Legal Lexikon

Grober Unfug


Begriff und Definition des „Groben Unfugs“

Unter dem Begriff „Grober Unfug“ wird im deutschen Recht ein bestimmtes, sozial nicht tolerierbares Verhalten verstanden, das als erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung gilt. Der Ausdruck hat seine rechtliche Prägung insbesondere durch die Nutzung im Ordnungswidrigkeitenrecht erfahren und war bis zur Reform des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) ein eigenständiger Straftatbestand nach dem Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) und dem Strafgesetzbuch (StGB) der Bundesrepublik Deutschland.

Historische und Gesetzliche Entwicklung

Grober Unfug im historischen Kontext

Bereits im Reichsstrafgesetzbuch (§ 360 RStGB) wurde „grober Unfug“ als strafbare Handlung definiert. Auch im frühen Strafgesetzbuch der Bundesrepublik (§ 360 StGB a.F.) war der Tatbestand als Übertretung enthalten. Nach der Reform des Ordnungswidrigkeitenrechts 1975 wurde „grober Unfug“ aus dem Strafrecht entfernt und seitdem als Ordnungswidrigkeit behandelt. Die Abschaffung erfolgte vor dem Hintergrund, dass der Begriff einerseits zu unbestimmt und andererseits aus rechtsstaatlicher Sicht entbehrlich wurde.

Abschaffung und heutige Rechtslage

Mit dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts am 1. Januar 1975 wurde der Tatbestand des „groben Unfugs“ gestrichen. Konkrete Regelungen zur Ahndung vergleichbarer Verhaltensweisen finden sich heute in anderen Rechtsnormen, wie dem Landfriedensbruch (§ 125 StGB), dem Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), einzelnen Vorschriften des Polizeirechts sowie im Bereich der Ordnungswidrigkeiten (z. B. Ruhestörung, Belästigung der Allgemeinheit).

Tatbestandliche Merkmale des Groben Unfugs

Tatbestandsmerkmale und typische Fälle

Der Begriff des „groben Unfugs“ ist gekennzeichnet durch folgende tatbestandliche Voraussetzungen:

  1. Störung der öffentlichen Ordnung: Es handelt sich um Handlungen, die das allgemeine Empfinden der Öffentlichkeit erheblich beeinträchtigen oder stören.
  2. Nicht bloßer Streich oder Spaß: Der Unfug muss über das Maß gewöhnlicher Streiche, Scherze oder Kavaliersdelikte deutlich hinausgehen.
  3. Erheblicher Unwertgehalt: Die Handlung muss einen gewissen sozialethischen Unwert aufweisen.

Typische Beispiele, die früher als „grober Unfug“ galten, waren das mutwillige Auslösen eines Feueralarms ohne Notfall, absichtliches Wegnehmen von Straßenschildern, grobes Belästigen von Passanten oder mutwilliges Erzeugen von Aufläufen in der Öffentlichkeit.

Subjektive Voraussetzungen

In subjektiver Hinsicht war zumindest bedingter Vorsatz erforderlich: Der Betroffene musste die Störung der Ordnung zumindest billigend in Kauf nehmen.

Abgrenzung zu anderen Rechtsnormen

Abgrenzung zu Störung der öffentlichen Ordnung

Die Störung der öffentlichen Ordnung kann auch durch andere Rechtsnormen sanktioniert werden, beispielsweise durch das Polizeirecht der Länder. Hierunter fallen heute Handlungen, die früher als grober Unfug angesehen wurden, etwa Ruhestörungen oder allgemeine Belästigungen.

Abgrenzung zu Straftatbeständen

In der aktuellen Rechtslage werden insbesondere schwerere Fälle vergleichbaren Verhaltens unter anderen Straftatbeständen erfasst, zum Beispiel:

  • Landfriedensbruch (§ 125 StGB): Wenn das Verhalten mit Gewalt oder strafbaren Handlungen gegen Personen oder Sachen einhergeht.
  • Hausfriedensbruch (§ 123 StGB): Bei unbefugtem Betreten geschützter Räume.
  • Belästigung der Allgemeinheit (§ 118 OWiG): Auch heute können vergleichbare Handlungen als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

Gesetzliche Entwicklung und Bedeutung im Ordnungswidrigkeitenrecht

Grober Unfug als Ordnungswidrigkeit

Seit der Streichung aus dem Strafgesetzbuch findet sich der Gedanke des „groben Unfugs“ heute noch teilweise in den Vorschriften der Ordnungswidrigkeiten, insbesondere bei:

  • § 118 OWiG – Belästigung der Allgemeinheit: Jede grob ungehörige Handlung, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und öffentlich begangen wird.

Polizeirechtliche Aspekte

Die Landespolizeigesetze enthalten Regelungen zur Abwehr von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Handlungen, die früher als grober Unfug eingeordnet wurden, können heute aufsichtsrechtliche Maßnahmen (Gefahrenabwehr, Platzverweis) nach sich ziehen.

Bedeutung und Bewertung in der Rechtsprechung

Unbestimmtheitsgrundsatz und Verfassungsrecht

Die Abschaffung des Tatbestandes „grober Unfug“ ist auch auf den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) zurückzuführen. Der Begriff wurde als zu weit und vage angesehen, wodurch eine klare und vorhersehbare Abgrenzung strafbaren und nicht strafbaren Verhaltens nicht mehr möglich war.

Aktuelle Bedeutung

Auch wenn der Begriff als solcher nicht mehr im Strafgesetzbuch existiert, bleibt er von historischer und auslegungspraktischer Bedeutung. In der Anwendungspraxis dient der Begriff gelegentlich noch als beschreibendes Element für besonders auffällige, sozial unerwünschte Verhaltensweisen, die die öffentliche Ordnung betreffen.

Literatur und Quellen

  • Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung vor der Strafrechtsreform.
  • Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), insbesondere § 118.
  • Kommentarliteratur z. B. zum Polizeirecht und zum Ordnungswidrigkeitengesetz.
  • Bundesgesetzblatt, Rechtsprechung zur Bestimmtheit von Straftatbeständen.

Zusammenfassung

„Grober Unfug“ war früher ein kriminalisiertes Verhaltenstatbestandsmerkmal im deutschen Recht zur Ahndung erheblicher Störungen der öffentlichen Ordnung und des Gemeinschaftslebens. Mit der Reform des Ordnungswidrigkeitenrechts ist dieser Begriff aus dem Strafrecht entfernt und durch präzisere Ordnungswidrigkeitentatbestände und verwaltungsrechtliche Vorschriften ersetzt worden. Die Begriffsbildung, Bedeutung und Abgrenzung zu bestehenden Straftatbeständen blieb im Rechtsprechungsalltag von Bedeutung und ist ein Beispiel für die fortschreitende Präzisierung gesetzlicher Formulierungen im deutschen Recht.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt aus rechtlicher Sicht „grober Unfug“ vor?

Ob „grober Unfug“ im rechtlichen Sinne vorliegt, ist im Wesentlichen eine Auslegungsfrage und richtet sich nach dem jeweiligen Sachverhalt sowie dem zugrunde liegenden Gesetz. In Deutschland ist der Begriff insbesondere im Kontext des Ordnungswidrigkeitenrechts (§ 118 OWiG) relevant. Grober Unfug meint dabei nicht bloß jede Belästigung oder Störung, sondern eine Handlung, die das allgemeine Sicherheitsempfinden erheblich betrifft und außerhalb des sozialadäquaten Verhaltensspektrums liegt. Für die Beurteilung werden insbesondere Art, Intensität, Dauer und Auswirkungen der Handlung berücksichtigt, ebenso der Ort und die Sozialadäquanz im konkreten Fall. Ausschlaggebend ist, dass eine nachhaltige Störung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit entsteht, die durch ein gewöhnliches Fehlverhalten nicht erklärt werden kann.

Welche juristischen Folgen kann grober Unfug nach sich ziehen?

Das Begehen von grobem Unfug kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden, wobei in besonders schwerwiegenden Fällen auch andere rechtliche Konsequenzen drohen können, etwa eine Anzeige wegen anderer Straftatbestände wie Sachbeschädigung, Nötigung oder Hausfriedensbruch, sofern die Tatbestandsmerkmale dieser Delikte erfüllt sind. Die genaue Höhe der Geldbuße sowie etwaige weitergehende Sanktionen richten sich nach den Umständen des Einzelfalls, der Schwere der Störung, dem Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie möglichen Vorbelastungen des Täters.

In welchen Gesetzen ist der grobe Unfug geregelt?

Die zentrale Rechtsvorschrift zum Thema Grober Unfug befindet sich in § 118 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG). Daneben bestehen spezifische Regelungen in unterschiedlichen Landesgesetzen und Polizeigesetzen, die etwa in Bezug auf öffentliche Versammlungen, die Nutzung öffentlicher Plätze oder in besonderen Anlagen (z. B. Bahn-, Flughafen-, oder Schulgelände) Normen zum Schutz vor grobem Unfug enthalten. In besonderen Fällen können auch Vorschriften des Strafgesetzbuchs (StGB) tangiert werden, insbesondere dann, wenn durch die Handlung weitere Schutzgüter verletzt werden.

Wie unterscheiden sich „grober“ und „einfacher“ Unfug aus rechtlicher Sicht?

Die rechtliche Differenzierung zwischen einfachem und grobem Unfug ist durch die Intensität und Tragweite der jeweiligen Handlung charakterisiert. Einfacher Unfug umfasst meist leichtere Störungen oder Belästigungen, die zur Herstellung des öffentlichen Friedens oder der Ordnung noch tolerierbar sind oder mit milden Mitteln begegnet werden können. Der grobe Unfug hingegen sprengt dieses Maß deutlich, verstößt massiv gegen anerkannte Verhaltensnormen und hat oft ernstzunehmende Folgen für das Rechtsgut öffentlicher Ordnung oder Sicherheit.

Wer ist für die Verfolgung von grobem Unfug zuständig?

Die Ahndung von grobem Unfug fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der Ordnungsbehörden sowie der Polizei. Diese sind befugt, Personendaten aufzunehmen, Platzverweise auszusprechen und im Einzelfall auch die vorläufige Festnahme anzuordnen, wenn durch den Unfug eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit besteht. Die eigentliche Verfolgung und Bußgeldverhängung erfolgt sodann durch die jeweilige Verwaltungsbehörde. Betroffene haben das Recht, gegen eine solche Sanktion Einspruch einzulegen; die weitere Prüfung obliegt dann den Verwaltungsgerichten.

Welche Rechtsmittel stehen gegen eine behördliche Maßnahme wegen groben Unfugs zur Verfügung?

Wer durch eine behördliche Maßnahme oder einen Bußgeldbescheid wegen groben Unfugs betroffen ist, hat das Recht, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einzulegen. Wird dieser Einspruch abgelehnt, kann vor dem zuständigen Amtsgericht Klage erhoben werden. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens wird geprüft, ob die Tat im Sinne des § 118 OWiG tatsächlich als grober Unfug zu qualifizieren war und die Sanktionen rechtmäßig sind. Zusätzlich kann gegen bestimmte Maßnahmen, wie Platzverweise, ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht gestellt werden.

Gibt es Verjährungsfristen für die Verfolgung von grobem Unfug?

Ja, für Ordnungswidrigkeiten wie groben Unfug gelten spezifische Verjährungsfristen. Nach § 31 OWiG beträgt die Verfolgungsverjährung in der Regel sechs Monate ab Begehung der Tat, sofern im Einzelfall keine Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung eintritt. Nach Ablauf dieser Frist ist eine behördliche Verfolgung ausgeschlossen. In besonders gelagerten Fällen, bei denen gleichzeitig Straftatbestände erfüllt sind, können jedoch längere Verjährungsfristen in Betracht kommen, die sich aus dem Strafgesetzbuch ergeben.