Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»M&A»Greenwashing

Greenwashing


Definition und rechtliche Einordnung von Greenwashing

Greenwashing bezeichnet das gezielte Verbreiten irreführender Informationen oder die Vortäuschung von Umweltfreundlichkeit durch Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen. Ziel ist es, das ökologische Image gegenüber Verbrauchenden, der Öffentlichkeit, Geschäftspartnern oder Behörden aufzuwerten, ohne dass die jeweiligen Umweltversprechen durch tatsächliche umweltschonende Maßnahmen oder Produkte ausreichend belegt werden können. Greenwashing stellt somit eine Form der Irreführung dar, die rechtliche Relevanz entfaltet und in verschiedenen Normen geregelt wird.


Historische Entwicklung und gesellschaftliche Bedeutung

Bereits seit den 1980er Jahren wird Greenwashing als Begriff verwendet, gewinnt jedoch mit der globalen Hinwendung zu nachhaltigen und ökologisch verantwortungsbewussten Wirtschaftsweisen zunehmend an Bedeutung. Unternehmen nutzen immer häufiger Umweltaussagen im Marketing, etwa durch Begriffe wie „klimaneutral“, „umweltfreundlich“, „CO₂-reduziert“ oder durch Siegel, die jedoch teilweise keine objektiv prüfbaren Standards haben. Das Risiko von Irreführungen und Täuschungen gegenüber Konsumierenden und Marktteilnehmenden ist dadurch erheblich gestiegen.


Greenwashing im deutschen und europäischen Recht

Irreführungsverbot im Lauterkeitsrecht

Das zentrale rechtliche Instrument zur Bekämpfung von Greenwashing bildet § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Deutschland. Nach diesem Paragraphen ist eine geschäftliche Handlung unlauter, wenn sie unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen macht. Hierzu zählen ausdrücklich auch Umwelteigenschaften. Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) der Europäischen Union harmonisiert diese Regelung europaweit.

Beispiele für irreführende Umweltaussagen

Unzulässig sind etwa Werbeaussagen wie „100% umweltfreundlich“, sofern diese nicht objektiv nachweisbar oder belegt sind. Gleiches gilt für das Werben mit nicht näher spezifizierten Umweltbegriffen ohne fundierte Information oder Erläuterung.

Umweltbezogene Angaben nach Produktsicherheitsrecht und Kennzeichnungsrecht

Umweltbezogene Werbeaussagen können ebenso das Produktsicherheitsrecht und entsprechende Kennzeichnungspflichten betreffen, etwa durch Vorgaben im Verpackungsgesetz, der Ökodesign-Richtlinie, der REACH-Verordnung oder der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung. Hier greifen häufig spezifische Informationspflichten, deren Missachtung sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Wettbewerbsrechtliche und zivilrechtliche Ansprüche

Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche

Wettbewerber, Umweltverbände und Verbraucherschutzorganisationen können nach §§ 8 ff. UWG gegen Greenwashing vorgehen und Unterlassung oder Beseitigung verlangen. Diese Ansprüche kommen stets dann in Betracht, wenn eine Irreführung von Marktteilnehmern zu befürchten ist.

Schadensersatzansprüche

Neben Unterlassungsansprüchen ergibt sich unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Anspruch auf Schadensersatz, sollte einem Unternehmen oder Verbraucher durch Greenwashing ein nachweisbarer Schaden entstanden sein.

Verwaltungsrechtliche Sanktionen

Greenwashing kann ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit darstellen und mit Bußgeldern belegt werden, beispielsweise wenn gegen Vorschriften des Produktsicherheits-, Verpackungs- oder Lebensmittelrechts verstoßen wird. Sanktionen richten sich nach den jeweiligen spezialgesetzlichen Bestimmungen.


Greenwashing im Kontext internationaler Regulierung

Europäische Initiativen gegen Greenwashing

Die Europäische Kommission hat angesichts vermehrter Greenwashing-Fälle Initiativen wie den „Green Claims Code“ und die „EU-Taxonomie-Verordnung“ eingeführt, die strengere Anforderungen an die Transparenz und Nachprüfbarkeit von Umweltaussagen stellen. Zukünftig sollen europaweit verbindliche Prüf- und Begründungspflichten für umweltbezogene Angaben eingeführt werden.

Internationale Standards und Richtlinien

Organisationen wie die International Organization for Standardization (ISO) haben Normen wie die ISO 14021 (Umweltaussagen und Selbstdeklarationen) entwickelt, die Mindestanforderungen an glaubwürdige Umweltwerbung und -kennzeichnung definieren.


Formen und typische Erscheinungsformen des Greenwashings

Verwendung unpräziser Begriffe und Symbole

Besonders problematisch ist das Werben mit allgemeinen, nicht messbaren Umweltbegriffen („grün“, „nachhaltig“, „umweltverträglich“), sofern diese nicht weiter spezifiziert werden oder eine wissenschaftlich anerkannte Standardisierung fehlt.

Unbelegte oder unzutreffende Aussagen

Aussagen, die lediglich einzelne Bestandteile eines Produkts betreffen, diesen Umstand jedoch verschleiern, oder Werbeversprechen, die sich auf ohnehin bereits gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen beziehen, fallen ebenfalls unter Greenwashing.

Irreführende Siegel und Zertifikate

Die Nutzung von Pseudo-Siegeln, die keinen nachvollziehbaren Prüfprozess aufweisen oder von Unternehmen selbst vergeben werden, tragen zur Irreführung bei und sind rechtlich angreifbar.


Beweislast, Haftung und Sanktionen

Darlegungs- und Beweislast

Nach gefestigter Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht muss das werbende Unternehmen die Richtigkeit der getätigten Umweltaussagen nachweisen. Fehlt ein geeigneter Nachweis, spricht der Anschein bereits für Irreführung.

Haftungsrisiken und Rechtsfolgen

Bei festgestelltem Greenwashing drohen neben zivilrechtlichen Ansprüchen (Unterlassung, Beseitigung, Schadensersatz) auch administrative Maßnahmen und Bußgelder durch Behörden. Zudem besteht das Risiko von Reputationsschäden und Rückabwicklungen von Rechtsgeschäften.


Rechtsprechung zu Greenwashing

In den letzten Jahren haben Gerichte mehrfach über unzulässige Umweltwerbung entschieden. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigten etwa im Jahr 2021 die grundsätzlichen Anforderungen an die Beweisführung bei Werbeaussagen wie „klimaneutral“. Anzugeben ist demnach, auf welcher Basis die Neutralität erreicht wird (zum Beispiel durch Emissionsausgleich oder Kompensation) und welche Standards angewendet wurden. Auch Aussagen wie „umweltfreundlich“ sind untersagt, wenn sie sich auf Eigenschaften beziehen, die durch den Produktionsprozess bereits gestützt oder gesetzlich vorgeschrieben sind.


Ausblick und zukünftige Entwicklungen

Mit fortlaufenden Gesetzesinitiativen sowohl auf EU- als auch auf Bundesebene ist zu erwarten, dass die Anforderungen an Umweltwerbung und Nachhaltigkeitsaussagen weiter verschärft werden. Unternehmen sind gut beraten, Umweltaussagen künftig belastbar nachzuweisen und transparent zu kommunizieren.


Zusammenfassung

Greenwashing stellt einen zentralen Problembereich an der Schnittstelle zwischen Umweltbewusstsein und Produktwerbung dar. Seine rechtliche Behandlung erfolgt maßgeblich im Wettbewerbs-, Kennzeichnungs- und Produktsicherheitsrecht auf nationaler und europäischer Ebene. Unternehmen müssen bei der Bewerbung ökologischer Eigenschaften höchste Transparenz und Nachprüfbarkeit sicherstellen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Die weitere rechtsentwicklerische und legislative Ausgestaltung wird maßgeblich durch aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen beeinflusst.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen Unternehmen bei nachgewiesenem Greenwashing?

Bei nachgewiesenem Greenwashing können Unternehmen mit einer Vielzahl von rechtlichen Konsequenzen rechnen. Nach deutschem Recht handelt es sich bei irreführender Werbung durch angeblich umweltfreundliche Maßnahmen oder Produkte um einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), insbesondere §§ 5, 5a UWG. Wettbewerber, Verbraucherschutzorganisationen und andere befugte Stellen haben das Recht, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche geltend zu machen. Oft droht eine Abmahnung mit strafbewehrter Unterlassungserklärung und ggf. anschließenden Klageverfahren. Darüber hinaus können Schadensersatzansprüche entstehen, sofern betroffene Wettbewerber oder Verbraucher konkret geschädigt wurden. Besonders gravierend sind die Konsequenzen im Rahmen europäischer Regelungen, etwa nach der EU-Verordnung zur Verhinderung unlauterer Umweltwerbeaussagen. In einigen Fällen kann auch eine öffentlichkeitswirksame Richtigstellung oder Gegendarstellung angeordnet werden. Werden Zertifizierungen oder Gütesiegel missbräuchlich genutzt, drohen zudem zivil- und strafrechtliche Konsequenzen wegen Betrugs oder Urkundenfälschung.

Wie ist Greenwashing nach deutschem Recht abzugrenzen und zu beweisen?

Rechtlich relevant ist die Abgrenzung, ob eine Werbeaussage lediglich vage gehalten oder tatsächlich objektiv falsch und daher irreführend ist. Das zentrale Kriterium ist stets die Erwartung eines durchschnittlichen Verbrauchers, wie sie von der Rechtsprechung entwickelt wurde. Wird suggeriert, dass ein Produkt besonders umweltfreundlich ist, müssen diese Angaben objektiv zutreffen und belegt werden können. Unternehmen trifft im Streitfall eine umfassende Beweislast, das heißt, sie müssen ihre Aussagen im Zweifel durch entsprechende Studien, Zertifikate oder wissenschaftliche Nachweise untermauern. Das gilt sowohl für allgemeine Umweltbehauptungen als auch für spezifische Zusagen wie „klimaneutral“ oder „biologisch abbaubar“. Eine pauschale Behauptung genügt keinesfalls; der Nachweis muss präzise und einzelfallbezogen erfolgen. Gerichte nutzen zur Beweiswürdigung regelmäßig Sachverständigengutachten.

Welche Rolle spielen Gütesiegel und Zertifizierungen im Kontext von Greenwashing?

Gütesiegel und Zertifizierungen dienen grundsätzlich der Transparenz und Verbrauchersicherheit. Werden aber selbst vergebene oder nicht unabhängige Siegel eingesetzt, besteht die Gefahr, dass diese Verbraucher in die Irre führen. Rechtlich gesehen muss ein Siegel eine tatsächlich überprüfbare Umweltleistung bescheinigen, die von einer neutralen, akkreditierten Stelle geprüft wurde. Andernfalls drohen Verstöße gegen das UWG, insbesondere § 3 („Unlautere geschäftliche Handlungen“) und § 5 Abs. 1 UWG. Ein missbräuchlicher Einsatz von Umweltsiegeln kann nicht nur zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen führen, sondern auch den Straftatbestand der Urkundenfälschung oder des Betrugs gemäß StGB erfüllen, wenn absichtlich ein falscher Eindruck erweckt und so ein Vermögensschaden verursacht wird.

Wie ist die Beweislastverteilung in Greenwashing-Prozessen geregelt?

In der Regel trägt das werbende Unternehmen die Beweislast für die Richtigkeit der durch Werbung vermittelten Umweltversprechen. Das ergibt sich aus dem sogenannten Anscheinsbeweis im Lauterkeitsrecht: Macht ein Unternehmen bestimmte Angaben, so muss es auf Nachfrage oder im Streitfall nachweisen, dass diese auch zutreffen (§ 5 UWG i.V.m. § 12 Abs. 2 UWG). Die klagende Partei (meist ein Wettbewerber oder eine Verbraucherzentrale) muss lediglich glaubhaft machen, dass die Aussage möglicherweise irreführend ist; der Hauptbeweis trifft dann das Unternehmen. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn der Kläger konkret nachweist, dass eine Angabe definitiv falsch ist.

Gibt es spezielle gesetzliche Regelungen gegen Greenwashing auf europäischer Ebene?

Auf EU-Ebene existieren zunehmend spezifische rechtliche Rahmenbedingungen zur Bekämpfung von Greenwashing. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG enthält umfassende Regelungen zu irreführenden Umweltversprechen („Umwelt-Claims“). Zudem arbeiten Organe der EU aktuell an weiteren Verschärfungen, etwa der „Green Claims Directive“, die Unternehmen verpflichten soll, ihre Umweltangaben mit glaubhaften, wissenschaftlichen Nachweisen zu belegen. Auch in der EU-Taxonomie-Verordnung, der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie im Umfeld der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) sind Anforderungen an die Transparenz und Nachweisbarkeit von Umweltangaben formuliert. Ein Verstoß gegen diese Normen kann grenzüberschreitend zu Bußgeldern, Verkaufsverboten oder sonstigen wettbewerbsrechtlichen Sanktionen führen.

Welche Rolle spielen Gerichte und Behörden bei der Verfolgung von Greenwashing?

Die Überwachung von Greenwashing obliegt sowohl zivilrechtlichen Instanzen als auch spezialisierten Behörden. In Deutschland sind es im Zivilverfahren vor allem die Landgerichte, die über wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten entscheiden. Häufig werden Verfahren von Verbraucherzentralen, Wettbewerbern oder Umweltorganisationen als Verbandskläger initiiert. Daneben ist die Bundeszentrale für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in bestimmten Fällen involviert sowie die Stiftung Warentest, die Produkte auf ihre Umweltversprechen kontrolliert. Auf europäischer Ebene überwachen die nationale Wettbewerbsbehörden sowie die Europäische Kommission die Einhaltung einschlägiger Vorschriften. Sanktionen reichen von Abmahnungen über Bußgelder bis hin zur Untersagung bestimmter Werbemaßnahmen. Auch Verbraucherschutzorganisationen und NGOs spielen zunehmend eine zentrale Rolle bei der Verfolgung und Aufdeckung von Greenwashing-Praktiken.