Begriff und rechtliche Einordnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags
Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist ein zentraler Begriff des deutschen Sozialversicherungsrechts und bezeichnet die Summe sämtlicher Beiträge, die ein Arbeitgeber für seine Beschäftigten im Rahmen des Sozialversicherungssystems an die zuständige Einzugsstelle abführen muss. Dazu zählen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung sowie Arbeitslosenversicherung. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag spiegelt somit die finanzielle Beteiligung sowohl des Arbeitgebers als auch der Beschäftigten an den Sozialversicherungssystemen wider.
Rechtsgrundlage
Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag finden sich insbesondere im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sowie im Siebenten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) bezüglich der Unfallversicherung. Die zentralen Vorschriften sind:
- § 28d SGB IV (Gesamtsozialversicherungsbeitrag),
- § 28e SGB IV (Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags),
- § 28h SGB IV (Meldung und Nachweis des Gesamtsozialversicherungsbeitrags),
- § 23 SGB IV (Stundung, Erlass und Niederschlagung).
Die Regelungen bestimmen Umfang, Ermittlung, Fälligkeit und das Verfahren der Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags.
Zusammensetzung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags
Einzelne Versicherungszweige
Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag setzt sich aus folgenden Beiträgen zusammen:
- Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung
- Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung
- Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung
- Beiträge zur Arbeitslosenversicherung
- Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und dem Mutterschutzgesetz (MuSchG)
(Nicht enthalten ist regelmäßig die gesetzliche Unfallversicherung, deren Beiträge gesondert an die Berufsgenossenschaft zu entrichten sind.)
Anteil Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Der Arbeitgeber zieht den Anteil der Beschäftigten direkt vom Arbeitsentgelt ab und führt gemeinsam mit dem eigenen Anteil den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ab (§ 28g SGB IV). Die Aufteilung ist gesetzlich geregelt, wobei in der Regel paritätische Beiträge vorgesehen sind. Abweichungen bestehen beispielsweise in der Pflegeversicherung (Zuschlag für Kinderlose) und der Krankenversicherung (Zusatzbeitrag).
Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags
Einzugsstelle
Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist von Arbeitgebern an die zuständige Einzugsstelle abzuführen. Dies ist in der Regel die Krankenkasse, bei der der Beschäftigte versichert ist (§ 28h SGB IV). Die Einzugsstelle leitet die Anteile an die weiteren Sozialversicherungsträger weiter.
Fälligkeit und Zahlungsmodalitäten
Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist grundsätzlich spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig (§ 23 Abs. 1 SGB IV). Verstöße gegen die fristgerechte Abführung können Säumniszuschläge und Bußgelder nach sich ziehen.
Meldung und Nachweis
Arbeitgeber sind verpflichtet, die Beitragsnachweise elektronisch an die Einzugsstelle zu übermitteln (§ 28f SGB IV). Für die korrekte Berechnung und Abführung sind umfassende Dokumentations- und Nachweispflichten zu beachten.
Berechnung und Bemessungsgrundlage
Grundsatz der Bemessung
Die Bemessungsgrundlage für die Erhebung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ist grundsätzlich das sozialversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelt (§ 14 SGB IV). Es werden jedoch Beitragsbemessungsgrenzen beachtet, die jährlich angepasst werden und für die einzelnen Versicherungszweige variieren.
Sonderfälle und Besonderheiten
Zu beachten sind besondere Regelungen für geringfügig und kurzfristig Beschäftigte, für Mehrfachbeschäftigungen sowie für Personen in Elternzeit oder Altersteilzeit. Dies kann Einfluss auf die Beitragshöhe und deren Zuordnung nehmen.
Rechtsfolgen bei Verstößen
Folgen verspäteter oder unterbliebener Abführung
Die nicht fristgerechte Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als Ordnungswidrigkeit (§ 111 SGB IV) und kann mit Bußgeldern geahndet werden. Darüber hinaus kann im Falle einer vorsätzlichen Nichtabführung der Tatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) erfüllt sein, der strafrechtlich verfolgt wird.
Säumniszuschläge
Für nicht rechtzeitig gezahlte Beiträge entstehen nach § 24 SGB IV Säumniszuschläge. Sie betragen 1 Prozent des rückständigen Betrags für jeden angefangenen Monat.
Weitere rechtliche Aspekte
Nachweis- und Dokumentationspflichten
Arbeitgeber sind verpflichtet, Beitragsnachweise sowie weitere Abrechnungsunterlagen zehn Jahre lang aufzubewahren (§ 28f Abs. 2 SGB IV). Die Träger der Rentenversicherung und die Einzugsstellen können Betriebsprüfungen durchführen, um die ordnungsgemäße Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zu kontrollieren.
Stundung, Erlass und Niederschlagung
In finanziellen Härtefällen ist eine Stundung oder sogar ein teilweiser Erlass der Beiträge unter bestimmten Voraussetzungen möglich (§ 76 SGB IV). Eine Niederschlagung kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht.
Bedeutung und praktische Relevanz
Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag sichert die finanzielle Grundlage der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland und gewährleistet einen effizienten, rechtssicheren Einzug der Beiträge. Für Unternehmen und Beschäftigte ist die korrekte Anwendung unabdingbar, um Rechtsnachteile und finanzielle Risiken zu vermeiden.
Siehe auch:
Quellen:
Sozialgesetzbuch (SGB IV), Sozialgesetzbuch (SGB V, VI, III), Deutsche Rentenversicherung, Bundeszentrale für politische Bildung.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist nach deutschem Recht für die Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verantwortlich?
Gemäß § 28e Abs. 1 SGB IV ist es die primäre Pflicht des Arbeitgebers, die vom Arbeitsentgelt einbehaltenen Arbeitnehmeranteile sowie die von ihm selbst zu tragenden Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag rechtzeitig und vollständig einzubehalten, zu berechnen und an die zuständigen Einzugsstellen, in der Regel die Krankenkassen, abzuführen. Dabei obliegt dem Arbeitgeber neben der korrekten Berechnung auch die Meldepflicht, wonach nach § 28a SGB IV die relevanten Angaben zu den beschäftigten Personen und den Beitragsbemessungsgrundlagen zu machen sind. Werden die Beiträge nicht rechtzeitig abgeführt, haftet der Arbeitgeber vollumfänglich für die ausgefallenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge und kann nach § 266a StGB sogar strafrechtlich belangt werden. Auch im Falle einer Insolvenz bleibt der Arbeitgeber grundsätzlich bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens abführungspflichtig. Die Einzugsstellen wiederum übernehmen die Aufgabe der ordnungsgemäßen Verteilung der eingegangenen Beiträge an die jeweiligen Sozialversicherungsträger.
Welche Meldefristen müssen gesetzlich für die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags beachtet werden?
Nach § 23 Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber die Gesamtsozialversicherungsbeiträge spätestens am drittletzten Bankarbeitstag eines Monats (Fälligkeitstag) an die Krankenkassen zu zahlen, bei denen die betroffenen Arbeitnehmer versichert sind. Dazu ist gemäß Beitragsnachweisverordnung (BNV) spätestens bis zum zweitletzten Bankarbeitstag ein elektronischer Beitragsnachweis mit sämtlichen Beitragsdaten zu übermitteln. Diese strikte Frist dient einer reibungslosen und termingerechten Verteilung der Beiträge auf die einzelnen Zweige der Sozialversicherung und sichert die Liquidität der Sozialversicherungsträger. Versäumt ein Arbeitgeber diese Fristen, drohen Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV sowie gegebenenfalls weitere rechtliche Konsequenzen bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung.
Welche Sanktionsmöglichkeiten sieht das Gesetz bei Verletzung der Abführungspflichten vor?
Bei Verletzung der Pflichten zur rechtzeitigen und vollständigen Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags greifen verschiedene Sanktionen: Einerseits sind nach § 24 Abs. 1 SGB IV Säumniszuschläge fällig, die pro angefangenem Monat der Säumnis 1 % des rückständigen Betrags betragen. Darüber hinaus stellt das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266a StGB eine Straftat dar und kann eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe nach sich ziehen. Daneben besteht die Möglichkeit, dass die zuständigen Krankenkassen Eilmaßnahmen wie Beitragsnachforderungen, Mahnungen und in letzter Konsequenz Zwangsvollstreckungen einleiten. Weiterhin kann die Verletzung arbeitsrechtliche Konsequenzen für verantwortliche Personen im Unternehmen haben, insbesondere wenn Organträger wie Geschäftsführernach § 823 BGB haften.
Wie ist bei fehlerhaften oder nachträglichen Änderungen der Beitragsbemessung vorzugehen?
Stellt sich nachträglich heraus, dass die Höhe des abgeführten Gesamtsozialversicherungsbeitrags nicht korrekt war, sieht § 27 Abs. 2 SGB IV die Möglichkeit von Berichtigungen über Korrekturmeldungen (SV-Meldungen) vor. Diese müssen vom Arbeitgeber unverzüglich nach Bekanntwerden der Abweichung vorgenommen und die Differenzbeträge nachgezahlt werden. Unterlassen Arbeitgeber diese Berichtigung, kann die Einzugsstelle nach § 28p SGB IV im Rahmen einer Betriebsprüfung auch rückwirkend Beiträge nachfordern. Zudem müssen ggf. zu viel gezahlte Beiträge nach Antragstellung erstattet bzw. mit zukünftigen Beiträgen verrechnet werden. In jedem Fall ist strikte Dokumentations- und Nachweispflicht zu beachten, um die Korrekturen nachvollziehbar zu gestalten.
Wer haftet im Falle der Insolvenzeröffnung für rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge?
Bei Insolvenz des Arbeitgebers sind die rückständigen, jedoch vor Verfahrenseröffnung entstandenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO), sofern die Arbeitsentgelte im Zeitraum nach Eröffnung des Verfahrens weitergezahlt werden. Für bereits zum Zeitpunkt der Insolvenzreife fällige, jedoch nicht gezahlte Beiträge haftet der Arbeitgeber persönlich, was regelmäßig zu einer Haftung der vertretungsberechtigten Organe nach § 823 BGB führen kann, wenn diese ihre gesetzlichen Pflichten schuldhaft verletzen. Die Sozialversicherungsträger können im Rahmen der Insolvenztabelle ihre Forderungen anmelden und ggf. über das insolvenzrechtliche Verfahren durchsetzen.
Gibt es rechtliche Unterschiede bei geringfügiger Beschäftigung bezüglich des Gesamtsozialversicherungsbeitrags?
Bei geringfügigen Beschäftigungen (Minijobs) gelten besondere beitragsrechtliche Vorschriften nach §§ 8, 8a SGB IV in Verbindung mit dem Vierten Abschnitt SGB IV sowie der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV). Die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung werden pauschal berechnet und die Knappschaft-Bahn-See ist regelmäßig die Einzugsstelle. Allerdings bleibt der Arbeitgeber nach § 28e Abs. 1a Satz 1 SGB IV auch bei Minijobs für die korrekte Abführung und das Einhalten aller Meldepflichten verantwortlich, wobei Fehler und Säumnis analog wie bei regulären Beschäftigungen zu behandeln sind. Überdies gibt es bei kurzfristiger Beschäftigung Besonderheiten hinsichtlich Beitragsfreiheit in verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung, die genauestens zu beachten sind.
Unter welchen Voraussetzungen ist eine Stundung oder ein Erlass des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach geltendem Recht möglich?
Nach § 76 SGB IV kann eine Stundung oder ein Erlass des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nur unter engen, im Gesetz abschließend festgelegten Voraussetzungen erfolgen. Eine Stundung ist grundsätzlich dann möglich, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Über den Antrag entscheidet die Einzugsstelle nach pflichtgemäßem Ermessen, und es werden während der Stundung regelmäßig Stundungszinsen erhoben. Ein Erlass von Beiträgen kommt nur aus Gründen der Unbilligkeit einzelner Fälle in Betracht und ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eng auszulegen (vgl. BSG-Urteile), wobei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beitragsschuldners intensiv geprüft wird.