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Gesamtbetriebsrat


Begriff und Grundlagen des Gesamtbetriebsrats

Der Gesamtbetriebsrat ist ein bei Unternehmen mit mehreren Betrieben gebildetes Organ der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland. Er stellt eine zusätzliche Ebene in der betrieblichen Interessenvertretung dar und koordiniert die Zusammenarbeit und Meinungsbildung zwischen den einzelnen Betriebsräten eines Unternehmens. Die rechtliche Grundlage bildet vor allem das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), insbesondere § 47 ff. BetrVG.

Rechtsgrundlage und Entstehung

Die Bildung eines Gesamtbetriebsrats ist nach § 47 Abs. 1 BetrVG in Unternehmen mit mehreren Betriebsräten zwingend vorgeschrieben. Dabei setzt die Konstituierung voraus, dass im Unternehmen mindestens zwei Betriebsräte bestehen. Die tatsächliche Anzahl, Größe sowie die Verteilung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist dabei unerheblich.

Die Zusammensetzung, Aufgaben und Kompetenzen des Gesamtbetriebsrats sind detailliert im Betriebsverfassungsgesetz geregelt und stellen eine Erweiterung der Mitbestimmungsstrukturen in Unternehmen mit komplexer, mehrbetrieblicher Organisation dar.

Zusammensetzung und Wahl des Gesamtbetriebsrats

Zusammensetzung

Der Gesamtbetriebsrat besteht nach § 47 Abs. 2 BetrVG aus Mitgliedern der einzelnen örtlichen Betriebsräte. Jeder Betriebsrat entsendet grundsätzlich ein Mitglied. Bei mehr als 300 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Zuständigkeitsbereich eines Betriebsrats kann dieser zwei Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat entsenden; bei mehr als 700 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entsprechend drei Mitglieder.

Wahl und Amtszeit

Die Entsendung in den Gesamtbetriebsrat erfolgt durch Mehrheitsbeschluss des jeweiligen örtlichen Betriebsrats. Die Amtszeit eines Mitglieds im Gesamtbetriebsrat ist an dessen Mitgliedschaft im entsendenden Betriebsrat gebunden. Scheidet das entsandte Mitglied aus dem örtlichen Betriebsrat aus, erlischt auch automatisch dessen Mitgliedschaft im Gesamtbetriebsrat (§ 47 Abs. 2 BetrVG).

Ersatzmitglieder

Für jedes Mitglied des Gesamtbetriebsrats kann ein Ersatzmitglied bestellt werden, das bei Verhinderung des ordentlichen Mitglieds dessen Aufgaben übernimmt.

Aufgaben und Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

Aufgabenbereich

Der Aufgabenbereich des Gesamtbetriebsrats ist in § 50 BetrVG geregelt. Der Gesamtbetriebsrat wird nur für solche Angelegenheiten zuständig, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs geregelt werden können.

Typische Aufgabenbereiche sind zum Beispiel:

  • Abschluss von Gesamtbetriebsvereinbarungen
  • Grundsatzentscheidungen unternehmensweit einheitlicher Fragen (z. B. Einführung unternehmensweiter IT-Systeme)
  • Umsetzung gesetzlicher, tariflicher oder betrieblicher Regelungen auf Unternehmensebene, soweit diese mehrere Betriebe betreffen

Abgrenzung zur Zuständigkeit des Betriebsrats

Die Kompetenzverteilung zwischen örtlichem Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat richtet sich nach dem Grundsatz der Subsidiarität. Oberstes Prinzip ist, dass Angelegenheiten möglichst dezentral und betriebsnah gelöst werden sollen. Der Gesamtbetriebsrat ist daher nur zuständig, wenn eine Vereinbarung durch einzelne Betriebsräte ausgeschlossen ist.

Gesamtbetriebsvereinbarung

Ein wesentliches Instrument des Gesamtbetriebsrats ist die Gesamtbetriebsvereinbarung. Sie ist insbesondere bei unternehmensweiten Regelungen (z. B. zur Arbeitszeit, Datenschutz, Gesundheitsmanagement) von großer Bedeutung und wirkt unmittelbar und zwingend für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Geltungsbereich.

Arbeitsweise und Organisation des Gesamtbetriebsrats

Sitzungen und Geschäftsführung

Der Gesamtbetriebsrat tritt regelmäßig zu Sitzungen zusammen, die durch den Vorsitzenden des Gremiums einberufen und geleitet werden (§ 51 BetrVG). Die Geschäftsführung unterliegt denselben Prinzipien wie beim Betriebsrat, insbesondere die Beschlussfassung nach demokratischen Grundsätzen und die Führung einer Geschäftsordnung.

Beratungs- und Informationsrechte

Der Gesamtbetriebsrat verfügt wie der örtliche Betriebsrat über umfassende Informations- und Beratungsrechte gegenüber dem Unternehmensinhaber beziehungsweise der Geschäftsleitung (§§ 80, 106 ff. BetrVG). Das Unternehmensleitungsorgan hat den Gesamtbetriebsrat über alle Angelegenheiten, die dessen Zuständigkeitsbereich betreffen, rechtzeitig und umfassend zu informieren.

Einberufung einer Gesamtbetriebsversammlung

Der Gesamtbetriebsrat kann jährlich mindestens einmal eine Gesamtbetriebsversammlung einberufen (§ 53 BetrVG), zu der sämtliche Mitglieder aller Betriebsräte anwesend sind. Diese dient insbesondere der Information und Konsultation sowie dem unternehmensweiten Erfahrungsaustausch.

Rechtliche Bedeutung und Abgrenzungen

Verhältnis zum Konzernbetriebsrat

Neben dem Gesamtbetriebsrat ist der Konzernbetriebsrat auf übergeordneter Ebene für Angelegenheiten zuständig, die den gesamten Konzern betreffen (§ 54 BetrVG). Die Abgrenzung der Zuständigkeiten orientiert sich an der Ebene, auf der die Angelegenheit organisatorisch geregelt werden kann. Ist eine Regelung auf Gesamtunternehmensebene nicht ausreichend, und betrifft die Angelegenheit Tochterunternehmen im Konzernverbund, liegt die Zuständigkeit beim Konzernbetriebsrat.

Rechtsschutz und Durchsetzung

Der Gesamtbetriebsrat verfügt in seinem Aufgabenbereich über dieselben Durchsetzungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten wie der örtliche Betriebsrat. Bei Meinungsverschiedenheiten mit der Geschäftsleitung steht ihm insbesondere der Weg zum Arbeitsgericht offen (§ 2a ArbGG).

Bedeutung des Gesamtbetriebsrats in der Betriebsverfassung

Der Gesamtbetriebsrat nimmt eine Schlüsselstellung innerhalb der mehrstufigen Mitbestimmungsstruktur in Unternehmen ein. Er fördert die Interessenvertretung der Arbeitnehmer auf betriebs- und unternehmensübergreifender Ebene, gewährleistet die Koordination, Harmonisierung und Organisation zentraler Anliegen und trägt zur betrieblichen Mitbestimmung auf einer organisatorisch erhöhten Stufe bei.

Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
  • Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)
  • Kommentarliteratur und Rechtsprechung zu §§ 47-53 BetrVG

Hinweis: Der Gesamtbetriebsrat ist ein zentrales Organ der Mitbestimmung innerhalb von Unternehmen mit mehreren Betrieben und nimmt wesentliche Koordinations-, Steuerungs- und Entscheidungsaufgaben wahr. Seine rechtlichen Rahmenbedingungen und Befugnisse sind im Betriebsverfassungsgesetz festgelegt und bilden die Grundlage für die betriebliche Mitbestimmung auf überbetrieblicher Ebene.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist ein Gesamtbetriebsrat zu errichten?

Ein Gesamtbetriebsrat ist gemäß § 47 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu errichten, wenn in einem Unternehmen mit mehreren Betrieben mindestens zwei Betriebsräte bestehen. Die Errichtung ist nicht freiwillig, sondern zwingend vorgeschrieben, sobald die Voraussetzungen vorliegen. Der Gesamtbetriebsrat wird dabei aus Abgesandten der einzelnen Betriebsräte gebildet, wobei die Größe und Zusammensetzung von der Anzahl der Arbeitnehmer in den Betrieben abhängt. Die Wahl erfolgt durch die jeweiligen Betriebsräte, wobei jeder Betriebsrat so viele Mitglieder entsendet, wie es dem Verhältnis der in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu der Gesamtzahl der im Unternehmen Beschäftigten entspricht. Für Betriebe mit weniger als 100 Arbeitnehmern kann sich der Betriebsrat auf ein Mitglied beschränken, für größere Betriebe können zwei entsandt werden. Die Bildung eines Gesamtbetriebsrats ist also bei Vorliegen der Voraussetzungen obligatorisch; eine betriebliche oder tarifliche Abweichung hiervon ist nicht vorgesehen.

Welche Aufgaben und Zuständigkeiten hat der Gesamtbetriebsrat?

Die Aufgaben und Zuständigkeiten des Gesamtbetriebsrats sind im Betriebsverfassungsgesetz detailliert geregelt, insbesondere in § 50 BetrVG. Er ist immer dann zuständig, wenn ein Sachverhalt das gesamte Unternehmen oder mehrere Betriebe betrifft und nicht durch einzelne Betriebsräte geregelt werden kann. Beispiele hierfür sind unternehmensweite Regelungen zu Arbeitszeitmodellen, überbetriebliche Sozialpläne oder EDV-Systeme, die an mehreren Standorten eingeführt werden. Die Originärzuständigkeit begrenzt sich dabei strikt auf Angelegenheiten, die nicht durch einzelbetriebliche Mitbestimmung gelöst werden können. Eine freiwillige Übertragung von Aufgaben durch die örtlichen Betriebsräte ist ebenfalls möglich, sofern das Interesse der Arbeitnehmer dies rechtfertigt und die Angelegenheit mehreren Betrieben gemeinsam ist. Der Gesamtbetriebsrat nimmt somit eine zentrale Koordinations- und Verhandlungsfunktion gegenüber der Unternehmensleitung wahr, ohne jedoch die betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten der örtlichen Betriebsräte auszuhebeln.

Wie erfolgt die Beschlussfassung im Gesamtbetriebsrat?

Die Beschlussfassung im Gesamtbetriebsrat richtet sich nach denselben Grundsätzen wie im Betriebsrat, gemäß §§ 33, 47, 51 BetrVG. Entscheidungen werden mit einfacher Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder getroffen. Die Beschlüsse sind nur gültig, wenn der Gesamtbetriebsrat ordnungsgemäß einberufen wurde und die erforderliche Beschlussfähigkeit (mindestens die Hälfte der Mitglieder ist anwesend) gegeben ist. Jedes entsandte Mitglied hat grundsätzlich eine Stimme, unabhängig von der Größe des Betriebs, aus dem es stammt. Allerdings kann die Satzung des Gesamtbetriebsrats Abweichungen vorsehen, sofern dies nicht dem Gesetz widerspricht. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats – und im Verhinderungsfall sein Stellvertreter – leitet die Sitzungen und vertritt die Beschlüsse nach außen. Besondere Beachtung ist den Vertraulichkeits- und Dokumentationspflichten zu schenken; insoweit gelten die Vorschriften zu Niederschriften und Unterlageneinsicht entsprechend.

Kann ein Gesamtbetriebsrat gebildet werden, wenn nur Tochtergesellschaften örtliche Betriebsräte haben?

Rechtlich ist nach § 47 BetrVG für die Bildung eines Gesamtbetriebsrats maßgeblich, dass die einzelnen Betriebe Teil desselben Unternehmens sind. Tochtergesellschaften stellen grundsätzlich jeweils eigene juristische Einheiten dar, auch wenn diese unter einem gemeinsamen Konzern gearbeitet werden. Ein unternehmensweiter Gesamtbetriebsrat kann demnach nur dann gebildet werden, wenn sich die Betriebsräte auf Betriebe einer einzigen, rechtlich selbstständigen Unternehmung beziehen. Sind Betriebsräte ausschließlich in rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften vorhanden, kann nur auf Konzernebene ein Konzernbetriebsrat gebildet werden, sofern mindestens zwei Unternehmen mit Betriebsräten zum selben Konzern gehören (§ 54 BetrVG). Eine gemischte Vertretung innerhalb des Gesamtbetriebsrats, die unterschiedliche juristische Personen umfasst, ist nicht vorgesehen und verstößt gegen das Betriebsverfassungsrecht.

Welche Rechte und Pflichten hat der Gesamtbetriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber?

Der Gesamtbetriebsrat steht dem Arbeitgeber des gesamten Unternehmens gegenüber, übt aber keine Überwachungstätigkeit über die einzelnen Betriebsräte aus. Seine Rechte umfassen insbesondere die Mitbestimmung und Mitwirkung in Angelegenheiten, die das Unternehmen oder mehrere Betriebe betreffen. Er verfügt dabei über eigene Informations-, Vorschlags- und Anhörungsrechte, zum Beispiel bei der Einführung neuer Technologien, Personalplanung oder Änderungen der Betriebsorganisation mit unternehmensweitem Bezug. Zudem besitzt der Gesamtbetriebsrat Initiativrechte bei der Gestaltung betrieblicher Regelungen, kann (wie ein Betriebsrat) Einigungsstellen anrufen und ist bei Verstößen des Arbeitgebers zur Interessenswahrnehmung berechtigt. Pflichten ergeben sich vor allem aus den Treue- und Sorgfaltspflichten gegenüber den von ihm vertretenen Arbeitnehmern, der Geheimhaltung (§ 79 BetrVG) sowie der ordnungsgemäßen Geschäftsführung und Protokollierung. Der Gesamtbetriebsrat hat zudem darauf zu achten, keinen Einflussbereich der örtlichen Betriebsräte unzulässig zu beschneiden.

Können Aufgaben vom Gesamtbetriebsrat wieder an die örtlichen Betriebsräte zurückübertragen werden?

Das Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass Aufgaben, die vom Gesamtbetriebsrat übernommen wurden, mit Zustimmung der betroffenen örtlichen Betriebsräte auch wieder zurückübertragen werden können. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn sich herausstellt, dass sich Angelegenheiten inzwischen überwiegend einzelbetrieblich regeln lassen oder die Voraussetzungen für eine gesamtbetriebliche Zuständigkeit entfallen sind. Die Rückübertragung sollte durch einen entsprechenden Beschluss sowohl des Gesamtbetriebsrats als auch der betroffenen örtlichen Betriebsräte erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass durch die Rückübertragung keine Rechtslücke entsteht und weiterhin eine betriebsverfassungskonforme Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen gewährleistet bleibt. Die praktische Handhabung und die Details der Rückübertragung sollten in der Geschäftsordnung oder einer gesonderten Vereinbarung geregelt werden.

Welche Bedeutung hat die Geschäftsordnung des Gesamtbetriebsrats?

Die Geschäftsordnung des Gesamtbetriebsrats ist ein verbindliches Regelwerk, das die innere Arbeitsorganisation, die Sitzungsabläufe, das Abstimmungsverfahren sowie die Bestellung von Ausschüssen, Delegationen und sonstigen Organisationsfragen regelt (§ 36 BetrVG i.V.m. § 51 BetrVG). Sie ist für die Mitglieder verbindlich und sorgt für Rechtssicherheit und Transparenz hinsichtlich der internen Abläufe. Die Geschäftsordnung kann, muss aber nicht zwingend von Anfang an eingeführt werden. In der Praxis ist sie jedoch dringend zu empfehlen, da mit steigendem Umfang und Komplexität der Aufgaben eine effiziente Arbeitsweise nur mit klaren internen Vorschriften gewährleistet werden kann. Änderungen der Geschäftsordnung bedürfen eines Mehrheitsbeschlusses des Gesamtbetriebsrats. Widersprüchliche oder gesetzwidrige Inhalte sind unwirksam bzw. durch den Arbeitgeber oder das Arbeitsgericht angreifbar.