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Gesellschaftsschuld


Begriff und Rechtsnatur der Gesellschaftsschuld

Unter der Gesellschaftsschuld versteht man im Gesellschaftsrecht die Verbindlichkeit, die nicht einzelnen Gesellschaftern, sondern der Gesellschaft als Ganzes obliegt. Gesellschaftsschulden spielen vor allem bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der Offenen Handelsgesellschaft (OHG), der Kommanditgesellschaft (KG), der Aktiengesellschaft (AG) und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) eine maßgebliche Rolle. Sie umfassen sämtliche Verpflichtungen, die sich aus Verträgen, gesetzlichen Vorschriften oder deliktischem Handeln im Rahmen des Gesellschaftszwecks ergeben und direkt die Gesellschaft als Rechtsträgerin treffen.

Im Gegensatz zu den Verbindlichkeiten der Gesellschafter in ihrer Privatvermögenssphäre unterscheiden sich Gesellschaftsschulden insbesondere in Bezug auf Haftung, Durchsetzbarkeit und Vollstreckung.

Gesellschaftsschuld im Überblick

Gesellschaftsschulden entstehen typischerweise durch Eingehung von Verträgen, Aufnahme von Krediten, Erwerb von Sachen oder Dienstleistungen und etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft.

Rechtlich ist zwischen einer Außen- und Innenverpflichtung zu differenzieren:

  • Außenverhältnis: Verpflichtung gegenüber Dritten (bspw. Gläubigern, Vertragspartnern oder Behörden)
  • Innenverhältnis: Anspruch und Verpflichtung innerhalb des Gesellschaftsverbundes, insbesondere zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft

Gesellschaftsschuld nach Gesellschaftsformen

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Die GbR ist eine Personengesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Deshalb treffen Gesellschaftsschulden primär die Gesamtheit der Gesellschafter. Nach § 705 BGB haftet jeder Gesellschafter als Gesamtschuldner persönlich, unmittelbar und unbeschränkt. Ein Gläubiger kann sich unmittelbar an das Privatvermögen jedes Gesellschafters halten (Durchgriffshaftung).

Haftung und Ausgleich der Gesellschaftsschuld in der GbR

  • Außenverhältnis: Gesamtschuldnerische Haftung aller Gesellschafter gemäß § 421 BGB
  • Innenverhältnis: Ausgleichsansprüche bei ungleicher Inanspruchnahme nach § 426 BGB

Offene Handelsgesellschaft (OHG)

Als teilrechtsfähige Personengesellschaft ist die OHG selbst rechtsfähig (§ 124 HGB), sodass sie Eigenschulden begründen kann. Die Gesellschafter haften aber ebenfalls persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für die Gesellschaftsschulden gemäß §§ 128 ff. HGB.

Verbindlichkeit und Haftungsstruktur der OHG

  • Gesellschaftsschulden sind vorrangig aus dem Gesellschaftsvermögen zu begleichen.
  • Gesellschafter haften nachrangig mit Privatvermögen für Gesellschaftsschulden.

Kommanditgesellschaft (KG)

Die Haftung für Gesellschaftsschulden unterscheidet sich zwischen Komplementären (voll haftend) und Kommanditisten (beschränkte Haftung auf Einlage, § 171 HGB). Die KG selbst ist ebenso rechtsfähig.

Kapitalgesellschaften (GmbH, AG)

Bei Kapitalgesellschaften haftet grundsätzlich nur die Gesellschaft selbst mit ihrem Gesellschaftsvermögen für die Gesellschaftsschulden (§ 13 Abs. 2 GmbHG, § 1 Abs. 1 AktG). Eine persönliche Haftung der Anteilseigner besteht – von Ausnahmetatbeständen (insbesondere Vorstandshaftung, Geschäftsführerhaftung, Durchgriffshaftung/interner Anspruch bei Pflichtverletzungen) abgesehen – nicht.

Rechtsfolgen und Vollstreckung der Gesellschaftsschuld

Durchsetzung im Außenverhältnis

Gesellschaftsschulden können, sofern die Gesellschaft rechtsfähig ist, unmittelbar gegenüber dieser geltend gemacht werden. Ist die Gesellschaft (etwa bei der GbR) nicht als selbständiger Rechtsträger haftbar, richtet sich der Anspruch regelmäßig gegen die Gesellschafter persönlich.

Insolvenz und Gesellschaftsschulden

Im Insolvenzfall haften die Gesellschaftsgläubiger vorrangig auf das Gesellschaftsvermögen. Reicht dies nicht aus, greifen – je nach Gesellschaftsform – die Haftung der Gesellschafter oder die Begrenzung auf den haftenden Gesellschaftsanteil.

Gesellschaftsschuld im Innenverhältnis

Ausgleichsansprüche unter Gesellschaftern

Wird ein Gesellschafter übermäßig durch die Befriedigung einer Gesellschaftsschuld belastet, steht ihm im Innenverhältnis ein Ausgleichsanspruch gegen die Mitgesellschafter zu (§ 426 BGB).

Innenhaftung bei Pflichtverletzungen

Gesellschafter können bei Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten für bestimmte Gesellschaftsschulden (z. B. durch unerlaubte Handlungen oder pflichtwidriges Verhalten) im Innenverhältnis regresspflichtig sein.

Abgrenzung zu anderen Schuldverhältnissen

Gesellschaftsschulden sind abzugrenzen von sogenannten Gesellschafterschulden, welche im eigenen Namen und auf eigene Rechnung des Gesellschafters entstehen, sowie von der Gesellschaftsverbindlichkeit, die synonym, jedoch weniger präzise, verwendet wird.

Steuerrechtliche Einordnung der Gesellschaftsschuld

Im Steuerrecht sind Gesellschaftsschulden insbesondere bei der Gewinnermittlung von Bedeutung. Sie zählen zu den betrieblichen Verbindlichkeiten und beeinflussen die steuerliche Gewinnermittlung und Ergebnisverteilung unter den Gesellschaftern.

Besonderheiten aus Sicht des Gesellschaftsvertrags

Der Gesellschaftsvertrag kann Regelungen zur Übernahme und zum Ausgleich von Gesellschaftsschulden vorsehen. In einzelnen Fällen sind Haftungserweiterungen oder -begrenzungen zulässig, die jedoch im Außenverhältnis oftmals Wirkung gegenüber Dritten entbehren.

Zusammenfassung

Gesellschaftsschulden stellen im Gesellschaftsrecht einen zentralen Begriff dar und sind maßgeblich für die Haftungsstruktur, die Innenorganisation und das Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten. Je nach Gesellschaftsform unterscheidet sich die rechtliche Behandlung, insbesondere in Bezug auf Haftungsumfang und Vollstreckung. Die genaue Kenntnis der Struktur und Rechtsfolgen von Gesellschaftsschulden ist für die rechtssichere Führung sowie für die rechtliche Bewertung von Gesellschaftsbeteiligungen unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Wer haftet im Falle der Gesellschaftsschuld?

Im rechtlichen Kontext richtet sich die Haftung für Gesellschaftsschulden nach der jeweiligen Gesellschaftsform. Bei der offenen Handelsgesellschaft (OHG) und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) haften die Gesellschafter grundsätzlich persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§§ 128 HGB, 421 BGB). Dies bedeutet, dass jeder Gesellschafter mit seinem gesamten Privatvermögen haftet und der Gläubiger die Schuld wahlweise bei einem oder mehreren Gesellschaftern einfordern kann. Bei Kapitalgesellschaften wie GmbH oder AG haftet in der Regel nur das Gesellschaftsvermögen, eine Haftung der Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen besteht nicht, es sei denn, es liegen besondere Haftungsdurchgriffe (z. B. aufgrund existenzvernichtenden Eingriffs oder Zahlungen trotz Insolvenzreife) vor. Die Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden ist daher stark von der konkreten Gesellschaftsform abhängig.

Wie entsteht eine Gesellschaftsschuld?

Eine Gesellschaftsschuld entsteht, wenn im Namen der Gesellschaft rechtsverbindliche Verpflichtungen eingegangen werden. Dies kann durch Verträge, unerlaubte Handlungen oder andere Rechtsgeschäfte erfolgen, die jemand als Vertretungsorgan oder mit entsprechender Vollmacht für die Gesellschaft abschließt. Gesellschaftsschulden können sowohl aus dem operativen Geschäftsbetrieb stammen (z. B. Lieferantenverbindlichkeiten, Darlehen, Mieten) als auch aus anderen Rechtsverhältnissen (z. B. Schadensersatzansprüche, Steuerverbindlichkeiten). Maßgeblich ist stets, dass die Verpflichtung im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft eingegangen wird. Solche Schulden sind von den Privatverbindlichkeiten der Gesellschafter strikt zu unterscheiden.

Wie werden Gesellschaftsschulden bei Ausscheiden eines Gesellschafters behandelt?

Tritt ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, haftet er nach deutschem Recht gemäß § 160 HGB noch fünf Jahre für die bis zu seinem Ausscheiden begründeten Schulden der Gesellschaft. Neue, nach dem Ausscheiden entstandene Verbindlichkeiten betreffen ihn nicht mehr. Die Haftung für die Altverbindlichkeiten dient dem Gläubigerschutz und verhindert, dass Gesellschafter sich durch bloßes Ausscheiden ihrer Haftung entziehen können. Für Kapitalgesellschaften gilt diese Nachhaftung in der Regel nicht, da hier ohnehin keine persönliche Haftung der Gesellschafter besteht.

Wie kann eine Gesellschaftsschuld vollstreckt werden?

Die Zwangsvollstreckung wegen einer Gesellschaftsschuld richtet sich nach der Gesellschaftsform. Bei Personengesellschaften (z. B. OHG, GbR) kann der Gläubiger unmittelbar gegen das Gesellschaftsvermögen vorgehen und, soweit eine persönliche Haftung der Gesellschafter besteht, auch deren Privatvermögen in Anspruch nehmen. Voraussetzung ist regelmäßig ein vollstreckbarer Titel (z. B. Urteil) gegen die Gesellschaft und ggf. auch gegen den einzelnen Gesellschafter. Bei Kapitalgesellschaften (z. B. GmbH, AG) ist die Zwangsvollstreckung grundsätzlich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Eine Durchgriffsvollstreckung gegen das Privatvermögen der Gesellschafter ist nur in seltenen Ausnahmefällen möglich, etwa wenn die sogenannte Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs einschlägig ist.

Welcher Unterschied besteht zwischen Gesellschaftsschulden und Privatschulden der Gesellschafter?

Gesellschaftsschulden sind Verbindlichkeiten, die im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft begründet werden und für die – je nach Gesellschaftsform – das Gesellschaftsvermögen und ggf. auch das Privatvermögen der Gesellschafter haftet. Privatschulden der Gesellschafter sind dagegen Verbindlichkeiten, die ein Gesellschafter außerhalb seiner gesellschaftlichen Tätigkeit eingegangen ist und für die ausschließlich sein Privatvermögen haftet; die Gesellschaft ist für solche Schulden nicht verantwortlich. Eine strikte Trennung ist insbesondere in der Buchführung und im Haftungsfall zwingend erforderlich, da ansonsten eine unberechtigte Inanspruchnahme der Gesellschaft oder der anderen Gesellschafter drohen kann.

Können Gesellschafter die Gesellschaftsschulden untereinander abweichend vom Gesetz regeln?

Die Gesellschafter haben grundsätzlich die Möglichkeit, die interne Haftungsverteilung für Gesellschaftsschulden abweichend vom Gesetz im Gesellschaftsvertrag zu regeln. Solche Absprachen sind jedoch nur im Innenverhältnis untereinander wirksam und entfalten keine Wirkung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Letztere können sich stets auf das gesetzliche Haftungssystem berufen. Eine abweichende Regelung kann aber beispielsweise im Rahmen eines sogenannten Freistellungsanspruchs unter den Gesellschaftern greifen, sodass derjenige, der eine Gesellschaftsschuld beglichen hat, im Innenverhältnis eine Erstattung von den Mithaftenden verlangen kann. Im Außenverhältnis bleibt jedoch meist die gesetzliche Haftung bestehen.

Welche Rolle spielen Gesellschaftsschulden bei der Insolvenz der Gesellschaft?

Im Falle der Insolvenz der Gesellschaft werden die Gesellschaftsschulden zur Insolvenzmasse gezogen. Gläubiger können ihre Forderungen im Insolvenzverfahren anmelden und quotale Befriedigung aus dem vorhandenen Gesellschaftsvermögen erhalten. Bei Personengesellschaften mit persönlicher Haftung der Gesellschafter können Gläubiger – nach Rang und Reihenfolge des Insolvenzrechts – nach Masseausschöpfung auch gegen die einzelnen Gesellschafter vorgehen. Bei Kapitalgesellschaften bleibt die Haftung grundsätzlich auf die Insolvenzmasse beschränkt. Die Handhabung der Gesellschaftsschulden im Insolvenzverfahren ist ein komplexer Prozess, der sich genau nach den Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) und den gesellschaftsspezifischen haftungsrechtlichen Regelungen richtet.