Legal Lexikon

Grenzschutz


Begriff und rechtliche Grundlagen des Grenzschutzes

Grenzschutz bezeichnet sämtliche Maßnahmen, Einrichtungen und Rechtsnormen, die dem Schutz und der Überwachung der Staatsgrenzen eines Landes dienen. Ziel des Grenzschutzes ist es, unrechtmäßige Grenzübertritte zu verhindern, die territoriale Integrität und öffentliche Sicherheit zu gewährleisten sowie grenzüberschreitende Kriminalität einzudämmen. Der Grenzschutz umfasst sowohl gesetzliche Bestimmungen als auch vollziehende Organe und umfasst innerstaatliche, supranationale und völkerrechtliche Dimensionen.


Rechtliche Regelungen auf nationaler Ebene

Aufgaben und Befugnisse des Grenzschutzes

Die rechtlichen Grundlagen für den Grenzschutz ergeben sich in Deutschland primär aus dem Grundgesetz (GG) sowie dem Bundespolizeigesetz (BPolG). Nach Artikel 73 Abs. 1 Nr. 5 GG obliegt dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung für das Grenzwesen einschließlich der Grenzschutzpolizei.

Bundespolizeigesetz (BPolG)

Das Bundespolizeigesetz regelt insbesondere die Aufgaben, Organisation und Befugnisse der Bundespolizei im Bereich des Grenzschutzes. Die zentralen Aufgaben sind:

  • Überwachung der deutschen Staatsgrenzen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 BPolG)
  • Abwehr von Gefahren, die durch unerlaubte Grenzübertritte entstehen (§ 3 BPolG)
  • Kontroll- und Fahndungsmaßnahmen an den Binnengrenzen nach Maßgabe des Schengener Durchführungsübereinkommens (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 BPolG)
  • Kooperation mit anderen Behörden einschließlich internationalen Institutionen (§ 2 BPolG)

Die Bundespolizei ist befugt, im Rahmen des Grenzschutzes unter anderem Identitätskontrollen, Durchsuchungen, Anhalte- und Befragungsvollmachten sowie polizeilichen Zwang anzuwenden.

Straf- und bußgeldrechtliche Vorschriften

Verstöße gegen Vorschriften des Grenzübertritts und Aufenthalts sind im Strafgesetzbuch (StGB) sowie im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und Asylgesetz (AsylG) geregelt. Unrechtmäßiger Grenzübertritt kann als Ordnungswidrigkeit oder Straftat gewertet werden (vgl. § 95 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AufenthG).

Organisation und Aufgabenverteilung

In Deutschland nimmt die Bundespolizei den überwiegenden Teil der Aufgaben wahr. Für bestimmte Aufgaben an den See- und Flughäfen sind weitere Behörden zuständig, darunter die Zollverwaltung und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), insbesondere im Rahmen des grenzüberschreitenden Waren- und Personenverkehrs.


Grenzschutz im europäischen und internationalen Kontext

Schengener Grenzregime

Mit Inkrafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) und des Schengener Grenzkodex (VO [EU] 2016/399) gilt innerhalb des Schengen-Raums grundsätzlich der freie Personenverkehr ohne Kontrollen an den Binnengrenzen. Der Grenzschutz an den Außengrenzen der Europäischen Union (EU) unterliegt jedoch streng geregelten Vorschriften zur Ein- und Ausreise sowie zur Gefahrenabwehr.

Schengener Grenzkodex

Der Schengener Grenzkodex regelt die Kontrolle der Außengrenzen aller EU- und Schengenstaaten. Er definiert unter anderem:

  • Art und Umfang der Grenzkontrollen
  • Rechte und Pflichten der Grenzschutzbehörden
  • Voraussetzungen für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen bei schwerwiegenden Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit

Europäische Grenzschutzagentur Frontex

Frontex (Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache) unterstützt die Mitgliedstaaten beim Schutz der EU-Außengrenzen. Sie koordiniert gemeinsame Operationen, stellt Personal bereit und arbeitet mit nationalen Grenzschutzbehörden zusammen. Rechtsgrundlage sind die Verordnungen (EU) 2016/1624 und 2019/1896.


Völkerrechtliche Grundlagen des Grenzschutzes

Souveränität und staatliche Hoheitsgewalt

Das Völkerrecht erkennt jedem Staat das Recht zu, seine Grenzen zu bestimmen, zu überwachen und zu verteidigen. Die territoriale Souveränität schützt den Staat vor unzulässigen Grenzübertritten sowie vor Eingriffen durch andere Staaten.

Flüchtlingsrecht und Menschenrechte

Grenzschutzmaßnahmen stehen in einem Spannungsverhältnis zu internationalen Verpflichtungen aus dem Flüchtlingsrecht, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Maßnahmen des Grenzschutzes dürfen das Recht auf Asyl und den Schutz vor Zurückweisung (Non-Refoulement) nicht verletzen.


Maßnahmen und Instrumente des Grenzschutzes

Technische und personelle Ausstattung

Zu den Instrumenten des modernen Grenzschutzes zählen:

  • Grenzanlagen und -befestigungen (physische Barrieren, Zäune, Kontrollpunkte)
  • Technische Überwachung (Sensoren, Kameras, Drohnen)
  • Kontroll- und Informationssysteme (EES, SIS, VIS)
  • Mobiler und stationärer Einsatz von Grenzschutzpersonal

Zusammenarbeit und Informationsaustausch

Grenzschutz ist zunehmend grenzüberschreitend angelegt. Nationale Behörden kooperieren eng mittels Interpol, Europol, und bilateralen sowie multilateralen Abkommen. Der Austausch von Daten und die Koordination von Maßnahmen sind elementar für die Effektivität des Grenzschutzes.


Rechtsschutz und Kontrolle

Grenzschutzmaßnahmen unterliegen in Deutschland und der EU umfassenden rechtsstaatlichen Vorgaben. Gegen Maßnahmen des Grenzschutzes steht der Verwaltungsrechtsweg offen. Kontrollinstanzen wie das Bundesverfassungsgericht, der Europäische Gerichtshof und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte überwachen die Einhaltung grund- und menschenrechtlicher Standards.


Zusammenfassung

Grenzschutz umfasst ein weit verzweigtes Regelungsgeflecht aus nationalem Recht, EU-Recht und Völkerrecht. Die Ausübung des Grenzschutzes wird von spezialisierten staatlichen Organen wahrgenommen, unterliegt aber stets den Maßgaben des Rechtsstaatsprinzips, dem Schutz der Menschenrechte sowie den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit. Technische Entwicklungen und internationale Zusammenarbeit prägen die Effektivität und Ausgestaltung des modernen Grenzschutzes maßgeblich.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist rechtlich für die Durchführung des Grenzschutzes in Deutschland zuständig?

Für die Durchführung des Grenzschutzes in Deutschland ist primär die Bundespolizei zuständig, deren Aufgaben im Bundespolizeigesetz (BPolG) geregelt sind. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 BPolG obliegt der Bundespolizei die Aufgabe, die Bundesgrenzen zu schützen, d.h. insbesondere, Grenzübertritte zu überwachen und unrechtmäßige Grenzübertritte zu verhindern. Die Länderpolizeien können im Rahmen von Amtshilfe hinzugezogen werden, eine Zuständigkeit im eigentlichen Sinne besteht jedoch für sie nicht. Darüber hinaus können auf Grundlage internationaler Abkommen, insbesondere durch die Zusammenarbeit innerhalb des Schengen-Raums, auch andere Behörden mitwirken, beispielsweise die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex). Die praktische Ausgestaltung der Grenzsicherung, insbesondere bei der Errichtung von Grenzkontrollen, erfolgt stets unter Beachtung europarechtlicher Vorgaben, etwa der Schengener Grenzkodex-Verordnung (EU) 2016/399.

Welche rechtlichen Grundlagen regeln Grenzkontrollen innerhalb und außerhalb des Schengen-Raums?

Grenzkontrollen sind in der Europäischen Union vor allem durch den Schengener Grenzkodex (Verordnung [EU] 2016/399) geregelt. Demnach dürfen an den Binnengrenzen der Schengen-Mitgliedstaaten grundsätzlich keine Personenkontrollen stattfinden, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor, in denen ein Mitgliedstaat zur Wahrung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit temporär erneut Grenzkontrollen einführt (vgl. Art. 25 ff. Schengener Grenzkodex). An den Außengrenzen der EU ist gemäß Art. 8 Schengener Grenzkodex eine systematische Kontrolle aller ein- und ausreisenden Personen vorgeschrieben. Neben diesem Verordnungsrecht gelten in Deutschland ergänzend das Bundespolizeigesetz sowie spezifische Regelungen des Aufenthaltsgesetzes. Bei Grenzkontrollen außerhalb des Schengen-Raums findet darüber hinaus vorrangig nationales Recht Anwendung, wobei internationale Abkommen und menschenrechtliche Standards zu berücksichtigen sind.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen an deutschen Grenzen Identitätskontrollen durchgeführt werden?

Die rechtliche Grundlage für Identitätskontrollen an den deutschen Grenzen findet sich in § 22 Bundespolizeigesetz (BPolG). Danach darf die Bundespolizei im Grenzgebiet bis zu 30 Kilometer von der Grenze entfernt zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreisen sowie zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität verdachtsunabhängig Identitätskontrollen durchführen. An den eigentlichen Grenzübergangsstellen erfolgt die Kontrolle aufgrund von § 13 Aufenthaltsgesetz i.V.m. § 2 BPolG im Rahmen sogenannter Grenzabfertigungen. Es besteht hierbei die Pflicht, einen gültigen Pass oder Passersatz mitzuführen und auf Verlangen vorzuzeigen. Ergänzend sind europarechtliche Vorgaben, insbesondere aus dem Schengener Grenzkodex, zu beachten, denen zufolge an Binnengrenzen außerhalb begründeter Ausnahmefälle keine systematischen Kontrollen erfolgen dürfen. Verfahren bei Zurückweisungen und Behandlung von Zurückweisungsfällen richten sich nach §§ 15 ff. Aufenthaltsgesetz.

Inwieweit sind Maßnahmen des Grenzschutzes an Grundrechte gebunden?

Grenzschutzmaßnahmen sind an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes und die vorrangigen Grundrechte gebunden. Insbesondere die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG), das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie das Diskriminierungsverbot (Art. 3 GG) sind bei jeder Maßnahme zu wahren. Identitätskontrollen, Durchsuchungen und Zurückweisungen müssen stets verhältnismäßig sein und den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts respektieren. Im Fall von Maßnahmen gegen EU-Bürger ist darüber hinaus Art. 21 AEUV (Freizügigkeit innerhalb der EU) zu berücksichtigen. Die Kontrolle ist gesetzlich nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, und jeder behördliche Eingriff muss einer individuellen rechtlichen Prüfung standhalten. Im Bereich des internationalen Flüchtlingsrechts ist auch das Non-Refoulement-Prinzip (Refoulement-Verbot) aus Art. 33 GFK (Genfer Flüchtlingskonvention) sowie Art. 3 EMRK einschlägig.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen?

Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen deutscher Staatsgebiete ist rechtlich durch den Schengener Grenzkodex beschränkt möglich. Gemäß Art. 25 ff. der Verordnung kann ein Mitgliedstaat aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit nach Mitteilung an die Europäische Kommission und die anderen Mitgliedstaaten temporär Grenzkontrollen wieder einführen. Die Kontrollen sind grundsätzlich zeitlich befristet und müssen verhältnismäßig sein; der Zeitraum darf normalerweise insgesamt sechs Monate nicht überschreiten, kann jedoch in besonderen Ausnahmefällen nach Art. 29 Schengener Grenzkodex auf bis zu zwei Jahre verlängert werden. Die rechtliche Umsetzung in Deutschland erfolgt durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums des Innern (§ 18 Abs. 4 Nr. 1 BPolG) und bedarf einer Mitteilung gegenüber den betroffenen Ländern und Einrichtungen. Zudem ist stets zu prüfen, ob unionsrechtliche Vorgaben und Grundrechte gewahrt bleiben.

Was regelt der rechtliche Rahmen im Hinblick auf die Zurückweisung oder Zurückschiebung von Personen an der Grenze?

Die Zurückweisung an der Grenze ist rechtlich in §§ 15, 18 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelt. Danach kann einem Ausländer die Einreise an der Grenze verweigert werden, wenn die Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt sind, insbesondere fehlende gültige Reisedokumente oder ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot bestehen. Bei Asylsuchenden regelt Art. 16a GG i.V.m. § 18 Asylgesetz die besondere Handhabung: An den Außengrenzen sichere Drittstaaten können Asylanträge abgelehnt werden, wenn der Antragsteller aus einem sicheren Drittstaat einreist (sog. Drittstaatenregelung). Das Refoulement-Verbot (Art. 33 GFK) muss zwingend gewahrt bleiben, d.h. eine Zurückweisung in einen Staat, in dem Verfolgung oder unmenschliche Behandlung drohen, ist unzulässig. Eine Zurückschiebung kann gemäß § 57 Abs. 1 AufenthG erfolgen, wenn die betreffende Person unerlaubt eingereist ist und innerhalb eines Monats nach Grenzübertritt aufgegriffen wird.

Welche internationalen Abkommen und europäischen Rechtsakte beeinflussen das deutsche Grenzschutzrecht?

Das deutsche Grenzschutzrecht steht in enger Wechselwirkung mit internationalen und europäischen Rechtsakten. Auf europäischer Ebene bilden der Schengener Grenzkodex (Verordnung [EU] 2016/399) sowie die Dublin-III-Verordnung (Verordnung [EU] Nr. 604/2013) zentrale Rechtsgrundlagen. Ergänzend sind völkerrechtliche Verträge wie die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und das EU-Grundrechtechart (GRC) maßgebend. Multilaterale Verträge, beispielsweise im Zusammenhang mit Frontex, regeln zudem die operative Zusammenarbeit beim Schutz der Außengrenzen der EU. In bilateralen Abkommen, besonders mit Nachbarstaaten, wird die praktische Umsetzung der Zusammenarbeit an den Landesgrenzen geregelt. Diese internationalen Vorschriften sind gemäß Art. 25 und Art. 59 GG Teil des deutschen Rechts und haben, je nach Norm, Vorrang vor oder unmittelbare Geltung neben nationalem Recht.