: Pro Schadensereignis maximal 85 Millionen Euro.
  • Haftungsausschlüsse: Keine Haftung für Schäden an dem fehlerhaften Produkt selbst, kein Ersatz für reine Vermögensschäden.

Deliktische Haftung nach Bürgerlichem Gesetzbuch

Neben der verschuldensunabhängigen Produkthaftung besteht weiterhin die deliktische Haftung gemäß § 823 BGB. Hierfür ist jedoch ein Verschulden des Herstellers (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) erforderlich.

Auch aus Vertrag (§§ 280, 437 BGB) oder bei der Verletzung von Schutzpflichten (§ 823 II BGB, § 831 BGB) kann sich eine Haftung ergeben, sofern ein Verschulden vorliegt.

Produktsicherheit und weitere Vorschriften

Daneben unterfallen zahlreiche Produktgruppen weiteren spezialgesetzlichen Vorschriften, etwa aus dem Medizinprodukterecht oder der Lebensmittelüberwachung, die ebenfalls Pflichten hinsichtlich Sicherheit und Rückruf vorsehen.


Fehlerbegriffe und Eintritt der Haftung

Produktfehler im Sinne des ProdHaftG

Das ProdHaftG unterscheidet zwischen drei Fehlerarten:

  • Konstruktionsfehler: Fehlerhafte Planung oder Entwicklung des Produkts.
  • Fabrikationsfehler: Fehler bei der Herstellung im Einzelfall.
  • Instruktionsfehler: Unzureichende Gebrauchsanleitung oder fehlende Warnhinweise.

Ein Produkt gilt als fehlerhaft, wenn es zur Zeit des Inverkehrbringens nicht die Sicherheit bietet, die berechtigterweise erwartet werden kann.

Zeitpunkt der Fehlerbeurteilung

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Fehlerhaftigkeit ist der Zeitpunkt des Inverkehrbringens. Spätere spätere technische Weiterentwicklungen begründen keine Haftung für frühere Produkte, es sei denn, es bestehen spezifische Pflichten zu Nachbesserung oder Rückruf.


Geschützte Rechtsgüter und Ersatzfähige Schäden

Geschützte Rechtsgüter

Die Produkthaftung schützt vorrangig Leben, Körper und Gesundheit sowie privates Eigentum. Nicht geschützt ist gewerbliches Vermögen sowie das fehlerhafte Produkt selbst.

Sach- und Personenschäden

Personenschäden umfassen alle physischen oder gesundheitlichen Schäden natürlicher Personen. Sachschäden betreffen nur privat genutzte Sachen und unterliegen einem Selbstbehalt von 500 Euro (§ 11 ProdHaftG).

Nicht ersatzfähige Schäden

Nicht ersatzfähig sind reine Vermögensschäden sowie Schäden am Produkt selbst. Für weitergehende Ansprüche muss auf das Deliktsrecht oder Vertragsrecht zurückgegriffen werden.


Anspruchsgegner in der Produkthaftung

Herstellerbegriff

Als Hersteller gelten nicht nur tatsächliche Produzenten, sondern auch Quasihersteller (Nutzung des eigenen Namens oder Markenzeichens), Importeure aus Drittstaaten sowie gegebenenfalls der Händler, sofern der Hersteller nicht festgestellt werden kann.

Haftung des Händlers

Eine Haftung des Händlers tritt ein, wenn der Hersteller nicht zu identifizieren ist. Der Händler kann sich von der Haftung befreien, wenn er innerhalb eines Monats nach Aufforderung den Hersteller oder seinen eigenen Lieferanten bekannt gibt.


Beweislastverteilung

Grundprinzipien

Der Geschädigte muss das Vorliegen eines Produktfehlers, eines Schadens und den Zusammenhang („Kausalität“) zwischen beidem nachweisen. Allerdings bestehen Erleichterungen durch richterliche Beweiswürdigung und nach Einzelfallkonstellation.

Beweislastumkehr und Erleichterungen

Im Deliktsrecht besteht keine vollständige Beweislastumkehr, jedoch können sogenannte Anscheinsbeweise eine wichtige Rolle spielen.


Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen

Ausschlussgründe nach ProdHaftG

Der Hersteller haftet nicht, wenn:

  • er das Produkt nicht in den Verkehr gebracht hat,
  • der Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkennbar war (sog. Entwicklungsrisiko),
  • das Produkt im Rahmen des geltenden Rechts hergestellt wurde,
  • der Fehler durch die Einhaltung von Vorschriften zwingend verursacht wurde.

Weiter sind die Ansprüche nach Ablauf von zehn Jahren ab Inverkehrbringen des Produkts ausgeschlossen (Ausschlussfrist).

Mitverschulden und Eigenverantwortung

Das Mitverschulden des Geschädigten kann zur Anspruchsminderung führen (§ 6 ProdHaftG, § 254 BGB).


Durchsetzung der Ansprüche

Klage und Verjährung

Ansprüche aus dem ProdHaftG verjähren grundsätzlich drei Jahre ab Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen, spätestens jedoch zehn Jahre nach Inverkehrbringen (§ 12 ProdHaftG).

Internationales Produkthaftungsrecht

Im grenzüberschreitenden Warenverkehr sind oftmals die Vorschriften des Ursprungs- oder Bestimmungslandes maßgeblich. Innerhalb der Europäischen Union gelten harmonisierte Standards durch die Produkthaftungsrichtlinie.


Verhältnis zu anderen Haftungsnormen

Produkthaftung und Deliktsrecht

Die verschuldensunabhängige Produkthaftung besteht neben der verschuldensabhängigen Haftung aus Vertrags- oder Deliktsrecht eigenständig und kann parallel geltend gemacht werden.

Produkthaftung und Garantien

Etwaige Herstellergarantien erweitern die gesetzlichen Ansprüche, führen aber nicht zu einer Beschränkung der gesetzlichen Haftung.


Bedeutung für Wirtschaft und Verbraucher

Die Regelungen zur Haftung für fehlerhafte Produkte stellen ein zentrales Element des Verbraucherschutzes dar und führen zu hohen Anforderungen an Herstellung, Qualitätskontrolle und Produktüberwachung. Für Unternehmen bietet eine sorgfältige Risikoabschätzung und Qualitätssicherung die Möglichkeit, Haftungsrisiken zu minimieren. Für Verbraucher gewährleistet die Produkthaftung einen weitreichenden Schutz bei Schäden durch fehlerhafte Produkte.


Zusammenfassung

Die Haftung für fehlerhafte Produkte bildet einen wesentlichen Teil des Produktsicherheitsrechts und sichert Betroffenen Ansprüche auf Schadensersatz bei Fehlern an Produkten. Sie basiert auf spezialgesetzlichen, nationalen und europäischen Normen und umfasst sowohl verschuldensunabhängige als auch verschuldensabhängige Haftungstatbestände. Die Regelungen sind geprägt durch strenge Anforderungen an Hersteller und eine umfassende Schutzfunktion für Endverbraucher und Dritte.

Häufig gestellte Fragen

Wer haftet im Falle eines Mangels oder Schadens durch ein fehlerhaftes Produkt?

Für Schäden, die durch ein mangelhaftes oder fehlerhaftes Produkt entstehen, kommt grundsätzlich entweder die Haftung nach Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) oder die vertragliche Haftung im Rahmen von Gewährleistungsansprüchen in Betracht. Nach dem ProdHaftG haftet in erster Linie der Hersteller des Produktes – dazu zählen nicht nur der eigentliche Hersteller, sondern auch der Quasi-Hersteller (also derjenige, der das Produkt unter eigenem Namen oder Marke vertreibt) sowie der Importeur, sofern das Produkt aus einem Drittland in den EU-Wirtschaftsraum eingeführt wird. Kann der Hersteller des Produkts nicht ermittelt werden, tritt der Lieferant als sogenannter „Lieferant im letzten Glied“ in die Haftung ein, es sei denn, er benennt den tatsächlichen Hersteller oder seinen eigenen Lieferanten rechtzeitig. Dies gilt für Personen- und Sachschäden, die kausal auf ein fehlerhaftes Produkt zurückzuführen sind. Neben dieser deliktischen Haftung können Ansprüche aus vertraglicher Gewährleistung oder Garantie bestehen, die sich vor allem gegen den Verkäufer richten und ergänzend zum ProdHaftG gelten.

Welche Voraussetzungen müssen für eine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz erfüllt sein?

Damit eine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) begründet wird, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens muss ein Fehler im Produkt vorliegen, wobei Fehlerarten als Konstruktionsfehler, Fabrikationsfehler oder Instruktionsfehler (fehlende oder mangelhafte Warnhinweise) unterschieden werden. Zweitens muss durch diesen Fehler ein Schaden am Leben, Körper oder an der Gesundheit einer Person, oder ein Sachschaden an einer nicht gewerblich genutzten Sache, entstanden sein. Drittens ist zu verlangen, dass ein Ursachenzusammenhang (Kausalität) zwischen dem Produktfehler und dem eingetretenen Schaden besteht. Zudem darf kein Ausschlussgrund oder keine Haftungsfreistellung vorliegen, etwa wenn das Produkt noch nicht in den Verkehr gebracht wurde oder der Fehler nach Stand der Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkennbar war (sog. Entwicklungssklausel gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG).

Wie lange besteht eine Haftung für fehlerhafte Produkte?

Die Haftungsdauer im Rahmen der Produkthaftung ist rechtlich auf bestimmte Zeiträume beschränkt. Nach § 12 ProdHaftG verjähren Ansprüche auf Schadensersatz grundsätzlich drei Jahre nach dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte von dem Schaden, dem Fehler und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Unabhängig davon erlischt die Haftung spätestens zehn Jahre nach dem Inverkehrbringen des fehlerhaften Produkts, ungeachtet einer späteren Schadensentstehung oder Kenntniserlangung. Für vertragliche Gewährleistungsansprüche gelten in der Regel abweichende Fristen, meist zwei Jahre ab Übergabe der Ware, bei Bauwerken fünf Jahre.

Gilt die Haftung auch für weiterverarbeitete oder kombinierte Produkte?

Die Haftung nach ProdHaftG bezieht sich grundsätzlich auf das Endprodukt, für das der Hersteller verantwortlich ist. Wenn jedoch ein Produkt als Teil in ein anderes Endprodukt eingebaut wird, kann auch der Hersteller des Endprodukts haften, unabhängig davon, wer den eigentlichen Fehler verursacht hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Fehler durch das Zusammenwirken verschiedener Komponenten oder durch mangelhafte Montage entsteht. Der Hersteller des Endprodukts kann in Regress gegenüber dem Zulieferer gehen, sofern sich der Fehler eindeutig auf dessen Teil zurückführen lässt. Die komplexe Lieferkette kann somit zu einer Kettenhaftung führen, bei der mehrere Akteure an der Haftung beteiligt sind.

Kann ein Hersteller sich von der Haftung freizeichnen oder diese vertraglich ausschließen?

Die Haftung nach Produkthaftungsgesetz ist zwingendes Recht. Nach § 14 ProdHaftG kann die Haftung gegenüber dem Verbraucher im Voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Versuche, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) die Haftung auszuschließen oder einzuschränken, sind unwirksam. Ausgenommen davon sind lediglich individuell ausgehandelte Haftungsbeschränkungen zwischen zwei Unternehmen (B2B), wobei auch hier die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Für die Gewährleistungshaftung nach BGB können gewisse Ausschlüsse vereinbart werden, diese sind jedoch im Rahmen des Verbraucherschutzes stark eingeschränkt.

Welche Beweislastregelungen gelten bei der Haftung für fehlerhafte Produkte?

Im Rahmen der Produkthaftung nach dem ProdHaftG muss der Geschädigte grundsätzlich beweisen, dass ein Schaden, ein Produktfehler sowie ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden besteht. Der Hersteller hingegen muss darlegen, wenn ein Haftungsausschlussgrund vorliegt, etwa dass er das Produkt nicht in den Verkehr gebracht hat oder dass der Fehler nach Stand von Wissenschaft und Technik unvermeidbar war. Im Rahmen der vertraglichen Gewährleistung gilt bei Verbrauchern innerhalb der ersten zwölf Monate nach Übergabe eine Beweislastumkehr zugunsten des Käufers: Es wird vermutet, dass ein bereits bei Gefahrübergang bestehender Mangel vorliegt, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware oder des Mangels unvereinbar.

Gibt es Haftungshöchstgrenzen oder Entschädigungsobergrenzen?

Ja, das Produkthaftungsgesetz sieht Haftungshöchstgrenzen vor. Für Sachschäden gilt eine Selbstbeteiligung des Geschädigten in Höhe von 500 Euro (§ 11 ProdHaftG). Bei Personenschäden beträgt die maximale Ersatzpflicht eines Herstellers pro Schadensereignis 85 Millionen Euro, unabhängig von der Zahl der geschädigten Personen (§ 10 Abs. 1 ProdHaftG). Sollte die Gesamtsumme der geltend gemachten Ansprüche diesen Betrag übersteigen, so werden die Ansprüche verhältnismäßig gekürzt. Für sonstige Schadensarten gelten keine festen Höchstgrenzen im Rahmen der Produkthaftung, wobei deliktische Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung ebenfalls eine ergänzende Rolle spielen können.