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Grundsicherung für Arbeitsuchende


Grundlagen und Begriffserklärung der Grundsicherung für Arbeitsuchende

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende bezeichnet ein zentrales Leistungssystem der sozialen Sicherung in Deutschland, das bedarfsorientierte finanzielle Unterstützung für erwerbsfähige Menschen und deren Familien sichert, sofern diese ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können. Grundlage bildet insbesondere das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist es, hilfebedürftigen Menschen die Sicherung des Existenzminimums sowie die Eingliederung in Arbeit zu ermöglichen.

Gesetzliche Grundlagen

Die zentrale Rechtsgrundlage stellt das SGB II dar. Es trat am 1. Januar 2005 im Zuge der sogenannten Hartz-IV-Reform in Kraft. Das SGB II regelt die Voraussetzungen, Leistungen, Zuständigkeiten und Verfahren rund um die Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Anwendungsbereich des SGB II

Nach § 1 SGB II gilt die Grundsicherung für alle erwerbsfähigen Personen im Alter von 15 Jahren bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, sofern sie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Auch nicht erwerbsfähige Angehörige (beispielsweise Kinder im Haushalt) haben einen Leistungsanspruch als sogenannte Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.

Anspruchsvoraussetzungen

Die Voraussetzungen für die Grundsicherung für Arbeitsuchende sind gesetzlich klar definiert:

Erwerbsfähigkeit

Nach § 8 SGB II ist als erwerbsfähig anzusehen, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Hilfebedürftigkeit

Diese liegt vor, wenn der Lebensunterhalt nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen sowie nicht durch vorrangige Leistungen (z. B. Arbeitslosengeld nach SGB III, Unterhalt, Rente) gedeckt werden kann (§ 9 SGB II).

Bedarfs- und Haushaltsgemeinschaft

Leistungsansprüche bestehen im Kontext der sogenannten Bedarfsgemeinschaft, welche regelmäßig alle Personen umfasst, die zusammen wohnen und gemeinsam wirtschaften (z. B. Partner, Kinder).

Leistungsarten

Regelbedarf

Gemäß §§ 20 ff. SGB II besteht Anspruch auf den sogenannten Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Höhe des Regelbedarfs wird jährlich durch den Gesetzgeber angepasst.

Mehrbedarfe und Sonderleistungen

Zusätzlich können nach § 21 SGB II Mehrbedarfe (z. B. für Alleinerziehende, kostenaufwändige Ernährung, Schwangerschaft, Behinderungen) anerkannt werden. Einmalige Bedarfe wie Erstausstattung für Wohnung oder Geburt werden nach § 24 SGB II gesondert berücksichtigt.

Kosten der Unterkunft und Heizung

Nach § 22 SGB II sind die angemessenen tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Maßgebliche Kriterien sind örtliche Mietspiegel und individuelle Bedarfskonstellationen.

Leistungen zur Eingliederung in Arbeit

Das System sieht eine umfangreiche Palette an Eingliederungsleistungen (§§ 14 ff. SGB II) vor. Diese sollen die Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit fördern und umfassen u. a. Bewerbungstrainings, Fördermaßnahmen, Zuschüsse an Arbeitgeber und berufliche Qualifizierungen.

Antragsverfahren und Bewilligung

Antragstellung

Grundsicherung für Arbeitsuchende wird nur auf Antrag gewährt (§ 37 SGB II). Dieser ist bei den zuständigen Jobcentern einzureichen. Die Jobcenter nehmen die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen vor und fordern die erforderlichen Nachweise sowie Angaben zu Einkommen und Vermögen an.

Dauer und Überprüfung

Leistungen werden regulär für einen Bewilligungszeitraum von in der Regel sechs Monaten gewährt. Nach Ablauf ist eine erneute Antragstellung – meist in Form eines Weiterbewilligungsantrags – erforderlich. Änderungen in den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen sind unverzüglich mitzuteilen.

Anrechnung von Einkommen und Vermögen

Einkommen

Zum anrechenbaren Einkommen zählen sämtliche Einnahmen in Geld oder Geldeswert nach Abzug bestimmter Freibeträge (§§ 11-11b SGB II). Hierzu gehören insbesondere Arbeitsentgelte, Renten, Unterhaltsleistungen sowie sonstige wiederkehrende Einkünfte.

Vermögen

Nach § 12 SGB II ist vorhandenes Vermögen einzusetzen, soweit es nicht ausdrücklich durch Freibeträge und geschützte Vermögensarten (z. B. angemessener Hausrat, notwendiges Kfz, Vorsorgevermögen) ausgenommen ist. Die Höhe der geschützten Beträge hängt vom Alter und Familienstand ab.

Pflichten und Mitwirkung

Leistungsberechtigte haben weitreichende Mitwirkungspflichten, u. a. durch Vorlage von Nachweisen, Mitteilung von Änderungen und aktive Arbeitssuche. Bei Pflichtverletzungen drohen gemäß §§ 31 ff. SGB II Leistungskürzungen (Sanktionen), deren Ausmaß und rechtliche Zulässigkeit zuletzt auch durch das Bundesverfassungsgericht begrenzt wurden.

Zuständigkeit und Trägerschaften

Für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind die gemeinsamen Einrichtungen – Jobcenter – zuständig. Diese setzen sich aus der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern zusammen (§ 6 SGB II).

Verhältnis zu anderen Sozialleistungen

Leistungen nach dem SGB II sind nachrangig, das heißt, sie werden nur gewährt, wenn kein Anspruch auf vorrangige Sozialleistungen (insbesondere SGB III, Kindergeld, Unterhalt, Wohngeld, BAföG) besteht.

Rechtsschutz

Gegen Entscheidungen der Jobcenter besteht die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen (§ 83 SGG). Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, kann Klage vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben werden.

Reformen und aktuelle Entwicklungen

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende war und ist Gegenstand vielfältiger politischer, sozialer und rechtlicher Diskussionen. Die Reform zum Bürgergeld zum 1. Januar 2023 brachte einige inhaltliche Änderungen bei Bedarfsermittlung, Sanktionen und Vermögensschutz. Das System lebt von einer dynamischen Weiterentwicklung im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungen und politische Steuerungsziele.


Zusammenfassend sichert die Grundsicherung für Arbeitsuchende das sozialstaatliche Existenzminimum und konzentriert sich auf die Überwindung von Hilfebedürftigkeit durch Integration in den Arbeitsmarkt. Das System zeichnet sich durch detaillierte gesetzliche Regelungen, umfassende Leistungsarten und zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Bestandteilen des Sozialrechts aus. Das SGB II stellt hierfür ein komplexes, umfassendes und ständig fortentwickeltes Regelwerk dar, das für die Sicherung und Förderung hilfebedürftiger, erwerbsfähiger Menschen in Deutschland maßgeblich ist.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht ein Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende und wie wird dieser rechtlich geprüft?

Der Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende, auch als Arbeitslosengeld II nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bekannt, besteht grundsätzlich, wenn die im Gesetz definierten Voraussetzungen erfüllt sind. Maßgeblich ist, dass die antragstellende Person das 15. Lebensjahr vollendet, aber die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs. 1 SGB II). Die Erwerbsfähigkeit wird gemäß § 8 SGB II rechtlich als die Fähigkeit definiert, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich arbeiten zu können. Hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung nicht oder nicht ausreichend aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten kann und keine vorrangigen Ansprüche gegenüber Dritten (z. B. Unterhaltszahlungen oder andere Sozialleistungen) bestehen. Die rechtliche Prüfung erfolgt durch das Jobcenter unter Berücksichtigung von Einkommen, Vermögen, familiären Verhältnissen und einem Abgleich mit vorrangigen Sozialleistungen nach §§ 10 bis 12 SGB II sowie § 21 SGB II hinsichtlich Mehrbedarfen.

Welche Einkommensarten werden bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende angerechnet und welche gesetzlichen Freibeträge gelten?

Bei der Berechnung der Grundsicherung nach SGB II werden alle Einkommensarten berücksichtigt, die gemäß § 11 SGB II dem Lebensunterhalt dienen können. Dazu zählen insbesondere Erwerbseinkommen, Sozialleistungen (mit bestimmten Ausnahmen wie beispielweise dem Kindergeld für minderjährige Kinder), Unterhaltszahlungen, sowie Einkommen aus Vermietung oder Kapitalvermögen. Es existieren gesetzlich festgelegte Freibeträge, etwa der Grundfreibetrag von 100 Euro monatlich bei Erwerbseinkommen sowie zusätzliche gestaffelte Freibeträge für höhere Einkommen (§ 11b SGB II). Bestimmte Einkommen, wie z. B. das Elterngeld bis zu 300 Euro und ehrenamtliche Tätigkeiten, werden ganz oder teilweise freigestellt. Auch einmalige Einnahmen werden bei der Festsetzung des Leistungsanspruchs anteilig auf mehrere Monate verteilt (§ 11 Abs. 3 SGB II). Der genaue Abzug erfolgt in einer rechtlich geregelten Reihenfolge, zunächst der Grundfreibetrag, dann weitere Werbungskosten und spezielle Freibeträge für Aufwendungen im Zusammenhang mit Erwerbstätigkeit oder besonderen Lebensverhältnissen.

Inwiefern kann Vermögen die Anspruchsberechtigung auf Grundsicherung für Arbeitsuchende ausschließen und welche Vermögensfreibeträge gelten rechtlich?

Vermögen ist nach § 12 SGB II jeder geldwerte Besitz, der verwertet werden kann, unabhängig von seiner Herkunft oder Form. Der Gesetzgeber sieht verschiedene Freibeträge bei Vermögensprüfungen vor. Für jede leistungsberechtigte Person beträgt der Grundfreibetrag aktuell 15.000 Euro (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB II), für eine in Bedarfsgemeinschaft lebende Person ebenfalls. Daneben gibt es spezielle Freibeträge für notwendige Anschaffungen, Altersvorsorgevermögen und angemessenen Hausrat. Nicht als Vermögen berücksichtigt werden insbesondere angemessene selbstbewohnte Immobilien, Kraftfahrzeuge von angemessenem Wert und bestimmte Formen der privaten Altersvorsorge (§ 12 Abs. 2 SGB II). Wird das vorhandene Vermögen oberhalb der Freibeträge angesetzt, so entfällt der Anspruch auf Grundsicherung, bis das verwertbare Vermögen unter die Freibetragsgrenze gefallen ist. Die Verwertbarkeit wird allerdings an Zumutbarkeitsgesichtspunkten und bestehende Sozialschutzvorschriften (wie etwa Rückausnahme bei Altersvorsorge) geknüpft.

Welche Mitwirkungspflichten treffen Leistungsbeziehende und welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen?

Leistungsbeziehende nach dem SGB II haben umfassende Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 ff. SGB I sowie § 53 SGB II. Sie sind insbesondere verpflichtet, alle für die Leistungsgewährung erheblichen Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig anzugeben und Änderungen in den Verhältnissen, die zu einer Änderung des Leistungsanspruches führen könnten (z. B. Einkommen, Vermögen, Haushaltszusammensetzung), unverzüglich mitzuteilen (§ 60 Abs. 1 SGB I). Des Weiteren haben sie behördlich angeforderte Nachweise und Unterlagen vorzulegen und aktiv am Integrationsprozess in den Arbeitsmarkt mitzuwirken, beispielsweise durch Wahrnehmung von Beratungsterminen und Bewerbung auf zumutbare Arbeitsangebote (§ 31 SGB II). Bei Verletzung der Mitwirkungspflichten sieht das Gesetz abgestufte Rechtsfolgen vor, wie die Versagung oder Entziehung der Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung bzw. Leistungskürzungen bei Sanktionen (§ 66 SGB I, § 31 ff. SGB II).

Welche besonderen Regelungen gibt es für Bedarfsgemeinschaften im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende?

Im rechtlichen Sinne definiert § 7 Abs. 3 SGB II die Bedarfsgemeinschaft als Zusammenschluss von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sowie deren Partner und minderjährigen unverheirateten Kindern, soweit sie im selben Haushalt leben. Innerhalb der Bedarfsgemeinschaft wird Einkommen und Vermögen jeder einzelnen Person beim Leistungsanspruch der gesamten Gruppe berücksichtigt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Mitglieder einander unterstützen und gemeinsam wirtschaften (§ 9 Abs. 2 SGB II). Folge dessen ist, dass Einkommen und Vermögen einzelner Mitglieder unter Umständen auf den Bedarf der anderen angerechnet werden. Besonderheiten bestehen zudem bei unterhaltsberechtigten Personen und sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaften, beispielsweise bei getrenntlebenden Eltern mit geteiltem Umgangsrecht.

Wie wird die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung rechtlich beurteilt?

Gemäß § 22 SGB II werden die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung übernommen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit orientiert sich an den örtlichen Gegebenheiten, namentlich dem lokalen Vergleichsraum (kommunale Mietobergrenzen) und den jeweiligen Heizkosten, welche regelmäßig mit den örtlichen Miet- und Heizspiegeln abgeglichen werden. Übersteigen die Kosten die Angemessenheitsgrenzen, werden zur Senkung der Unterkunftskosten in der Regel Fristen eingeräumt, innerhalb derer die Betroffenen ihre Wohnkosten reduzieren müssen (z. B. durch Umzug oder Untervermietung). Bis zu diesem Zeitpunkt werden die tatsächlichen Kosten weiterhin übernommen. Nicht angemessene Kosten dürfen langfristig von der Leistungsbehörde abgelehnt werden, außer im Ausnahmefall, etwa bei besonderem Härtefall und Unmöglichkeit der Kostensenkung (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Was ist das Verfahren bei Leistungsantragstellung und wie wird über den Anspruch entschieden?

Die Antragstellung für Grundsicherung erfolgt formlos oder über ein entsprechend bereitgestelltes Antragsformular beim zuständigen Jobcenter. Der genaue Ablauf und die hierfür maßgeblichen rechtlichen Vorgaben finden sich in § 37 SGB II sowie dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Mit Eingang des Antrags beginnt die Sachverhaltsermittlung nach § 20 SGB X, die typischerweise auch die Anforderung von Belegen und die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen umfasst. Über den Leistungsantrag wird durch einen schriftlichen Verwaltungsakt (Bewilligungsbescheid) entschieden, der die Berechnung und die Dauer der Bewilligung ausweist. Gegen ablehnende oder teilweise ablehnende Bescheide kann der Antragsteller binnen eines Monats nach Zustellung gemäß §§ 83 ff. SGG (Sozialgerichtsgesetz) Widerspruch einlegen und gegebenenfalls Klage vor dem Sozialgericht erheben. Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann der Anspruch auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht werden (§ 86b SGG).