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Genossenschaft (nur im agrarrechtlichen Kontext, z.B. landwirtschaftliche Genossenschaften)


Begriff und rechtliche Grundlagen der Genossenschaft im Agrarrecht

Eine Genossenschaft im agrarrechtlichen Kontext ist eine auf dem Genossenschaftsgesetz (GenG) basierende Gesellschaftsform, die landwirtschaftlichen Betrieben zur gemeinsamen wirtschaftlichen Förderung ihrer Mitglieder dient. Land- und forstwirtschaftliche Genossenschaften sind häufig als eingetragene Genossenschaften (eG) organisiert und stellen eine zentrale Organisationsform für die Bündelung unternehmerischer Interessen, gemeinschaftliche Investitionen sowie Absatz- und Sicherungsstrategien im Bereich der Agrarwirtschaft dar.

Historische Entwicklung und Bedeutung

Die Ursprünge der landwirtschaftlichen Genossenschaften reichen in das 19. Jahrhundert zurück. Ziel war es, kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben eine bessere Marktposition und Zugang zu Produktionsmitteln zu gewähren. Mit der Industrialisierung und der Liberalisierung der Agrarmärkte gewann die Genossenschaftsidee weiter an Bedeutung und ist bis heute prägend für die landwirtschaftliche Struktur in Deutschland und Europa.

Rechtsform und Gründungsvoraussetzungen

Genossenschaft als eigenständige Rechtsform

Landwirtschaftliche Genossenschaften sind körperschaftlich organisierte Personenvereinigungen und verfügen als eingetragene Genossenschaft (eG) über eigene Rechtspersönlichkeit (§ 17 GenG). Sie können unter einer Firma im Handelsregister eingetragen werden und sind damit rechtsfähig.

Gründung und Satzung

Eine agrarrechtliche Genossenschaft kann von mindestens drei Personen gegründet werden (§ 4 GenG). Die Gründung erfolgt durch eine gemeinschaftliche Satzung, welche die Förderzwecke, Rechte und Pflichten der Mitglieder, die Organe der Genossenschaft sowie die Verteilung von Gewinnen und Verlusten regelt.

Eintragung und Prüfungswesen

Die Genossenschaft entsteht mit der Eintragung ins Genossenschaftsregister. Zuvor ist ein Gründungsprüfungsverfahren nach § 11 GenG vorgeschrieben, das von einem Prüfungsverband durchgeführt wird. Dieses Verfahren dient dem Schutz der Mitglieder und der Sicherung solider wirtschaftlicher Grundlagen.

Mitgliedschaft und Rechte im agrarrechtlichen Kontext

Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft

Mitglieder einer landwirtschaftlichen Genossenschaft können natürliche oder juristische Personen sein, sofern sie die in der Satzung festgelegten Kriterien erfüllen. Der Erwerb erfolgt regelmäßig durch Aufnahme, die Beendigung meist durch Austritt, Ausschluss oder Tod der Mitgliedschaft.

Rechte und Pflichten der Mitglieder

Mitwirkungsrechte

Jedes Mitglied übt gemäß dem genossenschaftlichen Grundsatz „ein Mitglied – eine Stimme“ sein Stimmrecht in der General- oder Vertreterversammlung aus – unabhängig von der Höhe seiner Kapitalbeteiligung (§ 43 GenG). Ausnahmen und spezielle Stimmregelungen sind in der Satzung möglich.

Kontroll- und Informationsrechte

Mitglieder haben Anspruch auf Auskunft über Angelegenheiten der Genossenschaft sowie auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen, soweit dies zur Wahrnehmung der Mitgliedsrechte erforderlich ist (§ 50 GenG).

Förderpflicht und Treuepflicht

Mitglieder sind verpflichtet, die gemeinschaftlichen Förderziele zu unterstützen und die Interessen der Genossenschaft zu wahren. Hierzu gehören in agrarischen Genossenschaften z.B. die Belieferung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder die Abnahme von Betriebsmitteln.

Organe der landwirtschaftlichen Genossenschaft

Generalversammlung oder Vertreterversammlung

Die Generalversammlung ist das oberste Organ, in der alle wesentlichen Entscheidungen (Satzungsänderungen, Bestellung und Abberufung des Vorstands und des Aufsichtsrats, Gewinnverwendung) getroffen werden (§ 43 ff. GenG). Bei großen Genossenschaften kann die Vertreterversammlung die Generalversammlung ersetzen.

Vorstand und Aufsichtsrat

Der Vorstand vertritt die Genossenschaft gerichtlich und außergerichtlich und führt die Geschäfte (§ 27 GenG). Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung und ist zwingend, sobald eine Genossenschaft mehr als 20 Mitglieder hat (§ 9 GenG).

Besonderheiten im agrarrechtlichen Kontext

Förderzweck und wirtschaftliche Tätigkeit

Landwirtschaftliche Genossenschaften dienen explizit der wirtschaftlichen Förderung ihrer Mitglieder. Dies kann durch gemeinschaftlichen Einkauf, Produktion, Verarbeitung, Lagerhaltung oder Vertrieb erfolgen. Im Vordergrund stehen insbesondere folgende Bereiche:

  • Bezugs- und Absatzgenossenschaften: Gemeinsamer Einkauf von Produktionsmitteln sowie gemeinsamer Absatz landwirtschaftlicher Produkte.
  • Produktionsgenossenschaften: Gemeinsame Bewirtschaftung von Flächen oder viehhaltenden Betriebseinheiten.
  • Maschinenringe und Dienstleistungsgenossenschaften: Gemeinsame Nutzung von Maschinen und Geräten, organisatorische Unterstützung, Vermittlung von Dienstleistungen.

Agrarrechtliche Rahmenbedingungen

Die Tätigkeit landwirtschaftlicher Genossenschaften ist oftmals durch spezifische Vorgaben, Subventions- und Förderprogramme auf nationaler sowie europäischer Ebene (GAP, Agrarförderungen) beeinflusst. Darüber hinaus spielen das Landwirtschaftsgesetz (LwG) sowie das Genossenschaftsgesetz (GenG) und europäische Verordnungen eine Rolle.

Steuerliche Aspekte

Genossenschaften im Agrarsektor profitieren unter bestimmten Voraussetzungen von steuerlichen Vergünstigungen, insbesondere bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Eine Voraussetzung ist, dass der genossenschaftliche Förderzweck klar im Vordergrund steht und keine reine Gewinnerzielungsabsicht besteht.

Beendigung und Liquidation landwirtschaftlicher Genossenschaften

Die Beendigung erfolgt in der Regel durch Auflösung, Verschmelzung oder Insolvenz. Die Liquidation richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes. Im Insolvenzfall gelten die Bestimmungen der Insolvenzordnung unter Berücksichtigung der Belange der Mitglieder und Gläubiger.

Abgrenzung zu anderen Rechtsformen der Kooperation im Agrarbereich

Landwirtschaftliche Genossenschaften unterscheiden sich rechtlich und organisatorisch von anderen Kooperationsformen, wie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der Partnerschaftsgesellschaft oder Kapitalgesellschaften (z.B. GmbH). Der Genossenschaft ist der Fördergedanke, die demokratische Entscheidungsstruktur sowie die Mitbestimmung der Mitglieder immanent, während andere Formen stärker auf Kapitalbeteiligung oder vertragliche Bindungen setzen.

Zusammenfassung

Die landwirtschaftliche Genossenschaft ist eine rechtsfähige Personenvereinigung, die im Agrarrecht eine zentrale Rolle bei der gemeinsamen wirtschaftlichen Förderung ihrer Mitglieder spielt. Sie ist durch das Genossenschaftsgesetz umfassend geregelt und unterliegt zusätzlichen agrarrechtlichen und steuerlichen Besonderheiten. Die bündelnde Wirkung, demokratische Organisation und die Förderung der Mitgliederinteressen machen die Genossenschaft zu einer tragenden Säule der deutschen und europäischen Agrarwirtschaft.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Gründung einer landwirtschaftlichen Genossenschaft nach deutschem Recht?

Die Gründung einer landwirtschaftlichen Genossenschaft richtet sich primär nach dem Genossenschaftsgesetz (GenG) und ergänzend nach speziellen agrarrechtlichen Vorschriften, etwa aus dem Landwirtschaftsgesetz (LwG) oder dem Agrarstrukturverbesserungsgesetz. Zur Gründung sind mindestens drei natürliche oder juristische Personen (Mitglieder) erforderlich (§ 4 GenG). Die Gründer müssen eine Satzung ausarbeiten, die durch die Gründungsversammlung beschlossen und von allen Gründungsmitgliedern unterzeichnet wird (§ 5 GenG). Die Satzung muss zwingende Angaben enthalten, wie den Namen der Genossenschaft, deren Sitz, die Höhe der Geschäftsanteile, die Rechte und Pflichten der Mitglieder sowie die Organe der Genossenschaft. Anschließend erfolgt die Anmeldung zum Genossenschaftsregister beim zuständigen Amtsgericht. Die Eintragung setzt zudem eine Vorprüfung durch einen anerkannten Prüfungsverband voraus (§ 11 Abs. 2 GenG), der die Gründungsunterlagen auf Rechtmäßigkeit und die wirtschaftliche Tragfähigkeit prüft. Erst mit Eintragung ins Genossenschaftsregister erlangt die Genossenschaft ihre Rechtsfähigkeit.

Welche gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten gelten für landwirtschaftliche Genossenschaften?

Landwirtschaftliche Genossenschaften unterliegen den allgemeinen Regelungen des Genossenschaftsgesetzes, weisen aber unter agrarrechtlichen Gesichtspunkten einige Besonderheiten auf. So ist ihr Zweck regelmäßig auf die gemeinschaftliche Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, die Förderung der Produktion, die gemeinsame Vermarktung von Agrarerzeugnissen oder die Durchführung von Dienstleistungen für die Mitglieder ausgerichtet. Sie können auch als anerkannte Erzeugerorganisationen gemäß der EU-Agrarmarktordnung agieren und vom Gemeinnützigkeitsstatus profitieren, sofern sie die dafür geltenden steuerrechtlichen Vorgaben erfüllen. Im Gesellschaftsrecht ist ferner relevant, dass landwirtschaftliche Genossenschaften besonderer Aufsichts- und Kontrollpflichten unterstehen, etwa durch die Mitgliederversammlung (höchstes Organ) und die Pflichtmitgliedschaft in Prüfungsverbänden, die regelmäßig wirtschaftliche und rechtliche Prüfungen vornehmen.

Welche Mitbestimmungsrechte haben Mitglieder einer landwirtschaftlichen Genossenschaft?

Die Mitglieder einer landwirtschaftlichen Genossenschaft verfügen über spezifische Mitbestimmungs- und Kontrollrechte. Jedes Mitglied hat grundsätzlich unabhängig von der Höhe der Einlage eine Stimme in der General- bzw. Vertreterversammlung (§ 43 Abs. 3 GenG, genossenschaftlicher Gleichheitsgrundsatz). Mitglieder können Anträge stellen, an Abstimmungen teilnehmen, über zentrale Angelegenheiten wie Satzungsänderungen, Gewinnverwendung, Umwandlung oder Auflösung der Genossenschaft entscheiden und die Organe der Genossenschaft wählen (Vorstand und Aufsichtsrat). Besonderheiten bestehen in punktuellen Regelungsspielräumen z.B. für Agrargenossenschaften: In der Satzung kann ein Ausschluss- oder Aufnahmeverfahren in Bezug auf Mitglieder detailliert geregelt werden, ebenso das Recht auf Einsichtnahme in Bücher und Berichte gemäß § 51 GenG. Zudem bestehen teilweise Mitspracherechte bei der Verwendung gemeinschaftlicher landwirtschaftlicher Flächen oder Maschinenpools.

Welche Haftung besteht bei Mitgliedern und Organen einer landwirtschaftlichen Genossenschaft?

Die Haftungsregelungen sind im GenG und ergänzend im agrarrechtlichen Kontext geregelt. Mitglieder haften in der Regel nur mit ihrer Geschäftsanteileinlage (§ 17 GenG) und etwaigen Nachschüssen, falls dies in der Satzung ausdrücklich vorgesehen ist (§ 22 GenG). Anders als bei Personengesellschaften besteht also eine beschränkte Haftung. Für die Organe, konkret Vorstand und Aufsichtsrat, gelten die allgemeinen Grundsätze der Organhaftung gemäß § 34 GenG: Sie sind der Genossenschaft gegenüber für Pflichtverletzungen verantwortlich und haften bei schuldhaftem Fehlverhalten (insbesondere bei Sorgfaltspflichtverletzungen nach § 34 Abs. 1 GenG). Im agrarrechtlichen Zusammenhang sind zudem Haftungsfragen relevant, wenn beispielsweise bei gemeinschaftlicher Flächenbewirtschaftung Auflagen aus Naturschutz- oder Förderrecht verletzt werden – hier haftet primär die Genossenschaft, unter Umständen jedoch auch einzelne Vorstandsmitglieder.

Wie erfolgt die Kündigung oder der Ausschluss bei landwirtschaftlichen Genossenschaften aus rechtlicher Sicht?

Die Kündigung der Mitgliedschaft richtet sich nach § 65 GenG und den Bestimmungen der genossenschaftlichen Satzung. Standardmäßig kann ein Mitglied mit einer Frist von mindestens zwei Jahren zum Ende des Geschäftsjahres kündigen, sofern die Satzung nichts Abweichendes regelt. Der Ausschluss eines Mitglieds ist gemäß § 68 GenG zulässig, etwa bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Statuten oder bei Pflichtverletzungen zum Nachteil der Genossenschaft. Der Ausschluss muss durch den Vorstand oder ein anderes in der Satzung bestimmtes Organ ausgesprochen werden; dem Mitglied muss zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Das ausgeschlossene Mitglied kann gegen den Ausschluss binnen eines Monats Widerspruch einlegen, über den die Generalversammlung entscheidet. Rechtlich bedeutsam sind zudem Regelungen zu Abfindungen und zur Rückzahlung der Geschäftsanteile, die oft gestaffelt oder an Bedingungen geknüpft sind. Im Übergang agrarrelevanter Flächen oder Maschinen bestehen ergänzende Verfahrensvorschriften etwa nach dem Grundstücksverkehrsgesetz.

Welche steuerlichen Rahmenbedingungen sind für landwirtschaftliche Genossenschaften zu beachten?

Landwirtschaftliche Genossenschaften unterliegen den allgemeinen steuerlichen Vorschriften für juristische Personen des privaten Rechts, wie Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und ggf. Umsatzsteuer. Die genossenschaftliche Förderung der Mitglieder kann steuerlich privilegiert sein, insbesondere wenn die Voraussetzungen des § 3 Nr. 2 KStG für Förderzwecke vorliegen. Sie sind teilweise von der Körperschaftssteuerpflicht befreit, wenn ihre Tätigkeiten ausschließlich der gemeinschaftlichen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung dienen und sie nicht in erheblichem Umfang gewerbliche Aktivitäten außerhalb der Landwirtschaft betreiben. Auch ermäßigte Umsatzsteuersätze können auf bestimmte Umsätze Anwendung finden (§ 24 UStG). Weiterhin sind Besonderheiten bei der steuerlichen Abrechnung von Lieferungen zwischen Mitgliedern und Genossenschaft sowie der Vergabe von Investitionszulagen und anderen agrarspezifischen Fördermitteln zu berücksichtigen.

Welche besonderen Vorschriften gelten für die Kontrolle und Prüfung landwirtschaftlicher Genossenschaften?

Die Kontrolle und Prüfung bildet einen integralen Bestandteil der rechtlichen Ausgestaltung von Genossenschaften. Nach § 53 GenG besteht eine Prüfpflicht durch genossenschaftliche Prüfungsverbände, die regelmäßig – mindestens alle zwei Jahre – sowohl die wirtschaftlichen Verhältnisse als auch die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung überprüfen. Speziell im landwirtschaftlichen Bereich überprüft der Prüfungsverband zudem die satzungsmäßige Berücksichtigung agrarspezifischer Förderregeln, Einhaltung von Agrarförderprogrammen und größtmögliche Transparenz im Umgang mit Flächen und gemeinschaftlichen Betriebsmitteln. Prüfungspflichten können sich erweitern, wenn die Genossenschaft öffentliche Zuschüsse aus Agrarförderprogrammen erhält. Außerdem besteht Anzeigepflicht bei festgestellten schwerwiegenden Verstößen gegenüber Behörden (z.B. Landwirtschaftsbehörden oder Finanzamt).