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Gesetzliche Krankenversicherung


Grundlagen der Gesetzlichen Krankenversicherung

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist ein zentrales Element des deutschen Sozialversicherungssystems und dient der Absicherung gegen Krankheitskosten. Sie stellt die bedeutendste Säule der Krankenversicherung in Deutschland dar und zeichnet sich durch eine Pflichtmitgliedschaft für weite Teile der Bevölkerung aus. Die GKV basiert auf der Solidaritäts- und Umlagefinanzierung und ist insbesondere im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geregelt.


Historische Entwicklung

Die gesetzliche Krankenversicherung wurde 1883 durch das „Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“ eingeführt und war zunächst auf bestimmte Arbeitnehmergruppen beschränkt. Im Laufe der Jahrzehnte wurden immer mehr Berufsgruppen und Personenkreise einbezogen, sodass die GKV zum wesentlichen Träger der Gesundheitsversorgung im deutschen Sozialstaat wurde. Die rechtlichen Grundlagen sind heute überwiegend im SGB V geregelt, das kontinuierlich durch Gesetzesnovellen angepasst wird.


Rechtsgrundlagen der GKV

Die zentrale rechtliche Grundlage der GKV ist das SGB V, ergänzt durch Vorschriften anderer Bücher des Sozialgesetzbuchs sowie untergesetzlicher Regelungen, beispielsweise Satzungen der jeweiligen Krankenkassen.

Rechtsform und Träger

Die gesetzlichen Krankenkassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Satzungsautonomie (§ 4 SGB V). Zu den Trägern zählen:

  • Ersatzkassen
  • Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK)
  • Betriebskrankenkassen (BKK)
  • Innungskrankenkassen (IKK)
  • Landwirtschaftliche Krankenkasse (LKK)
  • Knappschaft

Diese Kassen erfüllen die ihnen zugewiesenen Aufgaben im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.

Pflichten und Leistungsumfang

Zu den Hauptaufgaben der GKV gehört die Gewährleistung einer angemessenen medizinischen Versorgung ihrer Mitglieder. Der Leistungsumfang ist im Gesetz klar umrissen (§§ 11 bis 52 SGB V) und umfasst u. a.:

  • Ambulante ärztliche Behandlung
  • Stationäre Krankenhausbehandlung
  • Arzneimittel, Heil- und Hilfsmittel
  • Maßnahmen der Prävention und Rehabilitation
  • Krankengeld als Lohnersatzleistung

Die gesetzliche Krankenversicherung ist an den Grundsatz der Sachleistung gebunden: Die Versicherten erhalten im Bedarfsfall Leistungen, die direkt mit den Leistungserbringern abgerechnet werden (§ 2 Abs. 2 SGB V).

Mitgliedschaft und Versicherungspflicht

Die Versicherungspflicht in der GKV gilt nach § 5 SGB V für:

  • Arbeitnehmer bis zur Jahresarbeitsentgeltgrenze
  • Bezieher von Arbeitslosengeld I und II
  • Studierende
  • Rentner und bestimmte weitere Personengruppen

Freiwillige Mitgliedschaft kann bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze sowie für Selbstständige und bestimmte andere Gruppen in Anspruch genommen werden (§ 9 SGB V).

Auch Familienversicherungen spielen eine Rolle (§ 10 SGB V), wonach Angehörige unter bestimmten Voraussetzungen beitragsfrei mitversichert werden können.

Beiträge und Finanzierung

Die Finanzierung der GKV erfolgt grundsätzlich durch ein Umlageverfahren. Die Beiträge werden prozentual vom Bruttoeinkommen berechnet (§ 241 SGB V). Seit 2015 gilt ein einheitlicher Beitragssatz, ergänzt durch einkommensabhängige Zusatzbeiträge (§ 242 SGB V):

  • Allgemeiner Beitragssatz: 14,6 %
  • Zusatzbeitrag: Satzungsabhängig, finanzieren von den Kassen festgelegt

Arbeitgeber und Versicherte teilen sich die Beiträge in der Regel je zur Hälfte.

Beitragsbemessungsgrenzen und Versicherungspflichtgrenze

Für die Bemessung der Beiträge gelten Höchstbeträge (§ 223 SGB V):

  • Beitragsbemessungsgrenze: Legt fest, bis zu welcher Höhe das Einkommen beitragspflichtig ist
  • Versicherungspflichtgrenze: Wer mit dem Einkommen über dieser Grenze liegt, kann wählen, sich privat zu versichern

Die Grenzwerte werden jährlich entsprechend der Lohnentwicklung angepasst.


Leistungsrecht und Anspruchsvoraussetzungen

Die Leistungsverpflichtung der Krankenkassen ist gesetzlich definiert und umfasst sowohl Pflicht- als auch freiwillige Satzungsleistungen.

Anspruchsvoraussetzungen

Leistungsansprüche setzen das Vorliegen einer Mitgliedschaft und das Vorliegen einer Behandlungserforderlichkeit voraus. Besondere Voraussetzungen können je nach Leistung bestehen, beispielsweise:

  • Medizinische Notwendigkeit
  • Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V)
  • Feststellungs- und Genehmigungsverfahren (z.B. bei Reha-Maßnahmen)

Umfang der Leistungen

Die GKV muss grundsätzlich ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen zur Verfügung stellen; darüber hinausgehende Wunschrleistungen oder Komfortleistungen sind ausgeschlossen.

Hauptleistungsbereiche sind:

  • Prävention und Früherkennung
  • Heilkuren und medizinische Rehabilitation
  • Zahnersatz (grundsätzlich Befundbezogene Festzuschüsse)
  • Krankenfahrten, Fahrkostenübernahme bei medizinischer Notwendigkeit

Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen

Versicherte müssen sich bei bestimmten Leistungen durch Zuzahlungen beteiligen (§ 61 SGB V), etwa:

  • Arznei- und Heilmittel (10 % Eigenanteil)
  • Krankenhausaufenthalt (10 € pro Tag, begrenzt auf 28 Tage jährlich)

Zuzahlungsbefreiungen sind möglich, sofern bestimmte Belastungsgrenzen überschritten werden.


Verwaltung und Organisation

Selbstverwaltung und Kassensystem

Die gesetzlichen Krankenversicherungen sind eigenständige Körperschaften und verfügen über Selbstverwaltungsgremien, bestehend aus Vertreterversammlungen und Vorständen (§ 43 SGB IV). Die Selbstverwaltung regelt interne Angelegenheiten, Satzungen und Beschlüsse.

Aufsicht und Kontrolle

Die staatliche Aufsicht über die gesetzlichen Krankenkassen wird entweder vom Bundesamt für Soziale Sicherung oder den jeweiligen Landesbehörden ausgeübt (§ 87 SGB IV). Diese prüfen insbesondere die ordnungsgemäße Geschäftsführung und Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.


Kooperationen und Beziehungen zu Leistungserbringern

Die GKV ist verpflichtet, mit einer Vielzahl von Leistungserbringern Verträge abzuschließen:

  • Vertragspartner sind z. B. Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenhäuser, Apotheken
  • Grundlage der Vergütung sind Kollektivverträge oder Einzelverträge gemäß §§ 69 ff. SGB V

Die Kassen übernehmen die Sicherstellung einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Versorgung durch Koordination dieser Vertragspartner.


Rechtsschutz und Streitigkeiten

Streitigkeiten zwischen Versicherten und Krankenkassen werden im sozialgerichtlichen Verfahren ausgetragen. Rechtsweg ist das Sozialgericht (§ 51 SGG). Bei ablehnenden Bescheiden der Krankenkasse können Versicherte innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Bei weiterer Ablehnung folgt die sozialgerichtliche Klage.


Bedeutung der GKV im deutschen Gesundheitssystem

Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt eine Schlüsselrolle in der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung und fungiert als Hauptkostenträger des Gesundheitssystems. Sie bildet mit der Pflege-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung das Fundament des deutschen Sozialsystems.


Literatur

  • Fünfzehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)
  • Leitfaden Krankenversicherung, G. R. Wiesener/H.-G. Beuthien, München
  • Sozialgesetzbuch und Kommentar, Hrsg. Hauck/Noftz

Dieser Artikel bietet eine umfassende rechtliche Übersicht zur gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland, berücksichtigt die wichtigsten gesetzlichen Vorschriften und beleuchtet die wesentlichen Strukturen und Abläufe des Systems.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist in Deutschland gesetzlich krankenversicherungspflichtig?

Nach § 5 SGB V unterliegt in Deutschland grundsätzlich jeder Einwohner der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), sofern keine Befreiung oder vorrangige anderweitige Absicherung besteht. Hierzu zählen insbesondere alle Arbeitnehmer, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die jeweils geltende Versicherungspflichtgrenze nicht überschreitet, Auszubildende, Studenten bis zum 30. Lebensjahr oder bis zum 14. Fachsemester, Bezieher von Arbeitslosengeld I und II, Rentner, die eine ausreichende Vorversicherungszeit aufweisen, und bestimmte selbstständige Künstler sowie Publizisten im Rahmen der Künstlersozialversicherung. Darüber hinaus sind Familienangehörige unter bestimmten Voraussetzungen über die Familienversicherung mitversichert (§ 10 SGB V). Die Versicherungspflicht greift automatisch und ist in der Regel nicht abdingbar, sofern keine Versicherungsfreiheit (z. B. wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze als Arbeitnehmer oder hauptberuflicher Selbstständigkeit) oder Befreiungstatbestände (etwa bei Beamten oder Berufsgruppen mit Anspruch auf Heilfürsorge) vorliegen.

Welche Leistungen umfasst die gesetzliche Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch V?

Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind im Dritten Kapitel des SGB V umfassend geregelt. Hierzu zählen vor allem die medizinische Behandlung zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten (§§ 27 ff. SGB V), Leistungen zur Rehabilitation (§ 40 SGB V), zahnärztliche Behandlung (§ 28 SGB V), Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 31 ff. SGB V), Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) sowie Krankengeld (§§ 44 ff. SGB V). Die genannten Leistungen unterliegen dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V, wonach sie ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Darüber hinaus beinhalten sie Präventions- und Vorsorgeleistungen, Mutterschaftsleistungen (§§ 24c-24i SGB V) sowie Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention (§ 20 SGB V). Nicht zum Leistungsumfang gehören Schönheitsoperationen, Luxusleistungen oder medizinisch nicht notwendige Behandlungen.

Wie erfolgt die Beitragserhebung zur gesetzlichen Krankenversicherung und wer trägt die Beiträge?

Die Beitragserhebung zur gesetzlichen Krankenversicherung richtet sich nach dem Bruttoeinkommen des Versicherten und ist in §§ 241 ff. SGB V geregelt. Der allgemeine Beitragssatz beträgt derzeit 14,6 % (Stand: 2024), hinzu kommt ein kassenindividueller Zusatzbeitrag, der von den Krankenkassen selbst festgelegt wird (§ 242 SGB V). Für Arbeitnehmer und Auszubildende werden die Beiträge grundsätzlich je zur Hälfte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen (§ 249 SGB V). Bei freiwillig Versicherten, Selbstständigen und Rentnern gelten abweichende Modalitäten. Hier übernimmt der Versicherte die Beiträge meist vollständig selbst. Familienangehörige können unter bestimmten Bedingungen beitragsfrei mitversichert werden. Die Beitragserhebung erfolgt grundsätzlich über die Einzugsstelle (Krankenkasse), die auch die Meldungen und Beitragseingänge gegenüber den Arbeitgebern und Versicherten prüft.

Können gesetzlich Krankenversicherte die Krankenkasse frei wählen oder wechseln?

Nach § 175 SGB V besteht das Recht der freien Kassenwahl. Jeder gesetzlich Krankenversicherte kann im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen seine Krankenkasse wählen, sofern die jeweilige Kasse Mitgliedsaufnahmen im Zuständigkeitsbereich vornimmt. Ein Wechsel der Krankenkasse ist grundsätzlich nach einer Mindestbindungsfrist von 12 Monaten möglich. Ein Sonderkündigungsrecht besteht bei Erhöhung des Zusatzbeitrags (§ 175 Abs. 4 SGB V). Der Wechsel erfolgt per Mitgliedserklärung bei der neuen Kasse und einer Kündigung der bisherigen Kasse. Die Wahlfreiheit gilt sowohl für Pflicht- als auch für freiwillig Versicherte, unterliegt jedoch bestimmten Ausnahmen, etwa bei Mitgliedschaft in Betriebskrankenkassen mit beschränktem Personenkreis.

Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine Familienversicherung in der GKV?

Die Familienversicherung ist in § 10 SGB V geregelt und ermöglicht es bestimmten Familienangehörigen (vor allem Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und Kinder) ohne eigenes Einkommen, kostenfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung eines Hauptmitglieds mitversichert zu werden. Voraussetzung ist, dass die betreffende Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und kein eigenes Einkommen über der gesetzlich festgelegten Grenze (2024: 485 Euro pro Monat, bei Minijob 520 Euro pro Monat) bezieht. Zudem darf keine anderweitige Vollversicherung, zum Beispiel in der privaten Krankenversicherung, bestehen. Die Familienversicherung endet beispielsweise mit Erreichen einer Altersgrenze (Kinder: Vollendung des 18. Lebensjahres, ggf. Verlängerung bis max. 25. Lebensjahr bei Schul- oder Berufsausbildung), bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder bei Überschreiten der Einkommensgrenze.

Welche rechtlichen Regelungen gelten für die Befreiung von der Versicherungspflicht?

Die Befreiung von der Versicherungspflicht ist im § 8 SGB V geregelt und betrifft Personengruppen, die zwar grundsätzlich versicherungspflichtig wären, aber auf Antrag von dieser Pflicht befreit werden können. Voraussetzungen sind meist anderweitige Absicherung im Krankheitsfall, wie z. B. private Krankenversicherung im Falle von Arbeitnehmern, die erstmals die Versicherungspflichtgrenze überschreiten, Studierende mit PKV-Nachweis, Beamte oder Personen mit Anspruch auf Heilfürsorge. Die Befreiung muss innerhalb einer bestimmten Frist nach Beginn der Versicherungspflicht beantragt werden (zumeist drei Monate) und ist dann in der Regel unwiderruflich, soweit der Befreiungstatbestand andauert. Weitergehende Vorschriften zur Befreiung und deren Nachweispflichten sind in den jeweiligen speziellen Bestimmungen im SGB V ausgestaltet.

Unter welchen Umständen kann die Mitgliedschaft in der GKV enden?

Die Beendigung der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ist im § 190 SGB V geregelt und tritt beispielsweise mit Eintritt der Versicherungsfreiheit, dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (bei Arbeitnehmern), dem Wechsel in die PKV oder beim Tod des Versicherten ein. Auch der Wechsel zu einer anderen Krankenkasse nach ordnungsgemäßer Kündigung bzw. Fristablauf führt zum Ende der Mitgliedschaft bei der bisherigen Kasse. Bei langandauerndem Wegzug ins Ausland kann die Mitgliedschaft ebenfalls enden. Besondere Regelungen gelten bei versicherungspflichtigen Studenten bzw. Rentnern, da hier das Ende der Versicherungspflicht an bestimmte Bedingungen und Nachweise geknüpft ist. Ein Beitragsrückstand oder Beitragsausfall allein führt nicht automatisch zum Erlöschen der Mitgliedschaft, wohl aber ggf. zu eingeschränkten Leistungsansprüchen.