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Haager Übereinkommen über Adoption

Haager Übereinkommen über Adoption: Begriff, Ziel und Bedeutung

Das Haager Übereinkommen über Adoption ist ein internationales Abkommen, das den Schutz von Kindern bei Auslandsadoptionen sowie die Zusammenarbeit zwischen Staaten regelt. Es schafft einheitliche Mindeststandards für Verfahren, Zuständigkeiten und Anerkennung, um unzulässige Praktiken wie Kinderhandel zu verhindern und das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen. Das Übereinkommen gilt für Adoptionen, bei denen ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Staat dauerhaft in eine Familie in einem anderen Staat aufgenommen werden soll und beide Staaten dem Übereinkommen beigetreten sind.

Zielsetzung

Das Übereinkommen verfolgt drei Kernziele: den Schutz des Kindes und die Wahrung seines Wohls, die Schaffung klarer Verfahren und Zuständigkeiten für eine geordnete Zusammenarbeit der beteiligten Staaten sowie die Anerkennung von Adoptionen zwischen den Vertragsstaaten. Damit soll verhindert werden, dass Kinder durch unklare Verfahren, unangemessene finanzielle Anreize oder ungesicherte Vermittlungswege gefährdet werden.

Anwendungsbereich

Sachlicher und persönlicher Umfang

Erfasst sind interstaatliche Adoptionen, bei denen das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat (Herkunftsstaat) und in einem anderen Staat (Aufnahmestaat) adoptiert wird oder dort leben soll. Innerstaatliche Adoptionen ohne Auslandsbezug fallen nicht darunter. Das Übereinkommen gilt ausschließlich zwischen Staaten, die ihm beigetreten sind.

Räumlicher Geltungsbereich und Beteiligung der Staaten

Eine Anwendung setzt voraus, dass sowohl der Herkunftsstaat des Kindes als auch der Aufnahmestaat Vertragsstaaten sind. Für Staaten, die nicht beigetreten sind, findet das Übereinkommen keine Anwendung; dort richtet sich die Anerkennung und Wirkung von Adoptionen nach anderen internationalen oder nationalen Regeln.

Verhältnis zum nationalen Recht

Das Übereinkommen legt Mindeststandards fest. Strengere oder weitergehende Schutzvorschriften eines Staates bleiben unberührt. Verfahrensabläufe und rechtliche Wirkungen einer Adoption ergeben sich daher aus dem Zusammenspiel des Übereinkommens mit dem Recht des Herkunfts- und des Aufnahmestaats.

Grundprinzipien

Kindeswohl und Subsidiarität

Das Wohl des Kindes ist leitend. Eine Auslandsadoption kommt erst in Betracht, wenn geeignete Lösungen im Herkunftsstaat – etwa Betreuung in der Familie oder im Inland – nicht möglich oder nicht angemessen sind. Diese Vorrangprüfung dient der Wahrung der Bindungen des Kindes und seiner Herkunft.

Geeignete Einwilligungen

Die Einwilligungen der erforderlichen Personen oder Stellen (etwa Eltern oder gesetzliche Vertreter) müssen freiwillig, informiert und ohne Gegenleistung erteilt werden. Sie dürfen nicht vor der Geburt des Kindes eingeholt werden. Das Kind ist seinem Alter und seiner Reife entsprechend anzuhören; eine erforderliche Zustimmung des Kindes muss ohne unzulässigen Druck erfolgen.

Verbot unzulässiger finanzieller Vorteile

Unangemessene finanzielle oder sonstige Vorteile im Zusammenhang mit der Vermittlung eines Kindes sind unzulässig. Kosten und Gebühren müssen transparent und in angemessenem Umfang gehalten werden, um die Integrität des Verfahrens zu gewährleisten.

Datenschutz und Herkunftswahrung

Das Übereinkommen verlangt eine vertrauliche Behandlung personenbezogener Daten und die Sicherung wesentlicher Informationen zur Herkunft des Kindes. Diese Informationen sollen aufbewahrt werden, damit das Kind später Zugang dazu erhalten kann, soweit das Recht des betreffenden Staates dies vorsieht.

Institutionen und Verfahren

Zentrale Behörden

Jeder Vertragsstaat benennt eine Zentrale Behörde. Sie koordiniert die Zusammenarbeit, überwacht die Einhaltung der Verfahrensgarantien und dient als Kontaktstelle zum anderen Staat.

Aufgaben

Zu den Aufgaben gehören insbesondere: der Austausch von Informationen, die Sicherstellung, dass alle Voraussetzungen im Herkunfts- und Aufnahmestaat erfüllt sind, die Bestätigung geeigneter Einwilligungen, die Unterstützung bei der Überprüfung der Eignung der annehmenden Personen und die Ausstellung bzw. Weiterleitung der notwendigen Bescheinigungen.

Anerkannte Vermittlungsstellen

Neben staatlichen Stellen können anerkannte Vermittlungsstellen beteiligt sein. Sie unterliegen Zulassung, Aufsicht und Transparenzanforderungen und haben nicht gewinnorientiert zu arbeiten. Ihre Tätigkeit wird von den Zentralen Behörden kontrolliert.

Voraussetzungen und Aufsicht

Vermittlungsstellen müssen nachweislich geeignet und zuverlässig sein, organisatorische Standards einhalten und ihre Tätigkeit im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens ausüben. Eine regelmäßige Aufsicht soll die Einhaltung gewährleisten.

Verfahrensablauf in Grundzügen

Eignungsprüfung im Aufnahmestaat

Im Aufnahmestaat wird geprüft und dokumentiert, ob die annehmenden Personen für eine Adoption geeignet sind. Dazu gehört eine Einschätzung ihrer persönlichen, gesundheitlichen und sozialen Situation sowie ihrer Fähigkeit, die Bedürfnisse des Kindes zu erfüllen.

Feststellung der Adoptierbarkeit im Herkunftsstaat

Im Herkunftsstaat wird geprüft, ob das Kind adoptiert werden kann und soll. Dabei werden familiäre Möglichkeiten im Inland ermittelt und die erforderlichen Einwilligungen eingeholt.

Übereinstimmende Zustimmungen und Vermittlung

Beide Staaten stimmen der konkreten Vermittlung zu, nachdem sie die Eignung der annehmenden Personen und die Bedürfnisse des Kindes abgeglichen haben. Erst danach wird die Ausreise des Kindes und die Einreise in den Aufnahmestaat veranlasst.

Durchführung der Adoption und Bescheinigung

Die Adoption kann im Herkunftsstaat oder im Aufnahmestaat ausgesprochen werden. Wird sie gemäß den Vorgaben durchgeführt, stellen die zuständigen Stellen eine Bescheinigung aus, dass die Adoption im Einklang mit dem Übereinkommen zustande gekommen ist. Diese Bescheinigung erleichtert die Anerkennung in anderen Vertragsstaaten.

Rechtswirkungen und Anerkennung

Anerkennung in anderen Vertragsstaaten

Eine nach den Vorgaben des Übereinkommens zustande gekommene Adoption wird in den anderen Vertragsstaaten grundsätzlich anerkannt. Die Bescheinigung über die Übereinstimmung dient als Nachweis für die Anerkennung.

Wirkungen der Adoption

Die konkreten Wirkungen einer Adoption – etwa die vollständige Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses mit Lösung von früheren Bindungen oder eine schwächere Form – richten sich nach dem Recht des Staates, in dem die Adoption ausgesprochen wird. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine schwächere in eine stärkere Form umgewandelt werden, sofern das Recht des betreffenden Staates dies vorsieht und das Wohl des Kindes gewahrt bleibt.

Name, Staatsangehörigkeit und verwandte Fragen

Fragen des Namensrechts, der Staatsangehörigkeit, des Aufenthalts und erbrechtlicher Wirkungen werden durch nationales Recht geregelt. Die Anerkennung der Adoption beeinflusst diese Fragen, vereinheitlicht sie jedoch nicht.

Verweigerungsgründe

Die Anerkennung kann in Ausnahmefällen versagt werden, etwa wenn sie mit den grundlegenden Prinzipien des Aufnahmestaats unvereinbar wäre oder wesentliche Verfahrensgarantien – insbesondere zu Einwilligungen – nicht beachtet wurden. Solche Versagungen sind auf eng begrenzte Fälle beschränkt.

Zusammenarbeit nach der Adoption

Nachbetreuung und Berichte

Einige Staaten sehen nach der Aufnahme des Kindes Berichtspflichten und Unterstützungsangebote vor. Die Zentralen Behörden können hierbei koordinieren, um eine stabile Integration des Kindes zu fördern.

Schutzmaßnahmen bei Gefährdung

Kommt es zu ernsthaften Problemen, unterstützen die beteiligten Stellen einvernehmliche Lösungen im Interesse des Kindes. Dazu gehören Schutzmaßnahmen bis hin zur Prüfung, welche Betreuung rechtlich zulässig und für das Kind am besten ist.

Adoptionen außerhalb des Übereinkommens

Nicht beigetretene Staaten

Adoptionen mit Bezug zu Staaten, die dem Übereinkommen nicht beigetreten sind, unterliegen nicht dessen Verfahren und Anerkennungsmechanismen. In solchen Fällen bestimmen die jeweiligen nationalen und sonstigen internationalen Regeln die Anerkennung und die Rechtswirkungen.

Individuelle oder private Vermittlungen

Das Übereinkommen legt großen Wert auf geordnete, über staatliche oder anerkannte Stellen geführte Verfahren. Private Vermittlungen ohne die vorgesehenen Kontrollen sind mit erhöhten Risiken für die Anerkennung und für den Schutz des Kindes verbunden.

Historischer Kontext und Einordnung

Entstehung und Zielrichtung

Das Übereinkommen wurde im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht ausgearbeitet, um auf die wachsende Zahl grenzüberschreitender Adoptionen zu reagieren. Es ergänzt bestehende internationale Schutzinstrumente für Kinder, indem es dem Kinderschutz einen einheitlichen Rahmen gibt.

Beitritt und Weiterentwicklung

Der Beitritt steht Staaten weltweit offen. Mit zunehmender Anzahl von Vertragsstaaten hat sich das Übereinkommen als zentraler Standard für Auslandsadoptionen etabliert. Staaten können Erklärungen zu bestimmten organisatorischen Fragen abgeben, um die Anwendung auf ihre innerstaatlichen Strukturen abzustimmen.

Begriffserläuterungen

Gewöhnlicher Aufenthalt

Der gewöhnliche Aufenthalt ist der Lebensmittelpunkt einer Person, an dem sich ihr Leben dauerhaft und regelmäßig abspielt. Er dient als Anknüpfungspunkt für Zuständigkeiten und Verfahrensfragen.

Herkunftsstaat und Aufnahmestaat

Herkunftsstaat ist der Staat, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, bevor es vermittelt wird. Aufnahmestaat ist der Staat, in dem die annehmenden Personen ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und in dem das Kind dauerhaft leben soll.

Bescheinigung der Übereinstimmung

Dies ist ein offizielles Dokument, das bestätigt, dass eine Adoption nach den Vorgaben des Übereinkommens durchgeführt wurde. Es erleichtert die Anerkennung in anderen Vertragsstaaten und dient als Nachweis für die Einhaltung der Schutzstandards.

Häufig gestellte Fragen zum Haager Übereinkommen über Adoption

Für wen gilt das Haager Übereinkommen über Adoption?

Es gilt für interstaatliche Adoptionen, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat und in einem anderen Vertragsstaat dauerhaft leben soll. Beide Staaten müssen dem Übereinkommen beigetreten sein.

Reicht es aus, wenn nur der Aufnahmestaat Vertragsstaat ist?

Nein. Das Übereinkommen findet nur Anwendung, wenn sowohl der Herkunftsstaat des Kindes als auch der Aufnahmestaat Vertragsstaaten sind.

Was bedeutet die „automatische Anerkennung“ einer Adoption?

Eine nach den Vorgaben des Übereinkommens durchgeführte Adoption wird in den anderen Vertragsstaaten grundsätzlich anerkannt. Die Bescheinigung der Übereinstimmung dient als Nachweis für diese Anerkennung.

Wie werden unzulässige finanzielle Vorteile verhindert?

Das Übereinkommen verbietet unangemessene finanzielle oder sonstige Vorteile im Zusammenhang mit der Vermittlung. Kosten und Gebühren müssen transparent und angemessen sein; Vermittlungsstellen unterliegen Zulassung und Aufsicht.

Welche Rolle spielen die Zentralen Behörden?

Sie koordinieren das Verfahren zwischen Herkunfts- und Aufnahmestaat, prüfen Voraussetzungen, sichern Einwilligungen ab, arbeiten mit anerkannten Stellen zusammen und stellen bzw. übermitteln erforderliche Bescheinigungen.

Was passiert, wenn Einwilligungen fehlen oder fehlerhaft sind?

Fehlende oder nicht ordnungsgemäß eingeholte Einwilligungen können die Anerkennung beeinträchtigen. Die Einhaltung der Verfahrensgarantien ist eine wesentliche Voraussetzung für die Anerkennung in anderen Vertragsstaaten.

Begründet eine anerkannte Adoption automatisch eine Staatsangehörigkeit?

Nein. Fragen der Staatsangehörigkeit richten sich nach nationalem Recht. Die Anerkennung der Adoption beeinflusst diese Entscheidung, vereinheitlicht sie jedoch nicht.

Gilt das Übereinkommen rückwirkend?

Es gilt grundsätzlich für Verfahren, die nach seinem Inkrafttreten für die beteiligten Staaten durchgeführt werden. Für frühere Adoptionen gelten die damals einschlägigen Regeln des jeweiligen Staates und anderer anwendbarer Instrumente.