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Genetischer Fingerabdruck


Genetischer Fingerabdruck: Begriff, rechtliche Grundlagen und Anwendungsbereiche

Der genetische Fingerabdruck zählt zu den bedeutendsten Methoden der modernen forensischen Wissenschaften und hat weitreichende Implikationen im Strafrecht, Datenschutzrecht und weiteren Rechtsgebieten. Die folgende Darstellung bietet eine umfassende Übersicht über die gesetzlichen Rahmenbedingungen, praktische Anwendungen sowie datenschutzrechtliche und ethische Fragestellungen im Kontext des genetischen Fingerabdrucks.


Definition und wissenschaftlicher Hintergrund

Der genetische Fingerabdruck beschreibt das Verfahren zur Identifizierung eines Individuums auf Basis bestimmter Abschnitte seiner DNA (Desoxyribonukleinsäure). Dabei werden charakteristische, in ihrer Sequenz variierende DNA-Abschnitte analysiert, die bei jedem Menschen einzigartig sind. In der Regel betrifft dies sogenannte „Short Tandem Repeats“ (STRs), deren Anzahl und Anordnung individuell variieren.


Rechtliche Grundlagen in Deutschland

Gesetzliche Regelungen

Die Kerngesetze zur Nutzung des genetischen Fingerabdrucks finden sich im Strafprozessrecht und Polizeirecht:

  • Strafprozessordnung (StPO): § 81g StPO erlaubt die DNA-Analyse zur Identitätsfeststellung bei Beschuldigten bestimmter Straftaten, insbesondere wenn Wiederholungsgefahr besteht oder schwere Straftaten vorliegen.
  • Polizeigesetze der Länder: Sie regeln weitere Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zur Gefahrenabwehr.

Eingriff in Grundrechte

Das Anfertigen und Speichern eines genetischen Fingerabdrucks greift in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, ein Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz. Hierbei handelt es sich um einen besonders sensiblen Eingriff, da genetische Daten sehr persönliche und potenziell weitreichende Informationen über eine Person enthalten.

Voraussetzungen der DNA-Analyse

Ein genetischer Fingerabdruck darf nur unter strengen Voraussetzungen erhoben und verwendet werden:

  • Beschränkung auf bestimmte Straftaten: Die Maßnahme ist auf besonders schwerwiegende oder wiederholungsgefährdende Delikte beschränkt.
  • Richterlicher Beschluss: Die Anordnung erfolgt regelmäßig durch einen Richter, lediglich bei Gefahr im Verzug können die Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungspersonen tätig werden (§ 81g Abs. 3 StPO).
  • Verhältnismäßigkeit: Die Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Eine unverhältnismäßige Anwendung ist rechtswidrig.

Speicherung, Nutzung und Löschung

DNA-Analyse-Datei

In Deutschland werden DNA-Muster in der sogenannten DNA-Analyse-Datei beim Bundeskriminalamt gespeichert. Die Speicherungsdauer und Verwendung der jeweiligen Daten sind gesetzlich festgelegt und unterliegen strikten Zugriffsbeschränkungen.

Löschung genetischer Daten

Nach § 81g Abs. 5 StPO sowie den Vorschriften des Bundeskriminalamtes sind DNA-Daten zu löschen, sobald ihre Speicherung nicht mehr erforderlich ist, etwa wenn der Verdacht ausgeräumt wird oder die betroffene Person rehabilitiert ist. Es gibt im Rahmen datenschutzrechtlicher Regelungen das Recht auf Berichtigung, Löschung und Sperrung personenbezogener Daten.


Datenschutzrechtliche Implikationen

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Genetische Daten fallen unter die besonderen Kategorien personenbezogener Daten gemäß Art. 9 DSGVO. Sie dürfen nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen verarbeitet werden, insbesondere wenn die Verarbeitung für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist.

Datensicherheit und Zugriffsbeschränkungen

Die Speicherung und Verarbeitung genetischer Identifikationsdaten unterliegen erhöhten Anforderungen an die Datensicherheit, sowohl im technischen als auch im organisatorischen Bereich. Nur bestimmte Behörden und befugte Personen dürfen Zugriff auf die DNA-Analyse-Datei haben.


Grenzüberschreitender Datenaustausch

Mitgliedstaaten der Europäischen Union kooperieren im Bereich der DNA-Analyse über verschiedene Abkommen, insbesondere im Rahmen des Prüm-Beschlusses. Der Austausch genetischer Daten erfolgt unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen und europäischen Datenschutzstandards und setzt ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen voraus.


Anwendungsbereiche des genetischen Fingerabdrucks im Recht

Strafprozess

Der genetische Fingerabdruck ist ein wesentliches Beweismittel zur:

  • Identifizierung von Tatverdächtigen,
  • Entlastung unschuldig Verdächtigter,
  • Klärung von Verwandtschaftsverhältnissen etwa im Abstammungsrecht.

Gefahrenabwehr und Vermisstenfälle

Auch zur Klärung vermisster oder unbekannter Personen kommt die DNA-Analyse zum Einsatz, sofern die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen.

Nicht-strafrechtliche Anwendungen

Im Zivilrecht findet der genetische Fingerabdruck insbesondere im Abstammungsrecht zur Klärung von Vaterschaftsfragen Anwendung, wobei hier spezifische datenschutzrechtliche und familienrechtliche Regelungen greifen.


Ethische und gesellschaftliche Aspekte

Die mit der Nutzung des genetischen Fingerabdrucks verbundenen ethischen Fragen betreffen insbesondere:

  • Die Gefahr eines Missbrauchs bei der unbefugten Erhebung oder Auswertung genetischer Daten,
  • Den Schutz vor Diskriminierung aufgrund genetischer Merkmale,
  • Die Abwägung zwischen dem berechtigten Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung und dem Schutz individueller Grundrechte.

Rechtsprechung

Die deutsche sowie europäische Rechtsprechung hat die Zulässigkeit der DNA-Analyse in einer Vielzahl von Grundsatzentscheidungen näher konkretisiert. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt die Anforderungen an Transparenz, Verhältnismäßigkeit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betont (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.12.2018 – 1 BvR 142/15).


Zusammenfassung

Der genetische Fingerabdruck stellt ein hoch effektives Instrument zur Identifizierung von Personen dar, dessen rechtliche Nutzung strikten Regeln und gesetzlichen Schranken unterliegt. Insbesondere der Schutz personenbezogener und sensibler genetischer Daten steht im Mittelpunkt der gesetzlichen Regelungen. Die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit, den Datenschutz und die Verhältnismäßigkeit gewährleisten einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen staatlicher Sicherheit und dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen.


Dieser Artikel stellt einen Überblick zu den rechtlichen Rahmenbedingungen des genetischen Fingerabdrucks in Deutschland dar. Für detaillierte Einzelfragen sollte auf die jeweils einschlägigen Gesetze und Rechtsvorschriften zurückgegriffen werden.

Häufig gestellte Fragen

Wer darf in Deutschland einen genetischen Fingerabdruck anordnen und wer ist für die Durchführung befugt?

In Deutschland dürfen genetische Fingerabdrücke grundsätzlich nur durch staatliche Behörden im Rahmen von Strafverfahren angeordnet werden. Die rechtlichen Grundlagen hierfür finden sich vor allem in der Strafprozessordnung (StPO), insbesondere in den §§ 81e und 81g StPO. Eine Anordnung der DNA-Analyse ist grundsätzlich Richtern vorbehalten, kann in Eilfällen jedoch auch durch die Staatsanwaltschaft erfolgen. Die Entnahme und Auswertung des genetischen Materials darf ausschließlich von speziell ausgebildetem medizinischen Fachpersonal oder Sachverständigen mit entsprechender Qualifikation durchgeführt werden. Private Unternehmen dürfen nur im Auftrag und unter Aufsicht der Strafverfolgungsbehörden tätig werden. Außerhalb des Strafverfahrens – etwa im zivilrechtlichen Bereich (z.B. Abstammungsklärung) – ist die Einwilligung aller Betroffenen unabdingbar, es sei denn, ein Gericht ordnet die Analyse an. Die rechtlichen Schranken dienen dem Schutz persönlicher Grundrechte, insbesondere des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und der Menschenwürde.

Wie werden genetische Fingerabdrücke gespeichert und welche Aufbewahrungsfristen gelten?

Die Speicherung genetischer Fingerabdrücke unterliegt in Deutschland strengen datenschutzrechtlichen und strafprozessualen Regelungen. Die Ergebnisse werden in der beim Bundeskriminalamt (BKA) geführten DNA-Analyse-Datei erfasst und sind nur für genau definierte Zwecke – vor allem zur Aufklärung schwerer Straftaten und zur Identifizierung von Personen im Rahmen laufender Ermittlungsverfahren – zugänglich. Die Aufbewahrungsdauer richtet sich nach der Schwere der zu Grunde liegenden Straftat und dem individuellen Verfahrensstand. In der Regel werden die Daten gelöscht, sobald sie zur Strafverfolgung nicht mehr erforderlich sind, spätestens jedoch nach Ablauf der Fristen, die im jeweiligen Landesrecht oder im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) beziehungsweise im Gesetz über das Bundeskriminalamt festgelegt sind. Betroffene haben grundsätzlich das Recht auf Auskunft über die gespeicherten Daten sowie ggf. auf Löschung, sofern die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen.

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die DNA-Analyse vorliegen?

Die Anordnung einer DNA-Analyse ist in Deutschland nur unter strengen rechtlichen Voraussetzungen möglich. Zunächst muss die Maßnahme zur Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung dienen oder zur Feststellung der Identität einer beschuldigten oder verdächtigen Person erforderlich sein. Eine vorherige richterliche Anordnung ist in der Regel zwingend, es sei denn, es handelt sich um Gefahr im Verzug. Zudem gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht dürfen nur erfolgen, wenn sie zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben unerlässlich sind und keine weniger eingreifenden Mittel zur Verfügung stehen. Insbesondere im Falle von Beschuldigten, deren DNA-Profil dauerhaft in Ermittlungsdatenbanken gespeichert werden soll, müssen ernstzunehmende Anhaltspunkte für die Gefahr weiterer Straftaten bestehen. Für die Verwendung des genetischen Materials zu anderen als den gesetzlich zulässigen Zwecken ist eine separate, ausdrückliche Einwilligung erforderlich.

In welchen Fällen ist die Verwendung eines genetischen Fingerabdrucks im Gerichtsverfahren unzulässig?

Die Verwertung eines genetischen Fingerabdrucks im Gerichtsverfahren ist nicht zulässig, wenn die Analyse unter Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften erfolgte. Hierzu zählt insbesondere die Entnahme oder Auswertung ohne richterliche Anordnung bzw. ohne gesetzliche Grundlage, ohne die erforderliche Einwilligung oder unter Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Auch eine Zweckentfremdung, etwa die Nutzung der DNA für nicht strafprozessuale Zwecke wie die Analyse genetischer Krankheitsrisiken, ist strikt untersagt und kann zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Gemäß dem sogenannten Fernwirkungserlass des Bundesverfassungsgerichts dürfen rechtswidrig erhobene Beweise im Strafprozess in der Regel nicht zu Lasten des Betroffenen verwertet werden. Ein Ausschluss der Verwertung kann auch dann erfolgen, wenn wesentliche Formvorschriften missachtet wurden oder der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist.

Welche Rechte haben Betroffene im Hinblick auf ihre genetischen Fingerabdrücke?

Betroffene Personen haben im Zusammenhang mit genetischen Fingerabdrücken eine Vielzahl gesetzlich verankerter Rechte. Dazu zählt in erster Linie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das durch das Grundgesetz geschützt ist. Betroffene müssen über den Zweck, den Umfang und die Dauer der Datenspeicherung aufgeklärt werden und haben das Recht, der Maßnahme zu widersprechen, sofern keine zwingenden gesetzlichen Gründe entgegenstehen. Sie können Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten verlangen und gegebenenfalls deren Berichtigung oder Löschung einfordern. Darüber hinaus stehen ihnen, insbesondere im Fall einer unrechtmäßigen Datenverarbeitung, Rechtsbehelfe wie Beschwerde bei der Datenschutzaufsichtsbehörde oder ein gerichtliches Verfahren zu.

Welche Strafen drohen bei Missbrauch oder unbefugter Verwendung eines genetischen Fingerabdrucks?

Missbrauch oder unbefugte Verwendung genetischer Fingerabdrücke stellt in Deutschland eine Straftat dar und kann nach dem Strafgesetzbuch (StGB) sowie nach Datenschutzgesetzen geahndet werden. Unbefugte Entnahme, Speicherung oder Weitergabe von DNA-Profilen kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden; bei schwerwiegenden Verstößen, etwa wenn dadurch Persönlichkeitsrechte erheblich verletzt wurden, sind auch höhere Strafen möglich. Daneben drohen zivilrechtliche Schadensersatzansprüche der betroffenen Personen. Derartige Vergehen werden als schwere Verstöße gegen den Datenschutz und die Menschenwürde gewertet und unterliegen strengen Kontrollen sowie Sanktionen durch Gerichte und Aufsichtsbehörden.

Inwieweit darf der genetische Fingerabdruck grenzüberschreitend verwendet oder übermittelt werden?

Eine grenzüberschreitende Übermittlung genetischer Fingerabdruckdaten ist nur unter sehr engen rechtlichen Voraussetzungen zulässig. Im Rahmen internationaler Zusammenarbeit, wie etwa bei Interpol oder im Schengener Informationssystem (SIS), dürfen DNA-Profile nur übermittelt werden, wenn dies zur Strafverfolgung, -aufklärung oder zur Verhütung schwerer Straftaten zwingend erforderlich ist und ein angemessenes Datenschutzniveau im Empfängerland gewährleistet ist. Die Übermittlung bedarf grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage und meist einer vorherigen Einzelfallprüfung. Betroffene Personen sind über die Datenübermittlung zu informieren, sofern dadurch nicht der Zweck der Maßnahme gefährdet wird. Jegliche sonstige Nutzung oder Weitergabe zu anderen Zwecken ist streng verboten und strafbar.