Legal Lexikon

Gemeinderat


Begriff und rechtliche Grundlagen des Gemeinderats

Der Gemeinderat ist das zentrale Entscheidungs- und Vertretungsorgan einer Gemeinde im deutschen, österreichischen und schweizerischen Recht. Er ist als demokratisch gewähltes Kollegialorgan konstituiert und übt maßgeblichen Einfluss auf die kommunale Selbstverwaltung aus. Der Gemeinderat steht im Mittelpunkt des lokalen Willensbildungsprozesses und übernimmt zahlreiche Aufgaben im Bereich der öffentlichen Verwaltung und Gestaltung des Gemeinwesens.

Definition und Rechtsstellung

Der Gemeinderat repräsentiert die Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde auf kommunaler Ebene und wird regelmäßig in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen gewählt. Seine Zusammensetzung, Aufgaben und Zuständigkeiten sind überwiegend in den jeweiligen Kommunalverfassungen, Gemeindeordnungen oder entsprechenden Landesgesetzen geregelt. In den Bundesländern sowie in Österreich und der Schweiz variieren die konkreten Bezeichnungen und Zuständigkeiten teils erheblich.

Organisation und Zusammensetzung

Wahl und Amtszeit

Die Mitgliederzahl des Gemeinderats richtet sich nach der Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde. Die Wahl des Gemeinderats erfolgt in einem festen Turnus – in Deutschland in der Regel alle fünf Jahre, in manchen Bundesländern auch alle sechs Jahre. Wahlberechtigt sind sämtliche Bürgerinnen und Bürger, die in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben und nach dem jeweiligen Kommunalwahlrecht wahlberechtigt sind.

Das Mandat der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte ist grundsätzlich ein Ehrenamt, für das eine besondere Vergütung meist nicht vorgesehen ist. Sitz- und Auslagenentschädigungen sind jedoch üblich.

Innere Organisation

Der Gemeinderat konstituiert sich nach der Wahl in einer ersten Sitzung, in der regelmäßig auch der Vorsitzende beziehungsweise Bürgermeisterin oder Bürgermeister bestätigt oder gewählt wird. Innerhalb des Gemeinderats können Ausschüsse gebildet werden, etwa für Finanzen, Bauen, Umwelt oder Soziales, um die Arbeitsteilung und die Beratung spezieller Sachfragen zu gewährleisten.

Fraktionen und Gruppen

Mitglieder können sich zu Fraktionen oder Gruppen zusammenschließen, um gemeinsam politische Ziele zu verfolgen und die Meinungsbildung zu organisieren. Die Fraktionen erhalten in der Regel besondere Rechte bei der Mitwirkung an der Geschäftsordnung, bei der Einbringung von Anträgen und bei der Besetzung von Ausschüssen.

Aufgaben und Befugnisse des Gemeinderats

Gesetzliche Kompetenzen

Die Aufgaben des Gemeinderats umfassen alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit nicht ausdrücklich andere Organe (z. B. Bürgermeister, Verwaltungsausschuss) gesetzlich zuständig sind. Nach dem Prinzip der Allzuständigkeit entscheidet der Gemeinderat insbesondere über folgende Kernbereiche:

  • Erlass, Änderung und Aufhebung von Satzungen (z. B. Hauptsatzung, Bebauungspläne, Abgabesatzungen)
  • Verabschiedung des Gemeindehaushalts
  • Festlegung von kommunalpolitischen Grundsätzen
  • Vergabe von Aufträgen und Investitionen
  • Bürgerbegehren und Bürgerentscheide
  • Bestellung und Abberufung weiterer ehrenamtlicher oder hauptamtlicher Mitglieder von Gemeindegremien

Kontrollfunktion

Der Gemeinderat überwacht die Ausführung seiner Beschlüsse und übt die Kontrolle über die Gemeindeverwaltung aus. Zu diesem Zweck kann er Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte geltend machen.

Mitwirkung bei rechtserheblichen Angelegenheiten

Bestimmte Geschäfte, wie der Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken, die Aufnahme von Krediten oberhalb einer bestimmten Grenze oder die Beteiligung an Unternehmen, bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung des Gemeinderats.

Anhörungs- und Beteiligungsrechte

Vor der Entscheidung über wichtige Angelegenheiten, insbesondere im Bereich der Bauleitplanung, können weitere Beteiligungsrechte vorgesehen sein, etwa Anhörungen von Bürgerinnen und Bürgern oder Fachstellen.

Rechtsstellung der Gemeinderatsmitglieder

Rechte und Pflichten

Die Mitglieder des Gemeinderats sind in ihrer Entscheidungstätigkeit an das Gemeinwohl gebunden und zur Verschwiegenheit über vertrauliche Angelegenheiten verpflichtet. Sie unterliegen bei der Ausübung des Mandats dem freien Mandat, das heißt, sie sind an Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Mitwirkungsverbot und Befangenheit

Mitglieder müssen sich in Angelegenheiten, die sie persönlich oder als Vertreter betreffen, der Mitwirkung enthalten (Mitwirkungsverbot). Die Gemeindeordnungen regeln die Voraussetzungen und das Verfahren zur Feststellung von Befangenheit.

Haftung und Versicherungsschutz

Im Rahmen ihrer Tätigkeit haften Gemeinderätinnen und Gemeinderäte bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung nach den allgemeinen Vorschriften. Die Gemeinden halten in der Regel hierfür entsprechende Versicherungen vor, die Schäden aus der Mandatstätigkeit abdecken können.

Arbeitsweise und Verfahren

Sitzungen und Beschlussfassung

Die Tätigkeit des Gemeinderats erfolgt vornehmlich in öffentlichen Sitzungen, die in regelmäßigen Abständen stattfinden. Die Einberufung, Leitung und Tagesordnung einer Sitzung obliegen in der Regel dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin. Über die in nicht öffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten ist Verschwiegenheit zu wahren.

Mehrheitsprinzip

Beschlüsse werden grundsätzlich mit Stimmenmehrheit gefasst. Satzungen und bestimmte grundlegende Beschlüsse können eine qualifizierte Mehrheit erfordern.

Geschäftsordnung

Der Gemeinderat gibt sich häufig eine Geschäftsordnung, in der Verfahrensfragen wie Redezeit, Antragstellung, Abstimmungsverfahren oder Bildung von Ausschüssen geregelt werden.

Verhältnis zu anderen Gemeindeorganen

Bürgermeister und Verwaltung

Der Bürgermeister ist meist Vorsitzender des Gemeinderats und zugleich Leiter der Gemeindeverwaltung. Damit hat er eine Doppelfunktion inne: Einerseits führt er die Beschlüsse des Gemeinderats aus, andererseits bereitet er sie als Vorsitzender vor und übt eine koordinierende Rolle im Zusammenwirken von Rat und Verwaltung aus. Teilweise bestehen daneben Verwaltungsausschüsse oder ähnliche Gremien, die bestimmte Aufgaben wahrnehmen.

Weitere Kommunale Gremien

Neben dem Gemeinderat können auch Ortschaftsräte, Bezirksbeiräte oder Bürgervertretungen existieren, deren Aufgaben und Kompetenzen gesetzlich oder durch Satzung umschrieben sind.

Rechtsschutz und Kontrolle

Aufsicht und Kontrolle durch die Kommunalaufsicht

Die Beschlüsse des Gemeinderats sowie einzelne Maßnahmen unterliegen der Kontrolle durch die Kommunalaufsichtsbehörden (z. B. Landratsamt, Bezirksregierung). Diese können im Rahmen der vorgesehenen Rechtsaufsicht einschreiten, wenn gesetzes- oder satzungswidrige Beschlüsse gefasst werden.

Bürgerliches Engagement

Bürgerinnen und Bürger haben verschiedene Möglichkeiten, auf die Arbeit des Gemeinderats Einfluss zu nehmen, etwa durch Petitionen, Bürgeranträge oder direktdemokratische Instrumente wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheide.

Internationale und länderspezifische Unterschiede

Das Grundprinzip des Gemeinderats als demokratisch gewähltes Kollegialorgan der Gemeinde findet sich im deutschen Sprachraum in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wobei die Bezeichnung und rechtlichen Rahmenbedingungen länder- und mitunter sogar regional unterschiedlich sind.

  • In Deutschland wird das Organ „Gemeinderat“ in Bayern seit 2009 auch „Stadtrat“ oder „Marktrat“ genannt, abhängig von der Gemeindeform.
  • In Österreich und der Schweiz existieren je nach Bundesland oder Kanton ebenfalls verschiedene Benennungen und teilweise abweichende Regelungen zu Wahl, Zuständigkeiten und Zusammensetzung.

Literaturhinweise und weiterführende Quellen

Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO)
Gemeindeordnung für Bayern (GO)
Kommunalverfassungen der Bundesländer
Kommunalverfassungsgesetze Österreichs (z. B. Gemeindeverfassungsgesetz)
Schweizerische Gemeindegesetze


Hinweis: Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die rechtliche Bedeutung, Funktion und Organisation des Gemeinderats im deutschsprachigen Raum. Für spezielle Einzelfragen empfiehlt es sich, die gültigen Gemeindeordnungen und Verfahrensordnungen der jeweiligen Länder oder Gemeinden zu konsultieren.*

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Wahl des Gemeinderats, und welche rechtlichen Grundlagen gelten hierfür?

Die Wahl des Gemeinderats ist in den jeweiligen Kommunalwahlgesetzen der Bundesländer geregelt, da das kommunale Wahlrecht in Deutschland Ländersache ist. Grundsätzlich erfolgt die Wahl direkt, frei, allgemein, gleich und geheim. Die Rechtsgrundlagen finden sich insbesondere in den Gemeindeordnungen und Kommunalwahlgesetzen, beispielsweise dem Kommunalwahlgesetz (KWahlG) und der Kommunalwahlordnung (KWahlO) des jeweiligen Bundeslandes. Wahlberechtigt sind in der Regel alle Deutschen sowie EU-Bürgerinnen und -Bürger, die am Wahltag das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten ihren Wohnsitz in der Gemeinde haben. Die Wahlperiode beträgt typischerweise fünf Jahre (in einzelnen Ländern auch vier oder sechs Jahre). Gewählt wird nach einem Listen- oder Personenwahlrecht, oft mit der Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens. Die Aufstellung der Wahlvorschläge sowie das Einspruchs- und Prüfungsverfahren der Wahlergebnisse sind detailliert gesetzlich geregelt, ebenso wie die Vorschriften für die Durchführung und Anfechtung der Wahl.

Welche Pflichten und Rechte haben Gemeinderatsmitglieder nach der Gemeindeordnung?

Mitglieder des Gemeinderats haben umfassende Mitwirkungsrechte und -pflichten, die in den Gemeindeordnungen (der jeweiligen Bundesländer, etwa §§ 30 ff. in der Muster-Gemeindeordnung) geregelt sind. Zu den Pflichten zählen Teilnahmepflicht an Sitzungen, Verschwiegenheitspflicht bezüglich vertraulicher Angelegenheiten und die Pflicht zur unparteiischen Amtsführung. Ratsmitglieder sind außerdem verpflichtet, auf mögliche Befangenheiten hinzuweisen und dürfen bei Mitwirkungsverboten (z.B. § 22 GO NRW) nicht an entsprechenden Beratungen und Abstimmungen teilnehmen. Zu den Rechten gehören das Antragsrecht, Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte, das Recht auf Rede und Stimmabgabe sowie der Anspruch auf Entschädigung in Form von Aufwandsentschädigungen oder Sitzungsgeldern. Darüber hinaus genießen Ratsmitglieder einen besonderen Schutz gegen Benachteiligungen wegen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit, beispielsweise im Arbeitsverhältnis.

Wie ist die Geschäftsordnung des Gemeinderats rechtlich verankert und was regelt sie?

Die Geschäftsordnung (GO) eines Gemeinderats ist eine nach den Bestimmungen der jeweiligen Gemeindeordnung (z.B. § 36 GO NRW) durch Beschluss des Gemeinderats erlassene Satzung. Sie ist ein autonomes Regelwerk, das im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die innere Organisation und die Verfahrensabläufe regelt. Die Geschäftsordnung bestimmt u.a. die Einberufung und Durchführung von Sitzungen, die Reihenfolge und Behandlung von Anträgen, die Redezeiten, das Abstimmungsverfahren, Regelungen zu Fraktionen, Ausschüssen sowie Ordnungsmaßnahmen gegen Ratsmitglieder. Sie stellt eine zwingende Handlungsgrundlage für alle Ratsmitglieder dar und ist bindend, soweit sie nicht gegen übergeordnetes Recht verstößt. Bei Verfahrensverstößen gegen die Geschäftsordnung kann dies unter bestimmten Voraussetzungen die Nichtigkeit von Ratsbeschlüssen begründen.

Welche rechtlichen Regelungen bestehen zum Ausschluss und zu Interessenkonflikten von Ratsmitgliedern?

Ratsmitglieder unterliegen nach den Gemeindeordnungen strengen Vorschriften bezüglich Befangenheit und Mitwirkungsverboten. Nach typischer Ausgestaltung wie in § 22 GO NRW oder entsprechenden Bestimmungen anderer Länder dürfen Ratsmitglieder in Angelegenheiten, bei denen sie selbst, nahe Angehörige oder von ihnen vertretene Dritte betroffen sind, weder beratend noch entscheidend mitwirken (Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit). Dies dient der Sicherstellung der Unparteilichkeit kommunaler Entscheidungen und ist aus rechtsstaatlichen Gründen zwingend. Die Pflicht, eine Befangenheit von sich aus anzuzeigen, ist gesetzlich geregelt. Wird ein Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot festgestellt, kann dies zur Anfechtbarkeit oder sogar zur Nichtigkeit eines Ratsbeschlusses führen.

Wie ist die Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen gesetzlich geregelt?

Die Gemeindeordnungen schreiben in der Regel eine grundsätzliche Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen vor (z. B. § 48 GO NRW: „Die Sitzungen des Gemeinderates sind öffentlich“). Dies stellt sicher, dass die kommunale Selbstverwaltung transparent, nachvollziehbar und demokratisch legitimiert bleibt. Hiervon gibt es Ausnahmen, insbesondere wenn das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner (z.B. Datenschutz, Personalangelegenheiten) eine nicht öffentliche Behandlung gebieten. Die Entscheidung über den Ausschluss der Öffentlichkeit wird in der Regel zu Beginn der Sitzung getroffen und protokolliert. Verstöße gegen das Öffentlichkeitsgebot können die Rechtmäßigkeit von Ratsbeschlüssen beeinträchtigen.

Welche Möglichkeiten des Rechtsschutzes gibt es gegen Gemeinderatsbeschlüsse?

Gegen Gemeinderatsbeschlüsse steht verschiedenen Beteiligten die Möglichkeit der Anfechtung offen. Die Kommunalaufsicht kann rechtswidrige Beschlüsse beanstanden und aufheben (§ 124 GO NRW). Darüber hinaus können unmittelbar und individuell betroffene Einwohner oder Dritte unter Umständen Kommunalverfassungsstreit oder allgemeine verwaltungsgerichtliche Klagewege beschreiten. Ratsmitglieder können im Rahmen des Organstreitverfahrens (kommunalrechtlicher Verfassungsstreit) unter bestimmten Voraussetzungen Beschlüsse anfechten, wenn sie in ihren Rechten aus der Gemeindeordnung verletzt sind. Hierbei sind regelmäßig Fristen (typisch: ein Monat) und besondere Formerfordernisse zu beachten. Insgesamt ist der Rechtsschutz gegen Ratsbeschlüsse durch ein abgestuftes Schutzsystem und die Fachaufsicht der Verwaltung umfassend geregelt.

Welche Rechte und Pflichten haben die Bürger im Verhältnis zum Gemeinderat?

Die Gemeindeordnungen räumen den Bürgern verschiedene Mitwirkungsrechte ein, darunter das Recht auf Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid (direktdemokratische Elemente gemäß § 26 ff. GO NRW). Zudem besteht das Recht auf Fragestunden, Anhörungen und das Petitionsrecht. Bürger haben Anspruch auf Auskünfte (Informationsanspruch) über die Tätigkeit des Gemeinderats, begrenzt durch Datenschutz und schutzwürdige Interessen Dritter. Pflicht ist insbesondere die Einhaltung der Ordnung und gesetzlichen Vorgaben im Verhältnis zu den Organen der Gemeinde, beispielsweise das Unterlassen der Störung öffentlicher Ratssitzungen. Verstöße können ordnungsrechtlich geahndet werden. Die Rechte der Bürger gewährleisten Transparenz und demokratische Kontrolle der gemeindlichen Selbstverwaltung.