Begriff und Rechtsstellung des Gemeindekirchenrats
Der Gemeindekirchenrat (kurz: GKR) ist das zentrale Leitungsorgan einer Kirchengemeinde im Bereich der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Er nimmt eine zentrale Stellung in der Organisation der evangelischen Kirchenverwaltung ein und erfüllt wesentliche Aufgaben im kirchlichen Gemeindeleben sowie in der Selbstverwaltung der Kirchengemeinde. Seine rechtliche Verankerung ergibt sich insbesondere aus den jeweiligen Kirchengesetzen der Landeskirchen sowie gegebenenfalls ergänzenden Satzungen und Ordnungen.
Rechtliche Grundlagen des Gemeindekirchenrats
Die genaue Ausgestaltung, Rechtsgrundlage und Kompetenzzuweisung für den Gemeindekirchenrat sind vor allem in den jeweiligen Kirchenverfassungen, Kirchenordnungen und Gemeindegesetzen der einzelnen Landeskirchen geregelt. Zu den maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen zählen:
- Kirchenverfassung (KV) der Gliedkirchen
- Kirchengemeindeordnungen (KGO)
- Wahlgesetze und Kirchengemeindewahlordnungen
- Weitere spezifische Rechts- und Durchführungsbestimmungen der Landeskirche
Zusammensetzung und Wahl
Der Gemeindekirchenrat besteht in der Regel aus gewählten Mitgliedern der Kirchengemeinde (Gemeindeglieder) sowie dem amtierenden Pfarrer oder der Pfarrerin als geborenes Mitglied. Die Anzahl der gewählten Mitglieder richtet sich nach den Bestimmungen der jeweiligen Kirchengemeindeordnung.
Wahlberechtigung und Wahlverfahren
Alle zur Kirchengemeinde gehörigen und das aktive Wahlrecht besitzenden Gemeindeglieder sind berechtigt, den Gemeindekirchenrat für eine festgelegte Amtszeit zu wählen. Die passive Wahlberechtigung ist häufig an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft, wie z.B. das Mindestalter, die Zugehörigkeit zur Gemeinde und die Wahrung bestimmter Lebensordnungen. Die Wahl erfolgt zumeist in geheimer Abstimmung nach den Grundsätzen demokratischer Mitwirkung.
Amtszeit und Mandatsverlust
Die Amtszeit beträgt in den meisten Landeskirchen zwischen vier und sechs Jahre. Endet die Amtszeit, bleibt der Gemeindekirchenrat bis zur Konstituierung eines neuen Rates geschäftsführend im Amt. Gründe für den Verlust des Mandats können unter anderem Amtsniederlegung, Tod oder Ausschluss gemäß den kirchlichen Bestimmungen sein.
Aufgaben und Kompetenzen des Gemeindekirchenrats
Die Aufgaben des Gemeindekirchenrats sind weitreichend und gesetzlich klar bestimmt. Er ist insbesondere verpflichtet, die Kirchengemeinde im Rahmen des geltenden Kirchenrechts zu führen und zu vertreten. Zu seinen wesentlichen Befugnissen und Pflichten gehören:
Spirituelle und gemeindliche Leitung
- Förderung und Wahrung des kirchlichen Lebens in der Gemeinde
- Organisation und Beaufsichtigung der gemeindlichen Gottesdienste, Kasualien und anderen kirchlichen Veranstaltungen
- Förderung der diakonischen Arbeit und des gemeindlichen Engagements
Verwaltungs- und Vermögensverwaltung
- Verwaltung des Vermögens der Kirchengemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts
- Entscheidung über die Verwendung finanzieller Mittel, Haushaltsplanung und Haushaltsführung
- Abschluss und Aufsicht über Miet- und Pachtverträge, Instandhaltung von Grundstücken und Gebäuden
Personalrechtliche Belange
- Mitarbeit bei der Auswahl, Einstellung und Entlassung von gemeindeeigenen Mitarbeitenden (z.B. Küster, Gemeindepädagoginnen, Verwaltungsmitarbeitende)
- Dienstaufsicht über das Personal der Kirchengemeinde nach Maßgabe der Verfassung und weiteren kirchlichen Vorschriften
Rechtliche Vertretung
- Vertretung der Kirchengemeinde im Rechtsverkehr, auch gegenüber staatlichen Behörden, Kommunen und anderen öffentlichen Trägern
- Führung der Rechtsgeschäfte der Gemeinde im Rahmen der Satzung und der Beschlüsse des Gemeindekirchenrates
Amtsführung, Beschlussfassung und Arbeitsweise
Der Gemeindekirchenrat trifft seine Entscheidungen in ordentlichen Sitzungen. Die Einberufung erfolgt durch den/die Vorsitzenden oder auf Antrag einer bestimmten Zahl von Mitgliedern. Die Sitzungen sind grundsätzlich nicht öffentlich. Der Gemeindekirchenrat ist zur Vertraulichkeit verpflichtet, insbesondere hinsichtlich personeller und vertraulicher Angelegenheiten.
Beschlussfähigkeit und Stimmrecht
Der Gemeindekirchenrat ist beschlussfähig, wenn die vorgeschriebene Zahl an Mitgliedern anwesend ist; dies ist meist die Mehrheit aller Mitglieder. Jedes Mitglied (einschließlich der Pfarrperson) verfügt über eine Stimme. Beschlüsse werden mit der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst. Ausnahmen und besondere Mehrheiten, etwa bei Vermögensangelegenheiten, können durch kirchengesetzliche Regelung erforderlich sein.
Protokollierung und Kontrolle
Über die Sitzungen des Gemeindekirchenrates werden Protokolle geführt, die von den Mitgliedern genehmigt und unterzeichnet werden. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften unterliegt der Aufsicht durch das zuständige Kirchenamt oder den Kirchenkreis.
Aufsicht und Rechtsstellung gegenüber übergeordneten kirchlichen Stellen
Der Gemeindekirchenrat übt seine Funktionen in eigener Verantwortung und im Rahmen der kirchlichen und staatlichen Vorschriften aus. Er unterliegt der Aufsicht durch die übergeordneten kirchlichen Stellen wie Kirchenkreisrat, Kreiskirchenamt oder Landeskirchenamt. Diese Aufsichtsinstanzen können den Gemeindekirchenrat anweisen, Maßnahmen zu ergreifen oder zu unterlassen, sofern dies kirchenrechtlich vorgesehen ist.
Rechtsbehelfe und Rechtsmittel
Gegen Entscheidungen des Gemeindekirchenrats können betroffene Gemeindeglieder oder Dritte, deren Rechte verletzt sind, unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsmittel nach den kirchenrechtlichen Bestimmungen einlegen, etwa durch Einlegung einer Eingabe oder Beschwerde bei zuständigen Aufsichtsorganen.
Besonderheiten und Abgrenzungen
Unterschied zu anderen kirchlichen Leitungsgremien
Der Gemeindekirchenrat ist von anderen Leitungsorganen innerhalb der Kirchengemeinde zu unterscheiden, etwa vom Kirchenvorstand (oft synonym, aber von Landeskirche zu Landeskirche unterschiedlich benannt), dem Presbyterium (im Rheinland, in Westfalen) oder vom Gemeindebeirat, der meist beratende Funktionen ohne Beschlusskompetenz erfüllt.
Öffentliche-rechtliche Stellung der Kirchengemeinde
Die durch den Gemeindekirchenrat verwaltete Kirchengemeinde ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtsfähigkeit ausgestattet. Dies verleiht dem Gemeindekirchenrat als Organ die Vertretungs- und Entscheidungsbefugnis für die gesamte Kirchengemeinde, einschließlich der Vermögens- und Personalverwaltung.
Literatur und Quellen
- Kirchenverfassungen und Gemeindegesetze der einzelnen Landeskirchen
- Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): Grundordnung und Muster-Kirchenverfassungen
- Rechtshandbücher der evangelischen Landeskirchen
- Veröffentlichungen der Landeskirchenämter und Synoden
Hinweis: Die konkrete Ausgestaltung und Kompetenzverteilung kann je nach Landeskirche und regionaler Kirchenordnung abweichen. Es empfiehlt sich die Heranziehung der einschlägigen Bestimmungen der jeweiligen Landeskirche für vertiefende und einzelfallbezogene Fragen.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist zur Wahl in den Gemeindekirchenrat wahlberechtigt und wählbar?
Zur Wahl in den Gemeindekirchenrat sind grundsätzlich alle Mitglieder der Kirchengemeinde berechtigt, die das 14. Lebensjahr vollendet haben und am Wahltag das aktive Wahlrecht besitzen. Die genaue Regelung ist in der jeweiligen Kirchenordnung oder dem Wahlgesetz der landeskirchlichen Körperschaft festgelegt. Wählbar, also für die Kandidatur zugelassen, sind meistens Gemeindeglieder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ihren Hauptwohnsitz innerhalb des Kirchspiels haben und seit einer bestimmten Zeit, oft ein Jahr, zur Gemeinde gehören. Personen, die unter bestimmten Einschränkungen stehen, z. B. aus standes- oder disziplinarrechtlichen Gründen bestimmte kirchliche Ämter nicht bekleiden dürfen, sind von der Wählbarkeit ausgeschlossen. Besondere Regelungen können zudem gelten für hauptamtliche Mitarbeitende der Kirchengemeinde, die aus Gründen der Interessenkollision mitunter nicht kandidieren dürfen. Die Gemeindeglieder sind durch die Kirchengemeinde über die Details der aktiven und passiven Wahlberechtigung rechtzeitig und transparent zu informieren.
Welche gesetzlichen Aufgaben hat der Gemeindekirchenrat?
Die gesetzlichen Aufgaben des Gemeindekirchenrates ergeben sich aus kirchlichen Verfassungsgesetzen, Kirchengesetzen und sonstigen Ordnungen. Er hat die rechtliche Gesamtverantwortung für die Verwaltung der Gemeinde, die Wahrnehmung des kirchlichen Vermögens, die Anstellung und Leitung des kirchlichen Personals, die Ausgestaltung von Gottesdiensten und religiösen Angeboten sowie die Erfüllung diakonischer Aufgaben. Der Gemeindekirchenrat beschließt insbesondere über den Haushalt, stellt Stellenpläne auf, entscheidet über bauliche Maßnahmen und ist darüber hinaus für die Einhaltung der kirchlichen Gesetze und Vorschriften innerhalb der Gemeinde zuständig. Zu seinen Aufgaben zählen auch die Beschlussfassung über die Aufnahme und Entpflichtung von Mitgliedern sowie die Vertretung der Gemeinde in rechtlichen Angelegenheiten.
Wie ist die Amtszeit des Gemeindekirchenrates und was passiert bei vorzeitigem Ausscheiden eines Mitglieds?
Die Amtszeit eines Gemeindekirchenrates ist in der Regel befristet und beträgt meist zwischen vier und sechs Jahren, je nach landeskirchlichem Recht. Eine Wiederwahl ist vielfach möglich, aber nicht unbegrenzt; hier bestehen oft Regelungen zur maximalen Dienstzeit. Scheidet ein Mitglied des Gemeindekirchenrates während der Amtszeit aus, erfolgt in den meisten Fällen eine Nachwahl oder eine Berufung gemäß den Vorgaben der jeweiligen Kirchenordnung. Wenn die Mindestzahl der Mitglieder durch das Ausscheiden unterschritten wird, ist unverzüglich eine Ergänzungswahl anzuordnen. Die genaue Vorgehensweise bestimmt die Kirchenleitung oder der Superintendent in Abstimmung mit dem Gemeindekirchenrat.
Welche rechtliche Verantwortung tragen die Mitglieder des Gemeindekirchenrates?
Mitglieder des Gemeindekirchenrates tragen eine treuhänderische und rechtliche Verantwortung gegenüber der Gemeinde und der Kirche insgesamt. Sie sind verpflichtet, ihre Aufgaben gewissenhaft, unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben. Rechtlich sind die Mitglieder dem Kollegialorgan des Rates gegenüber haftbar; insbesondere bei Vermögensschäden, Pflichtverletzungen oder Verstößen gegen geltende Gesetze, Ordnungen und Beschlüsse. Darüber hinaus gelten auch Haftungsregelungen aus dem kirchlichen Dienstrecht sowie subsidiär das kirchliche Aufsichtssystem, das bei Verstößen interne Disziplinarverfahren oder sogar kirchengerichtliche Schritte vorsieht.
Kann der Gemeindekirchenrat Beschlüsse alleine treffen oder muss eine kirchliche Aufsichtsbehörde zustimmen?
Nicht alle Beschlüsse des Gemeindekirchenrates sind endgültig. Für bestimmte Entscheidungen, insbesondere solche mit größeren finanziellen Auswirkungen (z. B. Immobilienverkäufe, Kreditaufnahmen, größere Baumaßnahmen), ist nach den Kirchengesetzen die Zustimmung der übergeordneten kirchlichen Aufsichtsbehörde, wie des Kirchenkreises oder der Landeskirche, erforderlich. Auch bei der Gemeindeordnung, bei Anstellung von Personal mit besonderer Verantwortung oder bei Satzungsänderungen ist vielfach ein Genehmigungsvorbehalt vorgesehen. Die konkrete Aufsichts- und Genehmigungsstruktur ist in den jeweiligen landeskirchlichen Regelwerken detailliert beschrieben.
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Arbeit des Gemeindekirchenrates?
Die Arbeit des Gemeindekirchenrates basiert auf unterschiedlichen rechtlichen Ebenen: An erster Stelle steht die jeweilige Kirchenverfassung der Landeskirche. Darauf bauen das Gemeindekirchenratsgesetz, die Geschäftsordnung des Gemeindekirchenrates sowie das Haushaltsrecht und Arbeitsrecht der Kirche auf. Ergänzend sind spezifische Verwaltungsvorschriften, Baurechte und Datenschutzbestimmungen einzuhalten. Diese Regelungen gelten verbindlich und gewährleisten, dass die Arbeit des Rates im Rahmen der gesetzlichen und kirchlichen Vorgaben erfolgt.
Wie kann ein Beschluss des Gemeindekirchenrates angefochten werden?
Gegen Beschlüsse des Gemeindekirchenrates kann innerhalb einer bestimmten Frist, häufig zwei Wochen ab Bekanntgabe, Einspruch eingelegt werden. Der Widerspruch hat in der Regel schriftlich zu erfolgen und muss sachlich begründet sein. Zuständig für die Prüfung und Entscheidung über den Widerspruch ist meist die kirchliche Aufsichtsbehörde des Kirchenkreises oder die Landeskirche. Im Streitfall kann eine Anrufung des zuständigen kirchlichen Verwaltungsgerichts erfolgen. Erfolgt der Widerspruch erfolgreich oder stellt das Gericht Rechtsverstöße fest, wird der angefochtene Beschluss aufgehoben oder zur erneuten Beratung zurückverwiesen. Alle Verfahrensgänge unterliegen den Bestimmungen des kirchlichen Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Welche Pflichten bestehen in Bezug auf Datenschutz und Verschwiegenheit?
Die Mitglieder des Gemeindekirchenrates unterliegen strengen Datenschutzregelungen, wie sie durch das Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland (DSG-EKD) oder entsprechende Regelungen anderer Landeskirchen vorgegeben sind. Personenbezogene Daten sind vertraulich zu behandeln, dürfen nur im Rahmen der rechtlichen Bestimmungen erhoben, verarbeitet und weitergegeben werden. Zudem besteht eine generelle Verschwiegenheitspflicht: Informationen, die im Zusammenhang mit der Arbeit des Gremiums bekannt werden, dürfen nicht unbefugt an Dritte weitergegeben werden. Verstöße gegen diese Pflichten können disziplinar- und zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen.