Begriff und rechtliche Einordnung des Girovertrags
Der Girovertrag ist die rechtliche Grundlage für die Führung eines Girokontos. Er regelt die laufende Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zwischen einem Kreditinstitut und einer kontoführenden Person oder Organisation. Inhaltlich verbindet der Girovertrag Elemente eines Kontoführungsverhältnisses mit der Bereitstellung von Zahlungsdiensten, wie Überweisungen, Lastschriften, Kartenzahlungen und Bargeldverfügungen.
Definition und Zweck
Zweck des Girovertrags ist die sichere, geordnete und fortlaufende Ausführung von Zahlungen. Das Kreditinstitut stellt ein Konto bereit, verbucht Zahlungsvorgänge, ermöglicht Ein- und Auszahlungen sowie den Zugang zu Zahlungsinstrumenten. Die kontoführende Seite nutzt diese Infrastruktur zur Teilnahme am Zahlungsverkehr.
Abgrenzung zu anderen Bankverträgen
Der Girovertrag unterscheidet sich von Spar- und Anlageverträgen, deren Schwerpunkt auf Vermögensbildung liegt, und von Darlehensverträgen, die die Überlassung von Geld auf Zeit betreffen. Er ist regelmäßig als Rahmenvereinbarung für wiederkehrende Zahlungsdienste ausgestaltet und beinhaltet Geschäftsbedingungen, Entgeltregelungen sowie Leistungsbeschreibungen.
Vertragsparteien und Zustandekommen
Parteien
Vertragsparteien sind das Kreditinstitut und die kontoführende Person oder Organisation (z. B. Verbraucher, Unternehmen, Vereine, Körperschaften). Bei mehreren Kontoinhaberinnen oder Kontoinhabern besteht das Vertragsverhältnis gemeinschaftlich.
Vertragsschluss
Der Vertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande. Dem gehen Identifizierungs- und Prüfprozesse voraus, etwa zur Feststellung der Identität und der wirtschaftlich Berechtigten. Der Vertrag umfasst regelmäßig Hauptbedingungen (z. B. Kontoführung, Zahlungsdienste), Entgeltinformationen und ergänzende Geschäftsbedingungen.
Vertretung und Vollmachten
Vollmachten (z. B. Kontovollmachten, Zeichnungsberechtigungen) erlauben die Nutzung des Kontos durch Dritte. Umfang und Widerruf richten sich nach der erteilten Legitimation und den vereinbarten Bedingungen. Bei Unternehmen erfolgt die Vertretung nach den jeweiligen Organisations- und Registerverhältnissen.
Vertragsinhalt und Leistungen
Kontoeröffnung und Kontoführung
Das Kreditinstitut richtet ein Konto ein, verbucht Zahlungsvorgänge und stellt Informationen (z. B. Kontoauszüge, Umsatzübersichten) bereit. Die Kontoführung bildet die Grundlage für die Nutzung der Zahlungsdienste und die Verwahrung von Guthaben.
Zahlungsinstrumente und Dienste
Zum Leistungsumfang gehören insbesondere:
- Überweisungen (national, grenzüberschreitend, Echtzeitvarianten sofern angeboten)
- Lastschriften (z. B. wiederkehrende Zahlungen auf Basis von Mandaten)
- Kartenzahlungen und Bargeldverfügungen
- Online- und Mobile-Banking-Zugänge
Die Nutzung dieser Instrumente setzt technische und organisatorische Voraussetzungen voraus, die in den Bedingungen des Kreditinstituts beschrieben sind.
Kontenarten
Girokonten bestehen in verschiedenen Ausprägungen, etwa Privatkonten, Geschäftskonten, Gemeinschaftskonten sowie Basiskonten mit grundlegenden Zahlungsfunktionen. Unterschiede betreffen Leistungsumfang, Verfügbarkeit einzelner Dienste und Entgeltmodelle.
Entgelte, Zinsen und Limite
Der Girovertrag enthält Regelungen zu Kontoführungsentgelten, Leistungsentgelten und etwaigen Soll- bzw. Habenzinsen. Limite für Karten, Überweisungen oder Überziehungen werden gesondert festgelegt. Änderungen erfolgen nach den vertraglich vereinbarten Mechanismen.
Rechte und Pflichten der Parteien
Pflichten des Kreditinstituts
Das Kreditinstitut schuldet die ordnungsgemäße Kontoführung, die Ausführung autorisierter Zahlungsaufträge im vereinbarten Rahmen sowie die Information über Kontostand und Umsätze. Es hat Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor Missbrauch und zur Verfügbarkeit der Dienste zu unterhalten.
Pflichten der kontoführenden Person
Die kontoführende Person sorgt für ausreichende Deckung zur Ausführung von Zahlungen, nutzt die zur Verfügung gestellten Zahlungsinstrumente sorgfältig und wahrt Zugangsdaten vor unbefugter Kenntnisnahme. Veränderungen relevanter Angaben (z. B. Anschrift, Vertretungsverhältnisse) sind dem Kreditinstitut mitzuteilen, soweit dies für die Vertragsdurchführung erforderlich ist.
Haftung und Risikoverteilung
Unautorisierte Zahlungen
Zahlungen ohne Zustimmung der kontoführenden Person sind unautorisiert. Grundsätzlich trifft die Verantwortung für nicht autorisierte Vorgänge das Kreditinstitut, sofern keine Umstände vorliegen, die eine Haftungszuordnung zur kontoführenden Person rechtfertigen (z. B. bei grob pflichtwidriger Handhabung von Sicherheitsmerkmalen). Verbleibende Selbstbeteiligungen können vertraglich festgelegt sein.
Fehlerhafte Ausführung
Bei fehlerhafter oder verspäteter Ausführung autorisierter Zahlungen kommen Berichtigungs- und Erstattungsansprüche in Betracht. Maßgeblich ist, ob der Auftrag korrekt erteilt wurde und ob das Kreditinstitut die vereinbarten Anforderungen eingehalten hat.
Überziehungen und Zahlungsverzug
Werden Zahlungen ohne ausreichende Deckung ausgeführt oder Limite überschritten, entstehen Überziehungen. Daraus können Zinsansprüche und Entgelte folgen. Die Bedingungen regeln, ob und in welchem Umfang Überziehungen zugelassen sind.
Vertragsdauer, Änderungen und Beendigung
Laufzeit und ordentliche Kündigung
Der Girovertrag wird in der Regel unbefristet geschlossen. Beide Seiten können ihn unter Beachtung vertraglich vereinbarter Fristen beenden. Nach Vertragsende werden Guthaben ausgekehrt und offene Vorgänge abgewickelt.
Außerordentliche Kündigung und Sperrung
Bei schwerwiegenden Gründen kann eine außerordentliche Beendigung in Betracht kommen. Ebenso ist eine Sperrung einzelner Zahlungsinstrumente oder des Zugangs möglich, etwa bei Verdacht auf Missbrauch, bei Sicherheitsrisiken oder bei gravierenden Vertragsverstößen. Hierüber ist die kontoführende Person grundsätzlich zu informieren, soweit dem keine schutzwürdigen Gründe entgegenstehen.
Änderungen von Bedingungen und Entgelten
Änderungen erfolgen nach dem vereinbarten Verfahren, das insbesondere Form, Fristen und Informationswege regelt. Fehlt es an einer wirksamen Änderungsgrundlage, bleiben die bisherigen Regelungen maßgeblich.
Besondere Konstellationen
Gemeinschaftskonto
Bei Oder-Konten kann jede berechtigte Person alleine verfügen. Bei Und-Konten sind gemeinsame Verfügungen vorgesehen. Haftungsfragen und Verfügungsbefugnisse richten sich nach der getroffenen Kontenabrede.
Minderjährige
Die Kontoeröffnung und Nutzung durch Minderjährige erfordert besondere Beachtung der Vertretungsregeln. Umfang und Verfügbarkeit von Leistungen können eingeschränkt sein.
Nachlass und Todesfall
Im Todesfall gehen Rechte und Pflichten aus dem Girovertrag auf die Erbfolge über. Verfügungsbefugnisse und der Zugang zum Konto richten sich nach Nachweis und Legitimation der Berechtigten.
Datenschutz und Kommunikation
Datenverarbeitung
Im Rahmen des Girovertrags werden personenbezogene Daten für Kontoführung, Zahlungsabwicklung, Sicherheit und gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen verarbeitet. Informationen zum Umgang mit Daten stellt das Kreditinstitut in gesonderten Hinweisen bereit.
Informationen und Mitteilungen
Informationen werden über vereinbarte Kommunikationswege bereitgestellt, etwa elektronische Postfächer, Kontoauszüge oder schriftliche Mitteilungen. Fristen und Formerfordernisse sind in den Bedingungen geregelt.
Internationaler Zahlungsverkehr und SEPA
SEPA-Zahlungen
Innerhalb des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums gelten harmonisierte Regeln für Überweisungen und Lastschriften. Diese betreffen Formate, Ausführungsfristen und Erstattungsmöglichkeiten.
Zahlungen in Drittstaaten
Bei Zahlungen außerhalb des harmonisierten Zahlungsraums können abweichende Laufzeiten, Entgelte und Haftungsregeln gelten. Der Girovertrag und ergänzende Informationen bestimmen die hierfür maßgeblichen Bedingungen.
Verbraucherschutz und Streitbeilegung
Information, Transparenz und Beschwerdemöglichkeiten
Der Girovertrag enthält wesentliche Informationen zu Leistungen, Entgelten und Rechten. Für Meinungsverschiedenheiten bestehen innerbetriebliche Beschwerdewege und außergerichtliche Schlichtungsmöglichkeiten. Davon unberührt bleibt der Zugang zu staatlichen Gerichten.
Häufig gestellte Fragen
Was ist ein Girovertrag?
Ein Girovertrag ist die rechtliche Vereinbarung, auf deren Basis ein Girokonto geführt und Zahlungsdienste bereitgestellt werden. Er legt Leistungen, Entgelte, Rechte und Pflichten beider Seiten fest und ermöglicht die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr.
Wie kommt ein Girovertrag zustande?
Der Vertrag entsteht durch Angebot und Annahme zwischen Kreditinstitut und kontoführender Person. Üblich sind vorherige Identifizierungs- und Prüfprozesse. Bestandteil sind Hauptbedingungen, Entgeltinformationen und ergänzende Regelungen, die zusammen die Kontoführung und Zahlungsdienste strukturieren.
Welche Pflichten treffen die Parteien?
Das Kreditinstitut führt das Konto ordnungsgemäß, verarbeitet autorisierte Zahlungsaufträge und informiert über Kontostand und Umsätze. Die kontoführende Person stellt die erforderliche Deckung bereit, geht mit Zahlungsinstrumenten und Zugangsdaten sorgfältig um und wahrt vereinbarte Mitteilungspflichten.
Wer haftet bei unautorisierten Zahlungen?
Grundsätzlich haftet das Kreditinstitut für Zahlungen ohne Zustimmung der kontoführenden Person. Eine Zurechnung kann jedoch erfolgen, wenn Sicherheitsmerkmale grob pflichtwidrig behandelt wurden. Vertragsbedingungen können eine begrenzte Selbstbeteiligung vorsehen.
Wie werden fehlerhafte Ausführungen behandelt?
Bei fehlerhafter oder verspäteter Ausführung autorisierter Aufträge bestehen Berichtigungs- und Erstattungsmöglichkeiten. Maßgeblich sind die vereinbarten Anforderungen an die Auftragserteilung und die Einhaltung der vertraglichen Ausführungsregeln.
Wie kann ein Girovertrag beendet werden?
Der Vertrag ist in der Regel unbefristet und kann von beiden Seiten unter Einhaltung vereinbarter Fristen beendet werden. Bei wichtigen Gründen kommen außerordentliche Beendigungen in Betracht. Nach Vertragsende werden Guthaben ausgekehrt und offene Vorgänge abgeschlossen.
Was unterscheidet Oder- und Und-Gemeinschaftskonten?
Beim Oder-Konto kann jede berechtigte Person alleine verfügen. Beim Und-Konto sind gemeinsame Verfügungen vorgesehen. Haftung und Verantwortlichkeiten richten sich nach der vereinbarten Kontenstruktur.
Wann dürfen Zahlungsinstrumente oder Konten gesperrt werden?
Eine Sperre kann insbesondere bei Sicherheitsrisiken, Verdacht auf Missbrauch oder gravierenden Vertragsverstößen erfolgen. Die kontoführende Person wird darüber grundsätzlich informiert, sofern keine schutzwürdigen Gründe entgegenstehen.