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Gesetzgebung

Begriff und Funktion der Gesetzgebung

Gesetzgebung bezeichnet den staatlich geregelten Prozess, in dem allgemeine, verbindliche Regeln für die Gemeinschaft geschaffen, geändert oder aufgehoben werden. Sie ist Kernaufgabe der demokratischen Ordnung und dient dazu, Rechte und Pflichten festzulegen, staatliches Handeln zu steuern sowie gesellschaftliche Konflikte voraussehbar zu ordnen. Gesetze bilden gemeinsam mit der Verfassung, Rechtsverordnungen und Satzungen die Grundlage des staatlichen Normensystems. Dabei gilt ein strukturiertes Rangverhältnis: Verfassungsrecht steht über einfachen Gesetzen; Gesetze stehen über Rechtsverordnungen und Satzungen.

Zu unterscheiden ist zwischen dem Gesetz im formellen Sinn (Parlamentsgesetz) und dem Gesetz im materiellen Sinn (jede abstrakt-generelle Regelung mit Außenwirkung, also auch Verordnungen und Satzungen). Die Gesetzgebung soll allgemeinverständlich, klar und verhältnismäßig sein, damit Betroffene ihr Verhalten danach ausrichten können.

Ebenen und Träger der Gesetzgebung

Bundesgesetzgebung

Auf Bundesebene liegt die Gesetzgebung vor allem beim Parlament. Die Bundesregierung wirkt durch Entwürfe und Stellungnahmen mit; der Bundesrat vertritt die Länderinteressen. Bundesgesetze gelten im gesamten Bundesgebiet und müssen mit der Verfassung in Einklang stehen.

Landesgesetzgebung

Die Länder verfügen über eigene Parlamente und Regierungen. Sie erlassen Landesgesetze, soweit nicht der Bund zuständig ist. Landesrecht gilt im jeweiligen Bundesland und muss mit der Verfassung und dem Bundesrecht vereinbar sein.

Kommunale Satzungsgebung

Kommunen können innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen eigene Satzungen erlassen, etwa zu örtlichen Gebühren oder Nutzungsvorschriften. Satzungen sind untergesetzliche Normen mit Wirkung im Gemeindegebiet.

Europäische und internationale Bezüge

Das Recht der Europäischen Union wirkt in die nationale Gesetzgebung hinein. Unionsverordnungen gelten unmittelbar, Richtlinien müssen in nationales Recht umgesetzt werden. Internationale Verträge können nach innerstaatlicher Zustimmung Gesetzeskraft erlangen und beeinflussen so die nationale Normsetzung.

Arten von Normen

Gesetz im formellen Sinn

Ein Parlamentsgesetz wird in einem gesetzlich geregelten Verfahren von der Volksvertretung beschlossen. Es regelt wichtige Lebensbereiche und bindet Verwaltung und Gerichte.

Rechtsverordnung

Rechtsverordnungen werden von der Exekutive aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen. Sie konkretisieren Gesetze oder regeln technische Details. Die Ermächtigung muss Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung hinreichend bestimmen.

Satzung

Satzungen werden von Körperschaften des öffentlichen Rechts (z. B. Kommunen, Kammern) zur Regelung eigener Angelegenheiten erlassen. Sie wirken innerhalb des jeweiligen Zuständigkeitsbereichs.

Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens (Bund)

Gesetzesinitiative

Ein Gesetzgebungsverfahren beginnt mit einem Entwurf. Initiativberechtigt sind die Bundesregierung, der Bundesrat und das Parlament. Entwürfe enthalten Begründungen und häufig eine Abschätzung der Folgen für Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft.

Parlamentsverfahren

Im Parlament durchläuft ein Entwurf mehrere Lesungen. Ausschüsse beraten fachlich, führen Anhörungen durch und erarbeiten Beschlussempfehlungen. Änderungen werden in den Lesungen diskutiert und abgestimmt.

Beteiligung des Bundesrats

Der Bundesrat wirkt bei allen Bundesgesetzen mit. Man unterscheidet Einspruchsgesetze und Zustimmungsgesetze. Bei zustimmungspflichtigen Vorhaben ist die Zustimmung des Bundesrats erforderlich; bei Einspruchsgesetzen kann der Bundesrat Einwände erheben. Der Vermittlungsausschuss kann eingeschaltet werden, um Kompromisse zu erzielen.

Ausfertigung, Verkündung und Inkrafttreten

Nach erfolgreichem Abschluss wird das Gesetz ausgefertigt und im amtlichen Gesetzblatt verkündet. Es tritt zu einem festgelegten Zeitpunkt in Kraft; fehlt eine ausdrückliche Regelung, gilt eine gesetzliche Frist. Ohne ordnungsgemäße Verkündung entfaltet ein Gesetz keine Wirkung.

Gesetzgebungskompetenzen und Zuständigkeitsverteilung

Ausschließliche, konkurrierende und abweichende Zuständigkeiten

Die Verfassung verteilt die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern. In ausschließlichen Bereichen kann nur der Bund gesetzgeberisch tätig werden. In konkurrierenden Bereichen hat der Bund Vorrang, wenn er Gebrauch von seiner Kompetenz macht; sonst sind die Länder zuständig. In bestimmten Bereichen können Länder vom Bundesrecht abweichen, sofern dies vorgesehen ist.

Finanz- und Organisationsbezug

Haushalts- und Organisationsfragen folgen besonderen Regeln. Finanzwirksame Gesetze betreffen regelmäßig auch die Mitwirkungsrechte der Länder, etwa wegen ihrer Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben.

Formelle und materielle Anforderungen

Formelle Anforderungen

Formell rechtmäßig ist ein Gesetz, wenn der zuständige Gesetzgeber gehandelt und das vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat. Dazu zählen ordnungsgemäße Einbringung, Beratung, Beschlussfassung, Mitwirkung der Länderkammer, Ausfertigung und Verkündung.

Materielle Anforderungen

Materiell muss ein Gesetz mit der Verfassung vereinbar sein. Maßgeblich sind unter anderem Schutz der Grundrechte, Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe, Gleichbehandlung sowie Normenklarheit und Bestimmtheit. Wesentliche Entscheidungen, die besonders in Rechte eingreifen, bedürfen einer Regelung durch das Parlament.

Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes

Staatliches Handeln muss sich im Rahmen der Gesetze halten (Vorrang). Für bestimmte Bereiche ist ein Gesetz erforderlich, um Verwaltungshandeln zu ermöglichen (Vorbehalt). Untergesetzliche Normen dürfen dem Gesetz nicht widersprechen und müssen sich auf eine hinreichende Ermächtigung stützen.

Geltungsbereich und Normenkollision

Räumlicher, sachlicher, persönlicher, zeitlicher Geltungsbereich

Gesetze regeln, wo (räumlich), welche Materie (sachlich), für wen (persönlich) und ab wann (zeitlich) sie gelten. Übergangsvorschriften sorgen für geordnete Umstellungen, etwa bei geänderten Pflichten.

Kollisionsregeln

Treffen Normen aufeinander, helfen Auslegungsregeln: Höherrangiges Recht geht niederrangigem vor; speziellere Normen verdrängen allgemeinere; spätere Normen können frühere ändern. Diese Grundsätze sichern Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.

Kontrolle der Gesetzgebung

Verfassungsgerichtliche Kontrolle

Gesetze können einer Überprüfung auf Vereinbarkeit mit der Verfassung unterzogen werden. Möglich sind abstrakte Verfahren zur Klärung der Gültigkeit, konkrete Vorlagen aus Anlass eines Gerichtsverfahrens sowie Individualverfahren zum Schutz grundrechtlicher Positionen. Stellt das Gericht einen Verstoß fest, kann es Gesetze für nichtig erklären oder Übergangsregelungen anordnen.

Gerichtliche und verwaltungsinterne Kontrolle

Gerichte prüfen bei Anwendung eines Gesetzes dessen Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Behörden sind an Recht und Gesetz gebunden und haben Normen verfassungskonform auszulegen.

Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation

Zur Qualitätssicherung werden Auswirkungen von Gesetzen vorab abgeschätzt und nachträglich bewertet. Evaluationen prüfen Zielerreichung, Praktikabilität und Nebenwirkungen und können Anlass für Änderungen oder Aufhebungen sein.

Besondere Gesetzgebungsformen

Haushaltsgesetze

Haushaltsgesetze regeln Einnahmen und Ausgaben des Staates für einen bestimmten Zeitraum. Sie folgen besonderen Planungs- und Transparenzanforderungen und sind häufig mit weiteren finanzwirksamen Regelungen verknüpft.

Zustimmungspflichtige Materien

Gesetze, die die Organisations- oder Finanzinteressen der Länder besonders berühren, bedürfen der Zustimmung der Länderkammer. Dies stärkt den föderalen Ausgleich.

Eil- und Krisenmechanismen

Für außergewöhnliche Situationen enthalten Verfassung und Geschäftsordnungen Instrumente zur Beschleunigung. Dabei bleiben Grundprinzipien wie parlamentarische Mitwirkung, Öffentlichkeit und Kontrolle gewahrt.

Transparenz und Beteiligung

Öffentlichkeit und Begründung

Parlamentarische Beratungen sind im Grundsatz öffentlich. Gesetzesentwürfe werden begründet, damit Zweck, Alternativen und Auswirkungen nachvollziehbar sind.

Konsultation und Mitwirkung

Vorhaben werden regelmäßig mit Verbänden, Wissenschaft und Praxis erörtert. Digitale Konsultationen und Dokumentationspflichten erhöhen Nachvollziehbarkeit und Qualität der Gesetzgebung.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Gesetzgebung

Was bedeutet Gesetzgebung?

Gesetzgebung ist der staatliche Prozess zur Schaffung, Änderung oder Aufhebung allgemein verbindlicher Regeln. Sie legt Rechte und Pflichten fest und steuert staatliches Handeln innerhalb eines geregelten Verfahrens mit klarer Zuständigkeitsverteilung.

Wer ist in Deutschland für die Gesetzgebung zuständig?

Auf Bundesebene beschließt das Parlament Gesetze unter Mitwirkung der Bundesregierung und des Bundesrats. Die Länder erlassen in eigenen Zuständigkeitsbereichen Landesgesetze. Kommunen erlassen Satzungen innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Unionsrecht beeinflusst die nationale Gesetzgebung.

Wie entsteht ein Gesetz auf Bundesebene?

Ein Entwurf wird eingebracht, in mehreren Lesungen beraten und in Ausschüssen geprüft. Der Bundesrat wirkt mit; bei bestimmten Materien ist seine Zustimmung erforderlich. Nach Beschluss folgen Ausfertigung, Verkündung im Gesetzblatt und Inkrafttreten zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Worin liegt der Unterschied zwischen Gesetz, Rechtsverordnung und Satzung?

Ein Gesetz im formellen Sinn wird vom Parlament beschlossen. Rechtsverordnungen erlässt die Exekutive auf Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung und zur Konkretisierung. Satzungen erlassen Körperschaften des öffentlichen Rechts für ihren Aufgabenbereich.

Was passiert, wenn ein Gesetz verfassungswidrig ist?

Gesetze können einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterzogen werden. Stellt das Gericht einen Verstoß fest, kann es das Gesetz für nichtig erklären oder Übergangsregelungen anordnen. Gerichte prüfen zudem im Einzelfall die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht.

Ab wann gilt ein Gesetz und wer ist daran gebunden?

Ein Gesetz gilt nach ordnungsgemäßer Verkündung ab dem festgelegten Zeitpunkt oder, wenn dieser fehlt, nach einer gesetzlichen Frist. Es bindet alle staatlichen Stellen und wirkt gegenüber den Normadressaten, die in der Regel in der Vorschrift bestimmt sind.

Welche Rolle spielt die Europäische Union in der nationalen Gesetzgebung?

Unionsverordnungen gelten unmittelbar. Richtlinien setzen Ziele vor, die in nationales Recht umgesetzt werden. Dadurch werden Inhalte und Zeitpläne nationaler Gesetzgebung beeinflusst; zugleich bleibt Raum für nationale Ausgestaltung.