Legal Lexikon

Girovertrag


Definition und Grundlagen des Girovertrags

Der Girovertrag ist ein zentrales Vertragsverhältnis im deutschen Bankrecht, welches die Grundlage für den bargeldlosen Zahlungsverkehr bildet. Er regelt das Verhältnis und die Rechte sowie Pflichten zwischen Kreditinstitut und Kontoinhaber hinsichtlich der Führung eines Girokontos. Der Girovertrag ermöglicht es Privatpersonen und Unternehmen, Zahlungsvorgänge über ihr Konto bei einer Bank oder Sparkasse durchzuführen, insbesondere Überweisungen, Lastschriften, Daueraufträge sowie Barein- und -auszahlungen.

Gesetzliche Grundlagen des Girovertrags

Allgemeine Rechtsgrundlage

Die rechtliche Grundlage des Girovertrags findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den Vorschriften über den Zahlungsdienstevertrag (§§ 675c ff. BGB). Der Girovertrag stellt in der Regel einen besonderen Zahlungsdienstevertrag dar, der auf die Abwicklung gesetzlich geregelter und banküblicher Zahlungsdienste ausgerichtet ist.

Charakter des Vertrags

Rechtlich gesehen handelt es sich beim Girovertrag um ein gegenseitiges, unregelmäßiges Verwahrungsverhältnis in Verbindung mit einem Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675, 688 ff. BGB). Das Institut verpflichtet sich, eingezahlte Gelder zugunsten des Kontoinhabers zu verwahren und nach Weisung Zahlungen auszuführen. Der Kunde kann im Rahmen des vereinbarten Verfügungsrahmens auf sein Konto zugreifen.

Vertragsschluss und Vertragsparteien

Zustandekommen des Girovertrags

Der Girovertrag kommt durch Antrag (meist bei Kontoeröffnung) und Annahme (durch das Kreditinstitut) zustande. Hierbei sind die gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben, insbesondere zur Identifizierung des Kunden nach dem Geldwäschegesetz (GwG) sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank, zu beachten.

Vertragsparteien und Kontoführung

Vertragsparteien können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein. Das Konto kann als Einzel- oder Gemeinschaftskonto geführt werden. Bei Minderjährigen ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich (§ 107 BGB).

Rechte und Pflichten aus dem Girovertrag

Pflichten des Kreditinstituts

Das Kreditinstitut ist verpflichtet,

  • eingehende Überweisungen sowie Bareinzahlungen dem Konto zu gutschreiben,
  • Zahlungsaufträge (z.B. Überweisungen, Lastschriften) im Rahmen des Kontoguthabens oder eines eingeräumten Kredits auszuführen,
  • den Kontoinhaber über den Stand seiner Geschäfte zu informieren (Kontoauszug, Online-Banking).

Die Bank ist ferner zur ordnungsgemäßen und sicheren Kontoführung verpflichtet und muss die datenschutzrechtlichen Anforderungen und Geheimhaltungsvorschriften beachten.

Pflichten des Kontoinhabers

Der Kontoinhaber verpflichtet sich,

  • das Konto vertragsgemäß zu nutzen,
  • nicht genehmigte Kontoüberziehungen zu unterlassen (außer es besteht eine Dispositionskreditvereinbarung),
  • Mitwirkungspflichten zu erfüllen, etwa die unverzügliche Mitteilung von Änderungen persönlicher Daten oder dem Verdacht auf Missbrauch.

Haftungsfragen

Die Haftung im Girovertragsverhältnis ist durch gesetzliche Regelungen, insbesondere §§ 675u ff. BGB, sowie durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken ausgestaltet. Die Haftung betrifft vor allem die Ausführung von Zahlungsvorgängen und den Umgang mit unbefugten Verfügungen (zum Beispiel durch Verlust von Zahlungskarten oder Zugangsdaten).

Beendigung des Girovertrags

Der Girovertrag ist grundsätzlich ein Dauerschuldverhältnis und kann von beiden Seiten unter Einhaltung etwaiger vertraglicher oder gesetzlicher Fristen gekündigt werden. Die ordentliche Kündigung durch den Kunden ist regelmäßig jederzeit möglich. Kreditinstitute müssen eine angemessene Kündigungsfrist beachten, eine außerordentliche Kündigung ist nur aus wichtigem Grund zulässig (§ 314 BGB).

Mit Beendigung des Girovertrags erfolgt die Abwicklung des Kontos. Guthaben werden ausgezahlt, offene Verbindlichkeiten sind auszugleichen.

Besonderheiten und Abgrenzungen

Unterscheidung zu anderen Vertragsarten

Der Girovertrag ist vom Darlehensvertrag (§ 488 BGB) zu unterscheiden, auch wenn das Girokonto bei Überziehung in ein Kreditverhältnis übergeht. Zudem unterscheidet er sich vom Kontokorrentvertrag nach §§ 355 ff. HGB, wenngleich häufig ein Kontokorrentverhältnis zur automatisierten Verrechnung von wechselseitigen Forderungen geführt wird.

Verbraucherschutzrechtliche Vorschriften

Im Rahmen des Girovertrags gelten zahlreiche Verbraucherschutzbestimmungen, insbesondere im Hinblick auf Transparenzanforderungen, Informationspflichten und den Schutz gegen missbräuchliche Klauseln nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und speziellen Vorschriften für Zahlungsdienste.

Bezug zu Zahlungsdiensten

Der Girovertrag bildet die Grundlage für zahlreiche Zahlungsdienste im Sinne des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) und der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2). Insbesondere die Durchführung von Überweisungen, Lastschriften und Kartenzahlungen unterliegt konkret geregelten Abläufen und Rechten.

Rechtsprechung und Literaturhinweise

Die Auslegung und Anwendung des Girovertrags wird durch zahlreiche Urteile, insbesondere des Bundesgerichtshofs (BGH), präzisiert. Typische Streitpunkte betreffen Überweisungsfristen, Kontoüberziehungen, Gebührenregelungen oder Haftungsfragen bei missbräuchlichen Verfügungen.

In der Literatur wird der Girovertrag regelmäßig in bankrechtlichen Kommentaren und Monografien ausführlich behandelt.

Zusammenfassung

Der Girovertrag ist der grundlegende Bankvertrag zur Führung eines Girokontos. Seine rechtliche Ausgestaltung umfasst Aspekte des Schuld-, Bank- und Zahlungsdienstevertragsrechts und wird ergänzt durch spezialgesetzliche und aufsichtsrechtliche Vorgaben. Er stellt eine zentrale Infrastruktur für den modernen Zahlungs- und Wirtschaftsverkehr dar, regelt Verantwortlichkeiten und schützt die Interessen der Vertragsparteien umfassend.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für die Vertragsparteien aus einem Girovertrag?

Aus einem Girovertrag entstehen sowohl für das Kreditinstitut als auch für den Kunden umfangreiche Rechte und Pflichten, die im Wesentlichen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 675 ff. BGB, und ergänzend in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken geregelt sind. Das Kreditinstitut ist verpflichtet, für den Kunden ein Konto zu führen und nach dessen Weisungen Geldbeträge gutzuschreiben oder abzubuchen, sofern eine entsprechende Kontodeckung oder eine eingeräumte Kreditlinie besteht. Der Kunde wiederum ist verpflichtet, das Konto ordnungsgemäß zu nutzen, das heißt insbesondere nur im Rahmen des vereinbarten Verfügungsrahmens Verfügungen vorzunehmen und bestehende Sollsalden auszugleichen. Zudem obliegt dem Kunden eine Mitwirkungspflicht, etwa hinsichtlich der Prüfung von Kontoauszügen sowie der unverzüglichen Mitteilung von Fehlern, Verlust oder Diebstahl von Kontokarten beziehungsweise Zugangsdaten. Die Bank hat weitergehende Sorgfaltspflichten im Bereich Datenschutz und Bankgeheimnis. Verstöße gegen diese Pflichten können zu Schadensersatzansprüchen führen.

Wie kann ein Girovertrag beendet werden und welche gesetzlichen Kündigungsfristen gelten?

Die Kündigung eines Girovertrages kann grundsätzlich sowohl durch den Kunden als auch durch das Kreditinstitut erfolgen. Für Verbraucher regelt das Gesetz (§ 675h BGB), dass der Kunde den Vertrag grundsätzlich jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen kann, sofern keine anderslautenden vertraglichen Regelungen bestehen. Kreditinstitute können nur unter Einhaltung einer angemessenen, mindestens zwei Monate betragenden Kündigungsfrist kündigen, vorausgesetzt, es handelt sich um ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Vertragsverhältnis und keine schwerwiegenden Gründe liegen vor, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen würden (wie z.B. grobe Vertragsverstöße des Kunden). Besondere Schutzvorschriften gibt es hinsichtlich des sogenannten Basiskontos (§ 36 ZKG), das nicht willkürlich gekündigt werden darf. Die Rückabwicklung nach Kündigung richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere ist ein etwaiges Guthaben auszuzahlen.

Welche gesetzlich vorgeschriebenen Informations- und Dokumentationspflichten hat die Bank gegenüber dem Kunden?

Nach § 675d BGB und der EU-Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) besteht eine umfassende Informationspflicht der Bank. Hierzu zählt die Verpflichtung, den Kunden vor Abschluss des Girovertrages über sämtliche Vertragsbedingungen, Entgelte, Kündigungsregelungen sowie die wesentlichen Rechte und Pflichten zu informieren. Im Verlauf des Vertragsverhältnisses muss die Bank dem Kunden alle Kontobewegungen lückenlos dokumentieren (bspw. Kontoauszüge, elektronische Mitteilungen) und auf Nachfrage eine Übersicht nach § 676 Abs. 1 BGB gewähren. Zudem muss die Bank den Kunden über Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Entgelte in Textform informieren. Erhöhte Anforderungen bestehen bei Zahlungsaufträgen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr; hier sind zusätzliche Informationen über Ausführungsfristen, Entgelte und Wechselkurse zu erteilen.

Welche Haftungsregelungen gelten bei unautorisierten Zahlungsvorgängen?

Im Falle unautorisierter Zahlungsvorgänge (z.B. missbräuchlicher Kontonutzung durch Dritte oder durch Phishing erlangte Daten) sieht § 675u ff. BGB spezifische Haftungsregelungen vor. Grundsätzlich haftet die Bank für den entstandenen Schaden und ist verpflichtet, dem Kunden den belasteten Betrag unverzüglich zurückzuerstatten; ausgenommen sind Fälle, in denen der Kunde grob fahrlässig oder vorsätzlich zur Ermöglichung des Missbrauchs beigetragen hat. Bis zu einem Betrag von 50 Euro haftet im Regelfall der Kunde selbst für Verluste, falls die missbräuchliche Nutzung auf den Verlust, Diebstahl oder die missbräuchliche Verwendung eines Zahlungsinstruments zurückzuführen ist. Diese Haftung entfällt, wenn der Bank der Missbrauch bereits gemeldet wurde oder das Kreditinstitut keine sichere Authentifikation bereitgestellt hat. Eine weitergehende Haftung des Kunden kann nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bestehen.

Welche Regelungen gelten hinsichtlich der Entgelte und deren Änderungen im Girovertrag?

Entgelte für die Führung eines Girokontos oder für die Ausführung von Zahlungen müssen im Girovertrag bzw. in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich vereinbart werden. Änderungen von Entgelten unterliegen strengen Transparenzpflichten gemäß § 675g BGB und der sogenannten „Zustimmungsfiktion“: Die Bank muss Änderungen mindestens zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten dem Kunden mitteilen und dessen Zustimmung einholen oder auf dessen Widerspruchsrecht hinweisen. Ohne rechtzeitigen Widerspruch gelten die Änderungen als genehmigt. Allerdings sind unangemessene oder überraschende Klauseln gemäß § 307 BGB unwirksam. Zusätzlich urteilt der Bundesgerichtshof regelmäßig über die Angemessenheit und Wirksamkeit solcher Entgelte, sodass Vertragsparteien sich auch an der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung orientieren müssen.

Was ist bei Gemeinschaftskonten aus rechtlicher Sicht zu beachten?

Gemeinschaftskonten können als Oder-Konten (jeder Kontoinhaber einzeln verfügungsberechtigt) oder Und-Konten (nur gemeinsame Verfügungen möglich) geführt werden. Rechtlich entstehen aus dem Girovertrag gegenüber der Bank Gesamtschuldnerstellungen, d.h., die Bank kann sich an jeden Kontoinhaber hinsichtlich offener Forderungen wenden. Bei Oder-Konten wird grundsätzlich vermutet, dass jeder Kontoinhaber zur Einzelverfügung berechtigt ist, im Innenverhältnis können jedoch abweichende Vereinbarungen zwischen den Kontoinhabern bestehen. Bei Tod eines Kontoinhabers bleibt der andere regelmäßig verfügungsberechtigt, es sei denn, Erben widersprechen berechtigt. Problematisch können Pfändungen gegen einzelne Kontoinhaber sein, da das gesamte Kontoguthaben gepfändet werden kann und der Beweis der anteiligen Vermögenszuordnung im Zweifel geführt werden muss.

Wie wird die Geschäftsfähigkeit des Kunden im Zusammenhang mit dem Girovertrag rechtlich bewertet?

Ein Girovertrag setzt die Geschäftsfähigkeit des Kunden voraus, wie sie nach deutschem Recht in §§ 104 bis 113 BGB geregelt ist. Minderjährige von sieben bis 17 Jahren können ein Girokonto nur mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter eröffnen, wobei dann meist ein sog. „Taschengeldkonto“ mit eingeschränkten Funktionen eröffnet wird. Eine wirksame Vertretung ist bei Geschäftsunfähigen oder bei Betreuten gemäß § 1902 BGB erforderlich. Bei Verstößen gegen die Anforderungen der Geschäftsfähigkeit ist der Girovertrag zunächst schwebend unwirksam, bis eine Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter vorliegt. Führt ein Nichtberechtigter Verträge ohne Vertretungsmacht, bestehen für das Kreditinstitut Rückabwicklungspflichten und die Möglichkeit, den Vertrag anzufechten.