Girokarte: Begriff, Einordnung und rechtliche Grundlagen
Als „Girokarte“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch die in Deutschland weit verbreitete Debitkarte bezeichnet, mit der Zahlungen an Kassen und Bargeldabhebungen am Geldautomaten direkt vom verknüpften Girokonto abgebucht werden. Technisch und organisatorisch ist die Girokarte in das nationale Kartensystem „girocard“ eingebunden, das von der Deutschen Kreditwirtschaft getragen und von Netzbetreibern sowie Zahlungsdienstleistern umgesetzt wird. Der Begriff „EC-Karte“ ist historisch und wird umgangssprachlich weiterhin verwendet, hat jedoch keine eigenständige rechtliche Bedeutung. In Verträgen wird meist von „Debitkarte“, „Zahlungskarte“ oder „girocard“ gesprochen.
Rechtlich handelt es sich bei der Girokarte um ein Zahlungsinstrument, das der Karteninhaber aufgrund eines Kontovertrags und ergänzender Kartenbedingungen von seinem kontoführenden Institut erhält. Die Karte dient der Autorisierung von Zahlungsvorgängen und Bargeldverfügungen; zur Ausführung werden kartenspezifische Sicherheitsmerkmale wie PIN, Chip und kontaktlose Technologien (NFC) genutzt.
Beteiligte und Rechtsbeziehungen
Karteninhaber und ausgebendes Institut
Zwischen Karteninhaber und ausgebendem Institut bestehen vertragliche Regelungen über Ausgabe, Nutzung, Sicherheit, Entgelte, Haftung und Sperrung der Karte. Diese Bestimmungen konkretisieren die Rechte und Pflichten beider Seiten und beziehen sich auf das verknüpfte Girokonto sowie auf die Nutzung der Karte an Kassen, Automaten und gegebenenfalls online.
Händler und Zahlungsdienstleister
Händler schließen für die Akzeptanz von Girokarten Verträge mit Netzbetreibern und sogenannten Acquirern. Diese nehmen Autorisierungen entgegen, übermitteln Transaktionen, rechnen Entgelte ab und zahlen dem Händler die Umsätze aus. Händler unterliegen Informationspflichten gegenüber Kunden, beispielsweise zur Akzeptanz bestimmter Karten, zu Preisen und zu etwaigen Zuschlägen, soweit solche rechtlich zulässig sind.
Schemen und Netzbetreiber
Die Abwicklung erfolgt nach Regelwerken des girocard-Systems sowie nach technischen und betrieblichen Spezifikationen der Netzbetreiber. Bei Karten mit zusätzlicher internationaler Marke (Co-Badging, z. B. Debit Mastercard oder Visa Debit) gelten ergänzend die Regelwerke der internationalen Kartensysteme, insbesondere bei Zahlungen im Ausland oder online.
Funktionsweise und Einsatzbereiche
Kartenzahlung am POS
Im stationären Handel erfolgt die Autorisierung regelmäßig per PIN-Eingabe oder kontaktlos. Je nach Terminalkonfiguration sind auch Unterschriftsverfahren möglich, die allerdings an Bedeutung verlieren. Bei kontaktlosen Zahlungen wird ab bestimmten Betrags- oder Nutzungsschwellen die Eingabe der PIN verlangt. Transaktionen werden in der Regel online autorisiert; es existieren jedoch Verfahren mit eingeschränkter Offline-Funktionalität, die besondere Risikoregeln haben.
Bargeldversorgung am Geldautomaten
Die Girokarte ermöglicht Bargeldabhebungen an institutseigenen und fremden Automaten. Entgelte können anfallen, insbesondere bei Fremdautomaten. Der Betreiber des Geldautomaten und das ausgebende Institut sind zu klarer Entgeltanzeige verpflichtet.
Nutzung im Ausland und online
Die inländische Nutzung stützt sich auf das girocard-System. Für Auslandseinsätze ist regelmäßig eine zusätzliche internationale Marke auf der Karte erforderlich (Co-Badging). Klassische Marken wie Maestro oder V PAY werden schrittweise durch Debit Mastercard bzw. Visa Debit ersetzt. Online-Zahlungen sind mit der reinen girocard nur eingeschränkt möglich; hierfür stehen je nach Institut ergänzende Verfahren oder die internationale Co-Badge zur Verfügung.
Rechte und Pflichten rund um die Girokarte
Informations- und Transparenzpflichten
Ausgebende Institute müssen vor Vertragsabschluss und während der Vertragslaufzeit verständliche Informationen zu Entgelten, Funktionsumfang, Sicherheitsmerkmalen, Zustellwegen, Laufzeit und Kündigungsbedingungen bereitstellen. Nach jeder Kartenzahlung oder Bargeldabhebung sind Kontoauszüge oder elektronische Anzeigen mit den wesentlichen Transaktionsdaten verfügbar zu machen.
Sorgfalts- und Geheimhaltungspflichten
Zu den typischen Pflichten des Karteninhabers zählen die sichere Aufbewahrung der Karte, der Schutz des Zahlungsinstruments vor unbefugter Nutzung sowie die Geheimhaltung der PIN. Die Weitergabe der Karte oder der PIN an Dritte ist regelmäßig ausgeschlossen. Verstöße können sich auf die Haftungsverteilung auswirken.
Authentifizierung und Freigabe
Die Freigabe von Kartenzahlungen erfolgt durch personalisierte Sicherheitsmerkmale, insbesondere PIN. Kontaktlose Kleinbeträge können ohne unmittelbare PIN-Eingabe erfolgen; in festgelegten Intervallen ist dennoch eine PIN-Authentifizierung erforderlich. Für Online-Verfahren gelten zusätzliche Anforderungen an eine starke Kundenauthentifizierung.
Haftung und Risikoallokation
Nicht autorisierte Zahlungen
Für nicht autorisierte Kartenzahlungen trägt grundsätzlich das ausgebende Institut das Risiko. Der Karteninhaber kann auf einen begrenzten Eigenanteil in Anspruch genommen werden, solange der Verlust noch nicht gemeldet und die Karte nicht gesperrt wurde. Bei grob pflichtwidrigem Verhalten entfällt die Haftungsbegrenzung. Die Beweislast für eine autorisierte Nutzung oder für grobe Pflichtverletzungen ist verteilt; das Institut hat nachzuweisen, dass die Transaktion ordnungsgemäß aufgezeichnet und technisch korrekt abgewickelt wurde.
Verlust, Diebstahl, Sperre
Im Fall von Verlust oder Diebstahl besteht ein Anspruch auf Sperrung. Institute halten hierfür etablierte Sperrwege bereit, inklusive einer zentralen Sperrinfrastruktur. Nach Sperrung haftet das Institut für weitere missbräuchliche Verfügungen. Ersatzkarten werden nach Maßgabe der vertraglichen Regelungen ausgegeben; hierfür können angemessene Entgelte anfallen.
Technische Störungen und Fehlbuchungen
Bei Doppelabbuchungen, Falschbelastungen oder sonstigen Fehlbuchungen bestehen Korrektur- und Erstattungsansprüche nach den vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben. Für Händler und deren Dienstleister gelten Regelungen zum Transaktionsnachweis und zur ordnungsgemäßen Abrechnung.
Offline- und kontaktlose Zahlungen
Bei Transaktionen ohne unmittelbare Online-Autorisierung sind besondere Risikoregelungen zu beachten. Kontaktlose Kleinbetragszahlungen gelten nicht bereits deshalb als autorisiert, weil keine PIN eingegeben wurde; maßgeblich ist die wirksame Einwilligung des Karteninhabers in den konkreten Zahlungsvorgang.
Entgelte und Kostenstruktur
Kartenentgelte und Kontoführung
Institute können für die Bereitstellung der Karte laufende oder einmalige Entgelte verlangen. Diese müssen transparent ausgewiesen und vertraglich vereinbart sein. Entgeltanpassungen unterliegen Offenlegungs- und Zustimmungsvoraussetzungen.
Händlerentgelte und Interbankenentgelte
Händler zahlen für die Kartakzeptanz vertraglich vereinbarte Entgelte an ihre Zahlungsdienstleister. Interbankenentgelte und Systementgelte sind reguliert oder vertraglich festgelegt; sie wirken sich mittelbar auf Akzeptanzkosten und Preise aus.
Bargeldabhebungen und Fremdentgelte
Bei Abhebungen an institutsfremden Automaten können Betreiberentgelte anfallen. Diese sind vor Ausführung anzuzeigen. Zusätzlich können institutsspezifische Entgelte gelten, die im Preis- und Leistungsverzeichnis ausgewiesen sein müssen.
Währungsumrechnung und DCC
Bei Verfügungen in Fremdwährung sind Umrechnungskurse und etwaige Aufschläge transparent darzustellen. Wenn der Automaten- oder Kassenbetreiber eine Sofortumrechnung in die Heimatwährung anbietet (sogenannte DCC), gelten besondere Informationspflichten zur Kostendarstellung.
Datenschutz und Datensicherheit
Verarbeitete Daten
Bei Kartennutzung werden insbesondere Kartenkennungen, Terminal- und Händlerdaten, Beträge, Datum und Uhrzeit sowie technische Prüfmerkmale verarbeitet. Bei kontaktlosen und digitalen Karten (Wallets) kommen tokenisierte Identifikatoren hinzu.
Verantwortlichkeiten
Ausgebende Institute, Acquirer, Netzbetreiber und Kartensysteme sind jeweils eigenständige oder gemeinsame Verantwortliche für bestimmte Verarbeitungsabschnitte. Sie müssen für angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten sorgen und über Zwecke, Rechtsgrundlagen und Speicherdauer informieren.
Aufbewahrung und Einsichtsrechte
Transaktionsdaten werden für Abrechnung, Nachweis und gesetzliche Aufbewahrungspflichten gespeichert. Karteninhaber haben Anspruch auf Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten sowie auf Berichtigung unrichtiger Angaben. Löschungen erfolgen nach Ablauf der gesetzlichen Fristen und vertraglichen Erfordernisse.
Vertragslaufzeit, Kündigung und Sperrung
Ausgabe, Laufzeit und Erneuerung
Karten werden befristet ausgegeben und vor Ablauf regelmäßig ersetzt. Die Bedingungen zur Erneuerung, zum Versandweg und zu möglichen Entgelten sind vertraglich festgelegt.
Ordentliche und außerordentliche Kündigung
Der Kartenvertrag kann ordentlich gemäß den vereinbarten Fristen beendet werden. Eine außerordentliche Beendigung kommt in Betracht, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, zum Beispiel erhebliche Vertragsverstöße oder ein missbrauchsrelevanter Sachverhalt.
Gründe für Sperren
Sperren sind zulässig bei Sicherheitsrisiken, Verlust oder Diebstahl, Verdacht einer unbefugten Nutzung oder erheblichen Vertragsverstößen. Über eine Sperre ist zu informieren; die Gründe sind, soweit zulässig, mitzuteilen. Nach Wegfall des Sperrgrundes ist die Karte zu entsperren oder zu ersetzen.
Abgrenzung zu anderen Kartenarten
Debitkarte vs. Kreditkarte
Bei der Debitkarte (Girokarte) wird der Betrag zeitnah vom Girokonto abgebucht. Kreditkarten bündeln Umsätze und belasten das Konto in Intervallen. Rechtsfolgen, Haftungsregeln und Chargeback-Verfahren unterscheiden sich teilweise aufgrund unterschiedlicher System- und Vertragsstrukturen.
Debitkarte vs. Prepaid-Karte
Prepaid-Karten werden im Voraus aufgeladen und nicht direkt mit einem Girokonto verknüpft. Sie unterliegen eigenen Bedingungen zu Aufladung, Rückzahlung und Verfall. Die Girokarte greift auf das laufende Konto zu und folgt dessen Kontoregelungen.
Entwicklungstendenzen
Co-Badging und internationale Akzeptanz
Die schrittweise Ablösung älterer internationaler Marken führt zu Karten mit neuen Co-Badges (etwa Debit Mastercard oder Visa Debit). Dadurch ändern sich Annahmenetze, Entgeltlogiken und Regeln für Auslandsnutzung.
Digitale Karten und Wallets
Girokarten können in mobilen Wallets und auf Wearables hinterlegt werden. Dabei kommen tokenisierte Kartennummern und zusätzliche Sicherheitsmechanismen zum Einsatz. Die vertraglichen Rechte und Pflichten entsprechen grundsätzlich denen der physischen Karte, ergänzt um spezifische Bestimmungen für digitale Endgeräte.
E-Commerce-Anbindung
Die Anbindung der girocard an den Online-Handel wird ausgebaut. Parallel ermöglicht das Co-Badging die Nutzung internationaler E-Commerce-Infrastrukturen. Für Online-Zahlungen gelten erhöhte Anforderungen an Authentifizierung und Informationspflichten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Girokarte
Besteht eine Pflicht für Händler, die Girokarte zu akzeptieren?
Eine allgemeine Pflicht zur Akzeptanz besteht nicht. Händler entscheiden im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit, ob und welche Karten sie annehmen. Branchen- oder behördliche Vorgaben können im Einzelfall abweichende Regelungen vorsehen. Die Akzeptanzpolitik ist für Verbraucher klar erkennbar zu machen.
Wer haftet bei missbräuchlichen kontaktlosen Zahlungen vor der Sperre?
Für nicht autorisierte Zahlungen trägt grundsätzlich das ausgebende Institut das Risiko. Der Karteninhaber kann bis zur Sperrmeldung mit einem begrenzten Eigenanteil belastet werden. Bei grober Pflichtverletzung entfällt die Begrenzung. Nach wirksamer Sperre liegt das Risiko weiterer missbräuchlicher Verfügungen beim Institut.
Darf ein Händler Zuschläge für Zahlungen mit der Girokarte erheben?
Zuschläge sind rechtlich nur in engen Grenzen zulässig. Für viele kartengebundene Verbraucherzahlungen bestehen Einschränkungen oder Verbote. Ob und in welchem Umfang ein Zuschlag erhoben werden darf, hängt von Kartentyp, Verfahren und anwendbarem Recht ab; eine klare Vorabinformation ist erforderlich.
Welche Fristen gelten für die Beanstandung unautorisierter Kartenzahlungen?
Es gelten gesetzliche und vertragliche Fristen. Unautorisierte oder fehlerhafte Buchungen sind nach Kenntniserlangung innerhalb eines vorgesehenen Zeitrahmens zu beanstanden. Zusätzlich existieren längere Höchstfristen. Maßgeblich sind die vereinbarten Bedingungen und die gesetzlichen Vorgaben zu Reklamations- und Erstattungsverfahren.
Kann das Institut die Girokarte bei Betrugsverdacht sperren?
Ja. Bei objektiv begründetem Sicherheitsrisiko, Verdacht unbefugter Nutzung, Verlust oder Diebstahl ist eine Sperre zulässig. Über die Sperre und die wesentlichen Gründe ist zu informieren, soweit dies den Sicherheitszweck nicht gefährdet. Nach Wegfall der Gründe ist die Sperre aufzuheben oder die Karte zu ersetzen.
Ist die Nutzung der Girokarte im Ausland rechtlich abgedeckt?
Die Auslandnutzung ist über das auf der Karte vorhandene internationale Co-Badge geregelt. Entgelte, Umrechnungskurse und mögliche Beschränkungen sind transparent darzustellen. Für grenzüberschreitende Zahlungen in Euro gelten besondere Transparenz- und Gleichbehandlungsvorgaben; bankfremde Automatenentgelte können hinzukommen.
Welche Daten fallen bei einer Girokartenzahlung an und wer ist verantwortlich?
Es werden Karten- und Transaktionsdaten sowie technische Prüfmerkmale verarbeitet. Verantwortlich sind das ausgebende Institut, der Acquirer, der Netzbetreiber und das Kartensystem für ihre jeweiligen Verarbeitungsschritte. Karteninhaber haben Auskunfts- und Berichtigungsrechte; Speicherdauern richten sich nach Abrechnungs-, Nachweis- und Aufbewahrungspflichten.