Gesamtbetrag der Einkünfte
Der Gesamtbetrag der Einkünfte ist ein zentrales Element im deutschen Einkommensteuerrecht. Er stellt die Zwischensumme aller steuerlich relevanten Einnahmen einer natürlichen Person innerhalb eines Kalenderjahres dar, nachdem bestimmte Abzüge und Hinzurechnungen berücksichtigt wurden. Der Gesamtbetrag der Einkünfte bildet die Grundlage für die weitere Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und ist maßgeblich für die Festlegung der Steuerlast.
Gesetzliche Grundlagen
§ 2 Abs. 3 EStG
Die Definition und Berechnung des Gesamtbetrags der Einkünfte ist in § 2 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) normiert. Danach setzt sich der Gesamtbetrag der Einkünfte aus der Summe der Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten zusammen, nach Abzug von bestimmten steuerlichen Vorteilen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte wird nicht isoliert versteuert, sondern dient als Bestandteil der Berechnungsgrundlage für das zu versteuernde Einkommen.
Systematik des Einkommensteuerrechts
Der Gesamtbetrag der Einkünfte ist das Ergebnis der ersten Stufe des dreistufigen Verfahrens der Einkommensermittlung:
- Ermittlung der Einkünfte: Zuordnung der Einnahmen zu den sieben Einkunftsarten, Ermittlung der Überschüsse bzw. Gewinne der jeweiligen Einkunftsart.
- Gesamtbetrag der Einkünfte: Summe der einzelnen Einkünfte nach Abzug von Ausgleichsposten.
- zu versteuerndes Einkommen: Weitere Minderung um Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und weitere Abzüge.
Zusammensetzung des Gesamtbetrags der Einkünfte
Sieben Einkunftsarten
Der Gesamtbetrag der Einkünfte setzt sich aus Einkünften der folgenden sieben steuerlichen Einkunftsarten zusammen:
- Land- und Forstwirtschaft (§ 13-14a EStG)
- Gewerbebetrieb (§ 15-17 EStG)
- Selbständige Arbeit (§ 18 EStG)
- Nichtselbständige Arbeit (§ 19 EStG)
- Kapitalvermögen (§ 20 EStG)
- Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG)
- Sonstige Einkünfte (§ 22, 23 EStG)
Jede Einkunftsart wird einzeln ermittelt, wobei Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten von den Einnahmen abgezogen werden.
Abzüge beim Gesamtbetrag der Einkünfte
Von der Summe der Einkünfte werden bestimmte steuerliche Abzüge vorgenommen:
- Verlustabzug im Rahmen des § 10d EStG (aus anderen Einkunftsarten oder Vorjahresverlusten)
- Freibeträge (z. B. Altersentlastungsbetrag, Entlastungsbetrag für Alleinerziehende)
- Zuschläge und Hinzurechnungen im Einzelfall
Nach diesen Abzügen ergibt sich der Gesamtbetrag der Einkünfte, der als Ausgangswert für die weitere Einkommensteuerberechnung dient.
Bedeutung des Gesamtbetrags der Einkünfte
Steuerliche Bemessungsgrundlage
Der Gesamtbetrag der Einkünfte fungiert als Bemessungsgrundlage für viele steuerliche Vorschriften und Freibeträge. Beispielsweise orientieren sich zahlreiche Freibeträge, Freigrenzen und Höchstbeträge (z. B. Unterhaltsleistungen, Kinderfreibetrag, Kirchensteuer) am Gesamtbetrag der Einkünfte.
Progressionsvorbehalt
Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen (wie z. B. das Arbeitslosengeld I oder Elterngeld), werden nicht direkt steuerpflichtig, beeinflussen aber über die Eintragung im Gesamtbetrag der Einkünfte die Höhe des Steuersatzes für die übrigen Einkünfte.
Negative Einkünfte und Verlustverrechnung
Negative Einkünfte (Verluste) aus einzelnen Einkunftsarten können im Rahmen der Verlustverrechnung mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten verrechnet werden. Dies beeinflusst unmittelbar den Gesamtbetrag der Einkünfte und somit die Höhe der späteren Steuer.
Abgrenzung und Verhältnis zu weiteren steuerlichen Begriffen
Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten
Der Gesamtbetrag der Einkünfte unterscheidet sich von den Bruttoeinnahmen, da bereits bei der Ermittlung der einzelnen Einkünfte Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen wurden. Entsprechend zeigt er ein realistischeres Bild der tatsächlichen steuerlichen Leistungsfähigkeit.
Unterschied zum zu versteuernden Einkommen
Der Gesamtbetrag der Einkünfte ist nicht mit dem zu versteuernden Einkommen gleichzusetzen. Zwischen beiden Größen liegen noch weitere Abzugspositionen wie Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und ggf. steuerfreie Beträge.
Praktische Beispiele zur Berechnung
Beispielhafte Berechnung
Eine Person erzielt im Kalenderjahr folgende Einkünfte:
- Nichtselbständige Arbeit: 40.000 €
- Vermietung und Verpachtung: 5.000 €
- Verluste aus Gewerbebetrieb: -3.000 €
Gesamtbetrag der Einkünfte = 40.000 € + 5.000 € – 3.000 € = 42.000 €
Berücksichtigung von Verlusten
Erzielt die Person zusätzlich negative Einkünfte (z. B. aus Beteiligungen an Fonds), so können diese unter bestimmten Voraussetzungen zur Minderung des Gesamtbetrags der Einkünfte führen, sofern sie nicht nach § 15 Abs. 4 EStG oder nach anderen Vorschriften ausgeschlossen sind.
Rechtsprechung und Anwendung in der Praxis
Die Finanzgerichte sowie der Bundesfinanzhof haben in zahlreichen Entscheidungen zum Gesamtbetrag der Einkünfte Stellung genommen. Typische Streitpunkte betreffen die Zurechnung von Einkünften, die Berücksichtigung von Verlusten sowie die Rechtmäßigkeit bestimmter Abzugsbeträge.
Relevanz in weiterführenden Kontexten
Der Gesamtbetrag der Einkünfte spielt auch in anderen Bereichen, etwa im Sozialleistungsrecht und bei der Berechnung der Eltern- und Wohnungsbauprämie, eine Rolle. Die jeweiligen gesetzlichen Vorschriften knüpfen für bestimmte Förderungen, Leistungen oder Begrenzungen an den Gesamtbetrag der Einkünfte an.
Siehe auch:
Literatur:
- Hermann Heuer/Rauppach: Einkommensteuergesetz. Kommentar.
- Tipke/Lang: Steuerrecht.
Weblinks:
- Bundesministerium der Finanzen: Einkommensteuerrecht
- Häufig gestellte Fragen
Welche Bedeutung hat der Gesamtbetrag der Einkünfte im deutschen Steuerrecht?
Der Gesamtbetrag der Einkünfte bildet im deutschen Einkommensteuerrecht eine zentrale Rechengröße. Er stellt dasjenige Zwischenergebnis dar, das sich nach der Ermittlung der Einkünfte aus den sieben Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 EStG), der Berücksichtigung von Verlustausgleichen sowie der Abzüge nach § 13a Abs. 3 EStG und bestimmten Sondervorschriften ergibt. Der Gesamtbetrag der Einkünfte ist maßgeblich dafür, in welcher Höhe Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen sowie Steuerfreibeträge in Anspruch genommen werden können. Außerdem dienen viele steuergesetzliche Vorschriften, insbesondere bei der Prüfung von Zumutbarkeitsgrenzen (z. B. bei Krankenversicherungsbeiträgen oder Eigenanteilen bei außergewöhnlichen Belastungen), explizit dem Gesamtbetrag der Einkünfte als Berechnungsausgangspunkt. Damit fungiert der Gesamtbetrag der Einkünfte als Bindeglied zwischen der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte und der darauf folgenden Ermittlung des zu versteuernden Einkommens.
Welche Einkünfte zählen bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte?
Bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte wird auf die Summe der positiven und negativen Einkünfte aus den sieben steuerlich relevanten Einkunftsarten abgestellt: Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit, aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung sowie aus sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 EStG. Für jede Einkunftsart erfolgt zunächst eine gesonderte Ermittlung, wobei Betriebsausgaben und Werbungskosten von den Einnahmen abzuziehen sind. Anschließend können Verluste im Wege des horizontalen (innerhalb einer Einkunftsart) oder vertikalen (aus einer Einkunftsart mit einer anderen) Verlustausgleichs berücksichtigt werden, soweit das Gesetz keine Ausnahmen vorsieht (z. B. bei sog. „abzugsbeschränkten“ Verlusten). Vergünstigungen wie Steuerbefreiungen oder ausdrücklich nicht zu berücksichtigende Einkünfte nach § 3 EStG bleiben bereits auf Ebene der Einkünfteermittlung außen vor.
Wird der Gesamtbetrag der Einkünfte durch Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen beeinflusst?
Nein, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen werden erst im Anschluss an die Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen. Sie finden bei der Ermittlung dieses Betrags keine Berücksichtigung. Vielmehr ist der Gesamtbetrag der Einkünfte das Eingangskriterium für verschiedene Abzugsmerkmale, da zahlreiche Freibeträge und Abzugsbeschränkungen (z. B. Höchstbeträge für Sonderausgaben, Zumutbarkeitsgrenzen bei außergewöhnlichen Belastungen) an diesen Wert anknüpfen. Erst im nachgelagerten Rechenschritt reduziert sich durch die Abzüge für Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und weitere Abzüge gemäß § 2 Abs. 4 EStG der Gesamtbetrag der Einkünfte zum (gegebenenfalls maßgeblichen) zu versteuernden Einkommen.
Wie werden Verluste bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte berücksichtigt?
Verluste werden grundsätzlich im Rahmen des horizontalen oder vertikalen Verlustausgleichs von der Summe der positiven Einkünfte abgezogen. Der horizontale Verlustausgleich erfolgt innerhalb derselben Einkunftsart, das heißt, Verluste aus einer Einkunftsquelle können mit Gewinnen aus einer anderen Quelle derselben Art verrechnet werden. Ist danach noch ein Verlustsaldo vorhanden, kommt der vertikale Verlustausgleich zum Einsatz, bei dem der verbleibende Verlust von Gewinnen aus anderen Einkunftsarten abgezogen werden kann. Gesetzliche Verlustausgleichsbeschränkungen sind dabei zu beachten, beispielsweise für Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 3 S. 7 EStG) oder aus Steuerstundungsmodellen (§ 15b EStG). Verluste, die im betreffenden Jahr nicht ausgeglichen werden dürfen, können gesondert festgestellt und in künftige Jahre vor- oder rückgetragen werden (Verlustvortrag/-rücktrag).
Welche Auswirkungen haben steuerfreie Einnahmen auf den Gesamtbetrag der Einkünfte?
Steuerfreie Einnahmen im Sinne des § 3 EStG oder ausdrücklich steuerfreie Beträge bleiben bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte grundsätzlich außer Ansatz. Sie werden bereits bei der Ermittlung der jeweiligen Einkünfte abgezogen oder nicht einbezogen und fließen somit nicht in die Berechnung ein. Beispiele hierfür sind das Arbeitslosengeld, bestimmte Sozialleistungen, Mutterschaftsgeld oder Elterngeld. Hingegen sind steuerpflichtige Einnahmen, auch wenn sie einer ermäßigten Besteuerung oder besonderen Tarifvorschriften unterliegen, wie etwa Abfindungen oder bestimmte Altersrenten, in vollem Umfang bei der Einkünfteermittlung und damit im Gesamtbetrag der Einkünfte zu berücksichtigen.
Inwieweit werden ausländische Einkünfte beim Gesamtbetrag der Einkünfte berücksichtigt?
Ausländische Einkünfte sind grundsätzlich dann in den Gesamtbetrag der Einkünfte einzubeziehen, wenn der Steuerpflichtige in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 1 EStG) und das Welteinkommensprinzip gilt. Eine Ausnahme ergibt sich, wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) greift und einzelne ausländische Einkünfte ausdrücklich vom deutschen Besteuerungsrecht ausnimmt oder den Anrechnungs- bzw. Freistellungsmethoden unterwirft. Bei der Freistellungsmethode nach einem DBA werden die ausländischen Einkünfte oft in den sogenannten Progressionsvorbehalt einbezogen, d. h. sie erhöhen zwar nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte, beeinflussen aber die Höhe des Steuersatzes für das zu versteuernde Einkommen.
Welche gesetzlichen Vorschriften regeln die Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte?
Die maßgeblichen Regelungen für die Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte finden sich im Einkommensteuergesetz (EStG), im Wesentlichen in § 2 EStG. § 2 Abs. 3 EStG definiert explizit, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte die Summe aller Einkünfte ist, wie sie sich nach Berücksichtigung zulässiger Verlustausgleiche und bestimmter Abzüge ergibt. Die Detailregelungen zur Ermittlung der einzelnen Einkunftsarten finden sich in den §§ 13 bis 24 EStG. Darüber hinaus sind weitere Vorschriften, insbesondere zu Verlustabzugsmöglichkeiten (§ 10d EStG) und zu spezifischen Sonderregelungen oder steuerfreien Einnahmen (§ 3 EStG), für den Gesamtbetrag der Einkünfte von Bedeutung. Schließlich sind diverse Vorschriften in Doppelbesteuerungsabkommen und die durch die Finanzverwaltung ergangenen Verwaltungsanweisungen einschlägig.