Gewerbeertrag
Definition und rechtliche Einordnung des Gewerbeertrags
Der Gewerbeertrag ist ein zentraler Begriff im deutschen Steuerrecht und bezeichnet die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer, die von Gewerbebetrieben zu entrichten ist. Seine genaue Ermittlung ist in den §§ 7 ff. des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) geregelt. Der Gewerbeertrag stellt eine modifizierte Größe des Gewinns eines Gewerbebetriebs dar und ist maßgeblich für die Festsetzung der Gewerbesteuer durch die örtlichen Finanzämter.
Gesetzliche Grundlagen
Grundlagen nach dem Gewerbesteuergesetz (GewStG)
Gemäß § 7 GewStG ist „Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um bestimmte Hinzurechnungen und Kürzungen nach den §§ 8 und 9 GewStG“. Diese gesetzlichen Regelungen setzen die Ermittlung des Gewerbeertrags in mehreren Schritten voraus:
- Ausgangspunkt ist der steuerrechtliche Gewinn, der entweder nach dem Einkommensteuergesetz (für natürliche Personen und Personengesellschaften) oder dem Körperschaftsteuergesetz (für Kapitalgesellschaften) zu ermitteln ist.
- Auf diesen ermittelten Gewinn werden verschiedene Hinzurechnungen und Kürzungen vorgenommen, die sich aus spezifischen Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes ergeben.
Ziel und Bedeutung
Ziel des Gewerbeertrags als Bemessungsgrundlage ist es, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Gewerbebetriebs unabhängig von der Rechtsform möglichst objektiv widerzuspiegeln und dabei bestimmte steuerliche Lenkungswirkungen zu berücksichtigen. Die Ermittlung des Gewerbeertrags dient ausschließlich der Gewerbesteuer und unterscheidet sich daher insbesondere im Hinblick auf die Behandlung bestimmter Aufwendungen und Erträge von anderen Ertragsgrößen, wie z. B. dem Jahresüberschuss.
Ermittlung des Gewerbeertrags
Ausgangsgröße: Steuerrechtlicher Gewinn
Der steuerrechtliche Gewinn bildet die Basis der Gewerbeertragsermittlung. Er ergibt sich grundsätzlich aus dem Jahresüberschuss der Handelsbilanz, der gegebenenfalls um außerbilanzielle Korrekturen nach entsprechenden einkommen- bzw. körperschaftsteuerlichen Vorschriften bereinigt wird. Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften gelten die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (§ 4 EStG, § 5 EStG), für Kapitalgesellschaften die Regelungen des Körperschaftsteuergesetzes.
Hinzurechnungen nach § 8 GewStG
Um den steuerrechtlichen Gewinn an die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage anzupassen, werden bestimmte Teile von Aufwendungen, die bei der Gewinnermittlung abgezogen wurden, zum Gewerbeertrag wieder hinzugerechnet. Diese Hinzurechnungen umfassen insbesondere:
- Zinsen, Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter, soweit sie den Gewinn gemindert haben (§ 8 Nr. 1 GewStG)
- Entgelte für Schulden (insbesondere Zinsen)
- Dauernde Lasten und bestimmte Gewinnanteile von stillen Gesellschaftern
- Lizenzen und ähnliche Rechte
- Miet- und Leasingaufwendungen über bestimmte Freibeträge hinaus
Die Hinzurechnungen stellen sicher, dass der Gewerbeertrag nicht durch bestimmte Fremdfinanzierungskosten oder außergewöhnliche Vertragsgestaltungen künstlich gemindert wird.
Kürzungen nach § 9 GewStG
In bestimmten Fällen sieht das Gesetz auch Abzüge („Kürzungen“) vom ermittelten Gewerbeertrag vor. Die wesentlichen Kürzungen betreffen:
- Anteiliges Betriebsvermögen an Grundbesitz (z. B. bei Eigentum an Immobilien)
- Gewinnanteile von inländischen Tochterunternehmen
- Gewinnanteile aus internationalen Schifffahrtsgeschäften
- Bestimmte Dividenden und Gewinnabführungen
Kürzungen sollen insbesondere Mehrfachbelastungen vermeiden und gewährleisten, dass einige, typischerweise bereits anderweitig belastete Einkünfte außerhalb der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer bleiben.
Endgültige Bemessungsgrundlage
Der nach den Hinzurechnungen und Kürzungen verbleibende Betrag ist der maßgebliche Gewerbeertrag (§ 10 GewStG). Wird in einem Erhebungszeitraum ein negativer Gewerbeertrag ermittelt, entsteht ein steuerlicher Verlustvortrag, der mit späteren positiven Gewerbeerträgen verrechnet werden kann.
Besondere Vorschriften und Ausnahmen
Verlustabzug (§ 10a GewStG)
Ein nicht ausgeglichener negativer Gewerbeertrag kann mit zukünftigen positiven Gewerbeerträgen verrechnet werden. Dies erleichtert die Steuerlastverteilung über verschiedene Zeiträume und trägt zur Glättung des Gewerbesteueraufkommens bei.
Sonderregelungen für die Organschaft
Bei einer gewerbesteuerlichen Organschaft werden die Gewerbeerträge des Organträgers und der Organgesellschaften zusammengefasst. Dies erfordert spezielle Zuschlags- und Abzugsregelungen zur korrekten Feststellung des einheitlichen Gewerbeertrags.
Besonderheiten für Personengesellschaften
Für Personengesellschaften gelten teilweise abweichende Regelungen insbesondere im Hinblick auf die Behandlung von Sondervergütungen (wie etwa Geschäftsführergehälter an Gesellschafter), die unter Umständen dem Gewerbeertrag zuzurechnen sind.
Abgrenzung zu anderen steuerlichen Bemessungsgrundlagen
Der Gewerbeertrag ist von anderen steuerlichen Rechengrößen zu unterscheiden:
- Jahresüberschuss: Der handelsrechtliche Jahresüberschuss dient lediglich als Grundlage, wird aber durch steuerrechtliche und gewerbesteuerliche Modifikationen erheblich verändert.
- Einkommensteuerlicher bzw. körperschaftsteuerlicher Gewinn: Für die Ermittlung des Gewerbeertrags werden hiervon abweichende Hinzurechnungen und Kürzungen vorgenommen, sodass der Gewerbeertrag regelmäßig von diesen Gewinngrößen abweicht.
Gewerbeertrag im internationalen Kontext
Auch im internationalen Steuerrecht spielt der Gewerbeertrag eine Rolle, insbesondere bei grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeiten. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und europarechtliche Vorschriften können Einfluss auf die Zuordnung und Behandlung des Gewerbeertrags haben, z. B. durch Abzugsverbote oder Freistellungen bestimmter Auslandsgewinne.
Bedeutung für die Praxis
Die genaue und korrekte Ermittlung des Gewerbeertrags ist für sämtliche gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen essentiell, da sie unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der fälligen Gewerbesteuer hat. Fehlerhafte Angaben oder Rechenfehler können zu erheblichen finanziellen Nach- oder Vorteilen sowie zu steuerlichen Korrekturmaßnahmen führen.
Literaturhinweise und weiterführende Regelungen
Die Regelungen rund um den Gewerbeertrag finden sich insbesondere im Gewerbesteuergesetz (GewStG), den Einkommensteuer- sowie den Körperschaftsteuerrichtlinien. Weiterhin existiert umfangreiche Kommentarliteratur und Rechtsprechung, insbesondere zur Auslegung der Hinzurechnungs- und Kürzungstatbestände, der Abgrenzung verschiedener Ertragsarten sowie spezieller Problemfälle bei Verbundunternehmen und internationalen Sachverhalten.
Zusammenfassung:
Der Gewerbeertrag stellt eine komplexe, gesetzlich detailliert regulierte Größe im deutschen Steuerrecht dar. Er bildet die entscheidende Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer und unterliegt einer Vielzahl von Modifikationen durch Hinzurechnung und Kürzung bestimmter Beträge. Aufgrund seiner praktischen Bedeutung für Unternehmen und seiner rechtlichen Komplexität ist eine sorgfältige und korrekte Feststellung unter Beachtung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften unabdingbar.
Häufig gestellte Fragen
Wie wird der Gewerbeertrag bei Personengesellschaften rechtlich ermittelt?
Bei Personengesellschaften, wie etwa der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder der Kommanditgesellschaft (KG), wird der Gewerbeertrag gemäß § 7 Gewerbesteuergesetz (GewStG) nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestimmt. Dabei wird zunächst der nach den Regelungen des EStG ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb zugrunde gelegt. Dieser Gewinn stellt grundsätzlich das Ergebnis der steuerlichen Gewinnermittlung – entweder durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG oder durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG – dar. Hiervon sind sodann außer- bzw. innerbilanzielle Korrekturen vorzunehmen, wie sie insbesondere das GewStG vorsieht. Zu diesen Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und Kürzungen (§ 9 GewStG) zählen u.a. pauschale Hinzurechnungen für Finanzierungsaufwendungen oder die Kürzung um bestimmte Steuerbeträge. Abschließend ist zu beachten, dass der Gewinn den Mitunternehmern nach dem Anteil am Gesellschaftsvermögen jeweils individuell zuzurechnen ist und im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung gemäß §§ 179 ff. AO bekannt gemacht wird. Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben sowie Sondervergütungen (z.B. Geschäftsführergehalt, Mieteinkünfte von Gesellschaftern) müssen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags ebenfalls berücksichtigt werden.
Welche Hinzurechnungen und Kürzungen sieht das Gewerbesteuergesetz vor?
Das Gewerbesteuergesetz regelt im § 8 die Hinzurechnung bestimmter Aufwendungen zum Gewinn aus Gewerbebetrieb, um eine sachgerechte Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer festzulegen. Zu den zentralen Hinzurechnungen zählen insbesondere ein Teil der gezahlten Entgelte für Fremdkapital (wie Zinsen, dauernde Lasten, Renten), ein Viertel der Miet- und Pachtzinsen für die Nutzung beweglicher und unbeweglicher Wirtschaftsgüter, sowie Lizenzgebühren und Aufwendungen für das Leasing. Diese Regelungen dienen dazu, Gestaltungen zu verhindern, bei denen durch die Auslagerung von Wirtschaftsgütern der gewerbesteuerliche Gewinn künstlich vermindert würde. Im Gegenzug hierzu sieht § 9 GewStG Kürzungen vor: Beispielsweise werden Gewinne ausländischer Betriebsstätten, bestimmte Ausschüttungen und der Gewinnanteil aus dem Grundbesitz (zu 1,2% des Einheitswerts) wieder vom Gewerbeertrag abgezogen, um eine Doppelbesteuerung oder sachlich unangemessene Belastungen zu vermeiden. Diese Vorschriften sind zwingend anzuwenden und lassen keinen Ermessensspielraum, sondern folgen ausschließlich den gesetzlichen Vorgaben.
Wie wirkt sich ein Verlustvortrag auf den Gewerbeertrag aus?
Verluste, die in früheren Veranlagungszeiträumen entstanden sind, können gemäß § 10a GewStG mit positiven Gewerbeerträgen der Folgejahre verrechnet werden. Hierbei unterscheidet das Gesetz strikt zwischen einem gewerbesteuerlichen Verlustvortrag und einem einkommensteuerlichen Verlustvortrag: Für die Gewerbesteuer ist ein gesondertes, körperschafts- bzw. betriebsbezogenes Verlustverrechnungssystem vorgesehen. Verluste können unbeschränkt zeitlich nach vorne getragen werden, allerdings erfolgt die Verrechnung nur mit bis zu 1 Mio. € vollständig, darüber hinaus ist der Vortrag auf 60% des verbleibenden Gewerbeertrags begrenzt (Mindestbesteuerung). Ein Verlustuntergang kann insbesondere bei Kapitalgesellschaften im Fall qualifizierter Anteilseignerwechsel (§ 8c KStG i.V.m. § 10a Satz 10 GewStG) eintreten. Der Verlustvortrag ist gesondert festzustellen, eine eigenständige Erklärung bei der Gewerbesteuererklärung ist erforderlich.
Sind bestimmte Betriebsausgaben bei der Ermittlung des Gewerbeertrags ausgeschlossen?
Ja, das Gewerbesteuerrecht kennt grundsätzlich keinen eigenen Betriebsausgabenbegriff, sondern verweist – mit Ausnahmen – auf das Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerrecht. Allerdings kennt das GewStG spezifische Hinzurechnungen, wie schon zuvor erwähnt, bei denen bestimmte Aufwendungen gewinnmindernd abgezogen wurden, aber zu einem gewissen Teil dem Gewerbeertrag wieder hinzuzurechnen sind (§ 8 GewStG). Davon betroffen sind u.a. Zinsaufwendungen, Mieten, Pachten, Lizenzgebühren und Aufwendungen für Schulden. Hingegen können andere, im Gewinn enthaltene privat veranlasste Ausgaben nicht abgezogen werden. Zudem sind Gewerbesteuer und Nebenleistungen (§ 4 Abs. 5b EStG) ausdrücklich keine Betriebsausgaben und erhöhen somit direkt den ermittelten Gewerbeertrag. Durch diese Regelungen sollen eine einheitliche Besteuerungsgrundlage und die Eigenfinanzierung der Unternehmen gefördert werden.
Welche Besonderheiten gelten bei Mitunternehmerschaften (z. B. GbR, OHG, KG)?
Mitunternehmerschaften unterliegen besonderen Vorschriften bei der Ermittlung des Gewerbeertrags. Erstens wird der Gewerbeertrag auf Ebene der Mitunternehmerschaft einheitlich ermittelt, nicht bei den einzelnen Gesellschaftern. Danach ist der so ermittelte Gewerbeertrag im Rahmen der Gewinnverteilungsabrede auf die Gesellschafter zu übertragen und als Teil der gewerblichen Einkünfte in die jeweilige Steuererklärung einzubeziehen. Sondervergütungen, wie Zinsen für Darlehen oder Mieten, die ein Mitunternehmer von der Gesellschaft erhält, erhöhen den Gewerbeertrag in voller Höhe, da diese bereits als Betriebsausgaben das Ergebnis der Gewinnermittlung gemindert haben, jedoch nach Gewerbesteuerrecht dem Gewerbeertrag wieder hinzuzurechnen sind (§ 7 Satz 2 GewStG). Zudem ist für Mitunternehmerschaften regelmäßig eine gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewerbeertrags erforderlich, was besondere Anforderungen an die steuerliche Erklärung und Festsetzung mit sich bringt.
Wie ist der Freibetrag beim Gewerbeertrag geregelt?
Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften räumt das Gewerbesteuerrecht nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG einen jährlichen Freibetrag von 24.500 Euro ein, der bei der Ermittlung der Gewerbesteuerbelastung zu berücksichtigen ist. Das bedeutet, dass vom festgestellten Gewerbeertrag dieser Betrag abgezogen wird; erst der übersteigende Betrag ist Gegenstand der Besteuerung. Kapitalgesellschaften (wie GmbH, AG) steht ein solcher Freibetrag nicht zu. Die Berücksichtigung erfolgt von Amts wegen, sodass in der Steuererklärung kein gesonderter Antrag erforderlich ist. Die Vorschrift trägt insbesondere der Leistungsfähigkeit kleinerer Unternehmen und Gewerbebetriebe Rechnung. Bei Zusammenschlüssen mehrerer Einzelunternehmen bleibt es grundsätzlich beim einmaligen Freibetrag je Steuerpflichtigem (§ 11 Abs. 2 GewStG).
Wie werden Hinzurechnungen und Kürzungen bei mehreren Gewerbebetrieben des gleichen Unternehmers behandelt?
Besitzt ein Steuerpflichtiger mehrere gewerbliche Betriebe, ist für jeden Betrieb der Gewerbeertrag gesondert zu ermitteln (§ 2 Abs. 3 GewStG). Hinzurechnungen und Kürzungen sind dabei jeweils betriebsbezogen zu berücksichtigen, was insbesondere bei Betriebsaufspaltungen oder bei mehreren organisatorisch getrennt geführten Unternehmen relevant wird. Der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG (24.500 EUR) kann von Einzelunternehmern ebenfalls nur einmal, nicht mehrfach, beansprucht werden. Bei der Zuordnung von Hinzurechnungen, insbesondere für gemeinschaftlich genutzte Wirtschaftsgüter, ist auf die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse und vertraglichen Regelungen abzustellen. Für die Gewerbesteuerklärung sind sämtliche Anlagen und Nachweise für jeden Betrieb gesondert beizufügen, die Behörden prüfen anschließend die zutreffende Anwendung der gesetzlichen Vorgaben.