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Gemeinnützigkeit


Begriff und rechtliche Einordnung der Gemeinnützigkeit

Gemeinnützigkeit ist ein zentraler Begriff im deutschen Steuerrecht, insbesondere im Kontext des Gemeinnützigkeitsrechts der Abgabenordnung (AO). Sie beschreibt die rechtliche Anerkennung bestimmter Tätigkeiten und Organisationen als förderungswürdig im Sinne des Gemeinwohls. Die Anerkennung einer Körperschaft als gemeinnützig führt zu umfassenden steuerlichen Vorteilen und Privilegien, erfordert jedoch die strikte Einhaltung gesetzlicher Voraussetzungen und Regelungen. In diesem Zusammenhang ist die Gemeinnützigkeit sowohl für die zivilrechtliche Bewertung als auch für die steuerliche Behandlung von erheblicher Bedeutung.


Gesetzliche Grundlagen der Gemeinnützigkeit

Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung

Die rechtliche Definition und Ausgestaltung des Begriffs „Gemeinnützigkeit“ findet sich vor allem in den §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung (AO). Nach § 52 AO werden Körperschaften dann als gemeinnützig anerkannt, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.

Wesentliche gesetzliche Merkmale sind:

  • Förderung der Allgemeinheit (§ 52 AO)
  • Selbstlosigkeit bei der Verfolgung der Ziele (§ 55 AO)
  • Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit der Zweckverfolgung (§ 56, § 57 AO)
  • Mittelverwendung ausschließlich für satzungsmäßige Zwecke

Unterschied zu anderen steuerbegünstigten Zwecken

Neben der Gemeinnützigkeit kennt die Abgabenordnung auch den Begriff der Mildtätigkeit (§ 53 AO) sowie die Förderung kirchlicher Zwecke (§ 54 AO). Diese Zwecke sind eigenständig geregelt, können aber in der Praxis mit dem gemeinnützigen Bereich überschneiden.


Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit

Förderungswürdige Zwecke

Die Abgabenordnung führt in § 52 Abs. 2 AO eine umfangreiche, jedoch nicht abschließende Liste gemeinnütziger Zwecke auf. Zu den typischen Beispielen zählen die Förderung:

  • von Wissenschaft und Forschung,
  • von Bildung und Erziehung,
  • von Kunst und Kultur,
  • des Naturschutzes,
  • von Jugend- und Altenhilfe,
  • des Sports sowie
  • des öffentlichen Gesundheitswesens.

Diese Zwecke müssen stets zugunsten der Allgemeinheit verfolgt werden; eine Beschränkung auf einen abgrenzbaren Personenkreis ist demgegenüber unzulässig.

Selbstlosigkeit und Unmittelbarkeit

Die Organisation muss selbstlos handeln, darf also keine eigenwirtschaftlichen Zwecke verfolgen und ihre Mittel ausschließlich für die satzungsmäßigen Ziele einsetzen. Gemäß § 55 AO ist eine Mittelausschüttung an Mitglieder oder Dritte grundsätzlich unzulässig. Die Tätigkeit muss unmittelbar im Sinne von § 57 AO erfolgen, das heißt, die Körperschaft muss selbst aktiv an der Zielverfolgung mitwirken und darf dies nicht auf Dritte übertragen.

Ausschließlichkeit

Laut § 56 AO muss die Körperschaft ihre Tätigkeit ausschließlich auf die Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks ausrichten. Werden auch andere, nicht gemeinnützige Zwecke verfolgt, darf dies nur in sehr beengtem Rahmen erfolgen.


Formelle Anforderungen und Satzungsregelungen

Anforderungen an die Satzung

Eine Körperschaft kann nur dann als gemeinnützig anerkannt werden, wenn ihre Satzung den Anforderungen nach § 60 AO (sog. „formelle Satzungsmäßigkeit“) entspricht. Die Satzung muss:

  • den gemeinnützigen Zweck eindeutig beschreiben,
  • die ausschließliche und unmittelbare Zweckverfolgung detailliert regeln,
  • eine ordnungsgemäße Vermögensbindung (§ 61 AO) im Falle der Auflösung der Körperschaft gewährleisten.

Tatsächliche Geschäftsführung

Neben der formellen Satzungsmäßigkeit bewertet die Finanzverwaltung fortlaufend, ob die Körperschaft auch tatsächlich (tatsächliche Geschäftsführung) nach den eigenen nichtkommerziellen Zielen handelt (§ 63 AO).


Steuerliche Begünstigungen der Gemeinnützigkeit

Steuerliche Vorteile

Anerkannte gemeinnützige Körperschaften profitieren von zahlreichen steuerlichen Vergünstigungen. Hierzu zählen insbesondere:

  • Körperschaftsteuerbefreiung (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG)
  • Gewerbesteuerbefreiung (§ 3 Nr. 6 GewStG)
  • Umsatzsteuerliche Erleichterungen (§§ 4 Nr. 18, 23 UStG)
  • Erbschaft- und Schenkungsteuerliche Befreiungen (§ 13 ErbStG)
  • Spendenabzugsfähigkeit gemäß § 10b EStG

Spendenrecht und Zuwendungsbestätigungen

Gemeinnützige Körperschaften sind berechtigt, sogenannte Zuwendungsbestätigungen (Spendenquittungen) auszustellen. Dies ermöglicht Spendern den steuerlichen Abzug der gespendeten Beträge nach § 10b EStG.


Gemeinnützigkeit im internationalen Kontext

Viele Staaten kennen ähnliche Konzepte der Gemeinnützigkeit, die in der Regel zur steuerrechtlichen Begünstigung führen. Bei grenzüberschreitenden Spenden ist jedoch zu beachten, dass in der Regel nur Zuwendungen an inländische und ausdrücklich anerkannte gemeinnützige Körperschaften steuerlich abziehbar sind. Ausnahmen sind durch unionsrechtliche Vorgaben (z. B. Europarecht) möglich.


Entzug der Gemeinnützigkeit

Gründe für den Verlust des Status

Verletzt eine Körperschaft die gesetzlichen Voraussetzungen, etwa durch die Ausschüttung von Mitteln an Mitglieder oder die Verfolgung kommerzieller Interessen, kann der Gemeinnützigkeitsstatus aberkannt werden. Dies hat regelmäßig die steuerliche Nachversteuerung zur Folge.

Rechtsschutzmöglichkeiten

Gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit stehen der Organisation diverse Rechtsbehelfe offen, insbesondere das Einspruchsverfahren vor den Finanzbehörden sowie der Klageweg zum zuständigen Finanzgericht.


Aktuelle Entwicklungen und Reformen im Gemeinnützigkeitsrecht

Das Gemeinnützigkeitsrecht ist in Deutschland Gegenstand fortlaufender Gesetzesreformen und Rechtsprechung, um gesellschaftliche Entwicklungen, z. B. im Bereich Demokratie, Umwelt- und Verbraucherschutz, zu berücksichtigen. Immer wieder werden neue Zwecke als gemeinnützig anerkannt, während andere Tätigkeiten kritisch überprüft oder eingeschränkt werden.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Abgabenordnung (AO), insbesondere §§ 51 bis 68
  • Körperschaftsteuergesetz (KStG)
  • Einkommensteuergesetz (EStG)
  • Umsatzsteuergesetz (UStG)
  • Bundesministerium der Finanzen: Anwendungserlasse zur Abgabenordnung (AEAO)
  • Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Gemeinnützigkeitsrecht

Gemeinnützigkeit nach deutschem Recht sichert die steuerliche Förderung tätiger Organisationen, stellt jedoch hohe Anforderungen an deren Verfassung, Organisation und Geschäftsführung. Die genaue Kenntnis der einschlägigen Vorschriften und deren sachgerechte Umsetzung sind zentrale Voraussetzung für die Erlangung und den Erhalt der Gemeinnützigkeit.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen Organisationen erfüllen, um als gemeinnützig anerkannt zu werden?

Um in Deutschland als gemeinnützig anerkannt zu werden, müssen Organisationen die Voraussetzungen der §§ 51-68 der Abgabenordnung (AO) erfüllen. Zentrale Voraussetzung ist, dass die Körperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt (§ 51 AO). Die Satzung muss den sogenannten „formellen Satzungsanforderungen“ genügen (§ 60 AO): Der Zweck der Körperschaft, die Art seiner Verwirklichung und der Kreis der Begünstigten müssen so genau bezeichnet werden, dass eine steuerliche Überprüfung jederzeit möglich ist. Zudem darf die Körperschaft keine eigenwirtschaftlichen Zwecke verfolgen; ein etwaiger Überschuss darf ausschließlich für die gemeinnützigen Satzungszwecke verwendet werden (Selbstlosigkeit gemäß § 55 AO). Auch das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO) und das Begünstigungsverbot (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO) müssen beachtet werden. Die Gemeinnützigkeit wird regelmäßig durch das Finanzamt durch Überprüfung der tatsächlichen Geschäftsführung festgestellt und durch einen sogenannten Feststellungsbescheid bestätigt. Veränderungen in der Satzung oder der tatsächlichen Geschäftsführung sind gegenüber dem Finanzamt anzuzeigen.

Dürfen gemeinnützige Organisationen wirtschaftlich tätig sein?

Grundsätzlich dürfen gemeinnützige Organisationen wirtschaftlich tätig sein, jedoch nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 65 AO (Zweckbetrieb) und des § 64 AO (wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb). Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist zulässig, solange er nicht den Hauptzweck der Organisation darstellt und die Gemeinnützigkeit nicht gefährdet wird. Sogenannte Zweckbetriebe dienen unmittelbar der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke und genießen deshalb eine steuerliche Begünstigung. Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die nicht als Zweckbetrieb eingestuft werden, unterliegen der Körperschaft- und Gewerbesteuer, sofern sie den Freibetrag von derzeit 45.000 Euro nicht überschreiten (§ 64 Abs. 3 AO). Überschüsse müssen ebenfalls zeitnah und ausschließlich für gemeinnützige Zwecke verwendet werden, andernfalls droht der Verlust der Gemeinnützigkeit.

Welche steuerlichen Vorteile genießen gemeinnützige Organisationen?

Gemeinnützige Organisationen können von verschiedenen steuerlichen Vorteilen profitieren. Dazu zählen insbesondere die Befreiung von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für ihre gemeinnützigen Tätigkeiten (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG; § 3 Nr. 6 GewStG). Darüber hinaus sind sie von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit, sofern die Mittel satzungsgemäß und zeitnah für gemeinnützige Zwecke verwendet werden (§ 13 Abs. 1 Nr. 16b ErbStG). Spenden an gemeinnützige Organisationen können von natürlichen und juristischen Personen im Rahmen des § 10b EStG als Sonderausgaben steuerlich geltend gemacht werden. Außerdem besteht in bestimmten Fällen eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 UStG für Leistungen im ideellen Bereich oder dem Zweckbetrieb. Soweit Umsätze im Bereich des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erzielt werden, unterliegen diese grundsätzlich der Umsatzsteuerpflicht.

Wie prüft das Finanzamt die Gemeinnützigkeit und wie oft erfolgt die Überprüfung?

Das Finanzamt prüft die Gemeinnützigkeit einer Organisation im Rahmen des sogenannten Feststellungsverfahrens. Zunächst erfolgt die Prüfung der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung bei Antragstellung, um die formellen Anforderungen der Abgabenordnung zu sichern. Nach erstmaliger Anerkennung überprüft das Finanzamt regelmäßig alle drei Jahre im Rahmen des sogenannten Freistellungsverfahrens, ob die Organisation weiterhin die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit erfüllt (§ 60a AO). Hierbei sind insbesondere Tätigkeitsberichte, Einnahmenüberschüsse und die Mittelverwendung vorzulegen. Bei Verstößen gegen die Satzungszwecke oder bei dauerhafter Verwendung von Mitteln für nicht gemeinnützige Zwecke kann die Gemeinnützigkeit widerrufen werden.

Was passiert, wenn die tatsächliche Geschäftsführung gegen die Gemeinnützigkeit verstößt?

Wenn die tatsächliche Geschäftsführung entgegen den gemeinnützigen Satzungszwecken handelt, droht der Entzug der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt. Typische Verstöße sind etwa die Verwendung von Mitteln für nicht gemeinnützige Zwecke, die Auszahlung von Überschüssen an Mitglieder oder die Gewährung unangemessener Vergütungen. Nach § 63 AO ist die tatsächliche Geschäftsführung maßgeblich und wird regelmäßig anhand von Unterlagen und Nachweisen des Vereins überprüft. Im Falle eines Verstoßes können rückwirkend Steuernachzahlungen und gegebenenfalls Strafzahlungen erhoben werden. Die steuerschädliche Verwendung von Mitteln ist zudem anzeigepflichtig. Rechtsmittel gegen die Entziehung der Gemeinnützigkeit sind im Rahmen des Verwaltungsverfahrens möglich.

Welche Berichtspflichten haben gemeinnützige Organisationen?

Gemeinnützige Organisationen unterliegen strengeren Berichtspflichten gegenüber dem Finanzamt als nicht gemeinnützige Körperschaften. Sie müssen jährlich eine Körperschaftsteuererklärung abgeben und die sogenannten Anlage Gem, einen Tätigkeitsbericht, Nachweise über die ordnungsgemäße Mittelverwendung und ggf. Spendenbescheinigungen vorlegen. Außerdem sind wesentliche Satzungsänderungen und Änderungen in der Geschäftsführung unverzüglich zu melden. Zusätzlich gibt es Dokumentationspflichten, etwa über die Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen (Spendenquittungen), deren ordnungsgemäße Ausstellung nach § 50 EStDV erfolgen muss. Die Nichteinhaltung der Berichtspflichten kann zu steuerlichen Nachteilen oder zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen.

Welche Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Status der Gemeinnützigkeit für Spenden und Zuwendungen?

Gemeinnützige Organisationen dürfen für Spenden und bestimmte Mitgliedsbeiträge Zuwendungsbestätigungen ausstellen, die Spender dann steuerlich geltend machen können (§ 10b EStG). Dabei müssen strenge formale Anforderungen bei der Ausstellung dieser Bescheinigungen beachtet werden (§ 50 EStDV), insbesondere Angaben zur Art der Zuwendung, dem Empfänger und dem Verwendungszweck. Organisationen sind zur Prüfung der tatsächlichen Verwendungsabsicht verpflichtet. Im Falle missbräuchlicher Ausstellung kann sowohl die Organisation als auch der Empfänger der Spende haftungsrechtlich belangt werden (§ 10b Abs. 4 EStG). Darüber hinaus bestehen Pflichten zur ordnungsgemäßen Buchführung und Nachweisführung, dass die Zuwendungen ausschließlich und unmittelbar für die gemeinnützigen Zwecke verwendet wurden.