Genehmigtes Kapital – Definition und Grundlagen
Genehmigtes Kapital bezeichnet im Kapitalgesellschaftsrecht, insbesondere im Aktienrecht, ein von der Hauptversammlung durch Satzungsänderung eingeräumtes Instrument zur flexiblen Eigenkapitalbeschaffung durch das Leitungsorgan. Es handelt sich um eine Ermächtigung, mit der das Leitungsorgan, üblicherweise der Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG), innerhalb eines festgelegten Zeitraums und bis zu einer bestimmten maximalen Höhe, das Grundkapital der Gesellschaft durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen erhöhen kann. Die Regelungen zum genehmigten Kapital sind im deutschen Recht maßgeblich im Aktiengesetz (AktG) geregelt.
Rechtsgrundlage des Genehmigten Kapitals
Gesetzliche Bestimmungen im Aktiengesetz
Das genehmigte Kapital ist in § 202 bis § 206 AktG geregelt. Nach § 202 Abs. 1 AktG kann die Satzung oder eine durch satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss getroffene Ermächtigung dem Vorstand das Recht einräumen, das Grundkapital mit Zustimmung des Aufsichtsrats innerhalb eines Zeitraums von höchstens fünf Jahren nach Eintragung der Ermächtigung im Handelsregister einmal oder mehrmals um einen bestimmten Nennbetrag durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen (genehmigtes Kapital).
Wesentliche Voraussetzungen:
- Ermächtigung der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit (§ 179 AktG)
- Begrenzung der Ermächtigung auf maximal fünf Jahre
- Begrenzung auf maximal 50 % des Grundkapitals zum Zeitpunkt der Ermächtigung
- Zustimmung des Aufsichtsrats zur Umsetzung
Funktion und Zweck des Genehmigten Kapitals
Flexibilität der Kapitalbeschaffung
Das genehmigte Kapital bietet Aktiengesellschaften und vergleichbaren Unternehmen die Möglichkeit, auf veränderte Marktbedingungen oder kurzfristige Finanzbedarfe schnell reagieren zu können, da eine Kapitalerhöhung ohne erneute Einberufung der Hauptversammlung möglich ist. Die Entscheidungskompetenz wird dem Leitungsorgan übertragen, wodurch zeitintensive und kostspielige Hauptversammlungsprozesse vermieden werden.
Anwendungsbereiche
Typische Anwendungsfälle sind:
- Finanzierung von Akquisitionen durch Sachkapitalerhöhungen
- Stärkung des Eigenkapitals bei Wachstumsvorhaben oder zur Verbesserung der Bilanzkennzahlen
- Ausgabe neuer Aktien an Mitarbeiter oder Führungskräfte (Belegschaftsaktien)
Arten und Ausgestaltung des Genehmigten Kapitals
Formen des Genehmigten Kapitals
Das genehmigte Kapital kann als sogenanntes „genehmigtes Kapital I“ oder „genehmigtes Kapital II“ ausgewiesen werden, wenn es mehrere Ermächtigungen mit unterschiedlichen Zweckbindungen oder Bedingungen gibt. In der Satzung oder im Hauptversammlungsbeschluss können weitere Einschränkungen, Bedingungen oder besondere Zweckbindungen festgelegt werden (z.B. nur für bestimmte Einlagenarten oder Transaktionszwecke).
Inhaltliche Anforderungen
Die Satzung oder der Ermächtigungsbeschluss muss beinhalten:
- Höhe des genehmigten Kapitals
- Anzahl und Gattung der Aktien (Stammaktien, Vorzugsaktien)
- Ausgabebedingungen (Emissionspreis, Bezugsrechte)
- Dauer der Ermächtigung (maximal fünf Jahre)
- Ggf. Zweckbindung, falls vorgesehen
Bezugsrecht und Ausschluss des Bezugsrechts
Gesetzlicher Regelfall
Gemäß § 203 Abs. 1 AktG steht Aktionären grundsätzlich ein Bezugsrecht auf neue Aktien zu. Dieses Bezugsrecht dient dem Schutz vor einer Verwässerung ihrer Beteiligung.
Ausschluss des Bezugsrechts
Die Satzung oder der Hauptversammlungsbeschluss kann gemäß § 203 Abs. 2 i.V.m. § 186 Abs. 3 und 4 AktG den Vorstand ermächtigen, mit Zustimmung des Aufsichtsrates das Bezugsrecht auszuschließen. Ein solcher Bezugsrechtsausschluss ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig und rechtfertigungsbedürftig. Typische Gründe sind:
- Einbringung von Sachwerten statt Barzahlung (z.B. Erwerb von Unternehmen)
- Bedienung von Belegschaftsaktienprogrammen
- Ausgabe neuer Aktien zu einem geringen Aufgeld, wenn der Ausschluss des Bezugsrechts 10 % des Grundkapitals nicht übersteigt („10 %-Kapital“-Regelung)
Gerichtliche Kontrolle
Beschlüsse zum Bezugsrechtsausschluss unterliegen einer Kontrolle durch die Handlungsspielräume des Leitungsorgans und können von den Aktionären im Rahmen der Anfechtungsklage gerichtlich überprüft werden (§ 243 AktG).
Anmeldung und Handelsregistereintragung
Nach Ausübung der genehmigten Kapitalerhöhung sind die erfolgten Änderungen, insbesondere die Erhöhung des Grundkapitals sowie die Ausgabe neuer Aktien, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Eintragung wirkt konstitutiv, d.h., erst mit Eintragung werden die neuen Aktienrechte wirksam.
Unterschied zum Bedingten Kapital und Sonderformen
Das genehmigte Kapital ist vom bedingten Kapital zu unterscheiden. Bedingtes Kapital dient insbesondere der Gewährung von Aktien bei Wandel- oder Optionsanleihen sowie bei Umtauschrechten. Während das genehmigte Kapital unmittelbar zur Kapitalerhöhung genutzt werden kann, ist das bedingte Kapital an den Eintritt bestimmter Bedingungen geknüpft.
Sonderformen:
- Eingeschränktes oder zweckgebundenes genehmigtes Kapital zur Ausgabe nur gegen Sacheinlagen
- Genehmigtes Kapital mit einer Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss
Bedeutung in der Unternehmenspraxis
In der Unternehmenspraxis ist das genehmigte Kapital ein unverzichtbares Instrument der Unternehmensfinanzierung und -steuerung. Es ermöglicht eine effiziente Kapitalausstattung und schnelle Anpassung an äußere Anforderungen des Kapitalmarktes, verbunden mit gesetzlich geregelten Schutzmechanismen für Aktionäre.
Literaturhinweise und weiterführende Quellen
- AktG – Aktiengesetz, §§ 202 ff.
- Dreier, Aktiengesetz Kommentar, aktuelle Auflage
- Kübler/Assmann, Aktiengesetz, Kommentar
- Baums, Die Praxis des genehmigten Kapitals bei deutschen Börsenunternehmen
- Handelsregister von Aktiengesellschaften
Hinweis: Dieser Artikel dient der allgemeinen Information über das genehmigte Kapital im Gesellschaftsrecht und basiert auf dem Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung bis Juni 2024.
Häufig gestellte Fragen
Welche formellen Anforderungen bestehen an einen Beschluss über genehmigtes Kapital?
Ein Beschluss über die Schaffung genehmigten Kapitals setzt zwingend die Einhaltung spezieller Form- und Mehrheitserfordernisse gemäß § 202 AktG voraus. Für die wirksame Verabschiedung eines solchen Beschlusses ist eine Dreiviertelmehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erforderlich, sofern die Satzung der Gesellschaft keine größere Mehrheit oder weitere Erfordernisse bestimmt. Darüber hinaus muss der Beschluss in notariell beurkundeter Form erfolgen und in das Handelsregister eingetragen werden, wobei der Umfang des genehmigten Kapitals, die Ermächtigungsfrist (höchstens fünf Jahre), etwaige Ausschlussmöglichkeiten des Bezugsrechts sowie weitere Beschränkungen explizit im Beschluss und der Satzung festzuhalten sind. Erst mit Eintragung im Handelsregister erlangt das genehmigte Kapital Wirksamkeit. Die Beschlussfassung umfasst auch die ausdrückliche Angabe darüber, in welcher Höhe und unter welchen Bedingungen das Grundkapital erhöht werden kann.
Welche inhaltlichen Beschränkungen gibt es für genehmigtes Kapital?
Das genehmigte Kapital darf gemäß § 202 Abs. 3 AktG höchstens die Hälfte des bei Beschlussfassung bestehenden Grundkapitals betragen. Es muss genau beziffert sein und kann nicht unbestimmt formuliert werden. Auch darf die Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre nur unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben eingeräumt werden, wobei entsprechende Gründe und Grenzen (z. B. Sachkapitalerhöhungen, Ausgleich von Spitzenbeträgen oder Erwerb von Unternehmensteilen) im Beschluss transparent genannt sein müssen. Zudem darf die Laufzeit der Ermächtigung fünf Jahre nicht überschreiten. Die geplante Kapitalmaßnahme muss zudem im Einklang mit dem Gesellschaftszweck stehen. Unzulässig sind zudem Beschlüsse, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen oder eine verdeckte Disqualifikation bestimmter Aktionärsgruppen bezwecken.
Welche Rolle spielt das Bezugsrecht im Rahmen des genehmigten Kapitals?
Das Bezugsrecht der Aktionäre ergibt sich grundsätzlich aus § 186 AktG und dient dem Schutz vor einer Verwässerung der Beteiligungsquote. Im Rahmen des genehmigten Kapitals kann das Bezugsrecht durch Entscheidung des Vorstands, mit Zustimmung des Aufsichtsrats, ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, sofern der Hauptversammlungsbeschluss dieses Recht ausdrücklich vorsieht und die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere § 203 Abs. 2 und § 186 Abs. 3 und 4 AktG, gewahrt bleiben. Ein solcher Ausschluss ist insbesondere bei Sachkapitalerhöhungen, Ausgleich von Spitzenbeträgen oder bei Kapitalerhöhungen gegen Bareinlagen unterhalb bestimmter Schwellenwerte möglich, wobei eine sachliche Rechtfertigung stets erforderlich ist. Jeder Bezugsrechtsausschluss ist zu begründen und unterliegt einer strengen gerichtlichen Kontrolle.
Welche Aufgaben und Pflichten hat der Vorstand im Zusammenhang mit dem genehmigten Kapital?
Nach Eintragung des genehmigten Kapitals ist ausschließlich der Vorstand – mit Zustimmung des Aufsichtsrates – berechtigt, das Kapital innerhalb der erteilten Ermächtigung durch Ausgabe neuer Aktien zu erhöhen. Der Vorstand ist verpflichtet, bei der Durchführung alle formellen Erfordernisse einzuhalten, insbesondere die ordnungsgemäße Feststellung des Bezugsrechts oder gegebenenfalls dessen Ausschluss. Ebenso muss er die Erhöhung im Vorfeld im Bundesanzeiger bekanntmachen, die geänderte Satzung notariell beurkunden lassen und die korrekte Eintragung im Handelsregister veranlassen. Bei Ausübung der Ermächtigung ist er weiterhin verpflichtet, die Interessen aller Aktionäre zu wahren und den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Verstöße gegen diese Pflichten können zu Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen führen.
Welche Bedeutung hat die Handelsregistereintragung im Zusammenhang mit genehmigtem Kapital?
Die Eintragung des genehmigten Kapitals im Handelsregister hat konstitutive Wirkung, das heißt, die Ermächtigung zum Kapitalerhöhungsbeschluss gilt rechtlich erst ab dem Zeitpunkt der Eintragung als wirksam, vgl. § 202 Abs. 1 Satz 2 AktG. Vorher kann der Vorstand von der Ermächtigung keinen Gebrauch machen. Zudem müssen sowohl die Beschlussfassung über das genehmigte Kapital als auch jede spätere Ausnutzung dieser Ermächtigung im Handelsregister eingetragen werden. Die Registereintragung gewährleistet die Publizität der Maßnahme und schützt Aktionäre und Gläubiger durch Transparenz. Erst durch die Eintragung werden die neuen Aktienwirksam und können im Rechtsverkehr verwendet werden.
Unter welchen Voraussetzungen kann das genehmigte Kapital geändert oder aufgehoben werden?
Jede Änderung oder Aufhebung des genehmigten Kapitals bedarf eines erneuten Hauptversammlungsbeschlusses, für den dieselben Form- und Mehrheitserfordernisse wie bei der ursprünglichen Schaffung (vgl. § 202 AktG) gelten. Auch diese Maßnahmen müssen notariell beurkundet und im Handelsregister eingetragen werden, um Wirksamkeit zu entfalten. Eine Änderung kann sowohl in einer Anpassung der Höhe als auch in den inhaltlichen Bedingungen der Ermächtigung bestehen. In jedem Fall haben Vorstand und Aufsichtsrat dafür zu sorgen, dass die satzungsmäßigen und gesetzlichen Grenzen nicht überschritten werden.
Was geschieht mit bestehendem genehmigten Kapital bei einer Kapitalherabsetzung oder bei Umstrukturierungen der Gesellschaft?
Eine Kapitalherabsetzung führt gemäß § 222 AktG zur entsprechenden Anpassung oder unter Umständen zum Erlöschen des genehmigten Kapitals, wenn die neue Höhe des Grundkapitals geringer ist und dadurch die satzungsmäßige Grenze überschritten wird. Bei gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen wie Verschmelzungen oder Spaltungen bleibt das genehmigte Kapital grundsätzlich bestehen, sofern die übernehmende Gesellschaft dieses in ihre Satzung übernimmt und die rechtlichen Voraussetzungen einschließlich handelsregisterlicher Eintragung weiterhin erfüllt sind. Andernfalls erlischt das genehmigte Kapital mit der Umstrukturierung. Jede Änderung ist sorgfältig in das Handelsregister einzutragen und den Aktionären mitzuteilen, um die Rechtssicherheit und den Schutz der Gesellschafts- und Aktionärsinteressen zu gewährleisten.