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Haftung des Arbeitgebers


Haftung des Arbeitgebers

Die Haftung des Arbeitgebers ist ein zentrales Rechtsgebiet im Arbeitsrecht und beschäftigt sich mit den Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten, die Unternehmen und öffentliche Arbeitgeber gegenüber ihren Beschäftigten, Dritten und dem Staat hinsichtlich Fehlern, Pflichtverletzungen, Schäden und Arbeitsunfällen treffen. Die gesetzlichen Grundlagen sind vielschichtig und werden vor allem durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowie zahlreiche Nebengesetze und Rechtsprechung geprägt.

Grundlagen der Arbeitgeberhaftung

Vertragliche Haftung

Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht ein Arbeitsvertrag, aus dem sich gegenseitige Rechte und Pflichten ableiten. Verletzt der Arbeitgeber eine arbeitsvertragliche Pflicht, kann er dem Arbeitnehmer zum Schadensersatz verpflichtet sein. Wichtige Vertragspflichten sind insbesondere die ordnungsgemäße Lohnzahlung, Wahrung des Gesundheitsschutzes sowie die Gewährung von Urlaub. Die Rechtsgrundlage der Haftung bildet § 280 BGB, wonach bei einer Pflichtverletzung ein Schadenersatzanspruch entstehen kann.

Deliktische Haftung

Unabhängig vom Arbeitsvertrag kommt eine deliktische Haftung nach den §§ 823 ff. BGB in Betracht. Verletzt der Arbeitgeber beispielsweise durch mangelhafte Sicherheitseinrichtungen die Gesundheit eines Arbeitnehmers, kann dies zu deliktischer Schadensersatzpflicht führen. Die deliktische Haftung greift insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber schuldhaft (fahrlässig oder vorsätzlich) absolute Rechte wie Eigentum, Leben, Körper oder Gesundheit eines Arbeitnehmers oder Dritter verletzt.

Haftungsarten und Haftungsumfang

Haftung gegenüber Arbeitnehmern

Die Haftung gegenüber eigenen Beschäftigten umfasst alle Schadenersatzansprüche, die aus Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis entstehen können. Eine wichtige Grenze dieser Haftung bildet das sogenannte innerbetriebliche Schadensausgleichssystem, das insbesondere bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten zur Anwendung kommt und eine Minderung der Arbeitgeberhaftung bewirken kann.

Haftung gegenüber Dritten

Erleiden Dritte durch das Verhalten von Arbeitnehmern bei Ausübung dienstlicher Tätigkeit einen Schaden, haftet der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen gem. § 831 BGB auf Ersatz, sofern er als „Geschäftsherr“ eine Pflicht zur Auswahl, Anleitung und Überwachung trifft und diese verletzt wurde.

Strafrechtliche Haftung

Bei schwerwiegenden Pflichtverstößen im Betrieb, insbesondere gegen Vorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, können auch strafrechtliche Sanktionen gegen den Arbeitgeber oder seine Organe verhängt werden. Hier spielen die §§ 222, 229 StGB (fahrlässige Tötung bzw. Körperverletzung) und zahlreiche Bußgeldvorschriften eine Rolle.

Haftung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten

Sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung

Die Haftung des Arbeitgebers im Bereich von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ist durch das Haftungsprivileg des § 104 SGB VII erheblich eingeschränkt. Arbeitnehmer haben bei Arbeitsunfällen – abgesehen von Vorsatz – grundsätzlich keinen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber oder Kollegen, da die gesetzliche Unfallversicherung eintritt. Nur bei vorsätzlicher Verletzungshandlung entfällt dieses Privileg.

Regress der Unfallversicherung

Kommt es zu einem Arbeitsunfall infolge grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz, kann die Unfallversicherung gegenüber dem Arbeitgeber Regress nehmen und gezahlte Leistungen ganz oder teilweise zurückfordern.

Umfang der Haftung und Haftungsbegrenzung

Verschuldensgrade

Der Umfang der Arbeitgeberhaftung ist nach Verschuldensgraden abgestuft:

  • Leichte Fahrlässigkeit führt regelmäßig zu einer Minderung der Haftung, teils auch zum vollständigen Ausschluss.
  • Mittlere Fahrlässigkeit zieht eine anteilige Haftung nach Billigkeitsgrundsätzen nach sich.
  • Grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz führen in der Regel zu voller Haftung des Arbeitgebers.

Innerbetrieblicher Schadensausgleich

Bei Schäden, die im Rahmen betrieblich veranlasster Tätigkeiten entstehen, gilt das Prinzip des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. Hierzu hat die Rechtsprechung Grundsätze entwickelt, nach denen die Haftung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer angemessen verteilt wird.

Freistellung und Ausschluss durch Vertrag

Vertragliche Vereinbarungen, die eine Freistellung des Arbeitgebers von der Haftung zum Nachteil des Arbeitnehmers vorsehen, sind nur in engen rechtlichen Grenzen wirksam (§§ 276, 307 BGB). Eine vollständige Haftungsfreizeichnung für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit ist unzulässig.

Gesetzliche und aufsichtsrechtliche Spezialregelungen

Arbeitsschutzrecht

Das Arbeitsschutzrecht (u.a. Arbeitsschutzgesetz, ArbSchG) verpflichtet den Arbeitgeber umfassend zur Gefahrenvorsorge und Implementierung entsprechender Schutzmaßnahmen. Verstöße können sowohl bußgeld- als auch strafbewehrt sein und lösen zivilrechtliche Haftungsansprüche aus.

Datenschutz und Persönlichkeitsrechte

Verletzungen datenschutzrechtlicher Vorschriften (z. B. DSGVO, BDSG) oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts können ebenfalls eine Haftung des Arbeitgebers nach sich ziehen, etwa bei unzulässiger Überwachung am Arbeitsplatz oder Datenmissbrauch.

Rechtsfolgen und Anspruchsdurchsetzung

Schadensersatz und Schmerzensgeld

Im Haftungsfall kann der Arbeitgeber zur Zahlung von Schadensersatz sowie bei Gesundheitsverletzungen auch zur Leistung von Schmerzensgeld verpflichtet sein. Die Anspruchsdurchsetzung erfolgt in der Regel vor den Arbeitsgerichten.

Beweislast

Für die Haftung trägt der Arbeitnehmer grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich Pflichtverletzung, Schaden und Ursachenzusammenhang. Der Arbeitgeber kann sich durch Nachweise entlasten, beispielsweise, dass eine Pflichtverletzung nicht vorlag oder der Schaden auch bei ordnungsgemäßem Verhalten entstanden wäre.

Zusammenfassung

Die Haftung des Arbeitgebers vereint verschiedene Anspruchsgrundlagen und Schutzinstrumente aus dem Arbeits-, Zivil-, Sozial- und Strafrecht. Die gesetzlichen Regelungen bezwecken einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen dem Schutz der Arbeitnehmenden, dem berechtigten Interesse des Betriebs sowie der Allgemeinheit. Zu beachten sind die zahlreichen Besonderheiten und Haftungsprivilegien, insbesondere bei Arbeitsunfällen und im sozialen Sicherungssystem. Vor allem im Bereich des innerbetrieblichen Schadensausgleichs und der arbeitsvertraglichen Haftungsbegrenzung kommen den Entscheidungen der Gerichte maßgebende Bedeutung zu.

Häufig gestellte Fragen

Wann haftet der Arbeitgeber für Schäden, die ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeit verursacht?

Der Arbeitgeber haftet grundsätzlich nach den Grundsätzen der sogenannten „betrieblichen Haftung“. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber für Schäden, die der Arbeitnehmer im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit verschuldet, einstehen muss, sofern die Handlung in Ausübung dienstlicher Aufgaben erfolgte. Nach der ständigen Rechtsprechung erfolgt die Haftung jedoch abgestuft: Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitgeber in vollem Umfang und kann den Arbeitnehmer nicht regressieren. Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer quotal (d. h. anteilig) verteilt – unter Abwägung verschiedener Faktoren wie der Gefährlichkeit der Arbeit, Höhe des Schadens, Ausbildung und Stellung des Arbeitnehmers. Nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz kann der Arbeitnehmer voll in Anspruch genommen werden, wobei der Arbeitgeber zunächst gesamtschuldnerisch haftet und dann Regress beim Arbeitnehmer nehmen kann. Betrifft der Schaden jedoch einen Dritten (z. B. Kunden), kann dieser nach § 278 BGB den Arbeitgeber als Geschäftsherrn unmittelbar in Anspruch nehmen („Erfüllungsgehilfe“).

Haftet der Arbeitgeber auch für Schäden, die außerhalb der Arbeitszeit von Arbeitnehmern verursacht werden?

Für Schäden, die Arbeitnehmer außerhalb ihrer Arbeitszeit oder außerhalb des betrieblichen Kontextes verursachen, haftet der Arbeitgeber in der Regel nicht. Die Haftung setzt voraus, dass die Handlung „in Ausübung der dienstlichen Tätigkeit“ geschah, was bedeutet, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Arbeitsleistung und Schadenseintritt bestehen muss. Eigene private Tätigkeiten des Arbeitnehmers, sogenannte „Privatverrichtungen“, fallen ausdrücklich nicht unter die Haftungspflicht des Arbeitgebers. Im Schadensfall muss stets geprüft werden, ob ein innerer Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung gegeben war. Ist dies nicht der Fall, sind Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber ausgeschlossen.

Wie verhält sich die Haftung bei Arbeitsunfällen oder Personenschäden?

Bei Arbeitsunfällen greift grundsätzlich das Sozialversicherungsrecht (insbesondere das Siebte Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII). Arbeitnehmer sind über die gesetzliche Unfallversicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. Der Arbeitgeber haftet daher im Regelfall nicht direkt für Personenschäden von Arbeitnehmern, es sei denn, der Unfall geschah vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit. In diesen Fällen (§ 104 Abs. 1 SGB VII) sind Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber möglich. Gegen Dritte (zum Beispiel andere Unternehmen auf derselben Baustelle) bestehen unter Umständen gesonderte Haftungsansprüche.

Wie wirkt sich eine vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkung zugunsten des Arbeitgebers aus?

Haftungsbeschränkungen im Arbeitsvertrag sind teilweise möglich, müssen jedoch die zwingenden gesetzlichen Vorgaben beachten und dürfen nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder das Prinzip des Schutzes des Schwächeren verstoßen. Insbesondere ist eine vollständige Freistellung des Arbeitgebers von jeder Haftung nach der Rechtsprechung unzulässig. Vertragliche Vereinbarungen können beispielsweise eine weiter gehende Haftung des Arbeitnehmers für grobe Fahrlässigkeit oder bestimmte Fälle regeln, dürfen aber weder die Mindeststandards unterschreiten noch den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Eine AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB findet Anwendung.

Wer trägt die Beweislast im Schadensfall hinsichtlich des Verschuldensgrades?

Im Schadensfall liegt die Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung und deren Schwere zunächst beim Arbeitgeber, wenn dieser Regress beim Arbeitnehmer geltend machen will oder die Forderung von außen kommt. Der Arbeitgeber muss darlegen, dass überhaupt ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers vorliegt und ggf. in welchem Verschuldensgrad (leicht, mittel, grob fahrlässig oder vorsätzlich). Kann die genaue Einordnung nicht getroffen werden, geht dies zulasten des Arbeitgebers. Bei Drittgeschädigten (zum Beispiel Kunden) kann der Arbeitgeber sich jedoch im Innenverhältnis auf den jeweiligen Arbeitnehmerregress berufen, muss aber auch hier das Verschulden belegen.

Haftet der Arbeitgeber für das Verhalten von Leiharbeitnehmern oder freien Mitarbeitern?

Leiharbeitnehmer sind im Haftungsrecht den eigenen Arbeitnehmern gleichgestellt. Schäden, die sie in Ausübung ihrer Tätigkeit verursachen, unterliegen somit denselben Haftungsregelungen wie für das Stammpersonal. Gegenüber Dritten haftet der Arbeitgeber wie für eigene Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB. Bei freien Mitarbeitern (z. B. auf Werkvertragsbasis) hängt die Haftung davon ab, ob diese als Erfüllungsgehilfen oder Verrichtungsgehilfen tätig werden. Ist der freie Mitarbeiter umfassend in den Betrieb eingegliedert und handelt weisungsabhängig, kommt eine Haftung in Betracht. Andernfalls ist die Haftung auf die Auswahl- und Überwachungspflichten nach § 831 BGB beschränkt.

Was gilt bei Vermögensschäden, die ein Arbeitnehmer Dritten zufügt?

Für verursachte Vermögensschäden durch Arbeitnehmer (etwa durch Beratungsfehler, Missachtung von Geschäftsgeheimnissen, fehlerhafte Zahlungsanweisungen) haftet der Arbeitgeber Dritten gegenüber nach denselben Prinzipien wie bei Sach- und Personenschäden. Voraussetzung ist wieder die betrieblich veranlasste Tätigkeit. Gegenüber dem Arbeitnehmer werden Vermögensschäden nach den Grundsätzen der innerbetrieblichen Haftung behandelt, d. h. es erfolgt eine Differenzierung nach Grad des Verschuldens sowie eine mögliche Haftungsfreistellung bei leichter Fahrlässigkeit. Dritten gegenüber haftet der Arbeitgeber aber regelmäßig vollumfänglich, eventuelle Regressansprüche gegen den Arbeitnehmer richten sich wiederum nach der betrieblichen Haftungsstaffel.