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Gemeingebrauch


Begriff und rechtliche Grundlagen des Gemeingebrauchs

Der Begriff Gemeingebrauch bezeichnet im deutschen Recht das Recht der Allgemeinheit, bestimmte öffentliche Sachen oder Einrichtungen bestimmungsgemäß zu benutzen. Gemeingebrauch ist wesensmäßig von einer Nutzung geprägt, die keinem individuellen Recht auf Ausschluss entspricht und sich innerhalb der durch Gesetz oder Verordnung festgelegten Grenzen bewegt. Die rechtliche Ausgestaltung des Gemeingebrauchs ist vor allem im öffentlichen Sachenrecht und damit primär im Kontext des öffentlichen Rechts von Bedeutung.

Öffentliche Sachen und ihre Bedeutung für den Gemeingebrauch

Definition öffentlicher Sachen

Öffentliche Sachen sind bewegliche oder unbewegliche Sachen, die dem Gebrauch der Allgemeinheit oder eines bestimmten Kreises von Personen gewidmet sind. Typische Beispiele sind Straßen, Wege, Plätze, Brücken, Parks, Gewässer und Luft.

Widmung und Zweckbestimmung

Die Widmung stellt eine hoheitliche Handlung dar, durch die der Staat oder eine sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Sache dem öffentlichen Gebrauch zuführt. Durch diese Widmung wird die Benutzung im Rahmen und nach Maßgabe des bestimmten Zwecks für die Allgemeinheit eröffnet und ist damit Grundlage für den Gemeingebrauch.

Rechtsgrundlagen und Regelungsebenen

Gesetzliche Regelungen

Als Rechtsgrundlagen des Gemeingebrauchs sind insbesondere folgende Vorschriften maßgeblich:

  • Straßen- und Wegerecht der Länder (z.B. Straßengesetze wie das Berliner Straßengesetz oder das Bayrische Straßen- und Wegegesetz)
  • Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und entsprechende Landeswassergesetze
  • Luftverkehrsgesetz (LuftVG)
  • Allgemeine Polizeirechte jeweils auf Landesebene

Gemeingebrauch ist in diesen Gesetzen als Benutzungsrecht ausgestaltet, das sich grundsätzlich an alle Mitglieder der Allgemeinheit richtet, solange die Nutzung nach Art und Umfang der Widmung und der Verkehrsauffassung entspricht.

Abgrenzung zum Sondernutzungsrecht

Ein wesentlicher Unterschied besteht zum Begriff der Sondernutzung. Der Gemeingebrauch umfasst ausschließlich den widmungsgemäßen und gemeinverträglichen Gebrauch öffentlicher Sachen. Eine Nutzung, die über den Rahmen bestimmungsgemäßer oder üblicher Nutzung hinausgeht oder andere von der Nutzung ausschließt, ist Sondernutzung und unterliegt einer speziellen Erlaubnispflicht sowie ggf. Gebührenpflicht.

Umfang und Schranken des Gemeingebrauchs

Umfang des Gemeingebrauchs

Der Umfang des Gemeingebrauchs bemisst sich nach:

  • Zweckbestimmung und Widmung der öffentlichen Sache
  • Festlegung im Gesetz oder nach Verkehrsauffassung
  • Rücksichtnahme auf den Schutz der öffentlichen Sache und anderer Benutzer

So ist z.B. der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen auf den Verkehr mit Fahrzeugen und Fußgängern begrenzt, während auf öffentlichen Gewässern in der Regel das Baden, Schwimmen oder Bootfahren zulässig sein kann.

Schranken und Einschränkungen

Gesetzliche Grenzen

Gesetzliche Regelungen können Inhalt und Umfang des Gemeingebrauchs einschränken, etwa durch Nutzungsverbote, Gebote oder Durchführungsbestimmungen.

Polizeirechtliche Schranken

Auch ordnungsrechtliche Eingriffe, etwa zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, können den Gemeingebrauch beschränken. Gezielte Maßnahmen können ergriffen werden, um Missbrauch oder Gefahr abzuwehren.

Verwaltungsvollzug und Genehmigungsvorbehalte

Eine sachlich nicht gerechtfertigte Einschränkung des Gemeingebrauchs ist nicht zulässig; soweit erforderlich, können aber zeitweise Regelungen, Sperrungen oder Auflagen zur Gefahrenabwehr verhängt werden.

Beendigung und Entziehung des Gemeingebrauchs

Zum Entzug des Gemeingebrauchs ist regelmäßig die Einziehung der öffentlichen Sache erforderlich. Diese erfolgt durch hoheitlichen Verwaltungsakt und hebt die Widmung auf, sodass die Sache nicht mehr der Allgemeinheit, sondern nur noch im Rahmen privatrechtlicher Verhältnisse genutzt werden kann. Beendigung und Modalitäten richten sich nach den jeweiligen Fachgesetzen.

Besondere Formen des Gemeingebrauchs

Gemeingebrauch an Straßen und Wegen

  • Umfasst den Straßenverkehr, also die Fortbewegung zu Fuß oder mit Fahrzeugen.
  • Schließt Instandhaltungspflichten seitens der Straßenbaulastträger ein.
  • Jede Nutzung, die darüber hinausgeht (bspw. das Aufstellen von Tischen, Werbeanlagen), ist genehmigungspflichtige Sondernutzung.

Gemeingebrauch an Gewässern

  • Erlaubt das Baden, Fahren mit Booten, Entnahme von Wasser in kleinen Mengen.
  • Einschränkungen bestehen durch Umwelt- und Naturschutzbestimmungen oder zum Schutz der Trinkwasserversorgung.

Gemeingebrauch an Luft und weiteren öffentlichen Sachen

  • Nutzung des Luftraums für den allgemeinen Verkehr nach den Vorgaben des LuftVG.
  • Der Gemeingebrauch an weiteren öffentlichen Sachen (z.B. Parks, Grünanlagen) wird durch Festlegungen der gemeinde- oder landesrechtlichen Vorschriften präzisiert.

Rechtsfolgen und Rechtsschutz bei Verletzung des Gemeingebrauchs

Wird der Gemeingebrauch unrechtmäßig eingeschränkt oder ausgeschlossen, bestehen Ansprüche auf Wiederherstellung des Gemeingebrauchs, regelmäßig im Wege von Widerspruch oder Anfechtungsklage. Über die Inanspruchnahme verwaltungsrechtlicher Rechtsmittel kann der Schutz des Gemeingebrauchs geltend gemacht werden.

Zusammenfassung

Der Gemeingebrauch ist ein zentrales Konzept des öffentlichen Sachenrechts. Er regelt die bestimmungsgemäße Nutzung öffentlicher Sachen durch die Allgemeinheit innerhalb gesetzlicher und ordnungsrechtlicher Schranken. Die rechtliche Ausgestaltung erfolgt differenziert nach Art der öffentlichen Sache, dem jeweiligen Nutzungszweck und den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben. Die Abgrenzung zur Sondernutzung, die Berücksichtigung gesetzlicher und faktischer Schranken sowie die Klärung von Beendigungsmodalitäten sind für die Praxis von erheblicher Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Welche Einschränkungen bestehen typischerweise für den Gemeingebrauch öffentlicher Sachen?

Der Gemeingebrauch öffentlicher Sachen unterliegt in der Regel verschiedenen Einschränkungen, die sich aus Gesetzen, Verordnungen oder örtlichen Satzungen ergeben können. Diese Beschränkungen können aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Umweltschutzes oder zur Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit erfolgen. Typische Beschränkungen betreffen Zeit, Ort sowie Art und Umfang der Nutzung. Beispielsweise kann der Gemeingebrauch von Straßen durch Verkehrsregeln (z. B. StVO), Parkverbote oder Zufahrtsbeschränkungen eingeschränkt sein. Bei Gewässern kann die Nutzung auf bestimmte Tätigkeiten wie Baden, Angeln oder Befahren begrenzt und von Genehmigungen abhängig gemacht werden. Darüber hinaus sind Beeinträchtigungen des Gemeingebrauchs durch Sondernutzungen (beispielsweise das Aufstellen von Verkaufsständen oder Werbeträgern) genehmigungspflichtig. Auch temporäre Einschränkungen, z. B. bei Veranstaltungen, Baustellen oder Demonstrationen, sind zulässig, wenn sie rechtlich angeordnet sind. Grundsätzlich ist jeder Gemeingebrauch an die Einhaltung der öffentlichen Ordnung und an die Rücksichtnahme auf andere Benutzer gebunden, sodass privatnützige oder gewerbliche Zwecke regelmäßig einer gesonderten Erlaubnis bedürfen.

Wie unterscheidet sich eine erlaubnisfreie Nutzung im Rahmen des Gemeingebrauchs von einer erlaubnispflichtigen Sondernutzung?

Der Gemeingebrauch ist durch das Merkmal der Allgemeinzugänglichkeit und Zweckbindung definiert und erlaubt eine Benutzung öffentlicher Sachen im Rahmen ihres Widmungszwecks ohne ausdrückliche behördliche Genehmigung. Typischerweise gehört hierzu das Gehen auf öffentlichen Wegen, das Radfahren oder das Verweilen auf öffentlichen Plätzen. Im Gegensatz dazu liegt eine Sondernutzung immer dann vor, wenn die Nutzung über das gewöhnliche Maß des Gemeingebrauchs hinausgeht oder den Widmungszweck durch eine besondere Inanspruchnahme überschreitet. Hierzu zählen gewerbliche Nutzungen, temporäre Nutzungen für Bauarbeiten, das Aufstellen von Tischen und Stühlen durch Gastronomiebetriebe oder Werbung. Diese Nutzungen sind grundsätzlich erlaubnispflichtig und bedürfen einer behördlichen Sondernutzungserlaubnis. Rechtsgrundlagen hierfür ergeben sich aus § 8 Bundesfernstraßengesetz (FStrG), dem Straßen- und Wegegesetz der Länder und kommunalen Satzungen. Im Hinblick auf Haftungs- und Verantwortungsfragen ist es wesentlich zu unterscheiden, ob eine Nutzung noch Gemeingebrauch oder bereits als Sondernutzung zu qualifizieren ist.

Welche rechtlichen Folgen hat die Überschreitung des Gemeingebrauchs?

Die Überschreitung des Gemeingebrauchs stellt in rechtlicher Hinsicht eine unerlaubte Sondernutzung öffentlicher Sachen dar, die verschiedene Konsequenzen nach sich ziehen kann. Zunächst kann die zuständige Behörde die Einstellung oder Beseitigung der unzulässigen Nutzung anordnen. Dies geschieht in der Regel durch eine formelle Verfügung, oftmals verbunden mit der Androhung unmittelbaren Zwangs oder eines Zwangsgeldes. Zudem kann eine Ordnungswidrigkeit nach den jeweiligen Landes- oder Kommunalgesetzen vorliegen, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Im Schadensfall, d. h. wenn aus der unerlaubten Nutzung Schäden an öffentlichen Anlagen oder bei Dritten entstehen, können zudem zivilrechtliche Schadensersatzansprüche entstehen. Der Nutzer ist in einem solchen Fall gegebenenfalls verpflichtet, sowohl den entstandenen Schaden zu ersetzen als auch etwaige Sondernutzungsgebühren nachzuzahlen. In besonders schwerwiegenden Fällen kann die Behörde die Nutzung dauerhaft untersagen oder weitergehende Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit ergreifen.

Inwieweit haftet die öffentliche Hand bei Schäden im Rahmen des Gemeingebrauchs?

Im Rahmen des Gemeingebrauchs haftet die öffentliche Hand grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des Staatshaftungsrechts sowie dem Straßenverkehrsrecht. Ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die öffentliche Hand ist regelmäßig bei Verletzung von Verkehrssicherungspflichten (§ 823 BGB) gegeben, wenn etwa Straßen, Wege oder Plätze nicht in einem verkehrssicheren Zustand gehalten wurden und daraus Schäden resultieren. Allerdings besteht diese Haftung nur im Rahmen des Zumutbaren und Angemessenen. Nutzer müssen typische Gefahren und erkennbar zumutbare Risiken grundsätzlich selbst tragen und im Rahmen der Eigenverantwortung handeln. Bei außergewöhnlichen Risiken oder beispielsweise bei Überschreiten des Gemeingebrauchs (z. B. nicht genehmigte Sondernutzung) kann eine Haftung der öffentlichen Hand eingeschränkt oder ausgeschlossen sein. Im Gegensatz dazu besteht eine weitergehende Haftung seitens der öffentlichen Hand, wenn eine besondere Gefahrenlage bekannt war und keine entsprechenden Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden. Für spezielle Fälle regelt das Haftungsrecht des jeweiligen Bundeslandes weitere Voraussetzungen und Grenzen.

Welche Rechtsmittel stehen gegen Beschränkungen oder Untersagungen des Gemeingebrauchs zur Verfügung?

Gegen behördliche Beschränkungen oder Untersagungen des Gemeingebrauchs kann der Betroffene grundsätzlich Rechtsmittel einlegen. Hierzu zählen zunächst der Widerspruch nach den Verwaltungsgesetzen der Länder (§ 68 VwGO) sowie anschließend die Anfechtungsklage vor den Verwaltungsgerichten. Der Betroffene kann geltend machen, dass die Einschränkung rechtswidrig oder unverhältnismäßig ist. Während des Zwangsvollzugs kann zudem ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO) gestellt werden, um aufschiebende Wirkung zu erzielen. In eilbedürftigen Fällen kommt der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) in Betracht. Im Verfahren prüft das Gericht, ob die Maßnahme rechtmäßig und verhältnismäßig ist und ob das öffentliche Interesse gegenüber dem individuellen Nutzungsinteresse überwiegt. Ferner kann die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Satzung oder Verordnung im Verfahren inzident überprüft werden.

Wie wirken sich private Interessen Dritter auf den Gemeingebrauch aus?

Private Interessen Dritter werden im Rahmen des Gemeingebrauchs regelmäßig nur insoweit geschützt, als sie im Einklang mit dem öffentlichen Interesse stehen oder auf besonderen gesetzlichen Schutzvorschriften basieren. Grundsätzlich hat der Gemeingebrauch als Teil des öffentlichen Rechts Vorrang vor Einzelinteressen. Im Einzelfall können jedoch widerstreitende Nutzungsinteressen durch einschränkende Auflagen, zeitliche Beschränkungen oder vorgesehene Ausgleichsmaßnahmen geregelt werden. So kann etwa bei Nutzung von Grünflächen eine Abwägung mit Interessen an Wohnruhe oder Naturschutz erfolgen. Bestehen zugunsten Dritter spezielle Rechte – etwa Sondernutzungsrechte, Anliegerinteresse oder Schutzvorschriften (z. B. Denkmalschutz, Nachbarschutz) – sind diese in der Verwaltungspraxis bei der Zulassung oder Begrenzung des Gemeingebrauchs zu berücksichtigen. Auch bei wiederkehrenden Konflikten zwischen Gemeingebrauchern und Sondernutzern obliegt es der zuständigen Behörde, einen gerechten Ausgleich der Interessen unter Wahrung rechtlicher Vorgaben herzustellen.

Welche Rolle spielt die Widmung für den Umfang des Gemeingebrauchs?

Die Widmung ist der grundlegende rechtliche Akt, durch den eine Sache in den Gemeingebrauch überführt und ihr bestimmter Nutzungszweck festgelegt wird. Sie erfolgt durch einen Verwaltungsakt oder Gesetz und bestimmt Art, Dauer sowie den räumlichen Geltungsbereich des Gemeingebrauchs. Die Nutzung ist daher nur im Rahmen des durch die Widmung vorgegebenen Zwecks erlaubt. Beispielsweise können Straßen zur Nutzung durch den öffentlichen Verkehr gewidmet sein, während bei Parks oder Grünanlagen die Erholung im Vordergrund steht. Eine Nutzung, die dem Widmungszweck widerspricht, ist nicht vom Gemeingebrauch gedeckt und bedarf regelmäßig einer Sondernutzungserlaubnis. Änderungen, Einschränkungen oder Aufhebungen der Widmung (Entwidmung) bedürfen eines neuen Aktes oder einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Die genaue Festlegung des Widmungsinhalts und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ergeben sich regelmäßig aus den einschlägigen Fachgesetzen (z. B. Straßenrecht, Wasserrecht, Eisenbahnrecht) sowie aus den örtlichen Satzungen und Festsetzungen.