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Häusliche Pflege


Begriff und Bedeutung der häuslichen Pflege

Die häusliche Pflege bezeichnet in Deutschland die pflegerische Versorgung einer pflegebedürftigen Person im häuslichen Umfeld. Primäres Ziel der häuslichen Pflege ist es, dem Pflegebedürftigen ein möglichst selbstbestimmtes Leben in der vertrauten Umgebung, meist in der eigenen Wohnung, zu ermöglichen. Die Leistungserbringung kann durch Angehörige, ehrenamtlich Tätige oder durch professionelle ambulante Pflegedienste erfolgen. Die Rechtsgrundlagen, Leistungsarten und spezifischen Voraussetzungen der häuslichen Pflege werden im Folgenden systematisch dargestellt.


Rechtsgrundlagen der häuslichen Pflege

Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) – Pflegeversicherung

Das zentrale Gesetzeswerk für die häusliche Pflege ist das Elfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zur sozialen Pflegeversicherung. Es regelt insbesondere die Leistungen der Pflegeversicherung, deren Anspruchsvoraussetzungen und die Durchführung der häuslichen Pflege. Wesentliche Vorschriften finden sich in den §§ 14 ff. SGB XI.

Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI

Pflegebedürftig nach § 14 SGB XI sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb regelmäßig, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem Maße Hilfe benötigen. Der Pflegegrad wird durch den Medizinischen Dienst (MD) oder andere zuständige Gutachter festgestellt und bildet die Grundlage für Art und Umfang der Leistungsansprüche.

Sozialgesetzbuch V (SGB V) – Krankenversicherung

Die häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V ist von der häuslichen Pflege zu unterscheiden. Während die Pflegeversicherung vor allem Maßnahmen zur Unterstützung bei der Alltagsbewältigung vorsieht, umfasst die häusliche Krankenpflege medizinisch notwendige Hilfeleistungen, beispielsweise Behandlungspflege oder Unterstützung nach Krankenhausaufenthalt, und wird von der Krankenversicherung getragen.


Leistungsarten in der häuslichen Pflege

Pflegegeld (§ 37 SGB XI)

Pflegebedürftige können bei häuslicher Pflege anstelle von Sachleistungen Pflegegeld beantragen. Die Auszahlung des Pflegegeldes erfolgt direkt an die versicherte Person, die damit eine eigenständige Organisation der Pflege, z. B. durch Angehörige oder ehrenamtlich Helfende, finanzieren kann.

Pflegesachleistungen (§ 36 SGB XI)

Alternativ oder ergänzend kann die Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst erfolgen, der die sogenannten Pflegesachleistungen erbringt. Der Pflegedienst rechnet die erbrachten Leistungen direkt mit der Pflegekasse ab.

Kombinationsleistung (§ 38 SGB XI)

Eine Kombination von Pflegegeld und Pflegesachleistungen ist ebenfalls möglich. Die Höhe der Ansprüche richtet sich nach dem jeweiligen Pflegegrad und dem in Anspruch genommenen Umfang der beiden Leistungsarten.

Zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen (§ 45b SGB XI)

Pflegebedürftige in häuslicher Pflege erhalten nach § 45b SGB XI monatlich einen Entlastungsbetrag. Dieser kann für zusätzliche Betreuungsleistungen, Unterstützung im Haushalt oder zur stundenweisen Betreuung genutzt werden.


Voraussetzung und Verfahren

Antragstellung und Feststellung des Pflegegrades

Leistungen der häuslichen Pflege müssen bei der zuständigen Pflegekasse beantragt werden. Die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und des Pflegegrades erfolgt durch den Medizinischen Dienst. Grundlage ist ein bundesweit einheitliches Begutachtungsverfahren nach dem Neuen Begutachtungsassessment (NBA).

Qualitätssicherung und Beratung (§§ 7, 37 Absatz 3 SGB XI)

Die Pflegekassen sind verpflichtet, Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen eine umfassende Beratung anzubieten. Pflegegeldempfänger müssen in bestimmten Intervallen eine Beratungsvisite durch einen anerkannten Pflegedienst oder eine Pflegefachkraft nachweisen, um eine kontinuierliche Qualität der häuslichen Pflege zu gewährleisten.


Vereinbarkeit mit weiteren Leistungen

Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI) und Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI)

Ergänzend zur häuslichen Pflege haben Pflegebedürftige nach bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege, wenn die reguläre Pflegeperson vorübergehend ausfällt oder besondere Umstände dies erforderlich machen.


Pflegerische Versorgung durch Angehörige und nahestehende Personen

Die häusliche Pflege wird in Deutschland überwiegend von Angehörigen durchgeführt. Das Gesetz sieht dabei keine zwingende Professionalität vor; auch Nachbarn oder Freunde können die Pflege übernehmen. Für pflegende Angehörige bestehen Unterstützungsangebote wie Pflegekurse und Zuwendungen, etwa die soziale Absicherung in der Renten- und Unfallversicherung (vgl. § 44 SGB XI).


Arbeits- und haftungsrechtliche Aspekte der häuslichen Pflege

Status der Pflegepersonen

Pflegepersonen, die im Rahmen der häuslichen Pflege tätig werden, stehen in keinem direkten Arbeitsverhältnis zum Pflegebedürftigen, sofern Sie als Angehörige oder ehrenamtlich Pflegende handeln. Wird dagegen ein ambulanter Pflegedienst beauftragt, besteht ein Dienstleistungsvertrag zwischen Pflegebedürftigem/Pflegenden und Pflegedienst.

Haftungsfragen

Angehörige und ehrenamtlich Pflegende haften grundsätzlich nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Pflegedienste unterliegen hingegen den Regularien des Werk- und Dienstvertragsrechts und sind im Rahmen ihrer Tätigkeit haftpflichtversichert.


Auswirkungen auf Sozialleistungen und Steuern

Anrechnung von Pflegegeld

Das Pflegegeld wird grundsätzlich nicht auf Sozialleistungen wie Grundsicherung oder Arbeitslosengeld II angerechnet. Die Zahlungen gelten als zweckgebunden.

Steuerliche Berücksichtigung

Aufwendungen für die häusliche Pflege können im Rahmen des Einkommensteuerrechts als außergewöhnliche Belastung oder im Rahmen der haushaltsnahen Dienstleistungen geltend gemacht werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.


Internationaler Kontext und Abgrenzung

Die in Deutschland geltarten Regelungen zur häuslichen Pflege unterscheiden sich erheblich von den Regelungen anderer Staaten. Besonders hervorzuheben ist die pflegeversicherungspflichtige Verankerung und der hohe Stellenwert der häuslichen Versorgung im deutschen Sozialrecht. Eine Abgrenzung besteht insbesondere zur stationären Pflege, die umfassendere rechtliche Vorschriften zu Vertragsbindung, Qualitätskontrolle und Finanzierung unterliegt.


Rechtsentwicklung und aktuelle Tendenzen

Gesetzliche Novellierungen wie das Pflege-Neuausrichtungsgesetz oder das Zweite Pflegestärkungsgesetz haben die Bedeutung und Flexibilität der häuslichen Pflege weiter gestärkt. Die Entwicklung geht zunehmend in Richtung eines bedarfsgerechten Versorgungsmanagements und einer besseren Entlastung der pflegenden Angehörigen.


Literatur und weiterführende Rechtsgrundlagen

  • Sozialgesetzbuch XI – Soziale Pflegeversicherung
  • Sozialgesetzbuch V – Gesetzliche Krankenversicherung
  • Pflege- und Entwicklungsberichte des Bundesministeriums für Gesundheit
  • Richtlinien des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK)

Dieser Artikel stellt die wesentlichen rechtlichen Grundlagen und praktischen Konsequenzen der häuslichen Pflege in Deutschland umfassend dar und dient als kompakte Orientierung im Kontext pflegerechtlicher Fragestellungen.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht ein Anspruch auf häusliche Pflege im rechtlichen Sinne?

Ein Anspruch auf häusliche Pflege besteht gemäß § 36 SGB XI (Sozialgesetzbuch Elf) dann, wenn bei einer pflegebedürftigen Person ein anerkannter Pflegegrad (1-5) durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) bzw. durch andere zuständige Stellen festgestellt wurde. Voraussetzung ist hierbei, dass die häusliche Pflege im eigenen Haushalt oder dem Haushalt einer anderen Person erfolgen kann und vorrangig ambulante Pflegeleistungen (Pflegesachleistungen oder Pflegegeld) beantragt werden. Die pflegebedürftige Person hat das Recht, zwischen mehreren Formen der häuslichen Pflege zu wählen (Pflegegeld, Pflegesachleistung, Kombinationsleistung) und kann außerdem auf Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen zurückgreifen. Die genaue Höhe und Art der Leistungen richten sich nach dem festgestellten Pflegegrad. Zudem ist es rechtlich nicht zulässig, die Bewilligung häuslicher Pflege ohne triftigen Grund durch die Pflegekasse zu verhindern, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Welche rechtlichen Grenzen bestehen bei der Beschäftigung ausländischer Pflegekräfte im Privathaushalt?

Die Beschäftigung ausländischer Pflegekräfte im Privathaushalt unterliegt in Deutschland strengen rechtlichen Vorgaben. Zunächst ist zu differenzieren, ob es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung oder eine direkte Anstellung handelt. Insbesondere bei Pflegekräften aus Nicht-EU-Staaten gelten aufenthalts- und arbeitsrechtliche Beschränkungen: Die Pflegekraft benötigt einen entsprechenden Aufenthaltstitel samt Arbeitserlaubnis. Für Pflegekräfte aus EU-Staaten ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit maßgeblich, mit der sie grundsätzlich unter bestimmten Bedingungen tätig werden können. Die beliebte sogenannte „24-Stunden-Pflege“ ist rechtlich häufig problematisch, da diese oft mit unzulässigen Arbeitszeitregelungen, Scheinselbstständigkeit oder nicht-legalen Beschäftigungsmodellen einhergeht. Arbeitgeberpflichten, Mindestlohn, Sozialversicherung und Steuerabgaben müssen vollumfänglich berücksichtigt werden. Die Umgehung dieser Bestimmungen, etwa durch eine Scheinselbstständigkeit oder Scheinentsendungen osteuropäischer Dienstleister, kann erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen.

Welche Pflichten haben Angehörige hinsichtlich der Finanzierung der häuslichen Pflege?

Angehörige sind grundsätzlich nicht verpflichtet, die Kosten der häuslichen Pflege zu übernehmen, solange die pflegebedürftige Person oder deren Pflegekasse für die erforderlichen Leistungen selbst aufkommen kann. Erst wenn die pflegebedürftige Person ihren Eigenanteil der Pflege- und eventueller weiteren Kosten (z.B. zusätzliche Betreuung, notwendige Wohnraumanpassungen) nicht mehr selbst tragen kann und die bewilligten Leistungen der Pflegeversicherung (wie Pflegegeld oder Pflegesachleistungen) ausgeschöpft sind, kommt eine Unterhaltspflicht der nächsten Angehörigen in Betracht (§ 1601 BGB – Unterhaltspflicht). Die seit 2020 geltende „Entlastung der Angehörigen“ nach dem Angehörigenentlastungsgesetz sieht jedoch eine Freigrenze vor: Kinder müssen nur dann zu den Pflegekosten der Eltern beitragen, wenn ihr Jahreseinkommen 100.000 Euro brutto übersteigt. Bis zu diesem Betrag ist keine Heranziehung zu erwarten. Weiterhin bestehen Informations- und Mitwirkungspflichten gegenüber den Sozialleistungsträgern, falls Leistungen wie Hilfe zur Pflege nach SGB XII beantragt werden.

Welche gesetzlichen Regelungen gelten für die Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege?

Die Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege ist durch verschiedene gesetzliche Vorschriften, insbesondere das SGB XI, geregelt. Ambulante Pflegedienste benötigen eine staatliche Zulassung und unterliegen der regelmäßigen Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) bzw. den Prüfdienst der privaten Pflegeversicherung. Diese Prüfungen umfassen sowohl die Struktur-, Prozess- als auch Ergebnisqualität (z.B. Dokumentation, Pflegeplanung, Qualifikation des Personals und tatsächliche Versorgung der Pflegebedürftigen). Die Prüfberichte der Dienste sind nach § 115 SGB XI zu veröffentlichen und dienen der Transparenz für die Pflegebedürftigen und deren Angehörige. Individuelle Pflegekräfte (z.B. Angehörige als Pflegepersonen) unterliegen keiner staatlichen Qualitätssicherungspflicht, können jedoch für bestimmte Leistungen qualifiziert werden (z.B. Schulungspflicht bei bestimmten Pflegemaßnahmen). Leistungsansprüche können entzogen oder reduziert werden, wenn wiederholt gravierende Mängel in der Pflege festgestellt werden.

Haben pflegebedürftige Personen ein Recht auf Beratung im Bereich der häuslichen Pflege?

Ja, pflegebedürftigen Personen und ihren Angehörigen steht nach § 7a SGB XI ein Anspruch auf eine umfassende, individuelle Pflegeberatung zu. Pflegekassen sind verpflichtet, eine qualifizierte Beratung anzubieten, die alle rechtlichen, medizinischen und organisatorischen Fragen zur häuslichen Pflege abdeckt. Dies umfasst unter anderem die Aufklärung über Leistungsansprüche, Hilfsmittel, Wohnraumanpassungen, Entlastungsleistungen und die Organisation ambulanter Pflege. Die Beratung ist kostenfrei und kann auf Wunsch auch zu Hause erfolgen. Weiterhin haben Pflegebedürftige sowie deren Angehörige einen rechtlichen Anspruch auf einen individuellen Versorgungsplan, der in Zusammenarbeit mit den Pflegeberatern entwickelt werden muss. Die Beratungsangebote sind verbindlich, die Kassen müssen Beratungstermine zeitnah ermöglichen oder bei Überforderung innerhalb von zwei Wochen zurückmelden. Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, kann eine Beschwerde beim Bundesamt für Soziale Sicherung erfolgen.

Was ist bei der rechtlichen Gestaltung von Pflegeverträgen mit ambulanten Diensten zu beachten?

Pflegeverträge mit ambulanten Pflegediensten unterliegen den zivilrechtlichen Vertragsregelungen sowie spezifischen Vorgaben nach dem SGB XI. Grundlage ist der Abschluss eines schriftlichen Pflegevertrags, der die Art, den Umfang und die Vergütung der Pflegeleistungen verbindlich regelt. Der Vertrag muss transparent, verständlich und nachprüfbar sein (§ 120 SGB XI). Enthalten sein müssen Angaben zu den erbrachten Leistungen, den Kosten, Kündigungsfristen, Haftungsregelungen sowie zu Änderungen der Vertragsbedingungen. Wichtige Regelungen betreffen das Widerrufsrecht, die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen und die Dokumentationspflichten des Pflegedienstes. Maßgeblich für die Abrechnung ist das Leistungsangebot, das mit den Pflegekassen vertraglich vereinbart ist, wobei Eigenanteile klar auszuweisen sind. Erhöht sich der Leistungsbedarf, so ist der Vertrag entsprechend anzupassen. Unklare oder überraschende Klauseln sind unwirksam und können zur Anfechtung des Vertrags führen. Bei Streitigkeiten bietet die Schiedsstelle nach SGB XI Hilfe an.