Begriff und Grundlagen des gesetzlichen Erbrechts
Das gesetzliche Erbrecht ist ein zentrales Rechtsinstitut des deutschen Erbrechts. Es regelt, wie und nach welchen Grundsätzen der Nachlass einer verstorbenen Person („Erblasser“) unter den gesetzlichen Erben verteilt wird, sofern keine wirksame letztwillige Verfügung – wie ein Testament oder Erbvertrag – existiert. Ziel ist die geregelte Vermögensnachfolge der natürlichen Personen in einer gesetzlich festgelegten Rangordnung und Reihenfolge. Das gesetzliche Erbrecht ist in den §§ 1924 bis 1936 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) normiert.
Anwendungsbereich des gesetzlichen Erbrechts
Das gesetzliche Erbrecht entfaltet seine Wirkung immer dann, wenn der Erblasser keine eigene Verfügung von Todes wegen getroffen hat oder wenn diese unwirksam, unvollständig oder lückenhaft ist. Auch für die Auslegung und Abwicklung von Testamenten ist das gesetzliche Erbrecht häufig maßgeblich, etwa bei der Bestimmung der Pflichtteilsberechtigten oder der Quoten für bestimmte Erben.
Gesetzliche Erben und ihre Ordnungen
Erben erster Ordnung: Abkömmlinge
Gemäß § 1924 BGB sind die Abkömmlinge des Erblassers, also Kinder, Enkel, Urenkel usw., die gesetzlichen Erben erster Ordnung. Sie schließen weiter entfernte Verwandte aus und erben grundsätzlich zu gleichen Teilen. Sind Kinder bereits verstorben, treten deren Abkömmlinge (Enkel) an deren Stelle.
Erben zweiter Ordnung: Eltern und deren Abkömmlinge
Sind keine Erben erster Ordnung vorhanden, kommen nach § 1925 BGB die Eltern des Erblassers und deren Nachkommen (Geschwister, Nichten, Neffen) als gesetzliche Erben zweiter Ordnung in Betracht. Die Eltern erben zunächst zu gleichen Teilen, deren Nachkommen treten an die Stelle eines verstorbenen Elternteils (Eintrittsrecht).
Erben dritter Ordnung: Großeltern und deren Abkömmlinge
Fehlen auch Erben zweiter Ordnung, folgt gemäß § 1926 BGB die dritte Ordnung, bestehend aus den Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlingen. Auch hier gilt das Eintrittsprinzip analog zu höheren Ordnungen.
Weitere Erbordnungen
Weitere Ordnungen (vierte und folgende), untergliedert nach Urgroßeltern und deren Nachkommen, werden gemäß § 1928 BGB berufen, wenn in den vorhergehenden Ordnungen keine Erben mehr vorhanden sind. Die Berufung zur Erbfolge endet mit der vierten Ordnung.
Ehegattenerbrecht und Lebenspartnerschaft
Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten
Der überlebende Ehegatte steht neben Verwandtenerben zu einer eigenen Erbquote (§ 1931 BGB). Die Höhe des Erbteils richtet sich nach dem ehelichen Güterstand und der Konkurrenz zu anderen Erbenordnungen.
- Neben Erben erster Ordnung erhält der Ehegatte ein Viertel des Nachlasses, bei Zugewinngemeinschaft nach § 1371 BGB erhöht sich der Anteil auf die Hälfte.
- Neben Erben zweiter Ordnung oder Großeltern erbt der überlebende Ehegatte die Hälfte; auch hier ist eine Erhöhung bei Zugewinngemeinschaft möglich.
Eingetragene Lebenspartnerschaft
Gemäß § 10 LPartG gilt für eingetragene Lebenspartner das gleiche gesetzliche Erbrecht wie für Ehegatten.
Besonderheiten und Ausschlüsse
Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge
Vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen sind Personen, die durch eine Verfügung von Todes wegen enterbt wurden oder aus erbrechtlichen Gründen infolge z.B. Erbunwürdigkeit (§ 2339 BGB) ausgeschlossen sind. Außerdem gehen Angehörige einer nachgelagerten Ordnung immer nur dann in die gesetzliche Erbfolge ein, wenn keine Erben einer höherrangigen Ordnung vorhanden sind.
Vor- und Nacherbfolge im gesetzlichen Erbrecht
Das Institut der Vor- und Nacherbfolge ist grundsätzlich eine letztwillige Anordnung, kann aber auch im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge an Relevanz gewinnen, beispielsweise wenn ein eingesetzter Vormund den Nachlass zunächst erhält, bis der eigentliche Erbe eine bestimmte Voraussetzung erfüllt.
Erbteile und Erbquoten
Ermittlung der Erbquoten
Die Erbquote eines gesetzlichen Erben richtet sich nach seiner Stellung innerhalb der Erbordnung und der Zahl der Erben gleichen Ranges. Sind mehrere Abkömmlinge vorhanden, erben sie zu gleichen Teilen. Besonderheiten können sich durch Ehe- und Lebenspartnerschaften sowie Güterstand ergeben.
Gesetzliche Erbfolge bei mehreren Erben
Sind mehrere gesetzliche Erben vorhanden, entsteht eine Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB). Jeder Erbe erwirbt zunächst einen ideellen Anteil am Gesamtnachlass. Die Auseinandersetzung erfolgt nach den gesetzlichen Vorgaben.
Abweichungen von der gesetzlichen Erbfolge
Verfügungen von Todes wegen
Testamente und Erbverträge gehen dem gesetzlichen Erbrecht vor. Die gesetzliche Erbfolge tritt dann lediglich ein, wenn keine oder nur teilunwirksame Verfügungen vorliegen oder bestimmte Nachlasspositionen nicht testamentarisch geregelt wurden.
Pflichtteilsrecht
Das Pflichtteilsrecht bildet einen Schutzmechanismus für nahe Angehörige (z.B. Kinder, Ehegatte), die im Testament enterbt wurden. Sie haben gegen die Erben einen Anspruch auf Auszahlung eines Pflichtteils, der sich am Wert des gesetzlichen Erbteils bemisst (§§ 2303 ff. BGB).
Internationales Privatrecht
Im Falle von Nachlässen mit Auslandsbezug – etwa weil der Erblasser im Ausland lebte oder Vermögen im Ausland hinterlässt – können Vorschriften des internationalen Erbrechts relevant werden. Gemäß der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) ist grundsätzlich das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblich.
Gesetzliche Erbfolge nach dem BGB – Zusammenfassung
Das gesetzliche Erbrecht bildet das Herzstück der Vermögensübertragung von einer verstorbenen Person auf deren Angehörige in festgelegter Rangfolge und Quoten. Die gesetzlichen Regelungen gewährleisten eine verlässliche und gerechte Nachlassverteilung, sofern keine testamentarische Verfügung getroffen wurde. Nach dem Wegfall von Ehegatten und Verwandten aller Ordnungen fällt das Erbe dem Staat (§ 1936 BGB) zu.
Siehe auch:
- Erbrecht
- Erbschaftsteuer
- Nachlassgericht
- Testament
- Pflichtteil
Rechtliche Grundlagen:
- §§ 1922 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)
- LPartG (Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft)
- EuErbVO (Europäische Erbrechtsverordnung)
Häufig gestellte Fragen
Wer sind nach deutschem Recht die gesetzlichen Erben erster Ordnung?
Zu den gesetzlichen Erben erster Ordnung zählen gemäß § 1924 BGB die Abkömmlinge des Erblassers, das heißt insbesondere die Kinder, Enkelkinder und Urenkel. Adoptivkinder stehen leiblichen Kindern erbrechtlich gleich. Bestehen mehrere Abkömmlinge, so erben sie zu gleichen Teilen. Ist ein Abkömmling bereits vorverstorben, treten dessen wiederum vorhandene Abkömmlinge an dessen Stelle (Erbfolge nach Stämmen, sogenannte Eintritts- oder Repräsentationsprinzip). Enkelkinder kommen also nur zum Zuge, wenn das entsprechende Kind des Erblassers bereits verstorben ist. Adoptivkinder haben ein gesetzliches Erbrecht, während Stiefkinder ohne Adoption kein gesetzliches Erbrecht besitzen. Nichteheliche Kinder, die nach dem 1. Juli 1949 geboren wurden, sind ehelichen Kindern im Erbrecht gleichgestellt. Die konkrete Aufteilung des Nachlasses erfolgt im Wege der gesetzlichen Erbquote, abhängig von der Zahl und dem Verwandtschaftsverhältnis der vorhandenen Abkömmlinge.
Wie erfolgt die Erbfolge, wenn weder Ehegatte noch Abkömmlinge vorhanden sind?
Sind weder Ehegatte noch Abkömmlinge des Erblassers vorhanden, so sieht das Bürgerliche Gesetzbuch in § 1925 BGB die Erben zweiter Ordnung vor. Hierzu zählen insbesondere die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also Geschwister, Neffen und Nichten. Das Erbrecht der zweiten Ordnung greift jedoch nur dann, wenn keine Erben erster Ordnung existieren. Leben beide Elternteile des Erblassers, so erben sie zu gleichen Teilen. Ist ein Elternteil bereits verstorben, treten dessen Kinder-also Geschwister des Erblassers-an dessen Stelle. Nichten und Neffen werden nur erbberechtigt, wenn ihr Elternteil (das Geschwisterteil des Erblassers) bereits verstorben ist. Sind sowohl Eltern als auch deren Abkömmlinge nicht mehr vorhanden, fällt der Nachlass an die Erben dritter Ordnung.
Wie werden Ehegatten im gesetzlichen Erbrecht behandelt und welche Erbquote steht ihnen zu?
Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner des Erblassers ist nach §§ 1931, 1371 BGB gesetzlicher Erbe neben den Verwandtenerben. Die Erbquote richtet sich zum einen danach, welche anderen gesetzlichen Erben vorhanden sind, und zum anderen nach dem ehelichen Güterstand. Sind Abkömmlinge vorhanden, beträgt der gesetzliche Erbteil des Ehegatten ein Viertel. Sind nur Erben zweiter Ordnung (Eltern, Geschwister) oder Großeltern vorhanden, erhält der Ehegatte die Hälfte des Erbes. Bestand zwischen den Eheleuten der Güterstand der Zugewinngemeinschaft, erhöht sich der Erbteil des Ehegatten um ein weiteres Viertel als pauschalen Zugewinnausgleich, sodass der Erbteil bei Vorhandensein von Kindern insgesamt ein Halb beträgt. Bei Gütertrennung und anderen Güterständen ist auf die gesetzlichen Bestimmungen und vertraglichen Abreden abzustellen, die zu teilweise erheblich abweichenden Quoten führen können.
Wie ist die gesetzliche Erbfolge geregelt, wenn der Erblasser kein Testament hinterlässt?
Hinterlässt ein Erblasser kein wirksames Testament oder keinen Erbvertrag (d.h. ist er intestat verstorben), greift automatisch die gesetzliche Erbfolge gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 1924 ff. BGB). Die gesetzlichen Erben werden dabei nach Ordnungen bestimmt: Zuerst erben die Abkömmlinge (erste Ordnung), andernfalls folgen die Eltern und Geschwister (zweite Ordnung), dann Großeltern und deren Abkömmlinge (dritte Ordnung) und im Weiteren aufsteigend entfernte Verwandte. Der überlebende Ehegatte erbt ebenfalls entsprechend seiner gesetzlichen Quote. Sind keine gesetzlichen Erben verfügbar, tritt der Staat als gesetzlicher Erbe letzter Instanz ein. Die gesetzliche Erbfolge regelt dabei sowohl die Reihenfolge als auch die Aufteilung des Nachlasses nach festgelegten Quoten und berücksichtigt zugleich Sonderfälle wie Adoption, vorverstorbenen Erben (Vertretungsrecht) und den Güterstand.
Was versteht man unter der „Anwachsung“ im gesetzlichen Erbrecht?
Der Begriff der „Anwachsung“ bezieht sich im gesetzlichen Erbrecht auf den Umstand, dass der Erbteil eines wegfallenden Miterben auf die verbleibenden Miterben übergeht. Dies tritt etwa ein, wenn ein gesetzlicher Erbe vor dem Erbfall verstirbt und keine Nachkommen hinterlässt, die ihn aufgrund des Eintrittsrechts vertreten könnten. In solchen Fällen erhöht sich die Erbquote der verbleibenden Miterben entsprechend ihrer bisherigen Quote am Nachlass. Die Anwachsung findet auch Anwendung, wenn ein Erbe die Erbschaft ausschlägt oder erbunwürdig ist und keine Ersatzpersonen vorhanden sind. Die genaue Verteilung richtet sich dabei stets nach der gesetzlichen Erbfolgeordnung und den zum Zeitpunkt des Erbfalls existierenden Erben.
Welche Ausschlussgründe gibt es im gesetzlichen Erbrecht?
Im deutschen Erbrecht gibt es verschiedene Gründe, wodurch eine Person als gesetzlicher Erbe ausgeschlossen werden kann. Dazu zählt beispielsweise die Erbunwürdigkeit gemäß § 2339 BGB. Erbunwürdig ist, wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder an einer solchen Tat mitgewirkt hat, wer den Erblasser durch Täuschung oder Drohung zur Errichtung oder Aufhebung eines Testaments bestimmt hat oder wer das Testament des Erblassers gefälscht oder vernichtet hat. Auch die Ausschlagung der Erbschaft führt zum Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge für den jeweiligen Erben, ebenso wie der Tod vor dem Erblasser ohne eigene Abkömmlinge. Ehegatten sind zudem ausgeschlossen, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls rechtskräftig geschieden oder der Scheidungsantrag gestellt und die Voraussetzungen für die Scheidung vorlagen.
Was passiert, wenn keine gesetzlichen Erben vorhanden sind?
Wenn der Erblasser keine gesetzlichen Erben hinterlässt-also kein Ehegatte, keine Abkömmlinge, keine Verwandten bis zur vierten Ordnung vorhanden sind-fällt der Nachlass an den Staat, gemäß § 1936 BGB. Der Staat wird damit sogenannter „gesetzlicher Erbe letzter Ordnung“. Der Staat haftet dabei nur beschränkt für Nachlassverbindlichkeiten, das heißt, er haftet lediglich mit dem Nachlass selbst und nicht mit dem eigenen Vermögen. Das Nachlassgericht setzt den Staat dann als Erben ein, wobei keine gesonderte Annahmeerklärung erforderlich ist und der Staat in die Rechtsposition des Erben umfassend eintritt.