Begriffsbestimmung und rechtliche Einordnung der Güterstände
Der Begriff „Güterstände“ bezeichnet im deutschen Zivilrecht die gesetzlichen Ordnungsmodelle, welche die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten während der Ehe und bei deren Beendigung regeln. Die güterrechtliche Zuordnung betrifft sowohl das Eigentum an Vermögenswerten als auch die Schuldenzuordnung und die Folgen bei Auflösung der Ehe, insbesondere im Rahmen einer Scheidung oder des Todes eines Ehepartners. Die gesetzlichen Regelungen für Güterstände sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), hauptsächlich in den §§ 1363 ff. BGB, normiert.
Gesetzliche Grundlagen und Übersicht der Güterstände
Das deutsche Ehegüterrecht unterscheidet grundsätzlich zwischen dem gesetzlichen Güterstand und den vertraglichen Güterständen. Während ohne besondere Vereinbarung der gesetzliche Güterstand gilt, können Ehegatten durch notariellen Ehevertrag davon abweichende Vereinbarungen treffen.
Gesetzlicher Güterstand: Zugewinngemeinschaft
Begriff und Rechtsfolgen
Die Zugewinngemeinschaft ist der in Deutschland vorgesehene gesetzliche Güterstand (§ 1363 BGB). Sie tritt automatisch ein, wenn die Ehegatten bei Eheschließung oder während der Ehe keine andere güterrechtliche Vereinbarung treffen. Während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft bleibt das Vermögen beider Ehegatten grundsätzlich getrennt. Ein Vermögensausgleich erfolgt jedoch bei Beendigung des Güterstandes, insbesondere bei Scheidung oder Tod eines Ehepartners.
Vermögenszuordnung während der Ehe
Während der Zugewinngemeinschaft behält jeder Ehegatte sein Vermögen und verwaltet es selbstständig. Auch für während der Ehe erworbene Vermögenswerte gilt, dass sie dem jeweiligen Ehepartner zugeordnet bleiben. Es erfolgt keine Vermischung der Vermögensmassen.
Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstandes
Wird die Zugewinngemeinschaft beendet, erfolgt ein sogenannter Zugewinnausgleich (§§ 1372 ff. BGB). Dabei wird ermittelt, in welcher Höhe jeder Ehegatte während der Dauer des Güterstandes Vermögenszuwächse (Zugewinn) erzielt hat. Der Ehegatte mit dem geringeren Zugewinn erhält die Hälfte der Differenz als Ausgleichsforderung.
Vertragliche Güterstände: Gütertrennung und Gütergemeinschaft
Gütertrennung
Die Gütertrennung (§ 1414 BGB) ist ein vertraglich vereinbarter Güterstand, bei dem das Vermögen der Ehegatten vollständig voneinander getrennt bleibt. Es findet weder eine Vermögensvermischung noch ein Ausgleichsanspruch bei Beendigung der Ehe statt. Die Ehegatten behalten ihr jeweiliges Eigentum; gemeinsame Verfügungen über Vermögenswerte sind nur bei gemeinsamem Eigentum erforderlich.
Gütergemeinschaft
Die Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) stellt den bedeutendsten vertraglichen Güterstand dar, ist jedoch in der Praxis selten. Mit Abschluss einer Gütergemeinschaft entsteht ein gemeinschaftliches Vermögen (sogenanntes Gesamtgut), das beiden Ehegatten gemeinsam zusteht und von beiden gemeinsam verwaltet wird. Daneben bestehen das Eigengut jedes Ehegatten und das Sondergut, welches dem gemeinschaftlichen Zugriff entzogen ist. Die Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft erfolgt bei deren Auflösung unter detaillierten gesetzlichen Regelungen.
Abschluss und Änderung von Güterstandsvereinbarungen
Formvorschriften
Die Vereinbarung eines anderen Güterstandes als der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft bedarf nach § 1410 BGB der notariellen Beurkundung. Auch spätere Änderungen oder die Aufhebung eines bestehenden Ehevertrages unterliegen diesen strengen Formvorschriften.
Sittenwidrigkeit und Kontrolle
Güterstandsvereinbarungen unterliegen der Kontrolle auf Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB. Insbesondere einseitig belastende oder offensichtlich unangemessene Regelungen können im Einzelfall unwirksam sein.
Beendigung der Güterstände
Auflösung durch Scheidung, Tod oder Vereinbarung
Der Güterstand endet in der Regel durch Scheidung, Tod eines Ehepartners oder durch vertragliche Vereinbarung eines anderen Güterstandes. Die jeweiligen Regelungen zur Vermögensauseinandersetzung richten sich nach der Beschaffenheit des gewählten Güterstandes. Während bei der Zugewinngemeinschaft ein Zugewinnausgleich erfolgt, besteht für die übrigen Güterstände jeweils ein eigenständiges System der Vermögensaufteilung.
Insolvenz und Gläubigerzugriff
Besonderes Gewicht kommt dem jeweiligen Güterstand im Fall von Insolvenz oder Gläubigerzugriff zu, da er die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger auf das Vermögen des Schuldners beeinflusst.
Internationales Privatrecht
Im internationalen Kontext stellt sich die Frage, welchem Recht die güterrechtlichen Beziehungen unterliegen. Nach Art. 15 ff. der Europäischen Güterrechtsverordnung (EuGüVO) sowie allgemeinen Kollisionsnormen wird das anwendbare Recht insbesondere durch die Staatsangehörigkeit oder den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten bestimmt.
Güterstände außerhalb der Ehe
Obwohl Güterstände hauptsächlich im Kontext der Ehe eine Rolle spielen, existieren auch güterstandsähnliche Regelungen bei eingetragenen Lebenspartnerschaften sowie im Rahmen bestimmter eheähnlicher oder partnerschaftlicher Modelle, sofern das nationale Recht dies vorsieht.
Zusammenfassung und Bedeutung der Güterstände
Die Wahl und Ausgestaltung des Güterstandes hat erhebliche Konsequenzen für die Vermögenssphäre der Ehegatten. Sie beeinflusst nicht nur die Eigentumslage während der Ehe, sondern insbesondere auch die wirtschaftlichen Folgen bei Beendigung der Ehe und im Erbfall. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Regelungen der Güterstände ist daher für die Planung und Gestaltung ehelicher oder partnerschaftlicher Lebensgemeinschaften von großer Bedeutung. Die gesetzlichen Vorschriften bieten einen Rahmen, der durch individuelle Vereinbarungen den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden kann.
Häufig gestellte Fragen
Welche Auswirkungen hat die Wahl des Güterstandes auf die Vermögensaufteilung bei einer Scheidung?
Die Wahl des Güterstandes hat entscheidenden Einfluss auf die vermögensrechtlichen Konsequenzen im Falle einer Scheidung. Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft bleibt das Vermögen der Ehegatten grundsätzlich getrennt, jedoch findet bei der Scheidung ein Zugewinnausgleich statt. Das bedeutet, das während der Ehe erworbene Vermögen (sofern es nicht unter Ausnahmen wie Schenkungen oder Erbschaften fällt) wird ermittelt und der Zuwachs beider Ehepartner miteinander verglichen. Übersteigt der Zugewinn eines Ehegatten den des anderen, steht dem Ehegatten mit dem geringeren Zugewinn ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des Überschusses zu. Hingegen bewirkt der Güterstand der Gütertrennung, dass bei Beendigung der Ehe eine Vermögensaufteilung grundsätzlich entfällt – jeder behält das, was er während der Ehe erworben hat. Beim weniger gebräuchlichen Güterstand der Gütergemeinschaft wird das Vermögen der Eheleute zu gemeinschaftlichem Vermögen; hier findet bei der Scheidung eine Teilung des Gesamtguts statt, wobei Sonder- und Vorbehaltsgut gesondert behandelt werden. Die jeweilige Wahl wirkt sich daher unmittelbar auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten nach einer Trennung aus.
Ist eine nachträgliche Änderung des Güterstandes während der Ehe zulässig?
Ja, eine nachträgliche Änderung des Güterstandes ist nach deutschem Recht zulässig. Ehegatten können jederzeit gemeinsam entscheiden, den vorhandenen Güterstand zu ändern oder zu modifizieren. Dies geschieht in der Regel durch Abschluss eines notariellen Ehevertrages, der eine ausdrückliche Vereinbarung zur gewünschten Änderung enthalten muss. Die Änderung tritt erst mit Beurkundung vor dem Notar in Kraft und wirkt grundsätzlich ab diesem Zeitpunkt für die Zukunft. Eine rückwirkende Änderung ist nicht möglich, sodass für die Zeiträume vor Vertragsabschluss der vorherige Güterstand maßgeblich bleibt. Es besteht zudem die Möglichkeit, bestehende Regelungen an individuelle Bedürfnisse anzupassen, zum Beispiel durch Vereinbarung bestimmter Stichtage oder durch Ausschluss einzelner Ausgleichsansprüche. Die Wirksamkeit einer Güterstandsänderung steht zudem unter dem Vorbehalt der Wirksamkeitskontrolle: Die Vereinbarung darf nicht sittenwidrig sein oder einen Ehegatten unangemessen benachteiligen, andernfalls kann sie ganz oder teilweise unwirksam sein.
Welche Formvorschriften sind bei der Vereinbarung über den Güterstand zu beachten?
Für eine Vereinbarung über den Güterstand zwischen Ehegatten ist in Deutschland die notarielle Beurkundung zwingend erforderlich (§ 1410 BGB). Dies bedeutet, dass die Vereinbarung nicht wirksam ist, wenn sie nicht von einem Notar beurkundet wird. Eine privatschriftliche (handschriftliche oder maschinenschriftliche) Vereinbarung ist rechtlich unwirksam. Der Notar belehrt die Ehepartner über die rechtlichen Konsequenzen der Vereinbarung und stellt deren vollständige Geschäftsfähigkeit sicher. Verstöße gegen diese Formvorschrift führen zur Nichtigkeit der Vereinbarung. Die notarielle Beurkundung dient dem Schutz der Ehegatten vor übereilten Entscheidungen und sorgt für Rechtssicherheit sowie Beweisfunktion im Streitfall.
Welche steuerlichen Konsequenzen ergeben sich aus den verschiedenen Güterständen?
Die steuerlichen Auswirkungen der Wahl eines Güterstandes können insbesondere im Erb- und Schenkungssteuerrecht relevant werden. In der Zugewinngemeinschaft erhöht sich zum Beispiel beim Tod eines Ehegatten der steuerfreie Erwerb des überlebenden Ehegatten durch den pauschalen Zugewinnausgleich nach §§ 5 Abs. 1 ErbStG und 1371 BGB. Bei der Gütertrennung entfällt dieser besondere Vorteil; der überlebende Ehegatte kann lediglich auf den gesetzlichen Freibetrag zurückgreifen. In der Gütergemeinschaft sind regelmäßig die Anteile am Gesamtgut sowie eventuell bestehende Sonder- und Vorbehaltsgüter bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Darüber hinaus können durch Vermögensübertragungen im Rahmen eines Ehevertrags oder bei der Auflösung eines Güterstands steuerrechtliche Tatbestände, wie etwa eine Schenkung unter Lebenden, ausgelöst werden. Die konkrete steuerliche Behandlung sollte im Einzelfall geprüft werden, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Steuerberaters.
Können Ehegatten individuell vom gesetzlichen Güterstand abweichende Regelungen treffen?
Ja, Ehegatten können durch Ehevertrag individuell vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft abweichende Regelungen treffen. Dies wird als modifizierte Zugewinngemeinschaft bezeichnet. Innerhalb dieser Modifikation können Ehepartner einzelne Vermögenswerte vom Zugewinnausgleich ausschließen, besondere Stichtage für die Berechnung des Zugewinns festlegen oder bestimmte Ausgleichsmechanismen anderweitig gestalten. Die Vertragsfreiheit wird jedoch durch die Grenzen der Sittenwidrigkeit und durch den Grundsatz von Treu und Glauben beschränkt. Nicht zulässig sind insbesondere Regelungen, die einen Ehepartner in unangemessener Weise benachteiligen oder das Existenzminimum gefährden. Derartige Vertragsinhalte können auf Antrag für nichtig erklärt werden. Die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit individueller Regelungen sollten stets rechtlich geprüft werden, um nachteilige Konsequenzen zu vermeiden.
Welchen Einfluss hat der Güterstand auf die Haftung für Schulden?
Der Güterstand beeinflusst maßgeblich die Haftungsfrage für Verbindlichkeiten der Ehegatten. In der Zugewinngemeinschaft haften die Ehepartner grundsätzlich nur für ihre eigenen Schulden, nicht jedoch für die des jeweils anderen. Eine gemeinsame Haftung besteht nur bei gemeinsamer Kreditaufnahme oder vertraglicher Vereinbarung. Im Güterstand der Gütertrennung bleibt diese Trennung bestehen: Jeder Ehegatte haftet ausschließlich für die eigenen finanziellen Verpflichtungen. Hingegen kann in der Gütergemeinschaft auch das gemeinschaftliche Gesamtgut von Gläubigern in Anspruch genommen werden, sofern beide Ehepartner gemeinsam oder mit Zustimmung des jeweils anderen Verbindlichkeiten eingegangen sind. Es bleibt jedoch das Sondergut der Ehegatten weiterhin vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt, sofern dieses nicht ausdrücklich zur Haftungsmasse erklärt wurde. Eine sorgfältige Prüfung der haftungsrechtlichen Konsequenzen ist insbesondere vor Abschluss von hochvolumigen Verträgen ratsam.
Wie ist der Güterstand im internationalen Kontext zu behandeln?
Im internationalen Kontext ist zu beachten, dass der Güterstand von Ehegatten nicht automatisch in allen Staaten anerkannt wird, sondern sich das anwendbare Güterrecht nach den Regeln des internationalen Privatrechts richtet. In Deutschland bestimmt das Art. 15 EGBGB, welches nationale Recht auf den Güterstand anzuwenden ist. Die Herkunft, der gewöhnliche Aufenthalt der Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung sowie die Staatsangehörigkeit können hierbei eine Rolle spielen. Im europäischen Kontext regelt die Europäische Güterrechtsverordnung (EU-Verordnung 2016/1103), welches Recht auf den Güterstand anzuwenden ist und unter welchen Voraussetzungen ein Ehevertrag auch grenzüberschreitend anerkannt wird. Ehegatten mit internationalem Bezug sollten daher besonders sorgfältig prüfen, welches Recht für ihren Güterstand gilt und ob eine ausdrückliche Rechtswahl sinnvoll ist. Eine nicht abgestimmte Rechtswahl kann insbesondere im Erb- und Scheidungsfall erhebliche Komplikationen nach sich ziehen.