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Geregelter Markt


Geregelter Markt: Rechtliche Grundlagen und Bedeutung

Definition und rechtliche Verankerung des Geregelten Marktes

Der geregelte Markt ist ein zentraler Begriff des deutschen und europäischen Kapitalmarktrechts. Er bezeichnet einen organisierten Markt, an dem Finanzinstrumente wie Aktien, Anleihen, Derivate und weitere Wertpapiere gehandelt werden. Seine rechtliche Grundlage findet sich insbesondere im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), im Börsengesetz (BörsG) sowie in der Marktorganisationsverordnung (MiFIR) auf europäischer Ebene.

Im Gegensatz zu anderen Marktsegmenten, wie dem Freiverkehr (z.B. Open Market oder Entry Standard), stellt der geregelte Markt ein sogenanntes reguliertes Marktsegment dar. Seine Zulassungs- und Folgepflichten werden umfassend durch europäische und nationale Rechtsvorschriften geregelt.

Historische Entwicklung

Die Einführung des geregelten Marktes erfolgte im Zuge der europaweiten Harmonisierung der Kapitalmarktvorschriften und der Anpassung an europäische Richtlinien. Mit der Vorgabe der EU, regulierte Märkte klar von multilateralen Handelssystemen und außerbörslichen Handelsplätzen abzugrenzen, wurde auch in Deutschland die Systematik angepasst und die Begriffe geregelter Markt und regulierter Markt nahezu synonym verwendet.

Rechtliche Anforderungen und Zulassung zum Geregelten Markt

Zulassungsvoraussetzungen für Emittenten

Um Wertpapiere am geregelten Markt zum Handel zuzulassen, müssen emittierende Unternehmen umfassende Voraussetzungen erfüllen. Die rechtlichen Grundlagen sind in den §§ 32 ff. BörsG und in der Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV) normiert. Zentrale Anforderungen sind:

  • Erstellung und Billigung eines ausführlichen Wertpapierprospekts gemäß der EU-Prospektverordnung (EU-VO 2017/1129)
  • Nachweis über das Bestehen der Emittentin und ihrer Geschäftstätigkeit über eine bestimmte Zeitspanne (i.d.R. mindestens drei Jahre)
  • Ausreichende Streuung der Wertpapiere zum Schutz der Marktintegrität (sogenannter Streubesitz)
  • Mindesteigenkapital und Mindestnennbetrag der zum Handel vorgesehenen Wertpapiere

Transparenz- und Folgepflichten

Die Teilnahme am geregelten Markt ist mit umfangreichen Transparenzpflichten verbunden. Dazu zählen:

  • Pflicht zur regelmäßigen Veröffentlichung von Abschlüssen und Berichten (Jahresabschluss, Halbjahresfinanzbericht, Quartalsmitteilungen)
  • Ad-hoc-Mitteilungspflicht nach Art. 17 der Marktmissbrauchsverordnung (MAR)
  • Stimmrechtsmitteilungen nach §§ 33 ff. WpHG
  • Insiderlisten und Meldepflichten für Managertransaktionen

Diese Pflichten sollen für eine hohe Markttransparenz sorgen und den Anlegerschutz stärken.

Marktorganisation und Rechtsrahmen

Zuständigkeiten der Börsen und Aufsicht

Der geregelte Markt wird von den jeweiligen Wertpapierbörsen als organisierter Markt betrieben und überwacht. In Deutschland sind hierzu beispielsweise die Frankfurter Wertpapierbörse (FWB), die Börse Stuttgart, die Börse Hamburg und weitere Börsenplätze berechtigt. Die Überwachung erfolgt sowohl durch interne Überwachungseinrichtungen der Börsen als auch durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Unterscheidung zu anderen Marktsegmenten

Neben dem geregelten Markt gibt es den sogenannten Freiverkehr bzw. Open Market, der weniger strengen Regularien unterliegt. Der geregelte Markt unterscheidet sich dadurch, dass er einem komplexen, gesetzlichen Regelwerk einschließlich Zulassungs- und Folgepflichten sowie einer behördlichen und börsenseitigen Überwachung unterliegt.

Europäische Dimension

Der Begriff des geregelten Marktes wird in der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) sowie in der Marktinfrastrukturverordnung (MiFIR) definiert. Nur solche Märkte, die bestimmte Anforderungen und Standards erfüllen, gelten als geregelte Märkte im Sinne des europäischen Finanzmarktrechts.

Bedeutung für Anleger und Unternehmen

Vorteile und Chancen für Unternehmen

Die Notierung am geregelten Markt eröffnet Unternehmen den Zugang zu einer breiten Anlegerbasis und ermöglicht die Kapitalbeschaffung über die Börse unter standardisierten Bedingungen. Zudem profitieren Unternehmen von einer erhöhten Wahrnehmung und Reputation am Kapitalmarkt.

Bedeutung für den Anlegerschutz

Durch die umfassenden Transparenzanforderungen und die kontinuierliche Marktüberwachung wird ein hohes Maß an Anlegerschutz gewährleistet. Anleger können darauf vertrauen, dass die gehandelten Wertpapiere bestimmten Qualitäts- und Offenlegungsstandards genügen und relevante Marktereignisse zeitnah veröffentlicht werden.

Steuerliche und regulatorische Besonderheiten

Steuerliche Behandlung

Der Handel von Finanzinstrumenten am geregelten Markt unterliegt der Abgeltungsteuer gemäß § 20 EStG. Gewinne und Verluste aus Geschäften mit börsennotierten Wertpapieren sind steuerpflichtig, wobei jeweils die geltenden Freibeträge und Verlustverrechnungskreise zu beachten sind.

Übernahmerechtliche Besonderheiten

Gesellschaften, deren Aktien am geregelten Markt zugelassen sind, unterliegen den Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG). Dies regelt die Formalien für öffentliche Übernahmeangebote sowie den Schutz der Aktionäre bei Kontrollwechseln.

Zusammenfassung

Der geregelte Markt stellt das zentrale Börsensegment im deutschen und europäischen Kapitalmarktrecht dar. Er ist durch intensive Regulierung, umfassende Transparenzpflichten und eine ständige Aufsicht gekennzeichnet. Unternehmen profitieren von Erleichterungen bei der Kapitalaufnahme, während Investoren auf einen hohen Anlegerschutz und Marktstandard vertrauen können. Die rechtliche Ausgestaltung ist durch nationale und europäische Vorschriften geprägt und bildet das Fundament für den reibungslosen Ablauf und die Integrität der Kapitalmärkte.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Regelungen gelten für die Zulassung von Wertpapieren zum Geregelten Markt?

Der Prozess der Zulassung von Wertpapieren zum Geregelten Markt wird umfassend durch verschiedene Gesetze und Verordnungen geregelt. Zentrale Rechtsgrundlage ist das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in Verbindung mit der Börsenzulassungs-Verordnung (BörsZulV) sowie den Vorschriften des Aktiengesetzes (AktG), sofern Aktien betroffen sind. Darüber hinaus spielt die Marktmissbrauchsverordnung (MAR) der EU eine wichtige Rolle, insbesondere für Transparenz- und Informationspflichten. Die Anforderungen umfassen unter anderem die Erstellung eines von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligten Prospekts, die Einhaltung von Mindestkapital- und Streubesitzquoten sowie Offenlegungspflichten. Die jeweilige Börsenordnung der deutschen Wertpapierbörsen präzisiert die formellen und materiellen Anforderungen an die Zulassung und den Handel. Ergänzend finden aufsichtsrechtliche Detailregelungen der BaFin Anwendung, beispielsweise zu Ad-hoc-Publizität, Directors‘ Dealings oder Insiderrecht.

Welche Publizitätspflichten treffen Emittenten am Geregelten Markt?

Für Emittenten am Geregelten Markt bestehen umfangreiche Publizitätspflichten, die maßgeblich dem Anlegerschutz und der Markttransparenz dienen. Neben der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung von Insiderinformationen (Ad-hoc-Publizität gemäß Art. 17 MAR) unterliegen Emittenten weiteren kontinuierlichen Informationspflichten, wie der Veröffentlichung von Jahres- und Halbjahresfinanzberichten gemäß §§ 114, 115 WpHG. Hinzu kommen die Pflicht zur Mitteilung von Stimmrechtsanteilen nach §§ 33 ff. WpHG und die Pflicht, Direktorenhandel (Meldungen gemäß Art. 19 MAR) offen zu legen. Im Rahmen des Prospekterrechts müssen zudem alle wesentlichen Informationen bezüglich der Wertpapiere und des Emittenten im Börsenprospekt publiziert werden. Die Einhaltung dieser Publizitätspflichten wird von der BaFin und von der jeweiligen Börsengesellschaft kontrolliert, bei Verstößen drohen empfindliche Bußgelder und aufsichtsrechtliche Maßnahmen.

Was unterscheidet den Geregelten Markt rechtlich von anderen Marktsegmenten an deutschen Börsen?

Der Geregelte Markt ist ein von der öffentlichen Hand anerkanntes und staatlich beaufsichtigtes Börsensegment und unterscheidet sich rechtlich insbesondere durch seine strengeren Zulassungs- und Folgepflichten von anderen, weniger regulierten Segmenten wie dem Freiverkehr (Open Market). Während für den Geregelten Markt umfassende, durch EU-Recht harmonisierte sowie nationale Rechtsvorschriften – insbesondere das WpHG, AktG, Börsengesetz (BörsG) und die MAR – gelten, basiert der Freiverkehr auf zivilrechtlichen, von der Börse selbst gestalteten Regeln, mit geringeren Offenlegungs- und Folgepflichten. Zudem genießen Wertpapiere am Geregelten Markt einen besonderen Rechtsschutz, etwa beim Erwerber gegen fehlerhafte oder unzureichende Prospektinformationen (§§ 21, 22 WpPG, Wertpapierprospektgesetz).

Welche Rolle spielen die Börsenordnung und die Börsenzulassungsverordnung für den Geregelten Markt?

Die Börsenordnung der jeweiligen Wertpapierbörse sowie die Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV) konkretisieren die allgemeinen gesetzlichen Vorgaben für den Geregelten Markt. Insbesondere definieren sie die Einzelheiten des Zulassungsverfahrens, einschließlich der einzureichenden Dokumente, der Anforderungen an den Emittenten, der Prüfung und Billigung des Prospekts sowie der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zu Beginn und während der Notierung. Die Börsenzulassungsverordnung legt Mindeststandards und das Verfahren für die Zulassung sowie die Gründe für den möglichen Widerruf der Zulassung fest. Die Einhaltung dieser Regelwerke ist zwingend erforderlich, um eine ordnungsgemäße Handelbarkeit und einen effektiven Anlegerschutz zu gewährleisten.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die rechtlichen Anforderungen des Geregelten Marktes?

Verstöße gegen die rechtlichen Anforderungen des Geregelten Marktes können zu einer Vielzahl von Sanktionen führen. Zu den straf- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen zählen Bußgelder, Strafverfahren und der vorübergehende oder dauerhafte Ausschluss vom Handel. Die BaFin kann zudem Zwangsgelder verhängen, Emittenten zu Nachbesserungen zwingen oder in schweren Fällen die Zulassung der betreffenden Wertpapiere widerrufen. Weiterhin sind zivilrechtliche Schadensersatzansprüche von Anlegern möglich, etwa im Fall von Prospekthaftung (§§ 9 ff. WpPG). Auch Börsenaufsichtsbehörden der Länder können aufsichtsrechtliche Sanktionen verhängen und Veröffentlichungen oder Handelsbeschränkungen anordnen. Letztlich unterliegt jeder Verstoß einer genauen Einzelfallprüfung, wobei Wiederherstellung der Marktintegrität und Anlegerschutz im Fokus stehen.

Welche Rolle spielt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Kontext des Geregelten Marktes?

Die BaFin ist zentrale Aufsichtsbehörde für den Geregelten Markt in Deutschland. Sie überprüft und billigt Wertpapierprospekte, sorgt für die Durchsetzung der Marktmissbrauchsverordnung und kontrolliert die Einhaltung sämtlicher Veröffentlichungs- sowie Transparenzpflichten. Bei Verdacht auf Verstöße leitet sie Untersuchungen ein und kann sowohl verwaltungsrechtliche als auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen ergreifen. Darüber hinaus arbeitet sie eng mit den Börsen und anderen nationalen sowie internationalen Aufsichtsbehörden zusammen, um einen transparenten, fairen und manipulationsfreien Wertpapierhandel zu gewährleisten. Ein weiteres zentrales Aufgabenfeld der BaFin besteht in der Aufklärung und Information der Marktteilnehmer über ihre rechtlichen Pflichten und aktuelle Entwicklungen im Börsenrecht.