Begriff und rechtliche Einordnung der Getrennten Veranlagung
Die Getrennte Veranlagung ist ein Begriff aus dem deutschen Steuerrecht und bezeichnet eine besondere Form der steuerlichen Einkommensveranlagung für Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner. Sie stellt eine Alternative zur Zusammenveranlagung dar und findet insbesondere im Einkommensteuerrecht (§ 26a Einkommensteuergesetz – EStG) Anwendung. Anstelle der einheitlichen Steuerberechnung für gemeinsam veranlagte Ehe- oder Lebenspartner wird bei der Getrennten Veranlagung das zu versteuernde Einkommen jeder Person einzeln ermittelt und besteuert.
Grundlagen und Voraussetzungen der Getrennten Veranlagung
Persönliche Voraussetzungen
Für die Möglichkeit der Getrennten Veranlagung müssen die Steuersubjekte im betreffenden Kalenderjahr nach deutschem Recht entweder:
- miteinander verheiratet sein und nicht dauerhaft getrennt leben oder
- eine eingetragene Lebenspartnerschaft führen und nicht dauernd getrennt leben.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können die Partner jährlich gemeinsam wählen, ob sie die Zusammenveranlagung oder die getrennte Veranlagung in Anspruch nehmen möchten. Die getrennte Veranlagung ist immer dann ausgeschlossen, wenn einer der Ehegatten oder Lebenspartner die Zusammenveranlagung beantragt und der andere keine abweichende Erklärung abgibt.
Form der Antragstellung
Die Wahl der Veranlagungsart wird grundsätzlich mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung bekannt gegeben. Die Getrennte Veranlagung muss ausdrücklich beantragt werden, ansonsten erfolgt die Zusammenveranlagung als Regelfall. Zudem erkennen die Finanzämter eine abweichende Erklärung beider Partner nur dann an, wenn diese innerhalb der gesetzlichen Frist und für dasselbe Kalenderjahr abgegeben wird.
Ablauf der Besteuerung bei Getrennter Veranlagung
Individuelle Ermittlung des zu versteuernden Einkommens
Bei der Getrennten Veranlagung wird das zu versteuernde Einkommen jedes Ehegatten oder Lebenspartners separat nach den Vorgaben des Einkommensteuergesetzes ermittelt. Dabei werden die Einkünfte, Freibeträge, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen ausschließlich der betreffenden Person zugeordnet. Jeder Partner reicht eine eigene Einkommensteuererklärung ein und erhält einen eigenen Steuerbescheid.
Aufteilung gemeinsamer Aufwendungen
Bestimmte Kosten, die nicht eindeutig einer Person zuzuordnen sind (beispielsweise Beiträge zu einer gemeinsamen Krankenversicherung oder außergewöhnliche Belastungen gemeinsamer Art), werden entweder hälftig auf beide Partner aufgeteilt oder gemäß einer anderen, nachweisbaren Verteilung berücksichtigt.
Steuerberechnung und Tarifanwendung
Im Gegensatz zur Zusammenveranlagung, bei der das sogenannte Ehegattensplitting zum Tragen kommt, wird bei der Getrennten Veranlagung für jede Person der individuelle Einkommensteuertarif angewendet. Dadurch können sich in bestimmten Fällen steuerliche Unterschiede ergaben, die insbesondere für Partner mit unterschiedlich hohen Einkommen von Bedeutung sind.
Rechtliche Entwicklungen und Varianten der Getrennten Veranlagung
Historische Entwicklung
Vor dem Steuervereinfachungsgesetz 2013 (§ 26a EStG n.F.) sah das Gesetz die Wahl zwischen Getrennter Veranlagung und der besonderen Veranlagung nach § 26c EStG a.F. vor. Seitdem ist die gesonderte Veranlagung entfallen, und die heutige Getrennte Veranlagung ist mit der bis 2012 geltenden Form nicht mehr identisch. Nach aktueller Rechtslage (Stand: 2024) gibt es nur noch die Zusammenveranlagung und die Getrennte Veranlagung.
Getrennte Veranlagung bei Trennung oder Scheidung
Im Fall einer dauerhaften Trennung oder Scheidung wird die Zusammenveranlagung nicht mehr gewährt; für das betreffende Jahr ist automatisch die Einzelveranlagung maßgeblich. Ab dem Zeitpunkt der Trennung oder der rechtskräftigen Scheidung gelten beide Partner steuerlich als Einzelpersonen.
Anwendung bei Ehegatten mit Auslandsbezug
Wenn einer der Ehegatten oder Lebenspartner im Ausland lebt, bestehen besondere Anforderungen hinsichtlich der steuerlichen Veranlagung. Maßgeblich ist hier die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland; andernfalls greifen die Regelungen zur beschränkten Steuerpflicht. Die Wahl der Getrennten Veranlagung kann in solchen Konstellationen Unterschiede bei der Berücksichtigung grenzüberschreitender Einkünfte und Freibeträge mit sich bringen.
Unterschiede zur Zusammenveranlagung
Ehegattensplitting und Steuerbelastung
Das Ehegattensplitting, das bei der Zusammenveranlagung Anwendung findet, führt oft zu einer geringeren Steuerbelastung, wenn die Einkommen der Partner unterschiedlich hoch sind. Bei der Getrennten Veranlagung entfällt dieser Vorteil. Paare mit ausgeglichenen Einkommensverhältnissen erfahren dagegen meist keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Veranlagungsarten.
Berücksichtigung von Freibeträgen und Pauschbeträgen
Freibeträge wie der Grundfreibetrag, der Sonderausgaben-Pauschbetrag und der Kinderfreibetrag stehen bei der Getrennten Veranlagung jedem Partner für sein eigenes Einkommen zu. Ebenso werden Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen individuell berücksichtigt.
Praktische Bedeutung und Anwendungsfälle
Steuerliche Auswirkungen
Die Getrennte Veranlagung kann sich insbesondere dann lohnen, wenn einer der Partner hohe abzugsfähige Kosten alleine trägt oder wenn bestimmte Freibeträge, Pauschalen und Steuerermäßigungen ausschließlich einer Person zustehen sollen. Auch im Fall von Unterhaltszahlungen oder außergewöhnlichen Belastungen erweist sich diese Veranlagungsart in einigen Situationen als steuerlich vorteilhaft.
Familienrechtliche Bezüge
Im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder dem Bezug von Kindergeld und steuerlichen Vergünstigungen für Kinder spielen die Festlegungen zur Getrennten Veranlagung eine zentrale Rolle. Das Einkommen beider Partner muss gesondert ermittelt werden, was auch für Fragen der wirtschaftlichen Selbständigkeit oder Unterhaltspflichten bedeutsam ist.
Rechtsfolgen und steuerliche Konsequenzen
Steuerbescheide und Zahlungsmodalitäten
Bei der Getrennten Veranlagung erhält jeder Partner einen eigenen Steuerbescheid. Das Finanzamt gibt somit individuell Auskunft über festgesetzte Steuern, Nachzahlungen und Erstattungen. Ebenso haften die Ehegatten grundsätzlich nicht für die Steuerverbindlichkeiten des jeweils anderen, da keine gesamtschuldnerische Haftung besteht.
Anrechnung und Aufteilung von Steuervergünstigungen
Steuervergünstigungen wie die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen sowie die Anrechnung von Lohnsteuer-Abzugsbeträgen werden bei der Getrennten Veranlagung in der Regel jeweils demjenigen zugeschrieben, der die entsprechende Aufwendung getragen hat.
Gesetzliche Grundlagen und Literaturhinweise
Zentrale Gesetzesnormen
Die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen zur Getrennten Veranlagung finden sich insbesondere in:
- § 26 EStG (Eheliche Steuerpflicht und Veranlagungswahlrecht)
- § 26a EStG (Getrennte Veranlagung von Ehegatten)
- § 32a EStG (Einkommensteuertarif)
Weiterführende Literatur
Eine umfassende Betrachtung dieses Themas bieten neben den Kommentaren zum Einkommensteuergesetz einschlägige Fachzeitschriften und steuerrechtliche Leitfäden.
Zusammenfassung
Die Getrennte Veranlagung bildet eine zentrale Alternative zur Zusammenveranlagung im deutschen Einkommensteuerrecht. Durch ihre spezifischen Regelungen bietet sie steuerliche und rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner, etwa bei besonderen Einkommens- und Aufwandsverhältnissen oder im Trennungsfall. Die Entscheidung für diese Veranlagungsart sollte stets unter Berücksichtigung der individuellen Einkommens- und Lebenssituation erfolgen. Die begriffliche und rechtliche Einordnung, die gesetzlichen Grundlagen sowie praktische Auswirkungen machen die Getrennte Veranlagung zu einem bedeutsamen Bestandteil des Steuerrechts in Deutschland.
Häufig gestellte Fragen
Wie beantrage ich die getrennte Veranlagung beim Finanzamt?
Die getrennte Veranlagung von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern muss ausdrücklich beantragt werden, und zwar durch einen entsprechenden Vermerk in der jeweiligen Einkommensteuererklärung. Es genügt hierbei, wenn einer der beiden Partner die getrennte Veranlagung beantragt, da das Finanzamt in solchen Fällen automatisch beide Ehegatten getrennt veranlagt. Eine formlose Mitteilung im Hauptvordruck oder das Ankreuzen der entsprechenden Zeile in der Steuererklärung reicht aus. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass für jedes Jahr ein neuer Antrag gestellt werden muss, da die getrennte Veranlagung nicht automatisch für Folgejahre gilt. Die Antragsfrist endet mit Ablauf der Festsetzungsfrist für die Steuererklärung, in der Regel vier Jahre nach Ablauf des Steuerjahres. Eine rückwirkende Änderung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen gemäß den §§ 351, 352 AO möglich, etwa wenn die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist und der Antrag eindeutig und unmissverständlich gestellt wurde.
Welche rechtlichen Folgen hat die getrennte Veranlagung für die Steuerpflichtigen?
Die getrennte Veranlagung führt dazu, dass die Ehegatten oder Lebenspartner steuerlich wie Einzelpersonen behandelt werden. Das bedeutet insbesondere, dass jeder Ehegatte beziehungsweise Lebenspartner ausschließlich das eigene Einkommen und die eigenen Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen sowie Steuerermäßigungen geltend machen kann. Gemeinsame Aufwendungen, wie Kinderbetreuungskosten oder Unterhaltsleistungen, können steuerlich nur anteilig, entsprechend der tatsächlichen Belastung oder gemäß einer vertraglichen Aufteilung genutzt werden. Weiterhin werden Ehegatten im Rahmen der getrennten Veranlagung nicht nach dem Ehegattensplitting besteuert, sondern jeder nach dem Grundtarif. Dies kann insbesondere steuerliche Nachteile für den Partner mit dem niedrigeren Einkommen bedeuten, da die Progressionsvorteile des Splittingtarifs entfallen.
Gibt es Fristen, die im Zusammenhang mit der Beantragung der getrennten Veranlagung zu beachten sind?
Ja, die getrennte Veranlagung kann nur innerhalb der Festsetzungsfrist für das jeweilige Steuerjahr beantragt werden. Diese beträgt grundsätzlich vier Jahre nach Ablauf des betreffenden Kalenderjahres (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Nach Ablauf dieser Frist ist eine Änderung der Veranlagungsart in der Regel nicht mehr möglich. Eine Ausnahme bilden Fälle, in denen ein Grundlagenbescheid oder eine Steuerfestsetzung geändert wird. Außerdem ist ein Wechsel der Veranlagungsart innerhalb der Einspruchsfrist zum Steuerbescheid möglich, sofern noch kein bestandskräftiger Bescheid vorliegt. Es ist wichtig, die Fristen genau zu beachten, da ein Fristversäumnis regelmäßig zum endgültigen Verlust des Wahlrechts bezüglich der Veranlagungsart führt.
Ist eine nachträgliche Änderung der Veranlagungsart von gemeinsamer zu getrennter Veranlagung möglich?
Eine nachträgliche Änderung der Veranlagungsart ist grundsätzlich bis zur Bestandskraft des Steuerbescheides möglich (§ 26 Abs. 2 Satz 2 EStG). Das heißt, solange der Steuerbescheid nicht unanfechtbar ist, kann der Antrag auf getrennte Veranlagung noch gestellt beziehungsweise die bisher gewählte Veranlagungsart geändert werden. Nach Eintritt der Bestandskraft kann eine Änderung grundsätzlich nur noch im Rahmen der Korrekturvorschriften der Abgabenordnung erfolgen, etwa im Falle neuer Tatsachen oder wenn zu Gunsten des Steuerpflichtigen ein Fehler auffällt (§§ 172 ff. AO). Die Änderungsmöglichkeiten sind nach Eintritt der Bestandskraft jedoch deutlich eingeschränkt und in der Praxis selten erfolgreich.
Können Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen bei getrennter Veranlagung gemeinsam genutzt werden?
Bei der getrennten Veranlagung können Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich nur von demjenigen Ehegatten angegeben und steuerlich geltend gemacht werden, der sie tatsächlich getragen hat (§ 26a Abs. 2 EStG). Eine gemeinsame Berücksichtigung oder beliebige Aufteilung zwischen den Ehegatten ist in der Regel ausgeschlossen. Ausnahmen gelten für bestimmte Aufwendungen, wie zum Beispiel Kinderbetreuungskosten oder bestimmte Steuerermäßigungen gemäß § 35a EStG, die nach dem Verhältnis der jeweiligen Aufwendungen oder entsprechend der vertraglichen Regelung aufgeteilt werden dürfen. Es obliegt den Steuerpflichtigen, die entsprechende wirtschaftliche Belastung durch geeignete Nachweise (Quittungen, Verträge, Kontoauszüge) gegenüber dem Finanzamt zu belegen, um die Zuordnung der Kosten eindeutig zu machen.
Ist die getrennte Veranlagung trotz Zusammenlebens der Ehegatten rechtlich zulässig?
Ja, die getrennte Veranlagung ist losgelöst von der Frage des Zusammenlebens oder einer Trennung der Ehegatten bzw. Lebenspartner möglich. Die Ehegatten müssen lediglich beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sein und dürfen nicht dauernd getrennt leben (§ 26 Abs. 1 EStG). Die Wahl der getrennten Veranlagung stellt eine Alternative zur Zusammenveranlagung dar – unabhängig von der tatsächlichen Lebenssituation. Ausschließlich im Fall des dauernden Getrenntlebens ist die Zusammenveranlagung gesetzlich ausgeschlossen und es erfolgt zwingend eine Einzelveranlagung.
Können bei getrennter Veranlagung beide Ehegatten den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende geltend machen?
Nein, der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG kann jeweils nur derjenige Ehegatte oder Lebenspartner in Anspruch nehmen, der mit mindestens einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag hat, alleinstehend ist. Besteht während des gesamten Steuerjahres eine Ehe oder Lebenspartnerschaft und leben die Ehegatten/Lebenspartner nicht dauerhaft getrennt, steht der Entlastungsbetrag grundsätzlich keinem der beiden zu, selbst wenn eine getrennte Veranlagung gewählt wurde. Nur im Fall des dauernden Getrenntlebens oder einer Scheidung während des Steuerjahres könnte einer der Ehegatten die Voraussetzungen für den Entlastungsbetrag erfüllen, sofern das Kind ausschließlich bei ihm lebt und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person besteht.