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Härteausgleich


Begriff und rechtliche Grundlagen des Härteausgleichs

Der Härteausgleich ist ein rechtliches Institut, das im deutschen Recht unterschiedliche Rechtsgebiete betrifft. Der Härteausgleich dient dazu, Nachteile, die im Einzelfall durch eine gesetzliche Regelung entstehen und als unzumutbare Härte empfunden werden, abzumildern oder auszugleichen. Ziel des Härteausgleichs ist es, die Rechtsanwendung im Einzelfall an die Grundsätze von Gerechtigkeit und Billigkeit anzupassen. Die konkrete Ausgestaltung und die Voraussetzungen für einen Härteausgleich variieren je nach Rechtsgebiet.


Härteausgleich im öffentlichen Recht

Härteausgleich nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG)

Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) besteht ein Anspruch auf Härteausgleich für Personen, die durch eine anerkannte Schädigung Nachteile erleiden, die durch die regulären Leistungen des Gesetzes nicht ausreichend abgedeckt werden. Der Zweck des Härteausgleichs im BVG liegt darin, besondere persönliche Härten hinsichtlich der Schädigungsfolgen angemessen auszugleichen.

Voraussetzungen

Ein Anspruch besteht, wenn:

  • besondere, atypische Schädigungsfolgen vorliegen,
  • eine nur unzureichende Versorgung nach den regulären Vorschriften erfolgt,
  • die Anspruchsvoraussetzungen für einen Härteausgleich (§ 27 BVG) erfüllt sind.

Art und Umfang

Der Umfang des Härteausgleichs bemisst sich nach dem individuellen Bedarf sowie der Schwere der Beeinträchtigung. Die Leistung wird üblicherweise als zusätzliche monatliche Geldleistung erbracht.

Härteausgleich im Bundesbesoldungsgesetz (BBesG)

Das Bundesbesoldungsgesetz sieht im Rahmen von Strukturänderungen im öffentlichen Dienst einen Härteausgleich vor. Bei Umsetzungen, Versetzungen und sonstigen personalorganisatorischen Maßnahmen kann durch einen Härteausgleich verhindert werden, dass einzelne Beschäftigte aufgrund besonderer persönlicher Umstände unzumutbare wirtschaftliche Nachteile erleiden.

Härteausgleich im Steuerrecht

Im Steuerrecht existieren verschiedene Mechanismen, um unverhältnismäßige steuerliche Belastungen zu vermeiden. Gemäß § 46 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) kann unter bestimmten Bedingungen ein Härteausgleich beantragt werden, wenn beispielsweise geringfügige Einkommensteuerbeträge zu zahlen wären, deren Erhebung unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeuten würde.


Härteausgleich im Familienrecht

Härteausgleich bei Versorgungsausgleich (§ 27 VersAusglG)

Im Versorgungsausgleich ist der Härteausgleich in § 27 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) geregelt. Im Rahmen der Ehescheidung kann der Versorgungsausgleich ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wenn seine Durchführung für einen Ehegatten eine unbillige Härte darstellen würde.

Anwendungsfälle

Ein Härteausgleich kommt insbesondere in Betracht, wenn:

  • das Verhalten des ausgleichsberechtigten Ehegatten als grob unbillig einzustufen ist,
  • ein Ehegatte sich beispielsweise einer schweren Verfehlung schuldig gemacht hat,
  • eine deutliche Unverhältnismäßigkeit zwischen Dauer der Ehe und der Höhe der auszugleichenden Anwartschaften besteht.

Verfahren

Über das Vorliegen einer unbilligen Härte entscheidet das Familiengericht auf Antrag. Das Gericht hat die beiderseitigen Interessen sorgfältig abzuwägen.


Härteausgleich im Sozialrecht

Härteausgleich nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)

Auch nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) besteht Anspruch auf einen Härteausgleich, wenn ein Geschädigter infolge einer Gewalttat Nachteile erleidet, die nicht oder nur unzureichend durch die regulären Leistungen des OEG gedeckt werden.

Härteausgleich im Schwerbehindertenrecht

Im Schwerbehindertenrecht können nach § 83 SGB IX Härteausgleiche bei Kündigungen und besonderen sozialen Auswirkungen gewährt werden. Für schwerbehinderte Menschen sollen damit unbillige Benachteiligungen abgemildert werden.


Grundsätze und Ausgestaltung des Härteausgleichs

Voraussetzungen und Anspruchsgrundlagen

Alle Regelungen zum Härteausgleich stehen unter dem Grundsatz, dass nur in atypischen Einzelfällen, in denen sich das Gesetz als ausnahmsweise unbillig erweist, ein Ausgleich gewährt werden kann. Die Anspruchsvoraussetzungen sind regelmäßig eng auszulegen, um eine Ausuferung des Härteausgleichs zu verhindern.

Prüfungsmaßstab

Der Antragsteller muss im jeweiligen Rechtsbereich nachweisen, dass die eintretende Belastung eine besondere, durch das Gesetz nicht hinreichend berücksichtigte Härte darstellt. Die zuständigen Behörden oder Gerichte nehmen eine umfassende Einzelfallprüfung vor.

Rechtsnatur und Rechtsfolgen

Der Härteausgleich stellt eine Ausnahmevorschrift dar und wird in der Regel durch eine Geldleistung, Leistung in anderer Form oder durch Modifikation bestehender Rechtsfolgen realisiert. Ein Anspruch besteht nur nach ausdrücklichem Antrag und positiver Feststellung der Voraussetzungen.


Verfahren und Durchsetzung

Der Härteausgleich wird stets nur auf Antrag gewährt. Im behördlichen Bereich sind entsprechende Nachweise und Unterlagen vorzulegen. Im gerichtlichen Verfahren, etwa beim Familien- oder Sozialgericht, kann der Härteausgleich regelmäßig als Nebenantrag im laufenden Verfahren gestellt werden.

Rechtsbehelfe

Wird ein Antrag auf Härteausgleich abgelehnt, ist in der Regel der Rechtsweg zu den Verwaltungs-, Sozial-, Familien- oder Finanzgerichten geöffnet. Die gerichtlichen Prüfungen konzentrieren sich auf die Frage, ob eine atypische Härte im Sinne der jeweiligen gesetzlichen Bestimmung vorliegt.


Abgrenzung zu ähnlichen Rechtsinstituten

Der Härteausgleich ist von anderen verfahrensrechtlichen Instrumenten, wie Billigkeitserwägungen oder Gnadenentscheidungen, abzugrenzen. Während der Härteausgleich auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, handelt es sich bei Gnadenakten um reine Ausnahmen im Ermessen der Verwaltung.


Literatur und Quellen

  • Bundesministerium der Justiz: Bundesversorgungsgesetz
  • Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG)
  • Opferentschädigungsgesetz (OEG)
  • Sozialgesetzbuch (SGB IX)
  • Einkommensteuergesetz (EStG)

Der Härteausgleich bildet im deutschen Recht ein wesentliches Werkzeug zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse. Seine rechtliche Relevanz ergibt sich durch die Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Rechtsbereichen, wobei stets die Besonderheiten des Einzelfalls entscheidend sind.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist im rechtlichen Sinne anspruchsberechtigt auf einen Härteausgleich?

Anspruchsberechtigt auf einen Härteausgleich sind nach deutschem Recht insbesondere Personen, die durch familiengerichtliche Entscheidungen, primär im Rahmen des Versorgungsausgleichs bei Scheidungen, einen wirtschaftlichen Nachteil erleiden, der als unbillig angesehen werden kann. Der Härteausgleich dient dabei als Auffangregelung, um im Einzelfall eine erhebliche, vom Gesetz so nicht vorgesehene Benachteiligung einer Partei auszugleichen oder abzumildern. Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich Ehegatten oder Lebenspartner, die glaubhaft machen können, dass der ansonsten vorgesehene Ausgleich zu einer unbilligen Härte führen würde (§ 27 Versorgungsausgleichsgesetz – VersAusglG). Die Anspruchsberechtigung muss ausdrücklich beantragt und im Verfahren substantiiert begründet werden, sie ist keine automatische Folge der Antragsstellung auf Versorgungsausgleich.

Wie wird die Unbilligkeit rechtlich bewertet und vom Gericht geprüft?

Die Unbilligkeit – also die „Härte“ – wird von Gerichten anhand des konkreten Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen überprüft. Dafür sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen (§ 27 VersAusglG). Als Anhaltspunkte zur Beurteilung dienen beispielsweise außergewöhnlich kurze Ehedauer, erhebliche Pflichtverletzungen (z.B. Gewalt, Straftaten), unterhaltsrechtliche Verfehlungen, Täuschung oder missbräuchliche Verhaltensweisen während der Ehe. Die Rechtsprechung hat hohe Anforderungen an das Vorliegen einer Härte entwickelt: Übliche Nachteile oder emotionale Belastungen reichen dafür nicht aus. Das Gericht wägt insbesondere die Interessen beider Parteien und deren künftige Versorgungssituation ab und prüft, ob die Durchführung des Versorgungsausgleichs im jeweiligen Fall zu einem untragbaren Ergebnis führen würde, das mit Treu und Glauben nicht vereinbar ist.

Welche rechtlichen Folgen hat die Anerkennung eines Härteausgleichs?

Wird ein Härteausgleich vom Familiengericht anerkannt, führt dies zu einer Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben zum Versorgungsausgleich. Konkret kann dies bedeuten, dass der Ausgleichsanspruch vollständig versagt, teilweise eingeschränkt oder modifiziert wird. Die Entscheidung wird im Urteil oder in einem gesonderten Beschluss festgehalten und ist regelmäßig mit einer ausführlichen Begründung zu versehen, in der die Entscheidungsgründe, die die Anerkennung der Härte rechtfertigen, dargelegt werden. Die Anerkennung eines Härteausgleichs ist regelmäßig auf den jeweiligen Einzelfall bezogen und kann nicht pauschal übernommen werden. Rechtlich bindend ist die Entscheidung für die Parteien im konkreten Verfahrensabschnitt.

Kann der Härteausgleich auch rückwirkend geltend gemacht werden?

Nach ständiger Rechtsprechung und gesetzlicher Regelung gilt der Härteausgleich grundsätzlich nur für das laufende gerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich. Eine rückwirkende Geltendmachung für bereits rechtskräftig abgeschlossene Entscheidungen ist nur in sehr engen Ausnahmefällen nachträglich über eine Abänderungsklage (§ 51 VersAusglG) möglich – etwa wenn neue, erhebliche Tatsachen nachträglich bekannt werden oder sich maßgebliche Umstände gravierend und unvorhersehbar geändert haben. In diesen Fällen ist das Interesse an Rechtssicherheit gegenüber dem berechtigten Interesse an Billigkeit abzuwägen.

Wie verhält sich der Härteausgleich zu vertraglichen Regelungen (z.B. Ehevertrag)?

Der Härteausgleich entfaltet grundsätzlich nur Wirkung im gesetzlich geregelten Versorgungsausgleichsverfahren und tritt ergänzend zu etwaigen vertraglichen Regelungen, wie sie in Eheverträgen oder Scheidungsfolgenvereinbarungen getroffen werden können. Vertragsparteien können Regelungen zum Versorgungsausgleich individuell ausgestalten und durch notarielle Vereinbarungen abweichende Bestimmungen treffen. Dennoch bleibt das Familiengericht verpflichtet, die Einhaltung der gesetzlichen Mindeststandards und die Verhinderung grober Unbilligkeit zu prüfen. Liegt eine Härte vor, kann das Gericht trotz vertraglicher Vereinbarung eingreifen, sofern eine grobe Benachteiligung oder Sittenwidrigkeit vorliegt (§ 8 VersAusglG i.V.m. § 138 BGB).

Inwieweit ist der Härteausgleich mit anderen familienrechtlichen Ausgleichsmechanismen kombinierbar?

Der Härteausgleich ist vorrangig im Kontext des Versorgungsausgleichs zu sehen, kann aber im Zusammenhang mit weiteren familienrechtlichen Ausgleichsinstrumenten, wie dem Zugewinnausgleich oder dem Unterhaltsrecht, eine Rolle spielen. In bestimmten Konstellationen müssen Gerichte sämtliche Ausgleichsansprüche separat prüfen und bewerten, um ein insgesamt ausgewogenes Ergebnis zu erzielen. Insbesondere darf es nicht zu einer doppelten Privilegierung der einen oder Benachteiligung der anderen Partei kommen. Im Rahmen des gerichtlichen Ermessens ist deshalb größte Sorgfalt darauf zu legen, dass die Billigkeitskriterien nicht mehrfach oder gegensätzlich berücksichtigt werden und das Gesamtergebnis angemessen bleibt.

Besteht eine Möglichkeit der sofortigen Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung zum Härteausgleich?

Gegen gerichtliche Entscheidungen, die eine Härtefallregelung bestätigen oder ablehnen, ist grundsätzlich die sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 ff. ZPO i.V.m. § 20 FamFG möglich. Die Beschwerde muss innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt und mit substantiellen rechtlichen Argumenten und neuen Tatsachen begründet werden. Das Beschwerdegericht prüft die erstinstanzliche Entscheidung vollumfänglich und kann diese bestätigen, abändern oder zur erneuten Entscheidung zurückverweisen. Die Möglichkeit der Beschwerde stellt ein zentrales Korrektiv innerhalb des familienrechtlichen Rechtsschutzsystems dar und dient der Wahrung materieller Gerechtigkeit im Einzelfall.