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Gesetzgebungskompetenz


Begriff und Bedeutung der Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz bezeichnet das Recht und die verfassungsrechtliche Befugnis, Gesetze zu erlassen. Im Rahmen staatlichen Handelns gehört die Gesetzgebung zu den drei klassischen Staatsgewalten (Legislative, Exekutive, Judikative). Die Gesetzgebungskompetenz legt fest, welche Hoheitsträger in einem bestimmten Sachbereich Gesetzgebungsakte vornehmen dürfen. In föderalen Staaten, wie der Bundesrepublik Deutschland, ist die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen den einzelnen Ebenen von zentraler Bedeutung für die Staatsorganisation.

Gesetzgebungskompetenz im deutschen Recht

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz wird im Grundgesetz (GG) geregelt. Während Artikel 70 bis 74a GG die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern normieren, ergeben sich weitere Grundlagen aus spezifischen Verfassungsartikeln und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Artikel 70 GG: Grundsatz

Artikel 70 Absatz 1 GG stellt den Grundsatz auf, dass die Länder das Recht zur Gesetzgebung haben, „soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht“. Daraus folgt das sogenannte Kompetenzvermutungsprinzip zu Gunsten der Länder (Länderkompetenz).

Artikel 71-74 GG: Ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung des Bundes

Die Bund-Länder-Kompetenzverteilung unterscheidet im Wesentlichen zwischen:

  • Ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 71, 73 GG)

In diesen Bereichen darf ausschließlich der Bund Gesetze erlassen. Länder können hier nur tätig werden, sofern sie durch Bundesgesetz dazu ausdrücklich ermächtigt werden.

  • Konkurrierender Gesetzgebungskompetenz (Art. 72, 74 GG)

Hier haben grundsätzlich die Länder das Recht zur Gesetzgebung, verlieren dieses jedoch, sobald und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch macht – sofern in der betreffenden Materie eine bundesgesetzliche Regelung getroffen oder beabsichtigt ist.

  • Rahmengesetzgebung (ehemalige Art. 75 GG, bis 2006)

Bis zur Föderalismusreform war zudem die Rahmengesetzgebung bekannt, bei der der Bund rahmengebende Gesetze erließ und die Ausfüllung den Ländern oblag. Mit der Föderalismusreform wurde diese Kompetenz weitgehend abgeschafft.

Sonderregelungen

Für bestimmte Rechtsbereiche bestehen Sonderregelungen, etwa gemäß Art. 105 GG (Steuergesetzgebungskompetenz) oder in den Bereichen des Notstandsrechts.

Inhaltliche und räumliche Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz umfasst sowohl inhaltliche als auch räumliche Abgrenzungen:

  • Inhaltliche Gesetzgebungskompetenz bedeutet das Recht, für einen bestimmten Regelungsgegenstand (Sachmaterie) Gesetze zu erlassen, zum Beispiel im Bereich des Strafrechts oder des Arbeitsrechts.
  • Räumliche Gesetzgebungskompetenz bezieht sich darauf, für welchen staatlichen Geltungsbereich (Bundesgebiet, Land, etc.) die Normsetzungsbefugnisse gelten.

Gesetzgebungskompetenz der Länder

Soweit das Grundgesetz keine Bundeskompetenz vorschreibt, verbleibt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern. In den Landesverfassungen sind entsprechende landesgesetzliche Regelungen vorgesehen.

Kompetenzabgrenzung

Enumerationsprinzip

Die Kompetenzen des Bundes sind im Wesentlichen im Grundgesetz abschließend (enumerativ) aufgezählt. Eine darüberhinausgehende Gesetzgebungskompetenz des Bundes existiert grundsätzlich nicht.

Annexkompetenzen und kraft Sachzusammenhang

  • Annexkompetenzen: Kommen in Betracht, wenn dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für einen Sachbereich zusteht, und zur Regelung eines zusammenhängenden Sachverhalts Mitregelungen erforderlich werden.
  • Kompetenz kraft Sachzusammenhangs: Erlaubt es, eng verbundene Regelungsbereiche unter Bezugnahme auf den Hauptregelungsbereich gesetzlich zu ordnen.

Unmittelbare Bundeskompetenzen

In seltenen Fallkonstellationen ist der Bund außerhalb der im Grundgesetz explizit geregelten Kompetenztitel zur Gesetzgebung befugt. Dies kann etwa für völkerrechtliche Verträge (Art. 32 GG) oder im Rahmen des Notstandsrechts (Art. 115c GG) gelten.

Grenzen und Kontrolle der Gesetzgebungskompetenz

Verfassungsrechtliche Kontrolle

Die Ausübung der Gesetzgebungskompetenz unterliegt der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Dieses prüft, ob der jeweilige Hoheitsträger innerhalb seiner Kompetenzen handelt und das Prinzip der Bundestreue sowie föderaler Gleichgewicht gewahrt bleiben.

Grundsatz der Bundestreue

Der Grundsatz der Bundestreue verpflichtet Bund und Länder zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Loyalität bei der Ausübung ihrer Kompetenzen.

Geltung und Vorrang von Bundesrecht

Im Falle konkurrierender Gesetzgebung hat das Bundesrecht gemäß Art. 31 GG Vorrang vor Landesrecht. Durch abschließende bundesgesetzliche Regelung tritt das Landesrecht in diesem Bereich zurück (Sperrwirkung).

Gesetzgebungskompetenz im internationalen Vergleich

Auch in anderen föderalen Systemen, etwa in den Vereinigten Staaten, der Schweiz oder Österreich, ist die Gesetzgebungskompetenz zwischen Zentralstaat und Gliedstaaten strikt verteilt und vielfach Gegenstand rechtlicher und politischer Auseinandersetzungen. Die jeweiligen Verfassungen oder Grundgesetze regeln Art, Umfang und Kontrolle der Kompetenzen im Detail.

Literaturhinweise

Wichtige Nachschlagewerke

  • Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar
  • Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Kommentar zum Grundgesetz
  • Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Rechtsprechung

  • BVerfG, 2 BvF 2/73 (Apotheken-Urteil)
  • BVerfG, 2 BvF 1/73 (Hochschulrahmengesetz)

Diese umfassende Darstellung erläutert die Gesetzgebungskompetenz sowohl systematisch als auch detailreich und stellt damit eine umfassende Informationsquelle für Grundlagen, Systematik und aktuelle Fragestellungen rund um die Kompetenzverteilung im deutschen Recht dar.

Häufig gestellte Fragen

Wer entscheidet im Streitfall über die Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern?

Im Falle eines Streits über die Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern entscheidet in Deutschland das Bundesverfassungsgericht. Grundlage hierfür ist Artikel 93 Absatz 1 Nummer 2 des Grundgesetzes (GG), der dem Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeit zuweist, Streitigkeiten über die Auslegung des Grundgesetzes, insbesondere über die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern, zu entscheiden. Ein solches Organstreitverfahren kann von der Bundesregierung, einer Landesregierung oder einem Drittel der Mitglieder des Bundestages eingeleitet werden. Das Gericht überprüft dabei, ob das angegriffene Gesetz vom Bund oder einem Land auf einer eigenen, im Grundgesetz vorgesehenen Kompetenzaussage erlassen wurde. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist verbindlich; ein Verstoß gegen die Kompetenzen führt in der Regel zur Nichtigkeit des Gesetzes. Die ausführliche Prüfung folgt dabei den Vorgaben des Grundgesetzes, insbesondere dessen Artikel 70 ff., wobei insbesondere zwischen ausschließlicher und konkurrierender Gesetzgebung zu unterscheiden ist.

Wie unterscheidet sich die ausschließliche von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz?

Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes bedeutet gemäß Artikel 71 GG, dass nur der Bund auf dem jeweiligen Sachgebiet Gesetze erlassen darf. Die Länder sind insoweit von der Gesetzgebung ausgeschlossen, es sei denn, sie sind ausdrücklich dazu ermächtigt. Typische Beispiele sind die auswärtigen Angelegenheiten oder die Verteidigung. Im Gegensatz dazu erlaubt die konkurrierende Gesetzgebung (Artikel 72 GG) den Ländern die Gesetzgebung, soweit und solange der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Erst wenn der Bund ein entsprechendes Gesetz erlässt, verdrängt dieses die Regelungen der Länder in diesem Bereich. Das Grundgesetz regelt unterschiedliche Sachgebiete in Artikel 73 (ausschließliche Gesetzgebung) bzw. Artikel 74 (konkurrierende Gesetzgebung). Im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung muss der Bund häufig zusätzlich das Erfordernis der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit nach Artikel 72 Absatz 2 GG beachten.

Welche Rolle spielt das Prinzip der Bundesstaatlichkeit für die Gesetzgebungskompetenz?

Das Prinzip der Bundesstaatlichkeit ist für die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zentral, da das Grundgesetz Deutschland als Bundesstaat konzipiert hat. Daraus ergibt sich, dass die einzelnen Länder ein eigenes, originäres Recht zur Gesetzgebung besitzen, solange und soweit das Grundgesetz dies nicht ausdrücklich dem Bund zuweist (Artikel 70 GG). Die Kompetenzen des Bundes sind abschließend aufgeführt, die der Länder hingegen grundsätzlich und subsidiär. Hierdurch wird ein Gleichgewicht zwischen zentralen und dezentralen Strukturen geschaffen: Der Bund erhält Kompetenzen für überregionale und gesamtstaatlich relevante Anliegen, während die Länder für regionale und lokale Angelegenheiten zuständig sind. Dieses Prinzip ermöglicht föderalistische Vielfalt, wahrt jedoch zugleich die Einheitlichkeit der Rechtsordnung durch bundesgesetzliche Rahmensetzungen.

Welche Bedeutung hat das Prinzip der Gesetzgebungskompetenz für die Rechtssicherheit?

Das Prinzip der Gesetzgebungskompetenz sichert die Rechtssicherheit, indem genau geregelt ist, welche Ebene des Staates – Bund oder Länder – für ein bestimmtes Rechtsgebiet zuständig ist. Diese eindeutige Zuordnung verhindert Überschneidungen und Kompetenzkonflikte, die zu widersprüchlichen oder sogar ungültigen Gesetzen führen könnten. So wissen Bürger, Unternehmen und Behörden, von wem Gesetze zu erwarten sind und wer sie ändern darf. Die Rechtssicherheit wird weiter dadurch gestärkt, dass die Gerichte – insbesondere das Bundesverfassungsgericht – die Einhaltung der Kompetenzverteilung überwachen und im Konfliktfall gegebenenfalls ein Gesetz für nichtig erklären können, wenn es von einer unzuständigen Stelle erlassen wurde. Damit stellt das Kompetenzsystem ein zentrales Element für das Vertrauen in die Beständigkeit und Verlässlichkeit der Rechtsordnung dar.

Kann sich die Gesetzgebungskompetenz im Zeitverlauf verändern und wie geschieht dies?

Ja, die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern kann sich im Zeitverlauf verändern. Dies geschieht vor allem durch Verfassungsänderungen, also Änderungen oder Ergänzungen im Grundgesetz. Solche Änderungen bedürfen nach Artikel 79 GG einer qualifizierten Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat (jeweils zwei Drittel). Daneben kann sich die Kompetenzordnung auch in Einzelfällen durch die Auslegung des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht fortentwickeln, insbesondere bei neuen Lebenssachverhalten oder gesellschaftlichen Entwicklungen, die bei Erlass des Grundgesetzes noch nicht existierten. Häufiger Anlass für Kompetenzverschiebungen sind politische Bestrebungen, bestimmte Regelungen zu vereinheitlichen oder neue Aufgabenfelder zu schaffen, etwa im Umweltrecht oder der Wirtschaftspolitik.

Welche Mitwirkungsrechte haben die Länder bei Bundesgesetzen außerhalb ihrer Gesetzgebungskompetenz?

Die Länder üben bei der Bundesgesetzgebung Mitwirkungsrechte vor allem über den Bundesrat aus. Auch dann, wenn der Bund eine Gesetzgebungskompetenz innehat, sind die Länder über dieses Organ an der bundesstaatlichen Willensbildung beteiligt. Bei sogenannten Zustimmungsgesetzen, die insbesondere die Interessen der Länder erheblich berühren (z.B. Gesetze, die die Verwaltung der Länder betreffen oder finanzielle Auswirkungen für die Länder haben), ist zur Wirksamkeit des Gesetzes die ausdrückliche Zustimmung des Bundesrates erforderlich. In anderen Fällen genügt eine einfache Mitwirkung, bei der der Bundesrat lediglich ein Einspruchsrecht hat. Die konkreten Mitwirkungsrechte ergeben sich aus den Artikeln 77 ff. GG und konkretisieren die föderative Struktur Deutschlands, indem sie den Ländern Einfluss auch auf solche Bundesgesetze gewähren, zu deren Erlass sie nicht selbst befugt sind.

Was geschieht, wenn sowohl der Bund als auch die Länder zum selben Gegenstand Gesetze erlassen haben?

Im Fall konkurrierender Gesetzgebung gilt grundsätzlich das sogenannte Vorrangprinzip: Das Gesetz des Bundes verdrängt dasjenige eines Landes, soweit der Bund innerhalb der ihm zugewiesenen Kompetenzen ein Gesetz erlassen hat (Artikel 72 GG). Ein Landesgesetz ist insoweit nichtig, sofern und soweit die Bundesregelung denselben Sachverhalt abschließend regelt. Kommt es zu einer Kollision zwischen einem Bundes- und einem Landesgesetz außerhalb der konkurrierenden Gesetzgebung (beispielsweise in den Bereichen ausschließlicher Bundeskompetenz oder originärer Länderkompetenz), gilt stets das Kompetenzprinzip, das heißt, das Gesetz der zuständigen Ebene ist allein maßgeblich, das andere ist von vornherein unwirksam. Das Bundesverfassungsgericht ist im Streitfall die Instanz, die entsprechende Konflikte klärt und ggf. Gesetze für nichtig erklärt.