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Gesetzliche Rentenversicherung


Begriff und Grundprinzip der Gesetzlichen Rentenversicherung

Die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) ist ein elementarer Bestandteil des deutschen Sozialversicherungssystems und dient der finanziellen Absicherung im Alter, bei Erwerbsminderung sowie im Todesfall zugunsten der Hinterbliebenen. Als sogenannte Zweigversicherung innerhalb der Sozialversicherung unterliegt sie umfassenden rechtlichen Rahmenbedingungen und wird überwiegend durch das Sechste Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelt.

Die gesetzliche Rentenversicherung basiert auf dem Umlageverfahren: Die aktuell erwirtschafteten Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber werden unmittelbar für die Rentenzahlungen der berechtigten Rentenempfänger verwendet. Dadurch bietet sie eine solidarische Absicherung gegen bestimmte biometrische Risiken.

Rechtsgrundlagen der Gesetzlichen Rentenversicherung

Sozialgesetzbuch VI (SGB VI)

Die maßgeblichen Vorschriften ergeben sich aus dem SGB VI. Dieses regelt weitreichend:

  • Die Versicherungspflicht (§§ 1 ff. SGB VI)
  • Die Beitragsberechnung und Beitragstragung (§§ 157 ff. SGB VI)
  • Die rentenrechtlichen Ansprüche sowie deren Berechnung (§§ 34 ff. SGB VI)
  • Die Durchführung und Organisation der Rentenversicherung (§§ 120 ff. SGB VI)
  • Die Sonder- und Übergangsregelungen (§§ 292 ff. SGB VI)

Zusatzregelungen bestehen unter anderem in weiteren Sozialgesetzbüchern sowie im Steuerrecht.

Weitere relevante Vorschriften

  • Sozialgesetzbuch IV (SGB IV): Allgemeine Vorschriften zu den Sozialversicherungen
  • Sozialgesetzbuch X (SGB X): Sozialverwaltungsverfahren
  • Sozialgesetzbuch I (SGB I): Allgemeiner Teil

Versicherungsrechtliche Grundlagen

Versicherungspflicht und -freiheit

Die Versicherungspflicht umfasst gem. § 1 SGB VI insbesondere:

  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
  • bestimmte Selbstständige (z. B. Handwerker, Lehrer)
  • Auszubildende
  • Personen im Bundesfreiwilligendienst

Die Versicherungspflicht beginnt mit der Beschäftigungsaufnahme und endet grundsätzlich mit der Beendigung des versicherungspflichtigen Verhältnisses. Versicherungsfreiheit besteht beispielsweise für Beamte, Richter, Soldaten sowie Personen, die anderweitig abgesichert sind (z. B. über berufsständische Versorgungseinrichtungen).

Beitragspflicht und Beitragsberechnung

Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung werden zu gleichen Teilen von Versicherten und Arbeitgebern getragen. Die Beitragshöhe orientiert sich am Bruttolohn bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Beitragspflichtig sind auch bestimmte Einnahmen aus geringfügigen Beschäftigungen sowie freiwillige Beiträge.

Leistungsrecht der Gesetzlichen Rentenversicherung

Rentenarten

Das SGB VI differenziert folgende Hauptleistungsarten:

Altersrente

Voraussetzungen, Renteneintrittsalter und Rentenform werden im SGB VI detailliert geregelt (z. B. Regelaltersrente nach § 35 SGB VI, Rente für langjährig Versicherte nach § 36 SGB VI).

Erwerbsminderungsrente

Die Erwerbsminderungsrente springt ein, wenn Versicherte aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft oder vorübergehend nicht (voll) leistungsfähig sind (§§ 43 ff. SGB VI).

Hinterbliebenenrenten

Zu den Hinterbliebenenrenten zählen Witwen-/Witwerrenten, Waisenrenten und Erziehungsrenten (§§ 46 ff. SGB VI).

Sonstige Leistungen

Weitere Leistungen sind u.a. Rehabilitationsleistungen, und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 9 ff., §§ 16 ff. SGB VI).

Rentenberechnung

Die Höhe der Rentenansprüche orientiert sich an sogenannten Entgeltpunkten, die Versicherte im Laufe ihres Erwerbslebens sammeln. Weitere Berechnungsparameter sind der aktuelle Rentenwert und verschiedene Zugangsfaktoren (§ 64 ff. SGB VI).

Organisation und Verwaltung der Gesetzlichen Rentenversicherung

Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung

Die Durchführung der Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung obliegt eigenständigen Versicherungsträgern, im Wesentlichen:

  • Deutsche Rentenversicherung Bund
  • Regionalträger (z. B. Deutsche Rentenversicherung Nord, Knappschaft-Bahn-See)

Diese Körperschaften des öffentlichen Rechts unterstehen der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Verfahren und Widerspruchsrecht

Entscheidungen der Rentenversicherungsträger erfolgen durch Verwaltungsakte. Gegen ablehnende Bescheide kann auf dem vorgeschriebenen sozialrechtlichen Weg Widerspruch und sodann Klage beim Sozialgericht erhoben werden (§§ 78 ff. SGG).

Finanzierung und Umlageverfahren

Umlageverfahren

Die gesetzliche Rentenversicherung finanziert sich im Umlageverfahren („Generationenvertrag“): Die aktuelle Erwerbsbevölkerung finanziert mit ihren Beiträgen die Renten der vergangenen Generationen. Ziel ist die solidarische Existenzsicherung.

Beiträge und Zuschüsse

Neben den Pflichtbeiträgen leisten Bund und Länder zusätzliche Zuschüsse aus Steuermitteln, um die finanzielle Stabilität des Systems dauerhaft zu gewährleisten.

Rücklagen

Für kurzfristige Schwankungen des Beitragsaufkommens sieht das Gesetz die Bildung einer Nachhaltigkeitsrücklage vor (§ 216 SGB VI).

Sonderregelungen und Ausnahmen

Freiwillige Versicherung

Personen ohne Versicherungspflicht können durch freiwillige Beiträge eine Rentenversicherung begründen oder aufrechterhalten (§ 7 SGB VI).

Auslandsbezug

Sonderregelungen existieren für im Ausland tätige Personen, Arbeitskräfte aus dem Ausland sowie bei Wohnsitzverlagerung ins Ausland. Deutschland hat hierfür zahlreiche Sozialversicherungsabkommen geschlossen (§§ 121 ff. SGB VI).

Reformen und Entwicklung

Die gesetzliche Rentenversicherung unterliegt kontinuierlichen Reformprozessen, insbesondere hinsichtlich Demografie, Beitragshöhe, Rentenniveau und Renteneintrittsalter. Zentrale Reformen der letzten Jahre betreffen die Einführung der „Rente mit 67″ und die Förderung zusätzlicher privater Altersvorsorge (z. B. Riester-Rente).

Bedeutungsfelder und Funktion

Die gesetzliche Rentenversicherung ist das wichtigste Altersvorsorgesystem in Deutschland und übernimmt die Grundsicherung im Alter sowie bei Erwerbsminderung und für Hinterbliebene. Sie stellt einen bedeutenden Pfeiler des Sozialstaatsprinzips des Grundgesetzes dar.


Siehe auch:

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