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Governing


Begriffserklärung und rechtlicher Rahmen von Governing

Definition des Begriffs Governing

Der Begriff Governing (deutsch: „Steuerung“, „Lenkung“ oder „Regierung“) bezeichnet im rechtlichen Kontext die Ausübung von Lenkungs-, Steuerungs- und Entscheidungsfunktionen durch einzelne Organe, Institutionen oder Zusammenschlüsse innerhalb eines rechtlichen Rahmens. Governing umfasst alle Vorgänge, mit denen Regeln festgelegt, Rechte und Pflichten etabliert, Entscheidungen getroffen und kontrollierende Elemente implementiert werden. Im Zentrum stehen Regelgebung, Kontrolle und Disziplinierung innerhalb formaler wie informeller Strukturen.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

Governing unterscheidet sich von Government (Staatsregierung) und Governance (Gesamtheit von Regelungen und Verfahren einer Organisation). Während „Government“ meist die staatliche Regierung als Institution beschreibt und „Governance“ betriebswirtschaftliche oder verwaltungswissenschaftliche Ordnungs- und Führungsstrukturen meint, fokussiert Governing auf die konkrete Ausübung von Steuerungsgewalt und Aufsichtsmaßnahmen.


Rechtliche Grundlagen des Governing

Verfassungsrechtliche Verankerung

Im öffentlichen Recht basiert Governing insbesondere auf den verfassungsrechtlichen Prinzipien der Gewaltenteilung und Verantwortlichkeitsstruktur. Die Hoheitsausübung (Staatsgewalt) wird durch Legislative, Exekutive und Judikative geregelt. Jede dieser Staatsgewalten unterliegt eigenen Governing-Prozessen:

  • Legislative: Regelsetzung durch Parlamente
  • Exekutive: Rechtsanwendung durch Regierungsorgane
  • Judikative: Kontrolle und Überprüfung durch Gerichte

Das jeweilige Governing findet innerhalb gesetzlich bestimmter Kompetenzbereiche statt und ist durch Prinzipien wie Gesetzmäßigkeit, Verhältnismäßigkeit und Effektivität begrenzt.

Verwaltungsrecht und Governing

Im verwaltungsrechtlichen Kontext bezieht sich Governing auf die öffentliche Verwaltung und deren Organe. Die wesentlichen Elemente sind:

  • Entscheidungsfindung und Ermessensausübung
  • Verwaltungsakt und Selbstverwaltung
  • Kontrolle durch Rechtsaufsicht und Fachaufsicht
  • Maßnahmen zur Sicherstellung gesetzeskonformen Verhaltens (Disziplinarmaßnahmen, Weisungen, Bekanntmachungen)

Verwaltungsakte und interne Richtlinien sind zentrale Instrumente zur Umsetzung des Governing in der Verwaltung.


Governing im Privatrecht

Gesellschaftsrechtliche Aspekte

Im Gesellschaftsrecht umfasst Governing insbesondere die Leitung und Überwachung von Unternehmen und Vereinigungen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen ergeben sich beispielsweise aus dem Aktiengesetz (AktG), dem Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) und dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Wesentliche Aufgaben:

  • Festlegung von Unternehmenszielen und Strategien durch Geschäftsleitung, Aufsichtsrat, Haupt- oder Gesellschafterversammlung
  • Rechtliche Überwachung und Kontrolle der Geschäftsführung
  • Einberufung und Durchführung von Organsitzungen
  • Beschlusserfassung und Dokumentationspflichten

Vertragsrechtliche Steuerung

Governing spielt auch in Vertragsverhältnissen eine Rolle: In Verträgen können detaillierte Lenkungs- und Kontrollmechanismen installiert werden, etwa über:

  • Weisungsrechte
  • Zustimmungs- und Vetorechte
  • Kündigungs- oder Ausstiegsklauseln
  • Schlichtungs- und Schiedsvereinbarungen

Diese Mechanismen sind rechtlich durch das Prinzip der Privatautonomie gedeckt, unterliegen aber Schranken, etwa hinsichtlich Sittenwidrigkeit oder gesetzlicher Verbote.


Governing international

Völkerrecht

Im Völkerrecht bezieht sich Governing auf die rechtlichen Steuerungsinstrumente internationaler Organisationen, Staatenbünde oder zwischenstaatlicher Abkommen. Hierunter fallen:

  • Ausgestaltung und Durchsetzung von völkerrechtlichen Verträgen
  • Sanktionen und Kontrolle der Einhaltung durch Gremien oder Gerichte, etwa den Internationalen Gerichtshof (IGH)
  • supranationale Aufsicht, etwa im Rahmen der Europäischen Union durch deren Organe (Kommission, Rat, Europäischer Gerichtshof)

Corporate Governing im internationalen Kontext

Insbesondere in multinationalen Unternehmen gewinnt Governing auf internationaler Ebene zunehmend an Bedeutung. Durch grenzüberschreitende Compliance-Anforderungen, Corporate Social Responsibility (CSR) und internationale Corporate Governance-Standards entstehen rechtliche Pflichten zur Einrichtung effektiver Kontroll- und Steuerungssysteme.


Instrumente und Prozesse des Governing

Regelsetzung (Normsetzung)

Das Governing umfasst vorrangig Prozesse der Normsetzung, also die Festlegung allgemeiner Verhaltensregeln und Durchführungsbestimmungen in Form von Gesetzen, Verordnungen, Satzungen oder internen Richtlinien.

Kontrolle und Überwachung

Zur Sicherstellung der Einhaltung der vorgegebenen Regeln werden unterschiedliche Kontrollmaßnahmen implementiert:

  • Interne und externe Revisionen
  • Einsetzung von Überwachungsorganen
  • Berichterstattungspflichten
  • Sanktionsmechanismen bei Pflichtverstößen

Handlungslenkung und Weisungen

Weisungen, Durchführungsanordnungen und Richtlinien dienen dazu, Verhalten innerhalb von Organisationen rechtlich verbindlich zu steuern.


Rechtsfolgen und Sanktionen bei Verstößen gegen Governing-Strukturen

Sanktionierungsmechanismen

Bei Verstößen gegen verbindliche Governing-Regelungen können unterschiedliche Rechtsfolgen eintreten, insbesondere:

  • Disziplinarrechtliche Maßnahmen und Ordnungsmaßnahmen
  • Schadensersatzansprüche
  • Vertragsauflösung oder Kündigungsrechte
  • Öffentliche und interne Sanktionen bis hin zu Rufschädigung

Rechtsschutz und Überprüfung

Rechtsschutzmechanismen gewährleisten die Überprüfbarkeit von Governing-Maßnahmen. Dazu zählen:

  • Verwaltungsrechtsweg gegen staatliche Eingriffs- und Leistungsakte
  • Gesellschaftsrechtliche Klagen, beispielsweise Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen
  • Schieds- und Mediationsverfahren
  • Internationale Schlichtungsstellen, etwa im Rahmen von Handels- oder Investitionsschutzabkommen

Entwicklung und Bedeutung von Governing im digitalen Zeitalter

Mit der Digitalisierung und der Einführung komplexer IT-Systeme verändern sich auch die Anforderungen an das Governing. Es entstehen besondere rechtliche Anforderungen, etwa im Datenschutz, in der IT-Governance, bei der Einhaltung von Informationssicherheitsstandards oder der Überwachung von Künstlicher Intelligenz im Rahmen des automatisierten Entscheidungsmanagements.

Aktuelle Entwicklungen zeigen einen Trend zur stärkeren formalen und rechtlichen Absicherung von Governing-Prozessen und zur Internationalisierung von Kontrollmechanismen.


Literatur und weiterführende Quellen


Zusammenfassung:
Governing ist ein vielschichtiger und grundlegend rechtlich determiniertes Konzept, das Steuerungs-, Lenkungs- und Kontrollfunktionen auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Rechtsgebieten umfasst. Seine rechtlichen Grundlagen und Ausprägungen reichen vom öffentlichen Recht über das Privatrecht bis hin zum internationalen Recht und entwickeln sich unter Berücksichtigung neuer gesellschaftlicher und technologischer Anforderungen fortwährend weiter.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind bei der Etablierung von Governance-Strukturen in Unternehmen zu beachten?

Die rechtlichen Vorgaben zur Ausgestaltung von Governance-Strukturen in Unternehmen ergeben sich im Wesentlichen aus dem Gesellschaftsrecht, insbesondere aus dem Aktiengesetz (AktG), dem GmbH-Gesetz (GmbHG) sowie spezifischen Vorschriften, wie etwa dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK). Diese Normen regeln u. a. die Zusammensetzung und Rechte der Leitungs- und Überwachungsorgane (z. B. Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat), Pflichten der Mitglieder dieser Organe (Sorgfaltspflichten, Verschwiegenheitspflichten, Treuepflichten), Transparenzanforderungen sowie Mitbestimmungsrechte von Aktionären bzw. Gesellschaftern. Darüber hinaus sind in regulierten Branchen zahlreiche Spezialgesetze (etwa KWG, WpHG, Versicherungsaufsichtsgesetz) zu berücksichtigen, die besondere Anforderungen an die Governance, etwa hinsichtlich Risikomanagement oder Compliance-Systemen, stellen. Bei internationalen Gesellschaften sind zudem ausländische Rechtsvorgaben und kollisionsrechtliche Fragen relevant, beispielsweise im Zuge grenzüberschreitender Corporate Governance.

Welche Haftungsrisiken bestehen für Mitglieder von Führungs- und Überwachungsorganen im Rahmen der Corporate Governance?

Mitglieder von Führungs- und Überwachungsorganen – insbesondere Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte – haften nach den einschlägigen Vorschriften, wie § 93 AktG oder § 43 GmbHG, persönlich für Pflichtverletzungen im Rahmen ihrer Geschäftsführung oder Überwachungsaufgaben. Die Haftung umfasst insbesondere Schäden, die dem Unternehmen oder Dritten durch schuldhaftes Verhalten der Organmitglieder entstehen, wobei sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit relevant sind. Typische Haftungsrisiken bestehen unter anderem in fehlerhaften Investitionsentscheidungen, unzureichender Überwachung der Geschäftsführung, Missachtung von Compliance- oder Berichtspflichten sowie in Verstößen gegen Kapitalerhaltungs- und Veröffentlichungsvorschriften. Darüber hinaus können strafrechtliche Konsequenzen (z. B. wegen Untreue, Bilanzfälschung) sowie bußgeldrechtliche und aufsichtsrechtliche Sanktionen drohen. Der Versicherungsschutz durch D&O-Versicherungen bietet oft nur eingeschränkten Schutz, sodass ein umfangreiches Risikomanagement und laufende Fortbildung der Organmitglieder unerlässlich sind.

Welche Bedeutung haben Datenschutz- und Informationssicherheitsvorschriften für die unternehmensinterne Governance?

Datenschutzrechtliche Vorgaben wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verpflichten Unternehmen, adäquate technische und organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung des Datenschutzes zu implementieren und regelmäßig deren Wirksamkeit zu prüfen. Governance-Strukturen müssen daher Prozesse und Verantwortlichkeiten für die Einhaltung von Datenschutzanforderungen sowie für das Management von Datenschutzvorfällen (Data Breach Management) festlegen. Dies umfasst unter anderem die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten, die Durchführung von Datenschutz-Folgenabschätzungen, das Aufsetzen interner Richtlinien und Mitarbeiterschulungen. Verstöße gegen Datenschutzvorgaben können zu erheblichen Bußgeldern, Schadensersatzpflichten und Reputationsverlust führen, weshalb strukturierte Kontrollmechanismen und kontinuierliche Überprüfungen im Rahmen der Governance unerlässlich sind.

In welchem Umfang sind Aktionäre und Gesellschafter in Governance-Entscheidungen einzubeziehen?

Aktionäre und Gesellschafter haben im Rahmen ihrer gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechte Anspruch auf Information und Beteiligung an wesentlichen Geschäftsführungs- und Überwachungsentscheidungen. Das Maß der Einbeziehung variiert je nach Gesellschaftsform und Rechtsgrundlage: In Aktiengesellschaften bestimmt insbesondere § 119 AktG, welche Angelegenheiten der Hauptversammlung vorbehalten sind, während bei GmbHs § 46 GmbHG die Gesellschafterrechte definiert. Zu den mitbestimmungspflichtigen Themen zählen u. a. die Bestellung und Abberufung von Organmitgliedern, Kapitalmaßnahmen, Satzungsänderungen und grundlegende Unternehmensumstrukturierungen. Zusätzlich sind Börsengesellschaften gesetzlich verpflichtet, bestimmte Informationen offenzulegen (Ad-hoc-Publizität), sodass eine transparente und faire Beteiligung aller Anteilseigner gewährleistet wird. Fehlende oder fehlerhafte Einbeziehung kann zu Anfechtbarkeit von Beschlüssen und Haftungsrisiken für die Organe führen.

Welche Rolle spielen Compliance-Management-Systeme im rechtlichen Kontext der Governance?

Compliance-Management-Systeme (CMS) sind zentrale Instrumente zur Sicherstellung der Einhaltung von Gesetzen, internen Richtlinien und ethischen Standards im Unternehmen und stellen einen elementaren Bestandteil moderner Governance-Strukturen dar. Rechtlich werden Unternehmen insbesondere durch § 130 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz) zur Implementierung angemessener Aufsichts- und Kontrollmechanismen verpflichtet, um Gesetzesverstöße zu verhindern und Haftungsrisiken zu minimieren. Darüber hinaus fordern spezialisierte regulatorische Vorgaben (z. B. MaRisk im Bankensektor, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) spezifische Compliance-Funktionen. Ein wirksames CMS umfasst Risikoanalysen, interne Weisungen, Schulungen, Überwachungs- und Meldewege (z. B. Whistleblowing-Systeme) sowie regelmäßige Evaluierung und Anpassung der Compliance-Maßnahmen. Bei Versäumnissen drohen Unternehmen empfindliche Strafen, Reputationsverlust und Schadensersatzforderungen.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Governance-Strukturen geändert werden?

Die Änderung von Governance-Strukturen, wie z. B. Anpassungen der Unternehmenssatzung, der Geschäftsordnung von Leitungs- oder Kontrollorganen, bedarf strikter Beachtung der gesetzlichen und ggf. satzungsgemäßen Vorgaben. Gesellschaftsrechtlich ist hierfür in den meisten Fällen ein qualifizierter Mehrheitsbeschluss des jeweiligen Organs (z. B. Hauptversammlung gemäß § 179 AktG) notwendig; bei GmbHs sind häufig die Gesellschafter mit Mehrheitsbeschluss nach § 53 GmbHG eingebunden. Änderungen, die sich auf Arbeitnehmerrechte oder Mitbestimmungsstrukturen auswirken, unterliegen zusätzlich den Vorgaben des Mitbestimmungsgesetzes und bedürfen ggf. der Zustimmung des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Darüber hinaus sind neue Governance-Strukturen insbesondere auf ihre Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht (z. B. Kartellrecht, Kapitalmarktrecht) und die Notwendigkeit der Eintragung ins Handelsregister zu prüfen, um ihre Wirksamkeit sicherzustellen.