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Grenzkontrollen


Begriff und rechtliche Einordnung der Grenzkontrollen

Grenzkontrollen beschreiben die staatliche Überprüfung von Personen, Waren und Fahrzeugen beim Übertritt einer nationalen Grenze. Sie dienen der Überwachung, Steuerung sowie der Sicherung des grenzüberschreitenden Verkehrs. Grenzkontrollen nehmen eine zentrale Rolle im staatlichen Souveränitätsverständnis sowie in der nationalen und internationalen Sicherheitspolitik ein. Rechtlich betrachtet sind sie in vielfältigen nationalen und internationalen Rechtsquellen geregelt und unterliegen sowohl bindenden völkerrechtlichen Normen als auch supranationalem und nationalem Recht.

Rechtsgrundlagen der Grenzkontrollen

Völkerrechtliche Grundlagen

Im Völkerrecht besitzen Staaten das Recht, ihre Grenzen zu kontrollieren. Das Recht der Staaten, durch Grenzkontrollen den Zugang zu ihrem Staatsgebiet zu regeln, ist Teil ihrer territorialen Souveränität und findet seinen Niederschlag in verschiedenen internationalen Abkommen. Das Wiener Übereinkommen über den diplomatischen Verkehr (1961), das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), das Übereinkommen betreffend den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und bilaterale Abkommen mit Nachbarstaaten sind hier besonders relevant.

Europäische Union und Schengen-Regelwerk

Innerhalb der Europäischen Union bildet der Schengen-Besitzstand das zentrale Regelungswerk. Nach dem Schengener Übereinkommen von 1985 und der Schengener Konvention von 1990 wurde der Schengen-Raum mit weitestgehendem Wegfall der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen geschaffen. Die maßgebliche Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex, SDK) regelt die Modalitäten der Grenzkontrolle an den Außengrenzen sowie die Ausnahmen vom Grundsatz des Wegfalls der Kontrollen an den Binnengrenzen.

Besonderheiten der EU-Außengrenzen

Für die Grenzkontrolle an den EU-Außengrenzen gelten spezifische Anforderungen, die im SDK detailliert beschrieben sind. Diese umfassen Verfahren der Identitätsprüfung, Dokumentenkontrolle, biometrische Erfassung sowie Abfragen in internationalen Fahndungssystemen wie dem Schengener Informationssystem (SIS). Auch wird die Rolle der Agentur Frontex, die operative Unterstützung bei der Kontrolle gemeinsamer Außengrenzen bietet, im Unionsrecht definiert.

Typen und Durchführung von Grenzkontrollen

Personenkontrollen

Personenkontrollen dienen hauptsächlich der Überprüfung von Identität, Reisedokumenten und gegebenenfalls Visumspflichten. An den Außengrenzen eines Staates werden diese Kontrollen meist systematisch und umfassend durchgeführt. Im Schengen-Raum finden sie an den Binnengrenzen grundsätzlich nicht statt, können jedoch bei temporärer Aussetzung des schengener Grenzkontrollverzichts (z. B. aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit) wieder eingeführt werden.

Waren- und Zollkontrollen

Neben den Personenkontrollen werden im Zuge von Grenzübertritten regelmäßig auch Warenkontrollen durchgeführt. Diese haben insbesondere zollrechtliche, gesundheitsrechtliche und sicherheitsrelevante Zwecke und stützen sich auf das nationale und europäische Zollrecht. Die rechtliche Grundlage bieten etwa die EU-Zollkodizes sowie internationale Zollabkommen.

Temporäre Wiedereinführung von Grenzkontrollen

Gemäß Art. 25 ff. SDK kann ein Mitgliedsstaat der EU die Grenzkontrollen an seinen Binnengrenzen zeitlich begrenzt wiedereinführen, wenn eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit vorliegt. Die Wiedereinführung ist an bestimmten Verfahrensgarantien, Meldepflichten und Zeitgrenzen gebunden. Auf europäischer Ebene besteht eine regelmäßige Berichterstattungspflicht gegenüber den EU-Institutionen.

Grundrechtliche Aspekte und Kontrolle von Grenzkontrollen

Schutz der Menschenwürde und Verhältnismäßigkeit

Grenzkontrollen unterliegen immer grundrechtlichen Schranken. Der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 GG, Art. 1 EU-Grundrechtecharta) und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit sind bei ihrer Durchführung zu beachten. Eingriffe müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dies betrifft etwa körperliche Durchsuchungen, Befragungen und Datenerhebungen.

Rechtsschutzmöglichkeiten

Von Grenzkontrollen betroffene Personen können den Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten im Fall von Maßnahmen im Zusammenhang mit Grenzkontrollen in Anspruch nehmen. Daneben stehen insbesondere auf europäischer Ebene Mechanismen wie der Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Verfügung.

Besondere Regelungen

Polizeiliche Befugnisse

Polizeien der Länder und der Bundespolizei können im Rahmen sogenannter „Schleierfahndung“ raum- und anlassunabhängige Personenkontrollen im Grenzgebiet vornehmen. Die rechtlichen Grundlagen ergeben sich aus dem Bundespolizeigesetz (§§ 13 ff. BPolG) und den Polizeigesetzen der Länder, wobei stets Mindestabstände zur Grenze für solche Maßnahmen definiert sind.

Sonderregelungen für bestimmte Personengruppen

Diplomaten und Angehörige internationaler Organisationen genießen Immunitäten, die auch die Modalitäten der Grenzkontrollen betreffen können. Die relevanten rechtlichen Vorschriften finden sich in den einschlägigen internationalen Abkommen und Zusatzvereinbarungen mit dem Sitzstaat.

Zusammenfassung

Grenzkontrollen spielen für die Wahrung der staatlichen Souveränität, nationale Sicherheit, Migration, Zoll und internationale Zusammenarbeit eine maßgebliche Rolle. Die rechtliche Ausgestaltung ist komplex und unterliegt einer Vielzahl internationaler, europäischer und nationaler Regelungen. Während durch die Integration in den Schengen-Raum an den europäischen Binnengrenzen der Grundsatz der Reisefreiheit herrscht, bilden temporäre Grenzkontrollen ein wichtiges Instrument zur Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Die Ausgestaltung und Durchführung müssen stets grund- und menschenrechtlichen Vorgaben genügen und unterliegen gerichtlicher Kontrolle.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln Grenzkontrollen in Deutschland?

Grenzkontrollen in Deutschland basieren auf einer Vielzahl von internationalen, europäischen und nationalen Rechtsnormen. Zentrale Grundlage ist das Schengener Grenzkodex (Verordnung (EU) 2016/399), der die Regeln für das Überschreiten der Außengrenzen der Schengen-Staaten sowie die möglichen Ausnahmen bei der Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen vorsieht. Ergänzend hierzu regelt das deutsche Aufenthaltsgesetz (AufenthG), insbesondere in den §§ 13-15 AufenthG, die Einreise und Kontrolle von Ausländern an den Grenzen. Auch spezifische Normen wie das Passgesetz (PassG) und das Bundespolizeigesetz (BPolG) sind relevant, da sie die Pflichten der Pass- und Personenkontrollen sowie die Zuständigkeiten der Bundespolizei im Grenzraum bestimmen. Grenzkontrollen dürfen darüber hinaus stets nur unter Beachtung der Grundrechte des Grundgesetzes, insbesondere des Art. 2 GG (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) und Art. 2 des Schengener Durchführungsübereinkommens durchgeführt werden. Im Falle der temporären Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen im Schengenraum sieht das Unionsrecht detaillierte Voraussetzungen und Verfahrensvorschriften sowie Informationspflichten gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten und der Europäischen Kommission vor.

Welche Voraussetzungen müssen für vorübergehende Grenzkontrollen an den Binnengrenzen innerhalb des Schengenraums erfüllt sein?

Die temporäre Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen eines Schengenstaats ist nur unter strengen Voraussetzungen und nach einem geregelten Verfahren möglich, wie im Schengener Grenzkodex festgelegt. Insbesondere muss eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit vorliegen, die eine solche Maßnahme erforderlich macht. Das jeweilige Land muss die Europäische Kommission sowie die anderen Mitgliedsstaaten unterrichten und dabei Art, Umfang, Gründe und voraussichtliche Dauer der Kontrollen detailliert darlegen. Die Dauer ist grundsätzlich auf 30 Tage beschränkt und kann unter bestimmten, im Einzelfall begründeten Umständen verlängert werden, wobei eine Maximallaufzeit von insgesamt sechs Monaten (bei vorhersehbaren Ereignissen) oder bis zu zwei Jahren (bei außergewöhnlichen Umständen, etwa im Fall eines Versagens des gemeinsamen Außengrenzschutzes) vorgesehen ist. Die Maßnahme muss verhältnismäßig sein und das letzte Mittel darstellen, nachdem mildere Maßnahmen zuvor nicht ausreichend waren.

Wer ist für die Durchführung von Grenzkontrollen zuständig?

In Deutschland obliegt die Durchführung von Grenzkontrollen in erster Linie der Bundespolizei, die gemäß Bundespolizeigesetz (BPolG) mit den Aufgaben des Grenzschutzes, der Überwachung der Grenzen und der Durchführung von Identitätsprüfungen betraut ist. Sie ist berechtigt, an den Grenzen zu anderen Staaten, in internationalen Bahnhöfen, Flughäfen und in einem bestimmten Grenzraum Maßnahmen zur Feststellung der Identität, Überprüfung von Reisedokumenten sowie zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland vorzunehmen. Unterstützt werden kann die Bundespolizei in besonderen Lagen durch Beamte anderer Behörden oder durch die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex). Die Aufgabenverteilung und Kompetenzen sind in den jeweiligen gesetzlichen Grundlagen (BPolG, Schengener Grenzkodex, Aufenthaltsgesetz) festgelegt.

Welche Rechte und Pflichten haben Reisende bei einer Grenzkontrolle?

Reisende sind verpflichtet, bei Grenzkontrollen ihre Identität nachzuweisen und auf Verlangen gültige Reisedokumente (Personalausweis oder Reisepass) sowie gegebenenfalls weitere notwendige Dokumente (z.B. Visum, Aufenthaltsgenehmigung) vorzulegen. Die rechtlichen Pflichten ergeben sich u.a. aus dem Passgesetz und dem Aufenthaltsgesetz. Reisende haben andererseits das Recht, fair und respektvoll behandelt zu werden, und jede Kontrolle muss unter Berücksichtigung der Grundrechte, insbesondere des Diskriminierungsverbotes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, erfolgen. Unangemessene oder unbegründete Durchsuchungen sind unzulässig, und es besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Auskunft über den Anlass und Umfang der Kontrolle. Im Falle einer Zurückweisung ist das Verfahren ausführlich geregelt und es bestehen Rechtsschutzmöglichkeiten (Beschwerde gegen Maßnahmen oder Rechtsbehelfe im Wege des Verwaltungsrechtsweges).

In welchem Umfang dürfen bei Grenzkontrollen Daten erhoben und verarbeitet werden?

Die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten bei Grenzkontrollen ist durch nationale und europäische Datenschutzvorschriften, insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und spezielle polizeiliche Datenschutzgesetze geregelt. Es dürfen nur solche personenbezogenen Daten erhoben werden, die für die Durchführung der Kontrolle erforderlich sind, wie Identitätsdaten, Reisedokumente, biometrische Daten (etwa Fingerabdrücke bei bestimmten Personengruppen, z.B. bei Visumspflichtigen) oder Angaben zur Reiseroute. Die Daten müssen vertraulich behandelt, gegen unbefugten Zugriff geschützt und nach Ablauf der Zweckerfüllung (z.B. nach Abschluss des Kontrollverfahrens) gelöscht werden. Eine Weitergabe der Daten an andere Behörden oder Staaten ist nur unter den engen, rechtlich geregelten Voraussetzungen möglich, etwa zur Strafverfolgung oder zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit. Betroffene Personen haben umfassende Informations- und Auskunftsrechte bezüglich der über sie gespeicherten Daten sowie Klagerechte bei datenschutzrechtlichen Verstößen.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen die Grenzkontrollvorschriften?

Verstöße gegen die Vorschriften zu Grenzkontrollen können sowohl für Einzelpersonen als auch für Transportunternehmen rechtliche Konsequenzen haben. Für Reisende kann ein Verstoß, etwa das Überschreiten der Grenze ohne gültige Dokumente oder trotz Einreiseverbot, zur Verweigerung der Einreise, Zurückweisung an der Grenze oder sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen (z.B. bei Urkundenfälschung) führen. Auch Bußgelder können verhängt werden, so etwa bei Verstößen gegen das Passgesetz oder das Aufenthaltsgesetz. Transportunternehmen, die Personen ohne gültige Dokumente befördern, drohen Bußgelder oder die Verpflichtung, die Rückbeförderung der betroffenen Person zu übernehmen. Darüber hinaus bestehen weitergehende rechtliche Pflichten, beispielsweise zum Schutz personenbezogener Daten oder zur Mitwirkung bei polizeilichen Maßnahmen, deren Verletzung ebenfalls Sanktionen nach sich ziehen kann. Auch im europäischen Kontext sieht das Recht der Europäischen Union Sanktionsmöglichkeiten vor, falls systematische Verstöße gegen die Schengen-Bestimmungen festgestellt werden.