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Gewaltschutz


Definition und Bedeutung des Gewaltschutzes

Unter dem Begriff Gewaltschutz werden alle gesetzlichen Maßnahmen und Einrichtungen verstanden, die dem Schutz von Personen vor Gewalthandlungen dienen. Ziel des Gewaltschutzes ist es, Betroffene vor jeglicher Form von körperlicher oder seelischer Gewalt, insbesondere häuslicher Gewalt, Stalking oder Bedrohung, zu schützen und ihnen ein sicheres Lebensumfeld zu gewährleisten. In Deutschland ist der Gewaltschutz eng mit dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) verbunden, das seit dem Jahr 2002 einen zentralen Rahmen für den zivilrechtlichen Schutz gegen Gewalt und Nachstellungen bietet.

Rechtsgrundlagen des Gewaltschutzes

Das Gewaltschutzgesetz (GewSchG)

Das Gewaltschutzgesetz bildet die grundlegende Rechtsgrundlage für den zivilen Gewaltschutz in Deutschland. Es regelt Schutzanordnungen und die Wohnungszuweisung im Fall von gewalttätigen oder bedrohlichen Übergriffen. Das Gesetz wendet sich in erster Linie an Betroffene von häuslicher Gewalt und Stalking, jedoch ist sein Anwendungsbereich weit gefasst und gilt auch bei anderen Formen von Gewalt zwischen nicht miteinander verwandten oder nicht verheirateten Personen.

Schutzanordnungen nach § 1 GewSchG

Auf Antrag der betroffenen Person kann das zuständige Familiengericht Maßnahmen anordnen, die dem Schutz vor weiteren Gewalttaten oder unerwünschtem Kontakt dienen. Zu diesen Schutzanordnungen zählen insbesondere:

  • Kontaktverbote (jegliche Form der Kontaktaufnahme, auch über Dritte, Telefon, Schrift oder elektronische Medien)
  • Aufenthaltsverbote (Verbot des Betretens der Wohnung, der Arbeitsstätte oder anderer regelmäßig aufgesuchter Orte der schutzsuchenden Person)
  • Näherungsverbote (Abstandsgebot im Umkreis einer bestimmten Entfernung)

Wohnungszuweisung nach § 2 GewSchG

Das Gericht kann zudem eine Wohnungszuweisung aussprechen. Dies bedeutet, dass der gewaltausübenden Person die gemeinsame Wohnung – unabhängig vom Mietverhältnis oder Eigentumsverhältnissen – vorübergehend oder dauerhaft zugewiesen oder deren Zutritt untersagt wird. Der Zweck liegt darin, der betroffenen Person und – sofern vorhanden – den Kindern einen sicheren Verbleib im bisherigen Lebensumfeld zu ermöglichen.

Weitere gesetzliche Vorschriften

Strafrechtlicher Schutz

Unabhängig vom Gewaltschutzgesetz bieten zahlreiche Vorschriften des Strafgesetzbuches (StGB) einen Schutz vor Gewalt, Bedrohung und Nachstellungen. Relevante Tatbestände sind vor allem:

  • Körperverletzung (§ 223 ff. StGB)
  • Bedrohung (§ 241 StGB)
  • Nachstellung (Stalking, § 238 StGB)
  • Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)
  • Nötigung (§ 240 StGB)

Die strafrechtlichen Bestimmungen ermöglichen im Akutfall den Einsatz polizeilicher Mittel, wie Gewahrsamnahme oder Wegweisungen.

Polizeirechtlicher Schutz

Im Rahmen der Gefahrenabwehr greifen polizeirechtliche Maßnahmen der Bundesländer. Diese können Platzverweise, Wohnungsverweise („Wegweisung“) und Kontaktverbote enthalten. In einigen Bundesländern besteht bereits die Möglichkeit, die gewaltausübende Person für einen bestimmten Zeitraum aus der gemeinsamen Wohnung zu verweisen.

Verfahren und Durchsetzung von Schutzmaßnahmen

Antragstellung und gerichtliches Verfahren

Der Antrag auf Erlass einer Schutzanordnung oder Wohnungszuweisung ist beim Familiengericht einzureichen. Für den Antrag ist kein Anwaltszwang vorgesehen; häufig wird jedoch von Unterstützung durch Beratungsstellen Gebrauch gemacht. Das Gericht entscheidet regelmäßig im Eilverfahren und kann einstweilige Anordnungen erlassen. Die Maßnahmen sind in der Regel befristet und können bei Bedarf verlängert werden.

Zwangsvollstreckung und Sanktionen

Verstößt die gewaltausübende Person gegen eine gerichtlich erlassene Schutzanordnung oder Wohnungszuweisung, droht ein Zwangsgeld oder Zwangshaft. Zudem kann das Verhalten strafrechtlich nach § 4 GewSchG verfolgt werden.

Internationale und europäische Bezüge

Große Bedeutung für das nationale Gewaltschutzrecht haben die „Istanbul-Konvention“ des Europarates sowie weitere internationale Abkommen, welche Mindeststandards für Gewaltprävention, Opferschutz und die Strafverfolgung von Gewaltdelikten setzen. Die Umsetzung der Konvention wird durch nationale Gesetze wie das GewSchG und spezialisierte Strukturen und Hilfseinrichtungen gewährleistet und kontrolliert.

Bereiche des Gewaltschutzes

Häusliche Gewalt

Ein Schwerpunkt der Gewaltschutzgesetzgebung liegt auf dem Schutz vor häuslicher Gewalt. Unter häuslicher Gewalt versteht man nicht nur körperliche Misshandlungen, sondern auch psychische Gewalt, Drohungen oder wirtschaftliche Abhängigkeit in Paarbeziehungen, Familienverhältnissen oder anderen häuslichen Gemeinschaften.

Stalking und Nachstellung

Stalking stellt eine häufige und schwere Form zwischenmenschlicher Gewalt dar. Opfern von Nachstellungen steht der gesamte Katalog des Gewaltschutzgesetzes zur Verfügung, um effektiven Schutz zu erhalten. Besonders hervorzuheben ist die Möglichkeit, Kontaktverbote und gezielte Aufenthaltsverbote zu verfügen.

Schutz von Kindern und Jugendlichen

Auch für Minderjährige besteht ein umfassendes Schutzregime. Neben dem Gewaltschutzgesetz sind hier das Kinder- und Jugendhilferecht nach dem SGB VIII sowie das Familienrecht (§ 1666 BGB, Gefährdung des Kindeswohls) relevant. Betreuungspersonen und öffentliche Stellen sind verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz junger Personen zu ergreifen.

Gewaltschutz und Opferschutz: Unterstützung und Beratung

Neben gesetzlichen Maßnahmen existieren zahlreiche Hilfseinrichtungen, wie Frauenhäuser, Beratungsstellen und Notrufnummern, die Betroffene unterstützen und informieren. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der praktischen Umsetzung des Gewaltschutzes und vermitteln zwischen Betroffenen und den zuständigen Behörden.

Bedeutung des Gewaltschutzes im Alltag

Der Gewaltschutz ist ein zentrales Instrument zum Schutz der individuellen Sicherheit und Gesundheit in der Gesellschaft. Seine effektive Umsetzung setzt ein Zusammenspiel verschiedener zivilrechtlicher, strafrechtlicher und polizeilicher Maßnahmen voraus. Das Ziel liegt in der dauerhaften Unterbindung jeglicher Form von Gewalt und Gefährdung, um ein sicheres und respektvolles Miteinander zu gewährleisten.


Hinweis: Dieser Beitrag stellt eine umfassende, sachliche Darstellung des Begriffs „Gewaltschutz“ dar und beleuchtet alle wesentlichen rechtlichen Facetten, wie sie in der deutschen und europäischen Rechtsordnung geregelt sind.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Antragstellung auf Erlass einer Gewaltschutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz?

Der Antrag auf Erlass einer Gewaltschutzanordnung wird beim zuständigen Amtsgericht, in der Regel am Wohnsitz des Antragstellers, gestellt. Der Antrag kann mündlich zur Niederschrift bei der Geschäftsstelle oder schriftlich eingereicht werden. Notwendig ist eine möglichst ausführliche und glaubhafte Schilderung der konkreten Vorfälle, welche die Schutzanordnung begründen. Beizufügen sind Beweise und Nachweise, wie ärztliche Atteste, Zeugenaussagen, Polizeiprotokolle oder sonstige beweiskräftige Unterlagen. Der Antrag sollte detailliert darlegen, warum die beantragten Schutzmaßnahmen – etwa das Kontakt- und Näherungsverbot – erforderlich sind. Nach Eingang prüft das Gericht, ob eine einstweilige Anordnung sofort erlassen werden kann oder ob eine mündliche Anhörung notwendig ist. In besonders dringenden Fällen kann das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung auch ohne Anhörung der Gegenseite vorläufige Schutzmaßnahmen erlassen.

Welche Maßnahmen kann das Gericht nach dem Gewaltschutzgesetz anordnen?

Nach dem Gewaltschutzgesetz (§ 1, 1a, 2 GewSchG) kann das Gericht vielfältige Schutzmaßnahmen erlassen, um die betroffene Person zu schützen. Dazu zählen insbesondere das Verbot, bestimmte Orte (z. B. die Wohnung, den Arbeitsplatz) zu betreten, Kontakt zu der betroffenen Person aufzunehmen (z. B. durch Briefe, Telefonate, SMS, E-Mails oder Social Media), sich der betroffenen Person auf eine bestimmte Entfernung zu nähern (Mindestabstand) und gemeinsame Wohnung zu betreten oder sich darin aufzuhalten. Bei fortgesetzten gefährdenden Handlungen kann das Gericht sogar die Zuweisung der gemeinsamen Wohnung anordnen, selbst wenn der Antragsgegner dort Eigentümer ist. Die Verbote und Gebote werden regelmäßig befristet, meistens auf mehrere Monate, können jedoch im Einzelfall verlängert werden.

Welche Rechtsmittel stehen gegen eine erlassene Gewaltschutzanordnung zur Verfügung?

Gegen eine vom Amtsgericht erlassene Gewaltschutzanordnung kann der Betroffene (Antragsgegner) Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG beim zuständigen Oberlandesgericht einlegen. Die Beschwerdefrist beträgt zwei Wochen ab Zustellung der Anordnung. Die Beschwerde ist schriftlich beim erstinstanzlichen Gericht einzureichen, das die Akten sodann an das Beschwerdegericht weiterleitet. Das Beschwerdegericht prüft die Rechtmäßigkeit und Angemessenheit der Anordnung umfassend. Ist die Anordnung einstweilen im sogenannten Eilverfahren nach § 49 FamFG ergangen, bleibt sie auch während des Beschwerdeverfahrens in Kraft, es sei denn, das Beschwerdegericht hebt sie auf oder ändert sie ab.

Wer trägt die Kosten eines Gewaltschutzverfahrens?

Im Gewaltschutzverfahren gilt § 81 FamFG, wonach das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen entscheidet. Grundsätzlich trägt der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens, wenn die Vorwürfe zutreffen und die Schutzanordnung berechtigt war. Wird der Antrag jedoch abgelehnt, trägt meist der Antragsteller die Kosten. Darüber hinaus besteht im Gewaltschutzverfahren in der Regel die Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe (VKH) zu beantragen, wenn die antragstellende Person bedürftig ist. Die VKH deckt die Gerichtskosten sowie die Kosten eines beigeordneten Rechtsanwalts ab, sofern die Antragstellung nicht mutwillig oder aussichtslos ist.

Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei Zuwiderhandlung gegen eine Schutzanordnung?

Eine Zuwiderhandlung gegen eine nach dem Gewaltschutzgesetz erlassene gerichtliche Anordnung stellt nach § 4 GewSchG eine Straftat dar und kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet werden. Bei schweren Verstößen oder wiederholten Zuwiderhandlungen kann das Strafmaß auch höher ausfallen, falls weitere Straftatbestände – etwa Körperverletzung, Hausfriedensbruch oder Nötigung – verwirklicht werden. Die Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln dann von Amts wegen, wobei die Gerichte in der Regel auch dafür sorgen, dass die verletzte Person weitergehend geschützt wird. Die aufschiebende Wirkung eines eingelegten Rechtsmittels gegen die Anordnung hebt die Schutzanordnung nicht auf: Jegliche Verstöße gegen die einstweilige Anordnung sind sofort strafbar.

Können Minderjährige und andere schutzbedürftige Personen ebenfalls eine Gewaltschutzanordnung beantragen?

Ja, Minderjährige wie auch besonders schutzbedürftige, etwa wegen einer körperlichen oder geistigen Einschränkung hilflose Personen, haben das Recht, eine Gewaltschutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz zu beantragen. In der Praxis erfolgt die Antragstellung für minderjährige Kinder in der Regel durch den sorgeberechtigten Elternteil oder durch einen vom Gericht bestellten Verfahrensbeistand. Das Gericht prüft dabei besonders sorgfältig, ob die Schutzinteressen des Kindes gewahrt werden und kann auch speziell auf die Situation von Kindern, älteren Menschen oder Menschen mit Behinderung abgestimmte Schutzmaßnahmen anordnen.

Wie lang ist die Gültigkeitsdauer einer Gewaltschutzanordnung und ist eine Verlängerung möglich?

Die Gültigkeit einer Gewaltschutzanordnung ist grundsätzlich zeitlich befristet, die Dauer legt das Gericht im Einzelfall fest – häufig zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Die genaue Dauer richtet sich nach dem Gefährdungsgrad und der individuellen Situation der betroffenen Person. Besteht auch nach Ablauf der Frist weiterhin eine erhebliche Gefahr, kann auf Antrag der betroffenen Person eine Verlängerung der Maßnahme durch das Gericht angeordnet werden. Hierfür ist ein erneuter Antrag unter Darlegung der fortbestehenden Gefährdungssituation einzureichen. Das Gericht überprüft dann, ob die Voraussetzungen für eine anhaltende Schutzanordnung weiterhin gegeben sind.