Begriff und rechtliche Einordnung der Gesamtjugendvertretung
Die Gesamtjugendvertretung ist ein zentraler Begriff im deutschen Arbeitsrecht und bildet einen festen Bestandteil der innerbetrieblichen Interessenvertretung für jugendliche Beschäftigte und Auszubildende. Sie übernimmt eine koordinierende Funktion zwischen den örtlichen Jugend- und Auszubildendenvertretungen innerhalb eines Unternehmens oder Konzerns. Die Gesamtjugendvertretung ist gesetzlich geregelt und nimmt eine wichtige Rolle beim Schutz, der Förderung und der Wahrnehmung der besonderen Interessen junger Beschäftigter ein.
Gesetzliche Grundlagen
Rechtsgrundlage im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Die rechtliche Grundlage der Gesamtjugendvertretung findet sich in §§ 73 bis 73b BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz). Anders als die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV), die auf Ebene des einzelnen Betriebs tätig wird, erstreckt sich die Gesamtjugendvertretung auf den gesamten Unternehmens- oder Konzernbereich, sofern mehrere selbstständige Betriebe mit eigenen Jugend- und Auszubildendenvertretungen existieren.
Voraussetzungen für die Errichtung
Die Errichtung einer Gesamtjugendvertretung setzt voraus, dass im Unternehmen oder Konzern mindestens zwei Jugend- und Auszubildendenvertretungen bestehen (§ 73 Abs. 1 BetrVG). Eine gesetzliche Pflicht zur Errichtung besteht nicht, vielmehr wird die Einrichtung durch einen Mehrheitsbeschluss der JAVen im Gesamtunternehmen eingeleitet.
Wahl und Zusammensetzung
Die Mitglieder der Gesamtjugendvertretung werden von den einzelnen Jugend- und Auszubildendenvertretungen für die Dauer ihrer Amtszeit entsandt. Die Anzahl richtet sich nach der Zahl der bestehenden Jugend- und Auszubildendenvertretungen. Die Wahl erfolgt in geheimer Abstimmung; das Verfahren ist im BetrVG detailliert geregelt.
Aufgaben und Befugnisse der Gesamtjugendvertretung
Zentrale Aufgaben
Die Hauptaufgabe der Gesamtjugendvertretung besteht darin, die Interessen der jugendlichen Beschäftigten und Auszubildenden auf Unternehmensebene zu bündeln und zu vertreten. Ihre Zuständigkeit bezieht sich auf Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder den Konzern betreffen und nicht durch eine einzelne Jugend- und Auszubildendenvertretung allein wahrgenommen werden können.
Zu den zentralen Aufgaben gehören:
- Behandlung von Angelegenheiten, die mehrere Betriebe im Unternehmen betreffen
- Koordination der Arbeit der einzelnen JAVen
- Einbringung von Vorschlägen zur Verbesserung der Arbeits- und Ausbildungsbedingungen auf Unternehmensebene
- Beteiligung an betrieblichen Einigungs- und Mitbestimmungsverfahren, sofern mehrere Betriebe berührt sind
Beteiligungsrechte und Mitwirkungspflichten
Die Gesamtjugendvertretung besitzt das Recht, an Sitzungen des Gesamtbetriebsrats beratend teilzunehmen, sofern Angelegenheiten behandelt werden, die Jugendliche und Auszubildende betreffen (§ 67 Abs. 1 i.V.m. § 73 Abs. 2 BetrVG). Darüber hinaus hat die Gesamtjugendvertretung ein Initiativrecht hinsichtlich aller die jugendlichen Arbeitnehmerinnen betreffenden Fragen, insbesondere in Bezug auf Ausbildung, Übernahme, Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit.
Dem Gesamtbetriebsrat bzw. dem Konzernbetriebsrat obliegt eine enge Informations- und Anhörungspflicht gegenüber der Gesamtjugendvertretung, wodurch eine frühzeitige Einbindung in relevante Entscheidungsprozesse gewährleistet wird.
Verhältnis zu anderen Gremien
Beziehung zum Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat
Die Gesamtjugendvertretung ist dem Gesamtbetriebsrat bzw. Konzernbetriebsrat zugeordnet und arbeitet eng mit diesem zusammen. Sie kann an den Sitzungen des Gesamtbetriebsrats teilnehmen und ist berechtigt, Anträge zu stellen, sofern ein Jugendthema zur Beratung steht.
Verhältnis zu den örtlichen Jugend- und Auszubildendenvertretungen
Die Gesamtjugendvertretung übernimmt eine koordinierende und unterstützende Rolle bei betrieblichen Angelegenheiten. Sie informiert und berät die örtlichen JAVen und sorgt für einen regelmäßigen Austausch zwischen ihnen, um gemeinsame Anliegen effektiv zu vertreten.
Wahl und Amtszeit
Die Mitglieder der Gesamtjugendvertretung werden auf die gleiche Amtszeit wie die Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt bzw. entsandt (§ 73 Abs. 4 BetrVG). Das Mandat erlischt mit dem Ende des JAV-Mandats oder durch einen Widerruf durch die entsendende JAV.
Die Wahl erfolgt im Rahmen einer konstituierenden Sitzung, wobei jede Jugend- und Auszubildendenvertretung ihre Delegierten auswählt. Die Weiterführung der Vertretungsarbeit ist durch Nachrücker oder Ersatzmitglieder geregelt, falls ein Mitglied vorzeitig ausscheidet.
Rechte, Pflichten und Schutz der Mitglieder
Mitglieder der Gesamtjugendvertretung genießen einen erweiterten Schutz vor Kündigung und Benachteiligung nach § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sowie besondere Freistellungen und Schulungsansprüche. Ihnen stehen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Sachmittel, Räumlichkeiten und Arbeitsbefreiung zu, wobei dem Arbeitgeber entsprechende Pflichten zur Unterstützung obliegen.
Die Pflichten umfassen die gewissenhafte Ausübung der Vertretungstätigkeit, Verschwiegenheit bei vertraulichen Angelegenheiten und eine regelmäßige Berichterstattung an die entsendenden Jugend- und Auszubildendenvertretungen.
Beendigung und Auflösung der Gesamtjugendvertretung
Die Tätigkeit der Gesamtjugendvertretung endet mit Ablauf der Amtsperiode der JAVen, bei Auflösung des Unternehmens oder bei Wegfall der Voraussetzungen für ihr Bestehen (z. B. wenn nur noch eine JAV existiert). Die Abberufung einzelner Mitglieder ist durch die entsendende Jugend- und Auszubildendenvertretung möglich.
Bedeutung in der Praxis
Die Gesamtjugendvertretung leistet einen maßgeblichen Beitrag zur Gestaltung einer modernen, partizipativen Unternehmenskultur, indem sie die Anliegen der jüngsten Beschäftigtengruppe überbetrieblich bündelt. Insbesondere in großen Unternehmen und Konzernen trägt sie zur Standardisierung und Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für Auszubildende und jugendliche Arbeitnehmerinnen bei.
Zusammenfassung
Die Gesamtjugendvertretung stellt ein gesetzlich verankertes Gremium zur überbetrieblichen Interessenvertretung junger Beschäftigter dar. Ihre Rechte und Pflichten sind im Betriebsverfassungsgesetz umfassend geregelt und bieten die Grundlage für eine systematische Mitbestimmung und Mitgestaltung betriebsspezifischer Angelegenheiten auf Unternehmensebene. Die Gesamtjugendvertretung ist damit ein unverzichtbares Instrument zur Sicherstellung der besonderen Schutz- und Förderbedürfnisse Auszubildender und jugendlicher Arbeitnehmer im Arbeitsleben.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist wahlberechtigt und wählbar zur Gesamtjugendvertretung?
Zum Kreis der Wahlberechtigten und der Wählbaren zur Gesamtjugendvertretung gehören, gemäß § 61 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) bzw. analogen Regelungen in Landespersonalvertretungsgesetzen, ausschließlich die unter 18 Jahre alten Beschäftigten sowie die in der Berufsausbildung befindlichen Beschäftigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Wahlberechtigt sind demnach regelmäßig Auszubildende, Praktikant*innen und Personen in dualen Studiengängen. Wählbar sind grundsätzlich alle Angehörigen dieses Kreises, sofern sie dem Betrieb, der Dienststelle oder dem Unternehmen angehören, wobei es keine Vorgabe zur Mindestbeschäftigungsdauer gibt, sofern keine abweichenden tariflichen oder betrieblichen Vereinbarungen bestehen. Unvereinheiten in Bezug auf Alter, Status oder spezielle Vertragsverhältnisse können die Wahlberechtigung einschränken.
Wie erfolgt die Zusammensetzung der Gesamtjugendvertretung?
Die Gesamtjugendvertretung setzt sich aus den von den einzelnen Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAVen) entsandten Mitgliedern zusammen. Hierbei ist zu beachten, dass die Zahl der zu entsendenden Mitglieder in der Regel in den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften (z. B. § 62 BPersVG) festgelegt ist, abhängig von der Anzahl der in der Jugendvertretung vertretenen Mitarbeitenden beziehungsweise der Zusammensetzung der Jugendvertretungen in den einzelnen Betriebsteilen oder Dienststellen. Die Delegation erfolgt meist aus der Mitte der einzelnen JAVen, wobei das Verfahren – etwa einfache Mehrheit oder besondere Quoren – durch die Geschäftsordnung der jeweiligen Jugendvertretung oder durch ergänzende dienst- bzw. tarifrechtliche Vorschriften geregelt sein kann.
Welche rechtlichen Aufgaben und Befugnisse hat die Gesamtjugendvertretung?
Rechtlich gesehen vertritt die Gesamtjugendvertretung insbesondere die Interessen aller jugendlichen Beschäftigten und Auszubildenden auf der überbetrieblichen, ressortübergreifenden oder übergeordneten Organisationsebene, wie sie im Geltungsbereich der jeweiligen Haupt- oder Gesamtpersonalvertretung besteht. Dazu gehört primär die Wahrnehmung, Förderung und Überwachung der Einhaltung von Jugendschutzvorschriften und Ausbildungsbestimmungen für den gesamten unterstellten Bereich. Sie hat das Recht, Anträge an die Gesamtpersonalvertretung zu stellen und ist in Angelegenheiten, die Jugendliche/Auszubildende des Gesamtbereichs betreffen, anzuhören bzw. zu beteiligen. Die gesetzlichen Grundlagen, etwa das BPersVG, normieren auch das Initiativrecht, das Recht auf Teilnahme an Sitzungen der übergeordneten Personalvertretungen sowie ein beschränktes Recht auf eigene Sitzungen und die Nutzung der Sachmittel.
Wie gestaltet sich das Verhältnis zur Gesamtpersonalvertretung?
Die Gesamtjugendvertretung agiert im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit grundsätzlich eigenständig, ist jedoch in zahlreichen Angelegenheiten berechtigt und verpflichtet, mit der Gesamtpersonalvertretung zusammenzuarbeiten. Gesetzlich geregelt ist insbesondere das Antragsrecht auf Behandlung bestimmter Themen, das Teilnahmerecht an Sitzungen der Gesamtpersonalvertretung bei jugendspezifischen Angelegenheiten und die Möglichkeit, beratend tätig zu werden. Die Gesamtjugendvertretung kann keine selbständigen Beschlüsse mit unmittelbarer Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber fassen, sondern nimmt ihre Aufgaben im Rahmen der Gesamtpersonalvertretung wahr, durch die gegebenenfalls Initiative zur Beschlussfassung ergriffen wird.
Unterliegt die Tätigkeit der Gesamtjugendvertretung dem besonderen Kündigungsschutz?
Mitgliedern der Gesamtjugendvertretung wird innerhalb der Ausübung ihres Amtes sowie in einem gewissen Nachwirkungszeitraum nach Beendigung der Amtszeit ein besonderer Kündigungsschutz nach den Vorschriften des Personalvertretungsrechts und ergänzend nach dem Kündigungsschutzgesetz gewährt. Demnach ist eine ordentliche Kündigung grundsätzlich unzulässig, außer in eng begrenzten Ausnahmefällen mit vorheriger Zustimmungen der jeweiligen Personalvertretung. Der Sonderkündigungsschutz folgt damit den rechtlichen Regelungen, wie sie für Mitglieder der Personalvertretungen und Jugendvertretungen vorgesehen sind. Diese Schutzregelungen dienen der Sicherstellung einer unabhängigen und unbeeinflussten Vertretungsarbeit.
Welche rechtlichen Fristen gelten bei der Wahl zur Gesamtjugendvertretung?
Die Fristen zur Wahl der Gesamtjugendvertretung sind im BPersVG bzw. in entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften geregelt. So ist die Wahl in der Regel innerhalb einer bestimmten Frist durchzuführen, sobald mehrere örtliche Jugend- und Auszubildendenvertretungen bestehen, spätestens jedoch binnen eines Monats nach Konstituierung der letzten örtlichen Vertretung. Die Amtszeit der Gesamtjugendvertretung entspricht in der Regel derjenigen der Jugendvertretungen, ausgetretene Mitglieder sind innerhalb einer ebenfalls gesetzlich bestimmten Zeitspanne (i.d.R. zwei Wochen) nachzubesetzen.
Welche Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte stehen der Gesamtjugendvertretung zu?
Soweit die Gesamtjugendvertretung eigene Belange für Jugendliche bzw. Auszubildende identifiziert, steht ihr nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen ein Antrags- und Initiativrecht bei Maßnahmen und Entscheidungen auf der Gesamtbetriebsebene zu, bei denen jugendspezifische Interessenbetroffenheit besteht. Beteiligungsrechte können sich auf Stellenbesetzungen, Ausbildungsqualität oder jugendschutzrechtliche Fragestellungen beziehen. Die Mitbestimmung erfolgt grundsätzlich über die Gesamtpersonalvertretung, wobei die Gesamtjugendvertretung insoweit Anhörungs-, Beratungs- und Vorschlagsrechte hat. Je nach Bundesland und Status kann die Ausgestaltung der Rechte spezifisch geregelt sein (z.B. zustimmungspflichtige Maßnahmen in Ausbildungsfragen).
Welche gesetzlichen Grundlagen und arbeitsrechtlichen Normen sind für die Gesamtjugendvertretung maßgeblich?
Die rechtliche Grundlage bildet für den öffentlichen Dienst das jeweilige Personalvertretungsgesetz, im Bund das BPersVG und in den Ländern die entsprechenden Landespersonalvertretungsgesetze. Für privatwirtschaftliche Betriebe gilt das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Hinzu treten Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes, ggf. spezielle Tarifverträge sowie Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts (z.B. Kündigungsschutzgesetz). Darüber hinaus sind interne Satzungen, Geschäftsordnungen und ggf. Vereinbarungen auf Gesamtbetriebsebene, die die Arbeit der Gesamtjugendvertretung betreffen, maßgeblich. All diese Normen regeln Zusammensetzung, Zuständigkeiten, Wahlmodalitäten, Amtsführung sowie Rechte und Pflichten umfassend.