Begriff und rechtliche Grundlagen der Gemeinde
Die Gemeinde ist im deutschen Recht ein zentrales Element des kommunalen Verwaltungsaufbaus. Sie stellt die unterste Ebene der staatlichen Gliederung dar und ist damit Grundlage und Element des demokratischen und föderalen Staatsaufbaus. Gemeinden sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltungsgarantie, die in der Verfassung sowie in den Gemeindeordnungen der jeweiligen Bundesländer näher ausgestaltet sind.
Historische Entwicklung des Gemeindebegriffs
Die Ursprünge der Gemeinde liegen in frühmittelalterlichen Gemeinschaften, deren selbstverwaltete Strukturen sich im Laufe der Zeit zu rechtlich institutionalisierten Verwaltungseinheiten entwickelten. Mit Beginn der Neuzeit und der Herausbildung moderner Staatlichkeit wurden Gemeinden zunehmend Teil des öffentlichen Verwaltungsorganisationsrechts.
Verfassungsrechtlicher Rahmen
Die rechtliche Stellung der Gemeinden wird durch das Grundgesetz (GG) in Art. 28 Abs. 2 geschützt. Dort ist geregelt, dass Gemeinden das Recht auf Selbstverwaltung „im Rahmen der Gesetze“ besitzen. Dies umfasst „die Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ auf eigene Verantwortung. Die Selbstverwaltungsgarantie ist ein wesentlicher Bestandteil der bundesstaatlichen Ordnung Deutschlands.
Gemeindearten und kommunale Einteilung
Die rechtliche Bezeichnung und Ausgestaltung der Gemeinden variiert zwischen den Bundesländern. Folgende zentrale Gemeindearten lassen sich unterscheiden:
Einheitsgemeinde
Eine Einheitsgemeinde ist eine Gemeinde, die alle kommunalen Aufgaben selbstständig wahrnimmt. Sie existiert ohne weitere untergeordnete Ortsteile mit eigenen politischen Organen.
Verbandsgemeinde, Samtgemeinde und Verwaltungsgemeinschaft
In verschiedenen Bundesländern existieren Formen der interkommunalen Zusammenarbeit wie Verbandsgemeinden (z.B. Rheinland-Pfalz), Samtgemeinden (Niedersachsen) oder Verwaltungsgemeinschaften (Bayern, Sachsen-Anhalt). Sie bündeln bestimmte Aufgaben zum Zwecke effizienterer Aufgabenerfüllung.
Städte und Stadtgemeinden
Größere Gemeinden erhalten häufig den Status einer „Stadt“; das Stadtrecht wird dabei landesrechtlich geregelt. Städte genießen kein grundlegend anderes Rechtsregime, sondern zumeist eine erweiterte Aufgabenfülle (z.B. als kreisfreie Stadt).
Rechtsstellung und Aufgaben der Gemeinde
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Die Gemeinde ist eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts. Ihr wird ein abgegrenzter Teil des Staatsgebiets zugewiesen, auf dessen Gebiet sie öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Sie besitzt Rechtsfähigkeit und kann Träger von Rechten und Pflichten sein.
Selbstverwaltungsaufgaben
Die wichtigsten Aufgaben der Gemeinden sind die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“. Dazu zählen:
- Planungshoheit (Flächennutzungs- und Bebauungspläne)
- Daseinsvorsorge (Wasserversorgung, Abfallentsorgung, öffentlicher Nahverkehr)
- Bildung, Kultur, Sport und Freizeit
- Ordnung und Sicherheit im Rahmen der kommunalen Polizei- und Ordnungsbehörden
- Sozial- und Jugendhilfeaufgaben
Daneben können den Gemeinden durch Landesrecht weitere Aufgaben übertragen werden (z.B. Meldewesen, Standesamt).
Pflicht- und freiwillige Aufgaben
- Pflichtaufgaben: Aufgaben, zu deren Erfüllung die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist (z.B. Brand- und Katastrophenschutz, Bereitstellung von Grundschulen).
- Freiwillige Aufgaben: Aufgaben, zu deren Erfüllung sich die Gemeinde frei entscheiden kann (z.B. Bürgerhäuser, Schwimmbäder, Kulturförderung).
Aufbau- und Organisationsstruktur
Organe der Gemeinde
Das Grundmodell der Gemeinde sieht zwei Hauptorgane vor:
- Gemeinderat (bzw. Stadtrat): Vertretung der Bürger, entscheidendes Organ in Grundsatzangelegenheiten, gebildet durch Wahl.
- Bürgermeister (bzw. Oberbürgermeister): Vertretung der Gemeinde nach außen, Leitung der Verwaltung, entweder direkt gewählt oder vom Gemeinderat bestellt (landesrechtliche Unterschiede).
Zusätzlich können Ausschüsse gebildet werden, die sich mit speziellen Sachfragen befassen.
Verwaltung und Gemeindeverband
Die Verwaltung setzt die Beschlüsse der Gemeindeorgane um. In größeren Gemeinden besteht eine gegliederte Verwaltung mit Ämtern, Dezernaten und ggf. Eigenbetrieben.
Finanz- und Haushaltsrecht der Gemeinde
Finanzhoheit
Den Gemeinden steht nach dem Grundgesetz ein eigenes Steuererhebungsrecht (Kommunalsteuern) sowie ein Anspruch auf Zuweisungen und Umlagen zu. Wesentliche Einnahmequellen sind Grundsteuer, Gewerbesteuer und staatliche Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich.
Haushaltsführung
Gemeinden erstellen eigenständig Haushaltspläne, unterliegen dabei jedoch haushaltsrechtlichen Vorgaben des jeweiligen Landes. Sie haben ordnungsgemäß zu wirtschaften und Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben anzustreben.
Kontrollmechanismen und Aufsicht
Kommunalaufsicht
Gemeinden unterstehen der kommunalen Aufsicht durch das jeweilige Land. Ziel ist einerseits die Wahrung der Gesetzmäßigkeit, andererseits der Schutz der Selbstverwaltung. Die Aufsicht unterscheidet sich in:
- Rechtsaufsicht: Kontrolle auf Gesetzmäßigkeit des kommunalen Handelns
- Fachaufsicht: Kontrolle auch hinsichtlich der Zweckmäßigkeit (nur bei übertragenen Aufgaben)
Maßnahmen der Kommunalaufsicht reichen von Beanstandung über Ausspruch von Ersatzvornahmen bis hin zur Abberufung von Gemeindeorganen in seltenen Ausnahmefällen.
Bürgerbeteiligung und Rechtsweg
Mitwirkung der Bevölkerung
Die demokratische Legitimation der Gemeinde erwächst aus den regelmäßigen Wahlen der Vertretungsorgane. Zusätzlich existieren Instrumente der direkten Partizipation, wie Bürgerbegehren, Bürgerentscheid und Einwohnerfragestunde.
Rechtsschutz
Gegen rechtswidriges Handeln oder Unterlassen der Gemeinde besteht der Verwaltungsrechtsweg. Betroffene haben die Möglichkeit, Verwaltungsgerichte anzurufen.
Gemeinde im Bund-Länder-Verhältnis und internationale Aspekte
Verhältnis zu Bund, Land und Kreis
Gemeinden sind Teil der Länder und stehen in einem Stufenverhältnis zum Landkreis und Bundesland, das durch das Subsidiaritätsprinzip geprägt ist. Überörtliche Interessen werden oftmals durch Landkreise oder kommunale Spitzenverbände wahrgenommen.
Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung
Die Bundesrepublik Deutschland hat die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung (1985) ratifiziert, welche Grundprinzipien kommunaler Selbstverwaltung in den Mitgliedstaaten des Europarates verbindlich sichert.
Literatur und weiterführende Informationen
- Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat: Handbuch Kommunalrecht
- Kommunalverfassungen der Bundesländer
- Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
- Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung
Hinweis: Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht der rechtlichen Aspekte des Begriffs „Gemeinde“ in Deutschland. Die tatsächliche Ausgestaltung kann sich in Einzelpunkten zwischen den Bundesländern unterscheiden.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Aufgaben und Verpflichtungen hat eine Gemeinde nach dem Kommunalrecht?
Die Gemeinde ist gemäß Kommunalrecht ein selbstständiges, öffentlich-rechtliches Gebilde mit eigenen Aufgaben, Rechten und Pflichten. Zu ihren wichtigsten Aufgaben zählen die sogenannte Selbstverwaltungsangelegenheiten, darunter fallen die Bereitstellung öffentlicher Einrichtungen (z.B. Schulen, Kindergärten, Straßenbau, Wasser- und Abwasserversorgung), die Gewährleistung der örtlichen Sicherheit und Ordnung durch gemeindliche Polizeiverordnungen sowie die Ausweisung und Verwaltung von Baugebieten im Rahmen der Bauleitplanung. Gemeinden sind verpflichtet, ihr Vermögen wirtschaftlich zu verwalten und die öffentliche Daseinsvorsorge sicherzustellen. Überdies nehmen sie staatliche Aufgaben im Rahmen der sogenannten Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr, wie etwa die Durchführung von Wahlen oder die Bearbeitung von Melderegisterdaten. Die rechtlichen Grundlagen hierzu finden sich in den Kommunalverfassungen der Länder, insbesondere in den jeweiligen Gemeindeordnungen.
Welche Organe hat eine Gemeinde und wie ist deren rechtlicher Status geregelt?
Die Gemeinde verfügt in der Regel über zwei Hauptorgane: den Gemeinderat und den Bürgermeister. Der Gemeinderat ist das Hauptorgan der kommunalen Willensbildung und entscheidet über alle grundlegenden Angelegenheiten der Gemeinde. Seine Mitglieder werden nach demokratischen Prinzipien gewählt, ihre Rechte und Pflichten sind im jeweiligen Kommunalwahlgesetz und in der Gemeindeordnung festgelegt. Der Bürgermeister, als ausführendes Organ, vertritt die Gemeinde nach außen und führt die Geschäfte der laufenden Verwaltung; er wird je nach Landesrecht entweder direkt von den Bürgern oder vom Gemeinderat gewählt. Die rechtliche Stellung und die jeweiligen Kompetenzen dieser Organe sind in den Gemeindeordnungen der Länder detailliert geregelt, wobei insbesondere die Gewaltenteilung zwischen dem beschlussfassenden Gemeinderat und dem exekutiv tätigen Bürgermeister gesetzlich normiert ist.
Welche rechtlichen Möglichkeiten der Einflussnahme haben Einwohner und Bürger in Gemeindeangelegenheiten?
Einwohner und Bürger verfügen über verschiedene rechtsverbindliche Instrumente zur Mitwirkung an gemeindlichen Entscheidungen. Dazu zählen insbesondere das Antragsrecht, nach dem ein bestimmter Anteil der Einwohner verlangen kann, dass sich der Gemeinderat mit einem bestimmten Thema befasst (Bürgerantrag), sowie das Recht, einen Bürgerentscheid über bestimmte kommunale Angelegenheiten herbeizuführen (Bürgerbegehren). Darüber hinaus besteht ein Auskunfts- und Anhörungsrecht in Einzelfällen, zum Beispiel bei öffentlichen Gemeinderatssitzungen oder Anhörungen zu Bauleitplänen. Die Voraussetzungen, Quoren und Verfahrensschritte sind in den Gemeindeordnungen sowie in speziellen Satzungen der Gemeinden präzise festgelegt.
In welchem rechtlichen Verhältnis steht eine Gemeinde zu Kreis, Land und Bund?
Die Gemeinde ist im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland das unterste Glied der staatlichen Verwaltung. Sie unterliegt der Rechtsaufsicht des übergeordneten Landkreises beziehungsweise der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde des Landes, die sicherstellt, dass die Gemeinde im Rahmen der Gesetze handelt. Die Gemeinde besitzt zwar Selbstverwaltungsrecht, ist aber gleichzeitig an die Gesetze von Land und Bund gebunden. Eine direkte Weisungsmöglichkeit von Bund oder Ländern besteht in der Regel nicht, es sei denn, es handelt sich um Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung. Finanzielle und organisatorische Abhängigkeiten regelt vorrangig das Kommunalrecht der Länder.
Welchen rechtlichen Regelungen unterliegt das Satzungsrecht der Gemeinde?
Die Gemeinde ist kraft Gesetzes befugt, für die Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten Satzungen zu erlassen (Satzungsautonomie). Dieses Recht ergibt sich unmittelbar aus Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz sowie aus den Gemeindeordnungen der Länder. Satzungen bedürfen in der Regel eines Gemeinderatsbeschlusses, müssen öffentlich bekannt gemacht werden und dürfen nicht gegen höherrangiges Recht (Landes- oder Bundesgesetze) verstoßen. Typische Beispiele sind die Hauptsatzung, Bebauungspläne, Gebührensatzungen und Straßenreinigungsordnungen. Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit obliegt der Kommunalaufsicht. Verfahren und Formvorschriften für Satzungen regelt die jeweilige Gemeindeordnung detailliert.
Wie werden rechtliche Streitigkeiten mit oder gegen eine Gemeinde ausgetragen?
Rechtliche Auseinandersetzungen, in denen eine Gemeinde Partei ist, werden im allgemeinen vor den Verwaltungsgerichten ausgetragen, soweit es sich um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten handelt. Dies betrifft etwa Klagen gegen gemeindliche Bescheide oder Satzungen, aber auch Verpflichtungsklagen, wenn eine Gemeinde eine beantragte Amtshandlung unterlässt. Zivilrechtliche Streitigkeiten (z. B. aus Verträgen) werden wie gewöhnliche zivilrechtliche Klagen vor die ordentlichen Gerichte gebracht. Gegen rechtswidrige Handlungen der Gemeinde oder ihrer Organe kann, nach erfolglosem Verwaltungsverfahren (Widerspruch), Rechtschutz beim zuständigen Verwaltungsgericht beantragt werden. Die Gemeinde tritt vor Gericht als juristische Person öffentlichen Rechts auf.
Welche rechtliche Stellung hat die Gemeinde als juristische Person?
Die Gemeinde ist als juristische Person des öffentlichen Rechts Trägerin eigener Rechte und Pflichten. Sie kann klagen und verklagt werden, Verträge abschließen, Eigentum erwerben und verwalten. Durch ihre Beteiligung an privatrechtlichen Rechtsgeschäften (z. B. Kaufverträge, Gesellschaftsgründungen) agiert sie als Rechtssubjekt und unterliegt dabei grundsätzlich den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches, sofern keine öffentlich-rechtlichen Regelungen entgegenstehen. In allen öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, vor allem bei der Verwaltungshoheit, ist die Gemeinde eigenständig und handelt im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Die rechtliche Vertretung erfolgt durch den Bürgermeister oder eine beauftragte Person gemäß den Vorgaben der Gemeindeordnung.