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Gewinnerzielungsabsicht


Begriff und rechtliche Einordnung der Gewinnerzielungsabsicht

Die Gewinnerzielungsabsicht ist ein zentraler Begriff im deutschen Steuerrecht sowie im Zivilrecht und bezeichnet das objektive und subjektive Streben eines Unternehmers oder einer Person danach, aus einer Tätigkeit auf Dauer einen wirtschaftlichen Überschuss, also einen Gewinn, zu erwirtschaften. Sie ist maßgeblich für die Abgrenzung von Einkünften aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit oder aus sonstigen Tätigkeiten und beeinflusst entscheidend, ob eine bestimmte Betätigung steuerlich als Einkunftsquelle gilt.

Bedeutung im Steuerrecht

Abgrenzung zu Liebhaberei

Im Einkommensteuerrecht ist die Gewinnerzielungsabsicht insbesondere bei der Beurteilung bedeutsam, ob eine Tätigkeit auf Dauer Einnahmenüberschüsse erwirtschaften soll oder ob eine sogenannte Liebhaberei vorliegt. Bei Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht erkennt die Finanzverwaltung Verluste aus der betreffenden Tätigkeit nicht steuerlich an. Die entsprechende rechtliche Grundlage hierfür ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) und der höchstrichterlichen Rechtsprechung, beispielsweise durch den Bundesfinanzhof (BFH).

Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht

Die Finanzämter prüfen im Rahmen der steuerlichen Veranlagung, ob bei einer wirtschaftlichen Betätigung die Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Zu berücksichtigen ist hierbei stets eine Gesamtprognose. Maßgeblich sind sowohl objektive Umstände – wie Anzeichen für nachhaltige Verluste, betriebswirtschaftliche Konzeption und Marktchancen – als auch subjektive Gesichtspunkte – etwa die entsprechende innere Ausrichtung des Steuerpflichtigen, tatsächlich Gewinne erzielen zu wollen.

Die rechtlichen Leitlinien der Finanzgerichtsbarkeit verlangen, dass steuerlich relevante Tätigkeiten eine auf Dauer angelegte Gewinnerzielungsabsicht aufweisen müssen. Andernfalls werden insbesondere wiederkehrende Verluste den Steuerpflichtigen zumutbar als Privatvergnügen (Liebhaberei) angesehen, welche keine steuermindernde Anerkennung finden.

Gewinnerzielungsabsicht in verschiedenen Einkunftsarten

Gewerbebetrieb (§ 15 EStG)

Eine gewerbliche Tätigkeit i. S. v. § 15 Abs. 2 EStG setzt die Gewinnerzielungsabsicht als eines der fünf Tatbestandsmerkmale voraus (selbständige, nachhaltige Betätigung, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, Gewinnerzielungsabsicht, keine Land- und Forstwirtschaft, keine selbständige Arbeit). Das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht führt zur steuerlichen Nichtanerkennung der Tätigkeit als Gewerbebetrieb.

Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG)

Im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit ist die Absicht, Gewinne zu erzielen, ebenfalls zwingende Voraussetzung für die Zuordnung der Einkunftsart. Ohne eine auf Dauer angelegte Gewinnerzielungsabsicht werden diese Tätigkeiten nicht als steuerlich relevante Einkommensquelle gewertet.

Sonstige betriebliche Einkünfte

Auch im Bereich sonstiger Einkunftsarten, beispielsweise aus Vermietung und Verpachtung, muss für die steuerliche Relevanz die Absicht bestehen, einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erwirtschaften.

Beweislast und Darlegungspflichten

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht liegt grundsätzlich beim Steuerpflichtigen. Dieser hat im Besteuerungsverfahren nachvollziehbar darzulegen, dass seine Tätigkeit objektiv geeignet ist, einen Gewinn zu erzielen, und dass er subjektiv tatsächlich diese Absicht hatte. Die Finanzverwaltung ist verpflichtet, alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und insbesondere die Gründe für etwaige Verluste und deren Dauer zu würdigen.

Indizien für und gegen die Gewinnerzielungsabsicht

Für die Gewinnerzielungsabsicht sprechen:

  • Erstellung plausibler und realisierungsfähiger Geschäftspläne
  • Nachweisbare Marktanalysen
  • Nachhaltige Bemühungen, die Ertragslage zu verbessern
  • Investitionen, angemessenes unternehmerisches Risiko

Gegen die Gewinnerzielungsabsicht sprechen:

  • Über Jahre hinweg ausnahmslos rote Zahlen
  • Fehlende oder unzureichende betriebswirtschaftliche Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage
  • Offensichtliche Hobbyausübung oder persönliche Neigungsbetätigung

Gewinnerzielungsabsicht im Zivilrecht

Auch außerhalb des Steuerrechts findet die Gewinnerzielungsabsicht Beachtung. Im Handelsrecht ist sie Voraussetzung für die Kaufmannseigenschaft (§ 1 Abs. 2 HGB). Darüber hinaus ist sie für zahlreiche zivilrechtliche Fragestellungen, etwa bei der Einstufung von Gesellschaften oder für die Anwendung bestimmter Vorschriften im bürgerlichen Recht, von Bedeutung.

Abgrenzung zu anderen Absichten

Die Gewinnerzielungsabsicht grenzt sich insbesondere von der Überschusserzielungsabsicht ab, welche im Bereich der Überschusseinkünfte (z. B. Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen) genügt. Während erstere auf einen steuerlich relevanten Totalgewinn abstellt, verlangt die Überschusserzielungsabsicht lediglich einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben.

Folgen des Fehlens der Gewinnerzielungsabsicht

Das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht führt dazu, dass die entsprechende Tätigkeit steuerrechtlich als private Liebhaberei eingeordnet und aus diesem Grund betreiberseitig erwirtschaftete Verluste steuerlich nicht anerkannt werden. Gewinne hingegen sind in der Regel dennoch zu versteuern, sofern sie entstehen.

Rechtsgrundlagen und relevante Rechtsprechung

Die Gewinnerzielungsabsicht ist vor allem geregelt in §§ 2, 15, 18 EStG sowie in § 1 Abs. 2 HGB und wird durch zahlreiche Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) konkretisiert. Beispielhaft sind insbesondere die folgenden Entscheidungen von Bedeutung:

  • BFH, Urteil vom 17.12.2009, IV R 28/08 („Liebhaberei bei langfristigen Verlusten“)
  • BFH, Urteil vom 22.2.1996, IV R 50/94 („Abgrenzung Liebhaberei – Gewinnerzielungsabsicht“)

Ebenfalls nehmen Verwaltungsanweisungen der Finanzbehörden, insbesondere die Einkommensteuer-Richtlinien (EStR), zu typischen Fallgestaltungen und der Erforderlichkeit der Gewinnerzielungsabsicht Stellung.

Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Renz/Wagner: Einkommensteuerrecht, 5. Aufl., Heidelberg 2021
  • Herrmann/Heuer/Raupach: EStG, Kommentar, §§ 2, 15, 18
  • BFH, Rechtsprechungsdatenbank

Zusammenfassung:
Die Gewinnerzielungsabsicht ist ein maßgeblicher Begriff im deutschen Recht, insbesondere für das Steuer- und Handelsrecht. Sie dient als Kriterium für die Abgrenzung von steuerlich relevanten Tätigkeiten gegenüber privaten Motiven (Liebhaberei) und ist prägend für die steuerliche Behandlung von Einkünften aus wirtschaftlicher Betätigung. Die genaue Prüfung und Dokumentation dieser Absicht sind essenziell, um steuerliche Nachteile zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielt die Gewinnerzielungsabsicht bei der Abgrenzung zwischen Liebhaberei und unternehmerischer Tätigkeit?

Die Gewinnerzielungsabsicht ist eines der maßgeblichen Abgrenzungskriterien zwischen steuerlich relevanter unternehmerischer Tätigkeit und der sogenannten Liebhaberei. Aus rechtlicher Sicht prüft insbesondere die Finanzverwaltung, ob der Steuerpflichtige mit seiner Tätigkeit langfristig einen Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben – also einen Gewinn – anstrebt. Fehlt diese Zielrichtung oder ist sie objektiv nicht erkennbar (zum Beispiel weil dauerhaft Verluste erzielt werden, die nicht durch Anlauf- oder vorübergehende Strukturprobleme erklärbar sind), spricht dies für Liebhaberei. In diesem Fall wird die Tätigkeit steuerlich nicht als gewerblich oder selbstständig anerkannt, und die Verluste sind steuerlich nicht abziehbar. Die rechtlichen Folgen betreffen die Ertragssteuern (insbesondere Einkommensteuer) sowie gegebenenfalls die Umsatzsteuer, wobei für letztere unter bestimmten Voraussetzungen dennoch Unternehmereigenschaft vorliegen kann.

Welche Maßnahmen und Nachweise verlangt die Rechtsprechung zur Feststellung einer tatsächlichen Gewinnerzielungsabsicht?

Die Rechtsprechung – insbesondere die Finanzgerichte sowie der Bundesfinanzhof (BFH) – fordern zur Feststellung einer Gewinnerzielungsabsicht eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Relevant sind dabei unter anderem die Art und Weise der Betriebsführung, die Erstellung einer nachvollziehbaren und schlüssigen Einnahmen-Überschussrechnung oder Bilanz, betriebswirtschaftliche Planungen, Marktanalysen sowie gegebenenfalls Nachweise über Werbemaßnahmen und fachliche Qualifikation. Besonders kritisch ist die Wirtschaftlichkeit der Betätigung: Wird eine Tätigkeit nachweislich professionell geplant und fortlaufend an veränderte Marktbedingungen angepasst, spricht dies für eine Gewinnerzielungsabsicht. Ein dauerhafter Bezug von Verlusten, ohne dass erkennbar betriebswirtschaftliche Optimierungen folgen, wird hingegen als Indiz gegen die Gewinnerzielungsabsicht gewertet.

Wie wird die Gewinnerzielungsabsicht bei verschiedenen Einkunftsarten im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) beurteilt?

Im deutschen Steuerrecht verlangt nahezu jede Einkunftsart nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) – Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung – grundsätzlich eine Gewinnerzielungsabsicht. Lediglich bei den sogenannten Überschusseinkünften (z.B. nichtselbständige Arbeit, Kapitalvermögen, sonstige Einkünfte) ist die Gewinnerzielungsabsicht als Tatbestandsmerkmal weniger zentral, da hier der erzielte Überschuss genügt. Besonders differenziert ist die Beurteilung bei Vermietung und Verpachtung sowie bei Gewerbebetrieben mit häufigen Verlusten: Die Finanzverwaltung legt hier spezielle Prüfschemata zugrunde (z.B. Liebhabereiverordnung), um festzustellen, ob tatsächlich eine Einkunftsquelle im rechtlichen Sinne besteht.

Welche Folgen hat das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht aus steuerlicher Sicht?

Wird eine Tätigkeit mangels Gewinnerzielungsabsicht als Liebhaberei eingestuft, ergeben sich daraus gravierende steuerliche Konsequenzen. Verluste aus dieser Tätigkeit dürfen weder mit anderen positiven Einkünften verrechnet noch in spätere Veranlagungszeiträume vorgetragen werden. Gewinne aus Liebhaberei bleiben ebenfalls steuerfrei, sind also nicht deklarationspflichtig. Im Bereich der Umsatzsteuer kann jedoch eine abweichende Beurteilung möglich sein, insbesondere wenn die Tätigkeit nach außen hin als nachhaltig und selbstständig betrieben erscheint. Die Rechtsprechung unterscheidet hier klar zwischen Einkommensteuer- und Umsatzsteuerrecht, sodass eine Tätigkeit unter Umständen zwar umsatzsteuerlich als unternehmerisch, einkommensteuerlich aber als Liebhaberei gewertet werden kann.

Inwieweit ist der subjektive Wille zur Gewinnerzielung entscheidend, und wie erfolgt die objektive Prüfung?

Aus rechtlicher Sicht ist nicht nur der subjektive Wille entscheidend, sondern vor allem die objektive Eignung der Tätigkeit, Gewinne zu erzielen. Selbst wenn ein Steuerpflichtiger behauptet, Gewinne erwirtschaften zu wollen, prüft die Finanzverwaltung, ob das Tätigkeitskonzept unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten überhaupt geeignet ist, auf Dauer Überschüsse zu erzielen. Hierzu werden betriebswirtschaftliche Kennzahlen, Marktentwicklungen, individuelle Fähigkeiten und unternehmerische Maßnahmen analysiert. Die subjektive Gewinnerzielungsabsicht wird erst dann anerkannt, wenn sie durch objektiv nachvollziehbare, dokumentierte Indizien gestützt ist.

Welche Bedeutung kommt der Dauer von Anlaufverlusten im Hinblick auf die Gewinnerzielungsabsicht zu?

Die Entstehung von Anlaufverlusten ist grundsätzlich nicht ungewöhnlich und kann bei Neugründungen oder innovativen Geschäftsmodellen üblich sein. Rechtlich wird jedoch verlangt, dass nach einer angemessenen Anlaufphase der Betrieb in die Gewinnzone gelangt oder zumindest durch geeignete Maßnahmen ein solches Ziel erkennbar erscheint. Überschreiten die Verluste einen üblichen Zeitraum oder fehlt eine plausible Begründung für die andauernde Verlustsituation, sieht die Finanzverwaltung die Gewinnerzielungsabsicht als widerlegt an. Die Rechtsprechung gesteht hierbei keine starren Fristen zu, sondern berücksichtigt individuelle Branchen- und Einzelfallbesonderheiten.

Welche Mitwirkungspflichten hat der Steuerpflichtige im Rahmen der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht?

Das Steuerrecht verpflichtet den Steuerpflichtigen im Rahmen der sogenannten Mitwirkungspflichten (§ 90 AO), alle für die Beurteilung wesentlichen Tatsachen offen zu legen und auf Nachfrage der Finanzbehörde entsprechende Unterlagen (z.B. Geschäftspläne, Kalkulationen, Nachweise zu Werbemaßnahmen, Buchführungsunterlagen) vorzulegen. Kommt der Steuerpflichtige dem nicht nach, kann dies nachteilige steuerliche Folgen haben, etwa die Versagung des Betriebsausgabenabzugs oder sogar die vollständige Nichtanerkennung der Tätigkeit als steuerlich relevante Einkunftsquelle. Die Beweislast für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht liegt dabei grundsätzlich beim Steuerpflichtigen.