Begriff und medizinische Grundlagen von Geschlechtskrankheiten
Definition
Unter Geschlechtskrankheiten, auch sexuell übertragbare Infektionen (STI) genannt, werden Erkrankungen verstanden, die überwiegend durch sexuelle Kontakte zwischen Menschen übertragen werden. Zu diesen Erkrankungen zählen unter anderem Syphilis, Gonorrhö (Tripper), HIV/AIDS, Chlamydien-Infektionen, Genitalherpes und weitere, in internationalen Klassifikationen aufgeführte Infektionen.
Medizinischer Kontext und Relevanz
Geschlechtskrankheiten sind meldepflichtige Erkrankungen und unterliegen deshalb besonderen Regelungen im Gesundheitswesen. Die Übertragbarkeit durch sexuelle Kontakte macht diese Infektionen nicht nur zu einem individuellen, sondern auch zu einem öffentlichen Gesundheitsproblem, weshalb aus rechtlicher Sicht vielfältige Regelungen zum Schutz der Allgemeinheit bestehen.
Rechtliche Grundlagen von Geschlechtskrankheiten
Geschlechtskrankheiten im deutschen Recht
Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) bildet die zentrale gesetzliche Regelung zur Bekämpfung und Verhinderung der Verbreitung von Infektionskrankheiten einschließlich Geschlechtskrankheiten. Das Gesetz verfolgt das Ziel, Infektionen frühzeitig zu erkennen, deren Weiterverbreitung zu verhindern und eine angemessene Behandlung sicherzustellen.
Wesentliche Vorschriften im Zusammenhang mit Geschlechtskrankheiten:
- Meldepflicht (§§ 6 ff. IfSG): Bestimmte Geschlechtskrankheiten wie Syphilis oder HIV sind meldepflichtig. Die Meldepflicht zielt darauf ab, eine Überwachung der Epidemiologie zu ermöglichen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.
- Behandlungsgebot (§ 25 IfSG): Die zuständigen Behörden können erforderliche Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung anordnen, z. B. Kontaktnachverfolgung, Diagnostik und Therapie.
- Berufsrechtliche Konsequenzen: Für das Personal in Heil- und Pflegeberufen bestehen besondere Vorschriften hinsichtlich des Umgangs mit an Geschlechtskrankheiten leidenden Personen.
Strafrechtliche Aspekte (§ 178 StGB, § 223 StGB)
Die vorsätzliche oder fahrlässige Übertragung einer Geschlechtskrankheit kann strafbar sein. Das Strafgesetzbuch (StGB) sanktioniert insbesondere das absichtliche oder grob fahrlässige Herbeiführen einer Körperverletzung (§§ 223, 224 StGB). Der Tatbestand einer Körperverletzung kann bereits dann erfüllt sein, wenn eine Infektion übertragen wird, unabhängig von Symptomausprägungen.
Speziell geregelt ist dies in § 178 StGB im Zusammenhang mit schwerwiegenden Delikten wie bestimmten Sexualdelikten.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Rechtliche Folgen in persönlichen Beziehungen
Im Zivilrecht können durch die Übertragung einer Geschlechtskrankheit Schadensersatzansprüche entstehen. Wird eine Infektion beispielsweise innerhalb einer Partnerschaft verschwiegen und der/die Partner/in infiziert, können Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderungen gemäß § 823 BGB (Schadenersatzpflicht) geltend gemacht werden.
Meldepflichten und ärztliche Aufklärungspflichten
Geschlechtskrankheiten sind gemäß Infektionsschutzgesetz teilweise meldepflichtig. Ärzte sind verpflichtet, bei Verdacht, Erkrankung oder Tod infolge bestimmter Infektionen entsprechende Meldungen an die zuständigen Gesundheitsämter zu tätigen. Die namentliche Meldung erfolgt unter strikter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben (§§ 16-19 IfSG).
Zusätzlich besteht seitens der behandelnden Ärztinnen/Ärzte eine Aufklärungs- und Dokumentationspflicht. Die betreffende Person ist über die Erkrankung, deren Folgen und das Risiko der Weiterverbreitung ausführlich zu informieren.
Arbeitsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Implikationen
Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an einer meldepflichtigen Geschlechtskrankheit leiden, unterliegen besonderen Schutz- und Sorgfaltspflichten. Arbeitgeber dürfen nur eingeschränkt nach Gesundheitsdaten fragen bzw. diese verarbeiten (Datenschutz!). Allerdings kann z. B. bei akuten Infektionsrisiken im Gesundheitswesen eine vorübergehende Freistellung von der Tätigkeit angeordnet werden.
Kündigungen aufgrund der Diagnose einer Geschlechtskrankheit sind nur unter sehr engen Voraussetzungen wirksam und bedürfen einer Interessenabwägung. Die Diskriminierung wegen einer Infektion kann nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt sein.
Datenschutz und Diskretion
Persönlichkeitsrechte und ärztliche Schweigepflicht
Die Diagnose und Behandlung von Geschlechtskrankheiten betrifft besonders sensible personenbezogene Gesundheitsdaten. Die ärztliche Schweigepflicht ist in § 203 StGB kodifiziert. Eine Weitergabe von Informationen darf nur im Rahmen gesetzlicher Vorschriften erfolgen, insbesondere bei meldepflichtigen Erkrankungen oder mit schriftlicher Entbindung von der Schweigepflicht.
Der Schutz der Privatsphäre und die Vertraulichkeit der Daten werden zusätzlich durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gewährleistet.
Geschlechtskrankheiten und Versicherungsrecht
Krankenversicherung
Die Kosten für Diagnostik und Behandlung von Geschlechtskrankheiten werden in der Regel von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen übernommen, da es sich um notwendige Heilbehandlungen handelt.
Berufsunfähigkeitsversicherung und private Versicherungen
Bei Antragstellung auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung können bestehende oder zurückliegende Geschlechtskrankheiten offenlegungspflichtig sein. Verschweigen relevante Vorerkrankungen können Versicherungsleistungen im Leistungsfall verweigert werden.
Internationale Rechtsgrundlagen
Europäische Union
Auf europäischer Ebene verfolgt die EU eine harmonisierte Strategie zur Bekämpfung grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren, wozu Sexuell übertragbare Infektionen zählen. Internationale Meldewege und epidemiologische Überwachung werden durch die Europäische Kommission und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) koordiniert.
Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Die WHO gibt Empfehlungen zur Prävention, Kontrolle und Behandlung von Geschlechtskrankheiten und unterstützt nationale Gesetzgeber bei der Entwicklung entsprechender Regelwerke.
Zusammenfassung und rechtliche Bedeutung von Geschlechtskrankheiten
Geschlechtskrankheiten sind umfassend gesetzlich geregelt. Im Zentrum der Vorschriften stehen der Schutz der öffentlichen Gesundheit, die Verhinderung der Weiterverbreitung sowie der Ausgleich der Interessen Betroffener und der Gesellschaft. Durch das Ineinandergreifen von Infektionsschutzrecht, Strafrecht, Zivilrecht, Arbeitsrecht, Datenschutz und internationalen Abkommen wird ein weitreichendes Schutzsystem gewährleistet.
Die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben ist für betroffene Personen, Gesundheitsdienstleister und Unternehmen von hoher Bedeutung, um sowohl den individuellen Gesundheitsschutz als auch die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Pflichten bestehen bei der Mitteilung einer Geschlechtskrankheit an Sexualpartner?
Im deutschen Recht besteht grundsätzlich keine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung, einen Sexualpartner über eine bestehende Geschlechtskrankheit aufzuklären. Jedoch können sich rechtliche Pflichten aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie der Treue- und Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) sowie aus strafrechtlichen Vorschriften ergeben. Wer einen Sexualpartner vorsätzlich oder fahrlässig über eine ansteckende Geschlechtskrankheit im Unklaren lässt, riskiert, sich wegen Körperverletzung (§ 223, § 224 StGB), gefährlicher Körperverletzung oder sogar wegen versuchter bzw. vollendeter schwerer Körperverletzung (§ 226 StGB) strafbar zu machen. Zivilrechtlich sind zudem Schadenersatz- oder Schmerzensgeldforderungen denkbar, sofern eine Ansteckung erfolgt ist. Besonders relevant sind diese Pflichten, wenn nachweislich eine Übertragungsmöglichkeit bestand und kein wirksamer Schutz (wie etwa Kondome oder unterdrückende Therapie bei HIV) eingesetzt wurde. In bestimmten Fällen kann auch arglistige Täuschung (§ 123 BGB) vorliegen, etwa wenn die Erkrankung auf Nachfrage explizit verneint wurde.
Gibt es eine Meldepflicht bei Geschlechtskrankheiten für Ärzte und Labore?
Für bestimmte Geschlechtskrankheiten bestehen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) Meldepflichten durch behandelnde Ärzte oder Labore. So sind beispielsweise Infektionen mit dem HI-Virus, Syphilis sowie Gonorrhö (Tripper) meldepflichtig (§§ 6 ff. IfSG). Die Meldungen erfolgen grundsätzlich pseudonymisiert und dienen der Erfassung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Das IfSG regelt genau, welche Informationen übermittelt werden müssen und schützt dabei die Persönlichkeitsrechte durch datenschutzrechtliche Vorgaben. Es besteht keine generelle staatliche Meldepflicht für alle Geschlechtskrankheiten, sondern lediglich für die im Gesetz aufgelisteten. Die Meldepflicht greift unabhängig davon, ob die betroffene Person über die Erkrankung informiert ist oder nicht.
Welche Rechte auf Diskretion und Datenschutz bestehen beim Arztbesuch wegen einer Geschlechtskrankheit?
Patienten, die wegen des Verdachts oder der Behandlung einer Geschlechtskrankheit einen Arzt aufsuchen, haben einen umfassenden Anspruch auf Verschwiegenheit (§ 203 StGB, § 9 MBO-Ä). Diese ärztliche Schweigepflicht schützt sämtliche Angaben zur Person, zu Diagnosen und zum Behandlungsverlauf. Eine Weitergabe an Dritte – etwa an Arbeitgeber, Familienangehörige oder Versicherungen – ist grundsätzlich unzulässig und nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Patienten möglich. Ausnahmen gelten nur bei gesetzlich geregelten Offenbarungspflichten, wie beispielsweise bei bestimmten meldepflichtigen Krankheiten gemäß Infektionsschutzgesetz oder bei einer bestehenden Kindeswohlgefährdung. Verstöße gegen die Schweigepflicht sind strafbar und können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.
Können Arbeitnehmer wegen einer Geschlechtskrankheit gekündigt werden?
Eine Geschlechtskrankheit allein stellt in der Regel keinen rechtmäßigen Kündigungsgrund dar. Diskriminierungen aufgrund von Erkrankungen fallen unter den Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Nur in Ausnahmefällen, wenn die Ausübung der Tätigkeit durch die Krankheit dauerhaft und erheblich eingeschränkt ist, könnte eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist stets eine umfassende Interessenabwägung und zumeist eine vorherige Abmahnung oder das Scheitern alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten. Bei besonders schweren ansteckenden Krankheiten könnten Schutzinteressen Dritter, etwa bei Tätigkeiten in der Lebensmittelbranche (§ 42 IfSG), im Einzelfall eine Rolle bei der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung spielen. Eine Offenlegungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber besteht nur, wenn die Krankheit arbeitsrelevant ist oder eine Meldepflicht nach dem IfSG besteht.
Gibt es arbeitsrechtliche Schutzvorschriften für Betroffene mit Geschlechtskrankheiten?
Betroffenen stehen grundsätzlich dieselben Rechte wie anderen Arbeitnehmern zu. Sie genießen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 EFZG) und haben einen Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Arbeitgeber dürfen Auskünfte über den konkreten Krankheitsgrund nur verlangen, wenn eine berechtigte Interessenlage besteht, etwa bei meldepflichtigen Krankheiten mit Ansteckungsgefahr für Kollegen. Sonstige Nachfragen sind unzulässig und verletzen das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Im Falle längerer Arbeitsunfähigkeit ist lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung notwendig, nicht die Diagnose. Ein Sonderkündigungsschutz besteht etwa für Schwangere mit Geschlechtskrankheiten nach dem Mutterschutzgesetz.
Wann drohen strafrechtliche Konsequenzen bei der Übertragung einer Geschlechtskrankheit?
Sofern eine Person wissentlich oder fahrlässig eine Geschlechtskrankheit auf einen anderen überträgt, können verschiedene Straftatbestände einschlägig sein. Am häufigsten wird in solchen Fällen die Körperverletzung (§ 223 StGB) geprüft. Besonders schwere Fälle, wie vorsätzliche Infizierung mit lebensbedrohlichen Krankheiten (z.B. HIV), können als gefährliche oder schwere Körperverletzung (§ 224, § 226 StGB) bewertet werden. Die Strafbarkeit setzt voraus, dass ein Übertragungsrisiko bestand und der Geschützte nicht ausreichend informiert wurde oder nicht einwilligte. Bereits das Inkaufnehmen einer möglichen Ansteckung kann strafbar sein. Für eine Strafverfolgung ist meist ein Strafantrag nötig, bei HIV-Infizierung handelt es sich jedoch um ein Offizialdelikt. Auch der Versuch einer Infektion kann strafbar sein, selbst wenn es nicht zu einer Ansteckung kommt.