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Gratisaktie

Begriff und Einordnung der Gratisaktie

Eine Gratisaktie ist eine neue Aktie, die eine Aktiengesellschaft ihren bestehenden Anteilseignern ohne zusätzliche Zahlung zuteilt. Die Gesellschaft bildet diese Aktien, indem sie vorhandene Rücklagen in gezeichnetes Kapital umwandelt (Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln). Der Vermögenskreis der Gesellschaft verändert sich dadurch nicht; es findet kein Mittelzufluss von außen statt. Die Anzahl der ausgegebenen Aktien steigt, das anteilige Grundkapital je Aktie sinkt rechnerisch.

Definition

Gratisaktien werden den Anteilseignern im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung zugeteilt. Maßgeblich ist ein festgelegtes Zuteilungsverhältnis (zum Beispiel 1:10), das sich aus dem Beschluss der Hauptversammlung ergibt. Die neuen Aktien sind rechtlich gleichartig zu bereits bestehenden Aktien derselben Gattung und gewähren in der Regel dieselben Mitgliedschafts- und Vermögensrechte ab einem bestimmten Stichtag.

Abgrenzung zu verwandten Maßnahmen

Aktiensplit

Beim Aktiensplit wird der Nennwert je Aktie rechnerisch geteilt oder das rechnerische Stückaktienverhältnis angepasst, ohne das gezeichnete Kapital zu verändern. Es entstehen keine neuen Rechte durch Kapitalerhöhung. Gratisaktien beruhen dagegen auf einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln.

Wahldividende (Ausschüttung in Aktien)

Bei einer Wahldividende können Anteilseigner eine Dividende wahlweise in Geld oder in Form neuer Aktien erhalten. Rechtlich wird dafür üblicherweise eine Kapitalerhöhung unter Anrechnung von Dividendenansprüchen genutzt. Gratisaktien aus Gesellschaftsmitteln sind demgegenüber nicht an eine Dividendenzahlung gekoppelt.

Kapitalerhöhung gegen Einlagen

Bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen fließt der Gesellschaft neues Kapital von außen zu, häufig unter Gewährung von Bezugsrechten. Gratisaktien erfordern keine Einzahlung der Anteilseigner; die Mittel stammen aus vorhandenen Rücklagen der Gesellschaft.

Rechtlicher Ablauf der Ausgabe

Voraussetzungen und Beschlussfassung

Die Ausgabe von Gratisaktien setzt einen wirksamen Beschluss der Hauptversammlung über eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln voraus. Dabei werden geeignete Rücklagen (zum Beispiel Gewinn- oder Kapitalrücklagen) in gezeichnetes Kapital umgebucht. Die Entscheidung enthält insbesondere den Betrag der Erhöhung, die Anzahl und Gattung der neuen Aktien sowie deren Gewinnberechtigung ab einem bestimmten Zeitpunkt.

Stichtag, Zuteilungsverhältnis und Bruchteile

Für die Zuteilung wird ein Stichtag festgelegt. Das Zuteilungsverhältnis orientiert sich an der bisherigen Beteiligung der Anteilseigner. Ergibt sich rechnerisch ein Anspruch auf einen Aktienbruchteil, wird dieser rechtlich nicht als vollwertige Aktie geführt. Üblich sind Zusammenlegungen von Bruchteilen über Verwahrstellen oder ein Barausgleich, sofern vorgesehen.

Registereintragung und Wirksamkeit

Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wird wirksam, sobald sie ordnungsgemäß festgestellt und im Handelsregister eingetragen ist. Mit der Eintragung entsteht das erhöhte gezeichnete Kapital, und die neuen Aktien können in den Depots der Anteilseigner verbucht werden.

Auswirkungen auf Gesellschaft und Anteilseigner

Kapitalstruktur und Rücklagen

Durch die Umbuchung aus Rücklagen in das gezeichnete Kapital sinken die frei verfügbaren Reserven der Gesellschaft, während das Grundkapital steigt. Das haftende Kapital der Gesellschaft erhöht sich in seiner gebundenen Komponente, was dem Gläubigerschutz dient. Die Liquidität der Gesellschaft bleibt unverändert.

Mitgliedschafts- und Vermögensrechte

Gratisaktien sind rechtlich vollwertige Aktien mit Stimm-, Dividenden- und Bezugsrechten, soweit die Satzung keine Besonderheiten vorsieht. Eine Verwässerung der prozentualen Beteiligung tritt regelmäßig nicht ein, da die Zuteilung verhältniswahrend erfolgt. Der rechnerische Anteil je Aktie am Grundkapital verringert sich, die Summe der Anteile eines Aktionärs bleibt anteilig gleich.

Börsenhandel und Kursanpassung

Da die Zahl der Aktien steigt, kann sich der Börsenkurs rechnerisch anpassen. Der wirtschaftliche Gesamtwert der Beteiligung ändert sich dadurch grundsätzlich nicht. Die Börse kennzeichnet üblicherweise einen Ex-Tag, ab dem die Aktie ohne das Recht auf Zuteilung gehandelt wird. Technische Abläufe, wie die Verbuchung im Depot und die Behandlung von Bruchteilen, folgen marktüblichen Standards.

Informations- und Transparenzpflichten

Öffentliche Bekanntmachung und Anlegerinformation

Die Gesellschaft informiert den Kapitalmarkt über die geplante Maßnahme, einschließlich Zuteilungsverhältnis, Stichtagen und Gewinnberechtigung. Je nach Ausgestaltung und Marktsegment können zusätzliche Informationsdokumente erforderlich sein. Die Kommunikation hat klar, vollständig und zeitgerecht zu erfolgen.

Insider- und Ad-hoc-Aspekte

Die Planung einer Gratisaktienausgabe kann vor der öffentlichen Bekanntmachung kursrelevante, nicht öffentliche Informationen begründen. Während dieser Phase sind die einschlägigen Vorgaben zu Insiderinformationen, deren vertrauliche Behandlung und gegebenenfalls zur Ad-hoc-Veröffentlichung zu beachten.

Steuer- und aufsichtsrechtliche Aspekte

Steuerliche Grundzüge für Anteilseigner

Die Zuteilung von Gratisaktien führt in vielen Rechtsordnungen beim Erhalt regelmäßig nicht zu einem sofortigen steuerpflichtigen Zufluss. Die steuerliche Bemessungsgrundlage für die Beteiligung kann sich jedoch ändern, etwa durch eine Verteilung der bisherigen Anschaffungskosten auf die alte und die neue Aktienanzahl. Eine spätere Veräußerung der Aktien kann steuerlich relevant sein. Maßgeblich sind die jeweils anwendbaren nationalen Regelungen.

Rechnungslegung

Bilanzrechtlich werden Rücklagen in gezeichnetes Kapital umgebucht. Die Gesamtbilanzsumme bleibt gleich, die Struktur des Eigenkapitals ändert sich: gebundenes Kapital steigt, freie Rücklagen sinken. Angaben im Anhang und Lagebericht erläutern Anlass und Auswirkungen der Maßnahme.

Aufsichtsrecht und Prospektfragen

Kapitalmarktrechtlich kann für Gratisaktien in bestimmten Konstellationen eine Befreiung von einer Prospektpflicht vorgesehen sein, insbesondere wenn keine Gegenleistung der Anleger erfolgt. Unabhängig davon bestehen Informationspflichten gegenüber dem Markt. Ob ein formelles Wertpapierinformationsdokument bereitzustellen ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung und dem Marktsegment ab.

Risiken, Konfliktfelder und Anfechtbarkeit

Minderheitenschutz und Gleichbehandlung

Die Zuteilung hat verhältniswahrend und gleichbehandelnd zu erfolgen. Abweichungen, etwa durch unterschiedliche Aktiengattungen oder Sonderrechte, müssen rechtlich zulässig und transparent begründet sein. Eine Benachteiligung einzelner Gruppen kann Rechtsstreitigkeiten auslösen.

Form- und Verfahrensfehler

Fehler bei Beschlussfassung, Feststellung, Prüfung, Bekanntmachung oder Registereintragung können die Wirksamkeit der Maßnahme beeinträchtigen. In gravierenden Fällen kommen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsrisiken in Betracht. Ordnungsgemäße Protokollierung und Dokumentation der Maßnahme mindern rechtliche Unsicherheiten.

Organhaftung

Leitungs- und Aufsichtsorgane haben bei der Vorbereitung und Durchführung die gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Pflichten zu wahren. Pflichtverletzungen können zu Haftungsrisiken führen, insbesondere bei fehlerhafter Information des Marktes oder unsachgemäßer Mittelverwendung.

Internationale Varianten und Begriffsgebrauch

International werden Gratisaktien häufig als Bonus Shares oder Scrip Issue bezeichnet. Die Grundmechanik der Umbuchung von Rücklagen in gezeichnetes Kapital ist vielerorts ähnlich, die Detailanforderungen zu Beschluss, Prüfung, Register- und Veröffentlichungspflichten unterscheiden sich jedoch je nach Rechtsordnung. Auch steuerliche Folgen variieren.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Gratisaktie

Ist eine Gratisaktie das Gleiche wie ein Aktiensplit?

Nein. Beim Aktiensplit wird der rechnerische Nennwert oder die Stückelung je Aktie angepasst, ohne das gezeichnete Kapital zu erhöhen. Gratisaktien entstehen durch eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln; das gezeichnete Kapital steigt, Rücklagen sinken.

Entstehen durch den Erhalt von Gratisaktien neue Pflichten für Anteilseigner?

Regelmäßig entstehen keine Zahlungspflichten, da die Zuteilung unentgeltlich erfolgt. Übliche Pflichten eines Anteilseigners, etwa gegenüber der Verwahrstelle oder zur Beachtung kapitalmarktrechtlicher Vorschriften bei späteren Veräußerungen, bleiben unberührt.

Wie werden Bruchteile bei der Zuteilung von Gratisaktien behandelt?

Bruchteilsansprüche führen nicht zu einer eigenständigen Aktie. Marktüblich ist die Zusammenlegung über Verwahrstellen oder ein Barausgleich, sofern vorgesehen. Die konkrete Behandlung ergibt sich aus den Zuteilungsbedingungen und der gängigen Abwicklungspraxis.

Muss die Ausgabe von Gratisaktien in ein Register eingetragen werden?

Ja. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wird mit der Eintragung im Handelsregister wirksam. Erst mit dieser Eintragung entsteht das erhöhte gezeichnete Kapital, und die neuen Aktien können verbucht werden.

Verändert die Ausgabe von Gratisaktien Stimmrechte und Dividendenansprüche?

Die neuen Aktien sind rechtlich gleichartig und gewähren regelmäßig dieselben Mitgliedschafts- und Vermögensrechte. Die prozentuale Beteiligung bleibt durch die verhältniswahrende Zuteilung grundsätzlich unverändert; die Zahl der Stimmen eines Aktionärs steigt entsprechend der neuen Aktienzahl.

Ist für Gratisaktien ein Prospekt erforderlich?

Für Zuteilungen ohne Gegenleistung kann eine Prospektpflicht entfallen. Gleichwohl bestehen Informationspflichten gegenüber dem Kapitalmarkt. Ob ein Prospekt oder alternatives Informationsdokument nötig ist, hängt von Ausgestaltung und Marktsegment ab.

Welche steuerlichen Grundsätze gelten beim Erhalt von Gratisaktien?

Der Erhalt führt häufig nicht zu einem unmittelbaren steuerpflichtigen Zufluss. Üblich ist eine Anpassung der Anschaffungskosten auf die gesamte Aktienanzahl. Steuerliche Relevanz kann bei späteren Veräußerungen entstehen. Maßgeblich sind nationale Regelungen.

Können Beschlüsse über Gratisaktien angefochten werden?

Form- oder inhaltsbezogene Fehler können Anfechtungsrisiken begründen. Dies betrifft insbesondere Verstöße gegen Verfahrens- und Gleichbehandlungsgrundsätze oder unzureichende Information. Die Beurteilung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.