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Gewährträgerhaftung


Begriff und Grundlagen der Gewährträgerhaftung

Die Gewährträgerhaftung ist ein Begriff aus dem deutschen öffentlichen und privaten Bankrecht. Sie beschreibt die Haftung einer übergeordneten öffentlich-rechtlichen Körperschaft (dem sogenannten Gewährträger) für die Verbindlichkeiten bestimmter Institute, meist öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute, wie Sparkassen oder Landesbanken. Ziel der Gewährträgerhaftung ist es, das Vertrauen von Gläubigern und Geschäftspartnern in die Bonität und Leistungsfähigkeit dieser Kreditinstitute zu stärken.

Rechtsgrundlagen der Gewährträgerhaftung

Öffentliche-rechtliche Basis

Die Grundlage für die Gewährträgerhaftung bildet in Deutschland das öffentliche Recht, insbesondere im Bereich der Sparkassen und Landesbanken. In den Sparkassengesetzen der jeweiligen Bundesländer sind Regelungen zur Haftung der kommunalen oder staatlichen Träger für die Institute detailliert verankert. Die Träger sind meist Gemeinden, Gemeindeverbände oder das jeweilige Bundesland.

Ausgestaltung und Umfang

Die Ausgestaltung der Gewährträgerhaftung erfolgt durch landesgesetzliche Bestimmungen und Satzungen. Sie verpflichtet den Träger, im Bedarfsfall für die Schulden des Instituts einzustehen, sollte dieses seinen eigenen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Damit ist die Haftung nicht auf die Höhe des Grundkapitals oder des zugewiesenen Sparkassenkapitals beschränkt, sondern erstreckt sich grundsätzlich auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten (uneingeschränkte Haftung).

Grenzüberschreitende Bedeutung

Im Rahmen der Europäischen Union wurde die Gewährträgerhaftung intensiv diskutiert, weil sie als unvereinbar mit den europäischen Regeln über staatliche Beihilfen angesehen wurde. Die Europäische Kommission sah in der Gewährträgerhaftung einen Wettbewerbsvorteil für öffentliche Institute. Infolge dessen wurden im Jahr 2001 Vereinbarungen über die „Brüssel-Kommission“ getroffen, die das Auslaufen der Gewährträgerhaftung und Anstaltslast für neue Verbindlichkeiten ab dem 19. Juli 2005 vorsehen (sogenannter Kompromiss zur „Brüsseler Konkordat“).

Rechtliche Differenzierung

Unterschied Anstaltslast und Gewährträgerhaftung

Die Gewährträgerhaftung ist von der sogenannten Anstaltslast abzugrenzen. Während die Anstaltslast die Pflicht des Trägers beschreibt, eine öffentlich-rechtliche Anstalt funktionsfähig zu erhalten, umfasst die Gewährträgerhaftung die Verpflichtung, konkret für deren Zahlungspflichten in Anspruch genommen werden zu können. Die Anstaltslast wirkt grundsätzlich rein intern und institutionell; die Gewährträgerhaftung stellt eine außenwirksame, direkt einklagbare Haftungsverpflichtung des Trägers gegenüber Gläubigern dar.

Haftungsumfang und Rangfolge

Die Gewährträgerhaftung ist typischerweise subsidiär ausgestaltet. Das bedeutet, sie greift nur ein, wenn das Vermögen der betroffenen Institution zur Befriedigung der Gläubiger nicht ausreicht. Die Rechtsgrundlagen können jedoch individuelle Besonderheiten regeln, etwa die Reihenfolge der Inanspruchnahme der Mittel des Instituts und des Gewährträgers sowie etwaige Fristen und Grenzen.

Bedeutungswandel und aktuelle Rechtslage

Wegfall der Gewährträgerhaftung

Infolge der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission wurde die Gewährträgerhaftung für Verbindlichkeiten, die nach dem 18. Juli 2005 entstanden sind, grundsätzlich abgeschafft. Alt-Verbindlichkeiten, die vor diesem Stichtag eingegangen wurden, profitieren weiterhin von der Gewährträgerhaftung (sogenannte Altfallregelung). Seitdem sind öffentlich-rechtliche Kreditinstitute in der Haftungssituation privater Institute gleichgestellt.

Auswirkungen auf den Finanzmarkt

Der Wegfall der Gewährträgerhaftung hatte erhebliche Auswirkungen auf das Kreditrating, die Refinanzierungsbedingungen und das Marktverhalten der betroffenen Banken. Die Institute mussten infolgedessen verstärkt eigene Eigenmittelausstattung und Risikomanagementansätze entwickeln. Der Schutz durch die Gewährträgerhaftung galt zuvor als bedeutender Faktor für das günstige Rating und niedrigere Finanzierungskosten dieser Kreditinstitute.

Abgrenzung zu anderen Haftungstatbeständen

Unterschied zur Staatsgarantie

Die Gewährträgerhaftung unterscheidet sich von der allgemeinen Staatsgarantie. Während die Staatsgarantie typischerweise auf zentrale staatliche Institutionen (Bund, Länder) bezogen ist und gesetzlich geregelt ist, basiert die Gewährträgerhaftung meist auf der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen Körperschaft und eigenständigem Institut.

Unterschied zur Patronatserklärung

Von der Gewährträgerhaftung ist ferner die Patronatserklärung abzugrenzen, bei der ein Unternehmen einer Tochtergesellschaft eine Unterstützung zusagt. Die Patronatserklärung ist regelmäßig zivilrechtlicher Natur und entwickelt erst durch Auslegung und Rechtsprechung eine ins Gewicht fallende Außenwirkung. Dagegen ist die Gewährträgerhaftung unmittelbar gegenüber den Gläubigern wirksam.

Gewährträgerhaftung in der Praxis

Gerichtsentscheidungen

Die Ausgestaltung und Anwendung der Gewährträgerhaftung wurden vielfach von Gerichten geprüft, insbesondere im Zusammenhang mit der Einordnung als staatliche Beihilfe und den daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen. Grundsatzentscheidungen betreffen etwa die Abgrenzung zu anderen Haftungsverhältnissen und die Anwendung in besonderen Insolvenz- oder Krisensituationen.

Bedeutung für die Gläubiger

Für Gläubiger hatte die Gewährträgerhaftung einen erheblichen Einfluss: Durch die subsidiäre, umfassende Nachhaftung waren die Ansprüche gegen öffentlich-rechtliche Kreditinstitute risikolos in Bezug auf eine fehlende Leistungsfähigkeit des eigentlichen Schuldners. Mit dem Wegfall der Haftung ist für Neuforderungen diese Sicherheit entfallen.

Zusammenfassung

Die Gewährträgerhaftung war über viele Jahrzehnte ein prägendes Element der Geschäftsgrundlage öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute in Deutschland. Sie stellte eine außenwirksame, subsidiäre Haftungspflicht der öffentlichen Träger für die Schulden ihrer Institute dar. Vor dem Hintergrund europarechtlicher Entwicklungen wurde die Gewährträgerhaftung für neue Verbindlichkeiten abgeschafft. Die Altfallregelung sichert jedoch noch bestehende Ansprüche ab, während fortan öffentlich-rechtliche Banken einem haftungsrechtlich gleichen Marktumfeld wie private Institute gegenüberstehen. Die Gewährträgerhaftung bleibt ein bedeutender, jedoch historisch abgeschlossener Bestandteil des deutschen Bank- und Haftungsrechts.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechtsgrundlagen regeln die Gewährträgerhaftung?

Die Gewährträgerhaftung basiert überwiegend auf nationalen Rechtsvorschriften, insbesondere im deutschen Recht auf öffentlich-rechtliche Regelungen, aber auch auf europarechtlichen Vorgaben. Sie findet sich primär bei öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten wie Sparkassen und Landesbanken und ist historisch in den jeweiligen Sparkassengesetzen der Bundesländer sowie im Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW-Gesetz) normiert. Nach Art. 87 Abs. 1 Satz 1 EG-Vertrag (jetzt Art. 107 AEUV) war und ist die Gewährträgerhaftung zudem im Kontext des Beihilferechts der Europäischen Union (EU) bedeutsam. Die Bestimmungen zur Abschaffung bzw. Einschränkung der Gewährträgerhaftung in Deutschland wurden maßgeblich durch die Vereinbarungen mit der EU-Kommission und den entsprechenden Umsetzungsgesetzen, vor allem im Kreditwesengesetz (KWG) und in den Änderungen der Landesgesetze, geregelt. Die genauen Regelungen können daher sowohl landes- als auch bundesrechtlicher und europarechtlicher Natur sein.

In welchem Verhältnis steht die Gewährträgerhaftung zu sonstigen Haftungsformen?

Die Gewährträgerhaftung ist eine eigenständige, öffentlich-rechtliche Haftungsverpflichtung des Trägers eines Kreditinstituts und unterscheidet sich damit von privatrechtlichen Haftungsformen wie der Bürgschaft, Patronatserklärung oder direkten Garantie. Sie ist nicht akzessorisch zu einer Verbindlichkeit, sondern besteht neben den bestehenden Ansprüchen der Gläubiger gegen das Institut. Während die Haftung der Gesellschafter bei Kapitalgesellschaften auf ihre Einlage begrenzt ist, haften Gewährträger, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, für alle nicht erfüllten Verbindlichkeiten ihrer Institute. Diese Regelung unterliegt jedoch bestimmten Voraussetzungen, etwa Vollstreckungsausfall und subsidiärer Inanspruchnahme. Die Gewährträgerhaftung darf nicht mit der sogenannten „Anstaltslast“ verwechselt werden, welche die finanzielle Ausstattung des Instituts durch den Träger betrifft.

Welche Auswirkungen hatte die Abschaffung der Gewährträgerhaftung auf europäischer Ebene?

Die Europäische Kommission bemängelte die Gewährträgerhaftung aus beihilferechtlicher Sicht, da sie öffentlichen Banken einen Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Instituten verschaffte. Nach intensiven Verhandlungen verpflichtete sich Deutschland, die Gewährträgerhaftung für neu begründete Verbindlichkeiten der öffentlich-rechtlichen Banken ab dem 19. Juli 2005 abzuschaffen (sog. „Brüsseler Konkordanz“). Altverbindlichkeiten, die vor diesem Stichtag begründet wurden, unterliegen nach wie vor dem alten Haftungsregime. Die Abschaffung führte dazu, dass öffentlich-rechtliche Banken nun den gleichen marktwirtschaftlichen Bedingungen unterliegen wie private Banken, zum Beispiel in Bezug auf Refinanzierungskosten und Kreditvergabe. Dies erhöhte die Anforderungen an das Risikomanagement und die Eigenkapitalausstattung öffentlicher Kreditinstitute erheblich.

Welche Voraussetzungen müssen für das Eingreifen der Gewährträgerhaftung erfüllt sein?

Die Gewährträgerhaftung tritt grundsätzlich erst ein, wenn das betreffende öffentliche Institut seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann und die Gläubiger des Instituts einen tatsächlichen Ausfall erleiden. In der Praxis wird danach verlangt, dass zunächst der Liquidations- oder Insolvenzfall eintritt und sämtliche anderen Möglichkeiten der Befriedigung der Gläubiger erschöpft sind. Der Gläubiger muss üblicherweise den vollständigen Durchgriff – also den Versuch, seine Forderung über das Vermögen des Instituts zu realisieren – nachweisen, bevor er den Gewährträger in Anspruch nehmen kann. Das Haftungsregime ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich um eine subsidiäre – also nachrangige – Haftung handelt.

Wer sind typische Gewährträger im Sinne der Gewährträgerhaftung?

Typische Gewährträger sind Gebietskörperschaften, d. h. Kommunen, Landkreise, Städte und Gemeinden sowie Länder oder der Bund, soweit sie Träger von Anstalten oder Kreditinstituten sind. Im Bankwesen sind dies vor allem die Städte und Landkreise als Träger von Sparkassen und die Bundesländer als Träger von Landesbanken. Auch der Bund tritt als Gewährträger bei bestimmten Förderbanken, etwa der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), auf. In Einzelfällen können auch durch Gesetz eingerichtete Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen öffentlichen Rechts als Gewährträger fungieren, sofern ihnen die Haftung ausdrücklich zugewiesen wird.

Wie wirkt sich die Gewährträgerhaftung auf die Kreditwürdigkeit öffentlicher Institute aus?

Die Existenz einer Gewährträgerhaftung führte in der Vergangenheit zu einer erheblich verbesserten Kreditwürdigkeit der betroffenen Institute. Kreditgeber und Rating-Agenturen bewerteten Forderungen gegen diese Banken risikomindernd bzw. als ausfallsicher. Dies erlaubte den Instituten, sich zu günstigen Zinssätzen am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Aufgrund der sukzessiven Abschaffung und Einschränkung (siehe Brüsseler Konkordanz) werden seitdem öffentlich-rechtliche Banken risikoadäquater bewertet, was tendenziell zu einer Angleichung der Kreditkonditionen an privatwirtschaftliche Wettbewerber geführt hat. Für Altverbindlichkeiten, bei denen die Gewährträgerhaftung noch greift, besteht jedoch weiterhin ein entsprechender Vorteil.