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Genehmigtes Kapital

Genehmigtes Kapital: Begriff, Funktion und rechtlicher Rahmen

Genehmigtes Kapital bezeichnet die in der Satzung verankerte Ermächtigung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, wonach der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Grundkapital innerhalb eines festgelegten Rahmens erhöhen darf. Diese Ermächtigung gilt nur für einen begrenzten Zeitraum und bis zu einer bestimmten Höchstgrenze. Ziel ist es, der Gesellschaft zu ermöglichen, ohne erneute Beschlussfassung der Hauptversammlung zeitnah neue Aktien auszugeben und so Eigenkapital zu beschaffen.

Zweck und wirtschaftliche Bedeutung

Flexibilität und Geschwindigkeit

Mit genehmigtem Kapital kann der Vorstand Kapitalmaßnahmen zügig umsetzen. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn Finanzierungsspielräume kurzfristig genutzt, Marktfenster bedient oder strategische Projekte umgesetzt werden sollen. Die Gesellschaft gewinnt Handlungssicherheit, weil nicht für jede Kapitalerhöhung eine neue Hauptversammlung einberufen werden muss.

Typische Anwendungsfälle

  • Stärkung der Eigenkapitalbasis
  • Finanzierung von Akquisitionen durch Ausgabe von Aktien als Gegenleistung
  • Mitarbeiterbeteiligungsprogramme
  • Platzierungen bei institutionellen Investoren zur Erweiterung des Streubesitzes

Rechtliche Ausgestaltung

Grenzen und Umfang der Ermächtigung

Die Ermächtigung wird durch die Hauptversammlung beschlossen und in die Satzung aufgenommen. Sie ist zeitlich befristet und darf nur bis zu einer bestimmten prozentualen Obergrenze des bestehenden Grundkapitals reichen. Die Ermächtigung kann in Teilbeträgen ausgenutzt werden. Zulässig ist die Festlegung unterschiedlicher Ausgabebedingungen, etwa zu Art und Ausstattung der auszugebenden Aktien, solange die gesetzlichen Leitplanken eingehalten werden.

Beteiligte Organe und Zuständigkeiten

Die Hauptversammlung erteilt die Ermächtigung und legt deren Eckpunkte fest. Der Vorstand entscheidet über Zeitpunkt, Umfang und Bedingungen der jeweiligen Kapitalerhöhung, benötigt dafür jedoch die Zustimmung des Aufsichtsrats. Durch dieses Zusammenspiel wird sichergestellt, dass Kapitalmaßnahmen innerhalb des vorgegebenen Rahmens und unter Kontrolle des Aufsichtsorgans erfolgen.

Verfahren und Wirksamwerden

Der Beschluss über das genehmigte Kapital ist eine Satzungsänderung und wird erst nach Eintragung im Handelsregister wirksam. Jede einzelne Erhöhung aufgrund der Ermächtigung wird gesondert beschlossen, durchgeführt und wiederum im Handelsregister eingetragen. Erst durch die Eintragung der jeweiligen Kapitalerhöhung entsteht das neue Grundkapital; zuvor können Zeichnungen und Einzahlungen vorbereitet werden, entfalten aber noch keine kapitalerhöhende Wirkung.

Form der Einlage und Ausgabebetrag

Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital können gegen Bareinlagen oder gegen Sacheinlagen erfolgen. Bei Sacheinlagen ist besondere Transparenz über den Gegenstand und dessen Bewertungsgrundlagen erforderlich. Der Ausgabebetrag der neuen Aktien muss in einem angemessenen Verhältnis zum Unternehmenswert stehen; eine Ausgabe unter dem rechnerischen Nenn- oder Mindestbetrag ist unzulässig.

Bezugsrecht der Aktionäre

Grundsatz des Bezugsrechts

Aktionäre haben grundsätzlich ein Bezugsrecht auf neue Aktien, um ihre Beteiligungsquote zu wahren. Dieses Bezugsrecht dient dem Schutz vor Verwässerung und stellt gleichmäßige Teilhabe an Kapitalmaßnahmen sicher. Die Ausgestaltung des Bezugsangebots, etwa Bezugsfrist und Bezugsverhältnis, folgt etablierten Grundsätzen der Gleichbehandlung.

Ausschluss des Bezugsrechts

Das Bezugsrecht kann für Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, sofern die Hauptversammlung dies im Ermächtigungsbeschluss ausdrücklich zulässt und die Maßnahme sachlich gerechtfertigt ist. Typische Gründe sind Platzierungen zu Marktkonditionen bei kleineren Volumina, die Ausgabe von Aktien als Gegenleistung bei Unternehmensakquisitionen oder die Durchführung von Mitarbeiterbeteiligungen. Ein Bezugsrechtsausschluss setzt erhöhte Transparenzanforderungen voraus; die Gründe müssen offengelegt und die Interessen der Aktionärinnen und Aktionäre gewahrt werden.

Auswirkungen auf Aktionäre und Gesellschaft

Verwässerung und Stimmrechte

Wer nicht an einer Kapitalerhöhung teilnimmt, kann eine Verringerung seiner relativen Beteiligungs- und Stimmrechtsquote erfahren. Das Bezugsrecht soll diesen Effekt auffangen. Wird das Bezugsrecht wirksam ausgeschlossen, entsteht eine Verwässerung, die rechtlich nur im Rahmen der zulässigen Ermächtigung und unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgen darf.

Kapitalmarktrechtliche Aspekte

Die Ausgabe neuer Aktien kann kapitalmarktrechtliche Pflichten auslösen, etwa Informations-, Veröffentlichungs- und gegebenenfalls Prospektpflichten. Der konkrete Umfang richtet sich nach Art, Volumen und Platzierung der neuen Aktien sowie der Marktplattform.

Handelsregister und Satzungstransparenz

Sowohl die Ermächtigung zum genehmigten Kapital als auch jede auf ihr beruhende Kapitalerhöhung werden in das Handelsregister eingetragen. Die Satzung gibt Auskunft über Rahmen, Laufzeit und Umfang der Ermächtigung und schafft damit Transparenz für den Kapitalmarkt und die Anteilseigner.

Abgrenzung zu anderen Kapitalmaßnahmen

Ordentliche Kapitalerhöhung gegen Einlagen

Bei der ordentlichen Kapitalerhöhung beschließt die Hauptversammlung für den konkreten Einzelfall unmittelbar über Umfang und Bedingungen. Das genehmigte Kapital verschiebt demgegenüber die konkrete Ausgestaltung innerhalb eines zuvor festgelegten Rahmens in die Entscheidung des Vorstands mit Aufsichtsratszustimmung.

Bedingtes Kapital

Das bedingte Kapital dient vorrangig der Bedienung von Umtausch- oder Bezugsrechten, etwa aus Wandelschuldverschreibungen oder Optionsrechten. Die Kapitalerhöhung tritt nur ein, wenn die zugrundeliegenden Rechte ausgeübt werden. Genehmigtes Kapital dagegen ist ein sofort nutzbarer Handlungsspielraum für den Vorstand innerhalb der Ermächtigung.

Genehmigtes Kapital I und II

Die Satzung kann mehrere getrennte Ermächtigungen vorsehen, häufig mit unterschiedlichen Zwecken (beispielsweise ein allgemeiner Rahmen und ein spezieller Rahmen für Sacheinlagen oder Mitarbeiterbeteiligungen). Maßgeblich ist, dass der jeweils zulässige Gesamtumfang und die zeitlichen Grenzen gewahrt bleiben.

Besondere Konstellationen

Aktiengattung und Ausgestaltung

Neue Aktien aus genehmigtem Kapital können als Inhaber- oder Namensaktien sowie als Stückaktien ausgegeben werden, entsprechend der Satzung. Ausstattung, etwa Gewinnbezugsrechte oder Stimmrechte, muss zu den satzungsmäßigen Vorgaben passen und gleichbehandelnd ausgestaltet sein.

Europäische Gesellschaft (SE)

Bei der Europäischen Gesellschaft mit Sitz in Deutschland gelten inhaltlich vergleichbare Grundsätze. Auch hier dient genehmigtes Kapital der flexiblen Eigenkapitalaufnahme, eingebettet in die einschlägigen Regelungen zur Organzuständigkeit, zum Bezugsrecht und zur Registerpublizität.

Konzern- und Minderheitenschutz

Kapitalmaßnahmen innerhalb von Konzernen müssen den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Minderheitenschutz wirkt insbesondere über Bezugsrechte, Transparenzpflichten und die Grenzen eines zulässigen Bezugsrechtsausschlusses. Eine unangemessene Benachteiligung einzelner Aktionärsgruppen ist zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Was ist der zentrale Unterschied zwischen genehmigtem und bedingtem Kapital?

Genehmigtes Kapital ist ein im Voraus eingeräumter Handlungsspielraum zur Kapitalerhöhung innerhalb eines festgelegten Rahmens. Bedingtes Kapital wird hingegen erst wirksam, wenn bestimmte Ereignisse eintreten, etwa die Ausübung von Umtausch- oder Bezugsrechten aus Finanzinstrumenten.

Wie lange gilt eine Ermächtigung zum genehmigten Kapital?

Die Ermächtigung ist auf einen befristeten Zeitraum ausgelegt. Nach Ablauf dieser Frist kann sie nicht mehr genutzt werden und bedarf für eine Verlängerung eines erneuten Beschlusses der Hauptversammlung.

Wie groß darf das genehmigte Kapital sein?

Der Umfang ist prozentual am bestehenden Grundkapital begrenzt. Innerhalb dieser Obergrenze kann die Hauptversammlung den konkreten Höchstbetrag festlegen, bis zu dem der Vorstand Kapitalerhöhungen vornehmen darf.

Dürfen Bezugsrechte der Aktionäre ausgeschlossen werden?

Ein Ausschluss ist möglich, wenn die Hauptversammlung dies im Ermächtigungsrahmen zulässt und die Maßnahme sachlich gerechtfertigt ist. Übliche Gründe sind Platzierungen zu Marktkonditionen in begrenztem Umfang, Sacheinlagen bei Unternehmensakquisitionen oder Mitarbeiterprogramme. Dabei sind Transparenz und Gleichbehandlung sicherzustellen.

Wie wird eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital wirksam?

Nach dem Vorstandsbeschluss mit Zustimmung des Aufsichtsrats erfolgt die Durchführung der Kapitalerhöhung. Rechtliche Wirksamkeit tritt erst mit Eintragung im Handelsregister ein; erst dann erhöht sich das Grundkapital.

Welche Informationen finden sich zur Ermächtigung in der Satzung?

Die Satzung enthält regelmäßig die Höchstgrenze des genehmigten Kapitals, die Laufzeit der Ermächtigung, Vorgaben zur Ausgestaltung neuer Aktien und Hinweise zur Möglichkeit eines Bezugsrechtsausschlusses.

Kann es mehrere Ermächtigungen zum genehmigten Kapital parallel geben?

Es können mehrere Ermächtigungen mit unterschiedlichen Zwecken bestehen, solange die gesetzlichen Obergrenzen und Laufzeiten eingehalten werden und die Satzung diese Ermächtigungen klar voneinander abgrenzt.