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Geringfügige Beschäftigung


Begriff und Abgrenzung der Geringfügigen Beschäftigung

Die geringfügige Beschäftigung zählt zu den besonderen Formen des Arbeitsverhältnisses im deutschen Rechtssystem. Sie ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch eine im Gesetz definierte Obergrenze für Arbeitsentgelt oder Arbeitszeit. Ziel ist die Schaffung flexibler Beschäftigungsverhältnisse, insbesondere für Arbeitnehmer, die nur einen geringen Arbeitsumfang anstreben oder die eine zusätzliche Nebenbeschäftigung aufnehmen wollen.

Das bekannteste Beispiel einer geringfügigen Beschäftigung ist der sogenannte Minijob, der häufig in Privathaushalten, im Einzelhandel oder in der Gastronomie anzutreffen ist. Gesetzlich geregelt sind die Rahmenbedingungen insbesondere im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sowie durch ergänzende Vorschriften, etwa das Mindestlohngesetz (MiLoG) und das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).


Rechtsgrundlagen der Geringfügigen Beschäftigung

Sozialversicherungsrechtliche Einordnung

Abgrenzung nach Entgelt (450/520-Euro-Job)

Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse werden im Zusammenhang mit der Entgeltgrenze von 520 Euro monatlich (seit 1. Oktober 2022, zuvor 450 Euro) festgelegt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV). Wird diese Grenze im Monatsdurchschnitt eines Kalenderjahres nicht überschritten, handelt es sich um eine „geringfügig entlohnte Beschäftigung“. Maßgeblich ist hierbei das regelmäßige Arbeitsentgelt, also das mit hinreichender Sicherheit zu erwartende Durchschnittsentgelt pro Monat.

Abgrenzung nach Arbeitszeit (kurzfristige Beschäftigung)

Neben der Entgeltgrenze gibt es den Typus der kurzfristigen Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Sie liegt vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf maximal 3 Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt ist und nicht berufsmäßig ausgeübt wird, beispielsweise bei saisonaler Aushilfsarbeit.


Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen

Geringfügig Beschäftigte genießen grundsätzlich die gleichen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften wie Arbeitnehmer in regulären Beschäftigungsverhältnissen. Dazu zählen insbesondere:

  • Anspruch auf Mindestlohn (§ 22 MiLoG, Ausnahmen möglich)
  • Erholungsurlaub (Bundesurlaubsgesetz)
  • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz)
  • Kündigungsschutz gemäß Kündigungsschutzgesetz bei entsprechender Betriebsgröße

Auch ein schriftlicher Arbeitsvertrag wird empfohlen, ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben.


Meldepflichten und Nachweisgesetz

Der Arbeitgeber muss geringfügige Beschäftigungen unverzüglich bei der Minijob-Zentrale als zentrale Meldestelle anmelden (§ 28a SGB IV). Zudem sind die Bestimmungen des Nachweisgesetzes (NachwG) zu beachten, wonach wesentliche Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen sind.


Beitragspflichten zur Sozialversicherung

Versicherungsfreiheit und Pauschalabgaben

Rentenversicherung

Seit dem 1. Januar 2013 besteht grundsätzlich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Arbeitnehmer kann sich jedoch auf Antrag von dieser Pflicht befreien lassen. Die Umlage durch Arbeitgeber beträgt pauschal 15 % (bei Privathaushalten 5 %) des Arbeitsentgelts (§ 172 Abs. 3 SGB VI).

Krankenversicherung

In der Regel besteht für geringfügig Beschäftigte Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Arbeitgeber sind jedoch verpflichtet, eine Pauschale zur Krankenversicherung von 13 % (in Privathaushalten keine Pauschale) an die Minijob-Zentrale abzuführen, sofern der Arbeitnehmer gesetzlich krankenversichert ist.

Unfallversicherung

Der Unfallversicherungsschutz besteht grundsätzlich auch für geringfügig Beschäftigte, die Beiträge trägt jedoch allein der Arbeitgeber an die zuständige Berufsgenossenschaft.

Lohnsteuer

Die Abführung der Lohnsteuer erfolgt wahlweise pauschal (2 % inklusive Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) oder nach den individuellen Steuermerkmalen des Arbeitnehmers.


Besonderheiten und Grenzfälle

Mehrfache Beschäftigungen

Wird mehr als eine geringfügige Beschäftigung gleichzeitig ausgeübt, sind die Entgelte zusammenzurechnen. Überschreiten sie insgesamt 520 Euro monatlich, tritt Versicherungspflicht in der Sozialversicherung ein.

Nebenberufliche Beschäftigung

Ist der Arbeitnehmer hauptberuflich tätig und übt die geringfügige Beschäftigung zusätzlich aus, bestehen die dargestellten Regelungen weiterhin, sofern keine berufsmäßige Ausübung vorliegt. Maßgeblich bleibt die Einhaltung der Entgeltgrenze.


Rechte und Pflichten der Parteien

Arbeitnehmerrechte

Geringfügig Beschäftigte haben Anspruch auf gleichen arbeitsrechtlichen Schutz wie Vollzeitbeschäftigte. Dazu zählen insbesondere:

  • Anspruch auf Urlaub, Lohnfortzahlung bei Krankheit, Mutterschutz und Elterngeld
  • Gleichbehandlung hinsichtlich betrieblicher Regelungen

Arbeitgeberpflichten

Arbeitgeber haben insbesondere zu beachten:

  • Anmelde- und Abführungspflichten gegenüber der Minijob-Zentrale
  • Einhaltung des Mindestlohnes
  • Dokumentationspflichten (u. a. Arbeitszeitaufzeichnungen für Branchen mit Schwarzarbeitsbekämpfungsrelevanz)

Entwicklung und Reformen

Historische Entwicklung

Ursprünglich als sozialpolitische Entlastungsmaßnahme für geringe Nebenerwerbe eingeführt, wurde die Entgeltgrenze vielfach angehoben und angepasst, zuletzt 2022 auf 520 Euro. Diese Anpassungen dienen dazu, Entwicklungen des Arbeitsmarktes und der Erwerbsstrukturen zu begegnen, ohne die Flexibilität der geringfügigen Beschäftigung einzuschränken.

Gesetzesvorhaben und Kritik

Immer wieder werden Reformen im Bereich geringfügiger Beschäftigungen diskutiert. Zentrale Themen sind etwa die Erhöhung der Entgeltgrenze, die Einbeziehung in die Versicherungspflicht und die Missbrauchsgefahr im Bereich atypischer Beschäftigung. Insbesondere die Gefahr der Substituierung regulärer Stellen durch Minijobs wird in der arbeitsmarktpolitischen Debatte kritisch beurteilt.


Abgrenzung zu anderen Beschäftigungsformen

Geringfügige Beschäftigungen sind abzugrenzen von:

  • Werkverträgen
  • Honorartätigkeiten
  • Kurzzeit- und Teilzeitbeschäftigungen außerhalb der Entgeltgrenze
  • Praktikantenverhältnissen (ggf. eigener rechtlicher Rahmen)
  • Selbstständigkeit (keine Weisungsgebundenheit und kein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 SGB IV)

Zusammenfassung

Die geringfügige Beschäftigung ist eine eigenständige Form des Arbeitsverhältnisses, die durch sozialversicherungsrechtliche, steuerliche und arbeitsrechtliche Besonderheiten geprägt ist. Ihre rechtlichen Rahmenbedingungen gewährleisten flexible Erwerbschancen und den Schutz basaler Arbeitnehmerrechte bei einem geringen Beschäftigungsumfang. Innerhalb bestimmter Grenzen bleibt sie versicherungsfrei, unterliegt jedoch besonderen Melde- und Beitragspflichten. Die Rechtsprechung und Gesetzgebung entwickeln diesen Bereich kontinuierlich weiter, um einen gerechten Ausgleich zwischen Flexibilitätsinteressen und sozialem Schutz sicherzustellen.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Anmeldung einer geringfügigen Beschäftigung?

Die Anmeldung einer geringfügigen Beschäftigung („Minijob“) erfolgt durch den Arbeitgeber. Dieser ist verpflichtet, die Beschäftigung mit Beginn an die Minijob-Zentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zu melden. Die Anmeldung erfolgt elektronisch über das sogenannte DEÜV-Verfahren (Datenerfassungs- und Übermittlungsverordnung). Der Arbeitgeber benötigt hierzu eine Betriebsnummer, die bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden kann. Meldepflichtige Angaben sind unter anderem Name, Geburtsdatum, Anschrift und Sozialversicherungsnummer des Mitarbeiters, Beginn und Art der Beschäftigung sowie das Entgelt. Zudem muss der Arbeitgeber eine Sofortmeldung an die Sozialversicherung abgeben, wenn die Beschäftigung in bestimmten Branchen (z. B. Baugewerbe, Gastronomie, Gebäudereinigung) aufgenommen wird. Des Weiteren sind Meldungen zur Unfallversicherung sowie steuerliche Meldungen beim zuständigen Finanzamt zu beachten. Die korrekte und fristgerechte Anmeldung ist zwingend erforderlich, um Bußgelder oder Nachforderungen zu vermeiden.

Welche Abgaben müssen bei einer geringfügigen Beschäftigung gezahlt werden?

Bei einer geringfügigen Beschäftigung fallen insbesondere Pauschalabgaben seitens des Arbeitgebers an. Dies umfasst die Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung (13 % des Arbeitsentgelts, sofern der Arbeitnehmer gesetzlich krankenversichert ist) und zur Rentenversicherung (15 %). Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich rentenversicherungspflichtig und muss den Differenzbetrag zum vollen Beitragssatz in Höhe von derzeit 3,6 % (bei einem Beitragssatz von 18,6 %) selbst tragen, kann sich jedoch auf Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Weiterhin erhebt der Arbeitgeber Umlagen für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (U1), für Mutterschaftsaufwendungen (U2) sowie eine Insolvenzgeldumlage. Hinzu kommt eine pauschale Steuer in Höhe von 2 %, sofern der Arbeitgeber dieses Verfahren wählt und den Lohnsteuerabzug nicht individuell beim Arbeitnehmer vornimmt. Der Arbeitnehmer selbst muss keine Beitragszahlungen zur Krankenversicherung leisten, sofern er über eine andere Stelle versichert ist.

Besteht bei geringfügiger Beschäftigung ein Anspruch auf Urlaub?

Auch geringfügig Beschäftigte haben gemäß Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) einen rechtlichen Anspruch auf bezahlten Urlaub. Der Urlaubsanspruch richtet sich nach der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage. Maßgeblich ist § 3 BurlG, der für eine Fünf-Tage-Woche 20 Werktage Mindesturlaub pro Kalenderjahr vorsieht. Arbeitet der Arbeitnehmer weniger Tage pro Woche, vermindert sich der gesetzliche Urlaubsanspruch anteilig. Arbeitgeber sind verpflichtet, den Urlaubsanspruch schriftlich zu dokumentieren und zu gewähren. Nicht genommener Urlaub ist grundsätzlich spätestens bis zum 31. März des Folgejahres zu nehmen, ansonsten verfällt er, sofern der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor ordnungsgemäß belehrt hat.

Inwieweit besteht Kündigungsschutz bei geringfügiger Beschäftigung?

Geringfügig Beschäftigte sind grundsätzlich vom Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erfasst, sofern im Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt werden und das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Eine Kündigung muss auch hier schriftlich erfolgen (§ 623 BGB) und die gesetzlichen bzw. vertraglichen Kündigungsfristen einhalten. Besonderheiten gelten für Kündigungen gegenüber Schwangeren, Schwerbehinderten und Betriebsratsmitgliedern, die einen besonderen Kündigungsschutz genießen. Die Regelungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz kommen somit auch für Minijobber zur Anwendung, es bestehen diesbezüglich keine Ausnahmen auf Grund der Geringfügigkeit der Beschäftigung.

Welche Dokumentationspflichten bestehen für Arbeitgeber bei Minijobs?

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, für jeden geringfügig Beschäftigten ein Lohnkonto zu führen und alle für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und Steuern relevanten Unterlagen aufzubewahren. Nach § 17 MiLoG (Mindestlohngesetz) müssen Arbeitgeber Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufbewahren. Weiterhin müssen Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen sowie Nachweise über die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Abführung der Pauschalabgaben und Umlagen vorgehalten werden. Das Nichtführen oder fehlerhafte Führen von Arbeitszeitaufzeichnungen kann als Ordnungswidrigkeit mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden.

Können mehrere geringfügige Beschäftigungen gleichzeitig ausgeübt werden?

Mehrere geringfügige Beschäftigungen sind grundsätzlich zulässig, sofern bestimmte Voraussetzungen beachtet werden. Wird neben einer Hauptbeschäftigung ein Minijob ausgeübt, bleibt der Minijob sozialversicherungsfrei, sofern die Entgeltgrenze von 538 Euro monatlich (Stand 2024) nicht überschritten wird. Werden jedoch mehrere Minijobs parallel ohne Hauptbeschäftigung ausgeübt, werden die Verdienste aus allen Minijobs zusammengerechnet. Überschreiten die monatlichen Gesamteinnahmen die Grenze von 538 Euro, werden die Beschäftigungen sozialversicherungspflichtig. Steuerlich ist gegebenenfalls auch eine Zusammenrechnung notwendig. Werden Minijobs nebeneinander bei unterschiedlichen Arbeitgebern ausgeführt, so sind diese jeweils eigenständig bei der Minijob-Zentrale anzumelden.

Besteht Versicherungsschutz in der Unfallversicherung für Minijobber?

Geringfügig Beschäftigte sind kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) versichert. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf Arbeitsunfälle sowie auf Wegeunfälle zwischen Wohnung und Arbeitsort. Versicherungsträger ist die jeweilige Berufsgenossenschaft des Betriebes. Die Beiträge zur Unfallversicherung werden vollständig vom Arbeitgeber getragen. Minijobber sind durch die Unfallversicherung auch im Rahmen betrieblich veranlasster Tätigkeiten (z. B. Dienstreisen, betriebliche Veranstaltungen) geschützt. Eine gesonderte Anmeldung zur Berufsgenossenschaft ist erforderlich, sofern der Betrieb nicht bereits gemeldet ist. Bei Arbeitsunfällen sind die Meldepflichten des Arbeitgebers zu beachten.