Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Steuerrecht»Gewillkürtes Betriebsvermögen

Gewillkürtes Betriebsvermögen


Definition und Grundlagen des gewillkürten Betriebsvermögens

Das gewillkürte Betriebsvermögen stellt einen zentralen Begriff im deutschen Steuerrecht dar, insbesondere im Zusammenhang mit der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer. Es beschreibt Wirtschaftsgüter, die weder zwingend dem notwendigen Betriebsvermögen noch dem notwendigen Privatvermögen zuzuordnen sind, jedoch durch einen entsprechenden Willensakt des Steuerpflichtigen dem Betriebsvermögen zugeordnet werden können.

Betriebsvermögensarten: Einordnung des gewillkürten Betriebsvermögens

Im deutschen Steuerrecht wird zwischen drei Arten von Vermögen unterschieden:

  • Notwendiges Betriebsvermögen: Wirtschaftsgüter, die objektiv und wirtschaftlich eindeutig dem Betrieb zuzuordnen sind.
  • Notwendiges Privatvermögen: Wirtschaftsgüter, die objektiv und wirtschaftlich eindeutig dem privaten Bereich des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind.
  • Gewillkürtes Betriebsvermögen: Wirtschaftsgüter, die sowohl betrieblich als auch privat genutzt werden können und deren Zuordnung zur betrieblichen Sphäre Wahlrecht des Steuerpflichtigen ist, sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

Gesetzliche Grundlagen

Das gewillkürte Betriebsvermögen basiert auf Rechtsnormen des Einkommensteuergesetzes (EStG), insbesondere den allgemeinen Vorschriften über die Gewinnermittlung (§§ 4, 5 EStG) und der Definition des Betriebsvermögens. Konkrete gesetzliche Regelungen finden sich nicht, vielmehr wurde der Begriff durch die Rechtsprechung und Verwaltungspraxis entwickelt.

Voraussetzungen für die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens

Zuordnungspotential und betriebliche Veranlassung

Ein Wirtschaftsgut kann nur dann gewillkürtes Betriebsvermögen sein, wenn:

  • Es zum Betriebsvermögen zugeordnet werden kann: Dies ist regelmäßig der Fall, wenn das Wirtschaftsgut objektiv geeignet ist, den Betrieb zu fördern oder zu unterstützen.
  • Nutzung im Betrieb: Das Wirtschaftsgut muss zumindest zu einem gewissen Anteil, konkret zu mindestens 10% betrieblich genutzt werden (vgl. R 4.2 Abs. 2 EStR).
  • Keine überwiegend private Nutzung: Nach Verwaltungspraxis und Rechtsprechung darf die private Nutzung des Wirtschaftsguts 50% nicht überschreiten. Bei vorwiegend privater Nutzung ist eine Zuordnung zum Betriebsvermögen ausgeschlossen.

Willkürliche Zuordnung durch den Steuerpflichtigen

Die Zuordnung zum Betriebsvermögen muss nach außen erkennbar sein. Dies geschieht regelmäßig durch Aufnahme in das Anlagenverzeichnis bzw. in die Buchführung. Eine bloße Absichtserklärung genügt hierfür nicht.

Zeitlicher Rahmen der Zuordnung

Die Zuordnung eines Wirtschaftsguts als gewillkürtes Betriebsvermögen muss im Jahr der Anschaffung oder Herstellung erfolgen. Eine spätere Zuordnung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

Rechtsfolgen der Zuordnung als gewillkürtes Betriebsvermögen

Steuerbilanzielle Behandlung

Wirtschaftsgüter, die dem gewillkürten Betriebsvermögen angehören, sind in der Bilanz des Unternehmens zu aktivieren und werden wie übliches Betriebsvermögen behandelt. Dies hat unmittelbare Konsequenzen:

  • Die Anschaffungs- und Herstellungskosten können abgeschrieben werden.
  • Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen aus der Nutzung des Wirtschaftsguts gehen in die Gewinnermittlung ein.

Entnahme und Veräußerung

Wird ein Wirtschaftsgut aus dem gewillkürten Betriebsvermögen entnommen (z.B. durch Überführung ins Privatvermögen), ist dieser Vorgang steuerlich als Entnahme zu behandeln. Dabei ist der Entnahmewert maßgebend, der der Besteuerung unterliegt. Veräußert der Steuerpflichtige ein solches Wirtschaftsgut, liegt in der Regel ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn vor.

Auswirkungen auf die Gewerbesteuer

Das gewillkürte Betriebsvermögen ist auch für die Gewerbesteuer relevant. Wirtschaftsgüter, die dem Unternehmen durch Auswahl des Steuerpflichtigen zugeordnet worden sind, werden bei der Ermittlung des Gewerbeertrags berücksichtigt.

Abgrenzung zu anderen Vermögensarten

Abgrenzung zum notwendigen Betriebsvermögen

Notwendiges Betriebsvermögen liegt nur vor, wenn das Wirtschaftsgut ausschließlich oder überwiegend betrieblich genutzt wird. Eine Willensentscheidung des Steuerpflichtigen ist hier nicht erforderlich, da die Zuordnung objektiven Kriterien unterliegt.

Abgrenzung zum notwendigen Privatvermögen

Wirtschaftsgüter sind notwendiges Privatvermögen, wenn sie ausschließlich oder überwiegend privat genutzt werden. Eine Zuordnung zum Betriebsvermögen ist dann ausgeschlossen.

Bewegliches und unbewegliches Vermögen

Die Definition des gewillkürten Betriebsvermögens ist grundsätzlich unabhängig davon, ob es sich um bewegliche oder unbewegliche Wirtschaftsgüter handelt. Beide Vermögensarten können bei Vorliegen der Voraussetzungen dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet werden.

Praxisbeispiele und Anwendungsfälle

  • Pkw mit gemischter Nutzung: Ein betrieblich und privat genutzter Pkw, dessen betriebliche Nutzungsquote mindestens 10%, aber weniger als 50% beträgt, kann als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden.
  • Vermietete Immobilie: Eine teils betrieblich, teils privat genutzte Immobilie kann, bei Einhaltung der Voraussetzungen, gewillkürt dem Betriebsvermögen zugeordnet werden.

Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung

Die Zuordnung und Behandlung von gewillkürtem Betriebsvermögen wurde maßgeblich durch Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) sowie Verwaltungsanweisungen (z.B. Einkommensteuer-Richtlinien) geprägt. Die Rechtsprechung betont stets die Bedeutung der tatsächlichen Nutzung sowie der transparenten und nach außen dokumentierten Zuordnung zum Betriebsvermögen.

Bedeutung für die steuerliche Praxis

Die korrekte Zuordnung eines Wirtschaftsguts als gewillkürtes Betriebsvermögen kann erhebliche steuerliche Auswirkungen haben, etwa hinsichtlich Abschreibungen, der Behandlung von Betriebsausgaben und Einnahmen sowie der Besteuerung im Entnahme- oder Veräußerungsfall. Unternehmen und Selbständige sind daher angehalten, die Voraussetzungen und Folgen einer solchen Zuordnung sorgfältig zu prüfen und klar zu dokumentieren.

Literatur und Quellen

  • Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere §§ 4, 5 EStG
  • Einkommensteuer-Richtlinien (EStR)
  • Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH)
  • BMF-Schreiben zum Betriebsvermögen

Hinweis: Dieser Artikel dient der Information und Übersicht zum Begriff „gewillkürtes Betriebsvermögen“ im deutschen Steuerrecht und berücksichtigt die aktuelle Rechtslage bis 2024. Weiterführende Informationen finden sich in den zitierten Quellen und in einschlägiger steuerrechtlicher Literatur.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum gewillkürten Betriebsvermögen rechtlich?

Wirtschaftsgüter können als gewillkürtes Betriebsvermögen nur dann behandelt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, dem Betrieb zu dienen („objektive betriebliche Nutzungsfähigkeit“) und die Zuordnung zum Betriebsvermögen eindeutig und nachweisbar ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist dafür erforderlich, dass das Wirtschaftsgut in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb steht und die private Nutzung nicht überwiegt. Der Unternehmer muss die Zuordnung im Rahmen des § 4 Abs. 1 EStG regelmäßig durch eine ausdrückliche, zeitnahe und eindeutige Erklärung dokumentieren, beispielsweise in Form einer entsprechenden Buchung in der laufenden Buchführung oder durch einen schriftlichen Zuordnungsakt. Diese Rechtshandlung muss spätestens mit Abgabe der Steuererklärung des entsprechenden Wirtschaftsjahres erfolgt sein, ansonsten kann das Wirtschaftsgut nicht mehr als gewillkürtes Betriebsvermögen anerkannt werden. Ein rückwirkender Zuordnungsakt ist grundsätzlich ausgeschlossen.

Dürfen Wirtschaftsgüter mit überwiegend privater Nutzung als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden?

Nein, Wirtschaftsgüter, deren Nutzung zu mehr als 50 % auf private Zwecke entfällt, können nicht dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet werden. Nach der Vorschrift des § 4 Abs. 1 EStG und entsprechender Auslegung durch die Finanzgerichte ist Voraussetzung, dass das Wirtschaftsgut zu mindestens 10 % betrieblich genutzt werden kann, wobei bei einer Nutzung zwischen 10 % und 50 % ein Zuordnungswahlrecht hinsichtlich der Einordnung als gewillkürtes Betriebsvermögen besteht. Übersteigt die private Nutzung 50 %, entfällt die Möglichkeit zur Zuordnung vollständig, und das Wirtschaftsgut verbleibt zwingend im Privatvermögen, auch wenn sich der Steuerpflichtige für eine betriebliche Einbeziehung aus anderen Gründen entscheiden möchte.

Welche steuerlichen Folgen resultieren aus der Einlage von Wirtschaftsgütern in das gewillkürte Betriebsvermögen?

Wird ein Wirtschaftsgut in das gewillkürte Betriebsvermögen eingelegt, gilt die Einlage nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG als fiktiver Anschaffungsvorgang. Steuerlich wird das Wirtschaftsgut mit dem Teilwert im Zeitpunkt der Einlage angesetzt. Dieser Teilwert kann erheblich von den historischen Anschaffungskosten abweichen und bildet künftig die Bemessungsgrundlage für Absetzungen für Abnutzung (AfA) sowie für etwaige spätere Veräußerungs- oder Entnahmetatbestände. Wertsteigerungen, die bislang im Privatvermögen entstanden sind, bleiben bei der Einlage grundsätzlich steuerfrei, Wertminderungen jedoch werden nicht berücksichtigt. Die Einlage bedingt weiterhin, dass alle mit dem Wirtschaftsgut zusammenhängenden Aufwendungen steuerlich als Betriebsausgaben abziehbar sind, soweit sie betrieblich veranlasst sind oder im Rahmen der betrieblichen Nutzung anfallen.

Kann ein Wirtschaftsgut nach erfolgter Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen wieder entnommen werden, und welche Rechtsfolgen ergeben sich daraus?

Die Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem gewillkürten Betriebsvermögen ist grundsätzlich möglich und folgt den allgemeinen Regelungen der Entnahme, insbesondere § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG. Steuerlich gilt die Entnahme als fiktive Veräußerung zum aktuellen Teilwert, sodass ein Entnahmegewinn oder -verlust zu versteuern ist. Der Entnahmewert ist in der Buchführung zu dokumentieren. War das Wirtschaftsgut zuvor gewillkürtes Betriebsvermögen, sind sämtliche bis zur Entnahme entstandenen Wertänderungen nachzuversteuern. Die Entnahme kann darüber hinaus Auswirkungen auf die Umsatzsteuer haben (z. B. Eigenverbrauchsbesteuerung), sofern zum Zeitpunkt der Einlage ein Vorsteuerabzug vorgenommen wurde.

Welche Mitwirkungspflichten treffen den Steuerpflichtigen bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum gewillkürten Betriebsvermögen?

Der Steuerpflichtige ist im Rahmen seiner steuerlichen Mitwirkungspflichten (vgl. § 90 AO) verpflichtet, die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum gewillkürten Betriebsvermögen eindeutig und nachprüfbar zu dokumentieren. Dies betrifft sowohl die zeitnahe Aufnahme des Wirtschaftsguts in das Anlagenverzeichnis oder die Buchführung als auch die Vorlage nachvollziehbarer Nachweise über die tatsächliche betriebliche Nutzung. Die Finanzverwaltung verlangt eine lückenlose Dokumentation und gegebenenfalls eine detaillierte Aufteilung der Nutzung (z.B. Fahrtenbuch bei Kraftfahrzeugen). Geschieht dies nicht oder nicht hinreichend, kann das Finanzamt die Zuordnung ablehnen und das Wirtschaftsgut dem Privatvermögen zuordnen.

Wie verhält es sich mit der Umsatzsteuer bei Einlage und Entnahme ins bzw. aus dem gewillkürten Betriebsvermögen?

Bei der Einlage eines Wirtschaftsguts aus dem Privatvermögen in das gewillkürte Betriebsvermögen kann ein Vorsteuerabzug nach § 15 UStG nur erfolgen, wenn das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Einlage für unternehmerische Zwecke verwendet werden soll. Maßgeblich ist dabei der beabsichtigte Erhebungszeitraum der betrieblichen Nutzung. Bei Entnahme aus dem Betriebsvermögen („Entnahmehandlung“ nach § 3 Abs. 1b UStG) kann eine sogenannte unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer unterliegen. Für beide Fälle ist es erforderlich, dass die entsprechenden wirtschaftlichen Vorgänge in den Büchern ordnungsgemäß dokumentiert werden und Umsatzsteuer-Anmeldungen zutreffend erfolgen. Die Besonderheiten bei gemischt genutzten Wirtschaftsgütern (private und betriebliche Nutzung) sind hierbei besonders zu beachten.

Welche Besonderheiten gelten bei der Veräußerung von gewillkürtem Betriebsvermögen?

Wird ein dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnetes Wirtschaftsgut veräußert, unterliegt der dabei realisierte Gewinn in vollem Umfang der Einkommensteuer. Steuerlicher Veräußerungsgewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungspreis und dem Buchwert des Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Veräußerung. Eventuell nicht vollständig abgeschriebene Teile werden steuermindernd berücksichtigt. Eine Verrechnung mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten ist nur im Rahmen der gesetzlichen Regelungen möglich. Zu beachten ist, dass auch nachträgliche Entnahmen und Sonderabschreibungen in die Berechnung einzubeziehen sind. Hinsichtlich der Umsatzsteuer ist zu prüfen, ob die Veräußerung als umsatzsteuerpflichtiger Vorgang zu behandeln ist; dies gilt insbesondere, wenn für das Wirtschaftsgut bei der Einlage ein Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde.