Gesamtjugendvertretung: Bedeutung, Einordnung und Aufgaben
Die Gesamtjugendvertretung ist ein betriebs- oder dienststellenübergreifendes Vertretungsorgan für junge Beschäftigte und Auszubildende in Organisationen mit mehreren Betrieben oder Dienststellen. Sie bündelt die Interessen der lokalen Jugend- und Auszubildendenvertretungen und koordiniert Themen, die mehrere Standorte oder Einheiten betreffen. Ihr rechtlicher Rahmen ergibt sich aus den jeweiligen arbeits- oder dienstrechtlichen Mitbestimmungssystemen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst.
Abgrenzung: JAV, Gesamtjugendvertretung (GJAV) und Konzernjugendvertretung (KJAV)
Die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ist auf Betriebsebene oder Dienststellenebene tätig. Bestehen mehrere JAVen innerhalb eines Unternehmens oder einer Dienststelle mit Untergliederungen, kann eine Gesamtjugendvertretung gebildet werden. In Unternehmensgruppen mit mehreren rechtlich selbstständigen Gesellschaften ist ergänzend eine konzernweite Jugend- und Auszubildendenvertretung (KJAV) möglich. Die Gesamtjugendvertretung befasst sich mit standortübergreifenden Anliegen, während die JAV lokale Themen bearbeitet.
Anwendungsbereiche: Privatwirtschaft und öffentlicher Dienst
Die Gesamtjugendvertretung existiert sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst. Die Grundidee ist vergleichbar, die Ausgestaltung variiert jedoch je nach Regelwerk. Unterschiede betreffen unter anderem Altersgrenzen, Wahlverfahren, Amtszeiten und die jeweilige Zusammenarbeit mit dem übergeordneten Mitbestimmungsgremium (z. B. Gesamtbetriebsrat oder Gesamtpersonalrat).
Voraussetzungen und Bildung
Wann wird eine Gesamtjugendvertretung gebildet?
Eine Gesamtjugendvertretung wird typischerweise dann gebildet, wenn in mehreren Betrieben oder Dienststellen einer Organisation jeweils eine JAV besteht und standortübergreifende Angelegenheiten der jungen Beschäftigten und Auszubildenden koordiniert werden müssen. Sie ist an die Existenz eines übergeordneten Mitbestimmungsgremiums (z. B. Gesamtbetriebsrat oder Gesamtpersonalrat) gekoppelt.
Wahlverfahren und Zusammensetzung
Die Mitglieder der Gesamtjugendvertretung werden nicht unmittelbar von allen jungen Beschäftigten und Auszubildenden gewählt. Stattdessen entsenden oder wählen die örtlichen JAVen aus ihrer Mitte Delegierte in die Gesamtjugendvertretung. Die Größe richtet sich in der Praxis nach der Organisationsstruktur und den maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben. In der Regel wird ein Vorsitz sowie eine Stellvertretung gewählt.
Wählbarkeit und Stimmrecht
Wählbar sind in der Regel Mitglieder der örtlichen JAVen. Das Stimmrecht innerhalb der Gesamtjugendvertretung steht den ordentlichen Mitgliedern zu. Stellvertretungen rücken nach den festgelegten Regeln nach oder nehmen bei Verhinderung teil.
Amtszeit und Nachrücken
Die Amtszeit orientiert sich an den gesetzlichen Bestimmungen für die Jugendvertretungen im jeweiligen Bereich und kann zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst variieren. Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, rückt eine stellvertretende Person oder ein Ersatzmitglied nach.
Vorsitz, Geschäftsführung und Sitzungen
Die Gesamtjugendvertretung organisiert sich eigenständig. Dazu gehören die Wahl eines Vorsitzes, die Festlegung von Geschäftsordnungsgrundsätzen, die Einberufung von Sitzungen sowie die Erstellung von Beschlüssen und Protokollen. Sitzungen können, soweit die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, in Präsenz oder unter Nutzung geeigneter Kommunikationsmittel stattfinden.
Aufgaben und Befugnisse
Vertretene Personengruppen und Themenfelder
Die Gesamtjugendvertretung vertritt die Interessen jugendlicher Beschäftigter und Auszubildender. In der Privatwirtschaft umfasst dies regelmäßig Jugendliche unter 18 Jahren sowie Auszubildende und vergleichbar Lernende bis zu einer bestimmten Altersgrenze. Im öffentlichen Dienst können hiervon abweichende Altersgrenzen gelten. Typische Themen sind Ausbildungsgestaltung, Übernahmechancen, Arbeits- und Lernbedingungen, Gleichbehandlung, Arbeitsschutz, digitale Lern- und Arbeitsmittel sowie die Qualität der betrieblichen oder dienstlichen Ausbildung.
Beteiligungs-, Antrags- und Anhörungsrechte
Die Gesamtjugendvertretung hat das Recht, Anliegen vorzutragen, Auskünfte einzuholen, Vorschläge zu machen und die Behandlung jugendrelevanter Themen in den zuständigen Gremien zu verlangen. Sie kann an Sitzungen des übergeordneten Mitbestimmungsgremiums teilnehmen, wenn Angelegenheiten beraten werden, die Jugendliche und Auszubildende betreffen. Ein eigenständiges Mitbestimmungsrecht besteht üblicherweise nicht; Entscheidungen werden durch das zuständige Mitbestimmungsgremium getroffen.
Zusammenarbeit mit Gesamtbetriebsrat bzw. Gesamtpersonalrat
Die Gesamtjugendvertretung arbeitet eng mit dem Gesamtbetriebsrat oder Gesamtpersonalrat zusammen. Sie bereitet Themen auf, übermittelt Stellungnahmen und wirkt bei der Willensbildung mit. Bei standortübergreifenden Maßnahmen, die junge Beschäftigte oder Auszubildende betreffen, soll eine abgestimmte und frühzeitige Einbindung erfolgen.
Informations- und Unterrichtungsrechte
Die Gesamtjugendvertretung hat Anspruch auf rechtzeitige und umfassende Information über Vorgänge, die für junge Beschäftigte und Auszubildende bedeutsam sind. Dazu zählen etwa Planungen zur Ausbildung, Veränderungen in Ausbildungsordnungen auf betrieblicher Ebene, Umstrukturierungen mit Auswirkungen auf Ausbildungsplätze oder Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Ausbildung, Schule und Arbeit.
Rechte der Mitglieder
Arbeitszeitfreistellung und Schulung
Mitglieder der Gesamtjugendvertretung werden für die ordnungsgemäße Durchführung ihrer Aufgaben freigestellt. Erforderliche Schulungen zur Aufgabenerfüllung können in Anspruch genommen werden, sofern sie inhaltlich erforderlich und angemessen sind.
Kosten- und Sachmittel
Die für die Tätigkeit notwendigen Kosten und Sachmittel werden von der Organisation getragen. Hierzu zählen insbesondere Räume, Arbeitsmittel, Kommunikationsmittel, Reisekosten im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung sowie erforderliche Schulungskosten.
Schutzrechte und Benachteiligungsverbot
Mitglieder genießen einen besonderen Schutz. Dazu gehören ein Benachteiligungsverbot aufgrund der Gremientätigkeit, ein erhöhter Kündigungsschutz während der Amtszeit sowie eine Nachwirkungsfrist. Versetzungen, Abmahnungen oder sonstige Maßnahmen dürfen nicht wegen der Gremienarbeit erfolgen.
Geheimhaltung und Datenschutz
Mitglieder sind zur Vertraulichkeit verpflichtet. Betriebs- oder Dienstgeheimnisse, personenbezogene Daten und besonders schützensame Informationen dürfen nur im gesetzlich zulässigen Rahmen verarbeitet und weitergegeben werden.
Verhältnis zu anderen Gremien
Lokale JAV und Übergang zur Gesamtjugendvertretung
Die Gesamtjugendvertretung ist nicht Ersatz, sondern Ergänzung zur lokalen JAV. Lokale Anliegen werden vor Ort bearbeitet; übergreifende Themen werden von der Gesamtjugendvertretung koordiniert. Informationen fließen in beide Richtungen, um eine einheitliche Interessenvertretung sicherzustellen.
Konzernweite Koordination (KJAV)
Besteht ein Konzern mit mehreren Unternehmen und jeweils bestehenden Jugendvertretungen, kann zusätzlich eine konzernweite Vertretung eingerichtet werden. Diese koordiniert konzernweite Themen, etwa gemeinsame Ausbildungsstandards, konzernweite Programme oder standortübergreifende Digitalisierungsprojekte mit Bezug zur Ausbildung.
Zusammenarbeit mit Gewerkschaften
Gewerkschaften können im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben unterstützen und informieren. Eine Teilnahme von Gewerkschaftsvertretungen an Sitzungen ist möglich, sofern die formellen Voraussetzungen vorliegen.
Verfahren und Arbeitsweise
Beschlussfassung und Protokoll
Beschlüsse werden in ordnungsgemäß einberufenen Sitzungen gefasst. Es gilt das Mehrheitsprinzip der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder, soweit die maßgeblichen Regeln nichts Abweichendes vorsehen. Über Sitzungen wird ein Protokoll geführt.
Teilnahme an Sitzungen anderer Gremien
Bei jugend- und ausbildungsrelevanten Themen hat die Gesamtjugendvertretung Teilnahmerechte in Sitzungen des übergeordneten Mitbestimmungsgremiums sowie Anhörungs- und Rederechte. Sie kann die Aufnahme von Tagesordnungspunkten beantragen.
Umgang mit Beschwerden
Gehen Anliegen junger Beschäftigter oder Auszubildender ein, prüft die Gesamtjugendvertretung, ob ein standortübergreifender Bezug vorliegt. Lokale Beschwerden werden an die zuständige JAV weitergeleitet; übergreifende Themen werden an das zuständige Mitbestimmungsgremium herangetragen.
Besondere Konstellationen
Kleinbetriebe und Mischkonzerne
In kleineren Organisationen ohne mehrere JAVen entfällt die Bildung einer Gesamtjugendvertretung. In Mischstrukturen mit unterschiedlich organisierten Einheiten ist zu prüfen, ob und wie eine gemeinsame Vertretung gebildet werden kann, sofern rechtliche Voraussetzungen erfüllt sind.
Überbetriebliche Ausbildung, Leiharbeit und duale Studiengänge
Bei überbetrieblichen Ausbildungsmodellen, Einsätzen in Partnerbetrieben oder Leiharbeit stellt sich die Frage der Zugehörigkeit und Zuständigkeit. Maßgeblich sind die vertraglichen Zuordnungen sowie die gesetzlichen Zuständigkeitsregeln. Dual Studierende können erfasst sein, wenn sie in einem Ausbildungsverhältnis stehen oder nach den einschlägigen Bestimmungen als Auszubildende gelten.
Betriebsänderungen, Restrukturierungen und Digitalisierung
Bei Umstrukturierungen, Standortzusammenlegungen oder der Einführung neuer Technologien mit Auswirkungen auf die Ausbildung ist die Gesamtjugendvertretung frühzeitig zu beteiligen. Sie wirkt darauf hin, dass Ausbildungsqualität, Übernahmechancen und Lernbedingungen geschützt und weiterentwickelt werden.
Ende der Amtszeit und Auflösung
Gründe für das Ende
Die Amtszeit endet regulär mit Ablauf der festgelegten Dauer, durch Neuwahl, Auflösung infolge Strukturänderungen oder wenn die Voraussetzungen für eine Gesamtjugendvertretung entfallen. Ein vorzeitiges Ausscheiden einzelner Mitglieder führt nicht zur Auflösung, sofern die Vertretung handlungsfähig bleibt.
Übergabe und Kontinuität
Zum Ende der Amtszeit wird die Arbeit dokumentiert und geordnet übergeben. Damit wird die Kontinuität der Interessenvertretung sichergestellt, insbesondere bei laufenden übergreifenden Projekten und Maßnahmen.
Häufig gestellte Fragen
Wer gehört zur Gesamtjugendvertretung?
Mitglieder sind Delegierte aus den örtlichen Jugend- und Auszubildendenvertretungen einer Organisation mit mehreren Betrieben oder Dienststellen. Sie werden aus der Mitte der örtlichen JAVen entsandt oder gewählt und bilden gemeinsam die Gesamtjugendvertretung.
Welche Personen vertritt die Gesamtjugendvertretung?
Sie vertritt Jugendliche und Auszubildende. In der Privatwirtschaft sind dies regelmäßig Beschäftigte unter 18 Jahren sowie Auszubildende und vergleichbare Lernende bis zu einer gesetzlich festgelegten Altersgrenze. Im öffentlichen Dienst können abweichende Altersgrenzen gelten.
Welche Befugnisse hat die Gesamtjugendvertretung gegenüber dem Arbeitgeber oder der Dienststellenleitung?
Sie hat Antrags-, Anhörungs- und Informationsrechte, kann die Behandlung jugendrelevanter Themen verlangen und an Sitzungen des übergeordneten Mitbestimmungsgremiums teilnehmen. Entscheidungen trifft das zuständige Mitbestimmungsgremium; ein eigenes Stimmrecht in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten besteht üblicherweise nicht.
Wie wird die Gesamtjugendvertretung gewählt?
Die Wahl erfolgt indirekt durch die örtlichen JAVen, die Delegierte bestimmen. Eine unmittelbare Wahl durch alle jungen Beschäftigten und Auszubildenden ist nicht vorgesehen.
Wie lange dauert die Amtszeit?
Die Amtszeit richtet sich nach den jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen und kann je nach Bereich variieren. Sie endet regulär mit Ablauf der Amtsperiode oder durch Neuwahl.
Wie arbeitet die Gesamtjugendvertretung mit dem Gesamtbetriebsrat oder Gesamtpersonalrat zusammen?
Sie bereitet jugendrelevante Themen auf, übermittelt Stellungnahmen, nimmt an Beratungen teil und stellt Anträge. Dadurch wird gewährleistet, dass die Belange junger Beschäftigter und Auszubildender in Entscheidungen einfließen.
Sind Schulungen und Freistellungen vorgesehen?
Für die ordnungsgemäße Amtsausübung bestehen Freistellungsansprüche. Erforderliche Schulungen zur Wahrnehmung der Aufgaben können in Anspruch genommen werden; die notwendigen Kosten trägt die Organisation.